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9. November 2012

Karl, Werner: Danger Zone – Science Fiction Stories

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tredition
ISBN13: 9783842400917
ISBN10: 3842400918
Kurzgeschichten, Science Fiction
1. Auflage 2011
Taschenbuch, 188 Seiten
[D] 13,49 €

Verlagsseite

Autorenseite 

Obwohl ich an und für sich keinem Genre gänzlich abgeneigt bin, zählte und zählt Science Fiction nicht zu meinen Favoriten. Zu abgehoben sind mir viele der Geschichten, zu schleimig habe ich manchen Alien im Hinterkopf (warum das immer so zugehen muss, ist mir ein absolutes Rätsel). Von den für mich abstrus, weil nicht nachvollziehbar, wirkenden technischen Erklärungen, die man darin oft findet, ganz zu schweigen. 

Nichtsdestotrotz bin ich 2010 auf Werner Karl, den Verfasser der vor mir liegenden, in Buchform abgefassten Kurzgeschichten, gestoßen. Der in Nürnberg geborene Autor lebt heute in Bayern. Hauptberuflich in der Druckindustrie tätig, widmet er seine Freizeit seit fast einem Jahrzehnt der Liebe zum Schreiben. In seiner Funktion als Chefredakteur von buchrezicenter.de verfasst er Buchbesprechungen zu den Genres Fantasy und Science Fiction. Daneben schreibt er jedoch auch eigene Kurzgeschichten und Romane.  

Seine Liebe zu diesem Genre entstand in den 1970ern, als er sich die Folgen einer US-TV-Serie mit dem Namen „The Twilligt Zone“ im Fernsehen ansah. Die in Danger Zone – Science Fiction Stories enthaltenen Kurzgeschichten sind denn auch als Hommage an diese Serie zu sehen. Darauf wird sowohl im Vorwort als auch auf der Buchrückseite hingewiesen. Wie man dem Inhaltsverzeichnis entnehmen kann, enthält das Buch eine Auswahl von zwölf Geschichten, die in den Jahren 1997 bis 2010 entstanden sind. Vier von Ihnen wurden in SF-Fanzines (SOLAR-X bzw. SOLAR-TALES) veröffentlicht, ein Teil im Rahmen von Wettbewerben auf diversen Websites eingestellt. Drei von ihnen sind ausschließlich in Danger Zone – Science Fiction Stories zu lesen.  

Wer die Geschichten nicht mühsam im Netz zusammensuchen möchte, gleichzeitig aber keinen Wert auf ein gedrucktes Buch legt, kann die zwölf Geschichten auch in Form eines E-Books bei tredition erwerben (ISBN 9783868508048). 

Da ich um Sci-Fi jedoch im Allgemeinen einen Bogen mache, weil mir vor dem Kauf grundsätzlich entgeht, ob es sich um Hardcore-Sci-Fi handelt oder nicht, war mir keine der Geschichten bekannt, als der Autor mich im April 2010 fragte, ob ich nicht Interesse daran hätte, eine Illustration zu der einer oder anderen anzufertigen. Und da mein zweiter Vorname statt Kerstin eigentlich Neugier heißen müsste, vertiefte ich mich kurz darauf in die mir zu diesem Zweck überlassenen Leseproben. 

Gleich vorab: Ich wurde nicht enttäuscht. Angenehm überrascht trifft es da eher.

Die erste Geschichte handelt vom ersten Menschen. In Anlehnung an die Bibel tritt er quasi im Paradies auf. Doch davon handelt die Geschichte nur bedingt, widmet sie sich doch eher der Entstehung seines Bewusstseins auf dem Weg ins Leben. Und, wieder in Anlehnung an die Akzeptanz einer göttlichen Macht, geht das Buch auch zu Ende; mit einer Geschichte, um einen kosmischen Neubeginn, dem zunächst einmal die Zerstörung von Bestehendem zugrunde liegt. 

Dazwischen geht es in Danger Zone – Science Fiction Stories natürlich auch um Raumsoldaten und Weltraumschlachten. Glücklicherweise (für mich) ergeht sich der Autor dabei jedoch nicht in zu ausführlichen Beschreibungen futuristischer Technologie oder wissenschaftlicher Annahmen. Und erfreulicherweise (ebenfalls für mich) handelt auch nur der kleinste Teil der zwölf Geschichten speziell davon. 

In dem ewigen Kampf zwischen Gut und Böse lässt er seine Figuren, ob nun der Menschheit oder anderen Spezies angehörend, eher über diverse Dinge philosophieren. Man findet Geschichten über Neubeginn und Rettung. Solche, die von Ängsten und Hoffnungen handeln, von geschenkter Unsterblichkeit und übernatürlichen Fähigkeiten. Natürlich kommen Außerirdische vor, nur nicht unbedingt so, wie ich sie mir bisher vorgestellt hatte. Es ist eher wie bei dem Spruch, dass man im Ausland eben auch zum Ausländer wird. Es wimmelt von Mutanten in Form von Emphaten und Gestaltwandlern, nicht zu vergessen sind die jene, die telepathische Fähigkeiten haben, die manipulieren oder sich mal eben kurz teleportieren könnten. Sie alle haben mehr oder weniger tiefe Gefühle, können Schmerz empfinden und Angst. Für viele von ihnen wird neben dem Raum auch die Zeit zu einem relativen Begriff.  

Kurzweilig, stellenweise humorvoll, beschreibt Karl Welten und Wesen, die trotz ihrer fantastischen Existenz authentisch wirken. Welten und Wesen, die sofort klare Bilder vor meinem inneren Auge entstehen ließen. Nicht für alle geht die jeweilige Geschichte gut aus. Es gibt Opfer, die nicht per se gut sind, und Täter, deren Motivation nicht immer aus dem Bösen heraus entsteht, manches geschieht aus Missverständnissen heraus. Endgültig ist das, was passiert, jedoch meistens und für die Menschheit sieht es schlecht aus. 

Wie man all dies sieht, überlässt der Autor einem selbst. Seine Geschichten haben einen durchaus nachdenklich machenden Touch. Irgendwie scheint der Wunsch darin verwoben, durch das Drücken einer Art Reset-Taste, den momentanen, realen Verlauf durchbrechen zu wollen. Die Einsicht, dass der Mensch das größte Problem darstellt. Dass Angriff die beste Verteidigung sein soll, wird in mehr als einer Geschichte klar, während gleichzeitig durchklingt, dass es auf die Betrachtungsweise ankommt, ob man das nun gut oder weniger gut empfindet.  

Es gibt den einen oder anderen kleinen Logikfehler, die eine oder andere Länge. So ergeht sich der Protagonist in der Geschichte Spring in fast zu ausführlichen Überlegungen. Diese wirken zudem etwas weit hergeholt. Andererseits: Wer weiß schon, wie wir uns tatsächlich in so einem Fall verhalten würden. Der Schreibstil von Werner Karl ist klar und flüssig, die Kapitel mehr oder weniger kurz gehalten. Fast durchweg alle haben sich recht schnell lesen lassen.  

Etwas störend hat in dem Buch der jeweilige Copyright-Vermerk am Ende der jeweiligen Geschichte auf mich gewirkt. Das hätte in meinen Augen nur notgetan, wenn mehrere Autoren ihre Beiträge in dem Buch veröffentlicht hätten.

Fazit: Kurzweilige Lektüre für SiFi-Fans und solche, die es werden wollen. Und für LeserInnen wie mich: Die neugierig in alle Genres spähen und dabei immer wieder Lesenswertes finden – wie beispielsweise Werner Karls Danger Zone – Science Fiction Stories, denen ich trotz kleinerer Schwächen vier von fünf Punkten geben möchte.  

Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

4. August 2012

Grodstein,_Lauren: Die Freundin meines Sohnes

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Verlag: Klett-Cotta
Originaltitel: A friend of the family
Aus dem Englischen übersetzt von Silvia Morawetz
ISBN: 9783608938968
ISBN: 3832161465
Gebundene Ausgabe: 350 Seiten
[D] 21,95 €
1. Auflage Februar 2011
 

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Viel findet sich nicht im Netz, wenn man Lauren Grodstein eintippt. Die in New Jersey geborene und aufgewachsene Autorin lebt noch heute mit ihrem Ehemann und Sohn dort. Sie unterrichtet kreatives Schreiben und Literaturwissenschaft in Camden. Ihre bisherigen Arbeiten wurden bereits in mehrere Sprachen übersetzt. So auch ihre Novelle „A friend of the familiy“, die im Februar letzten Jahres von Klett-Cotta auf den deutschen Markt gebracht wurde.

Eigentlich könnte alles perfekt sein. Der Internist Pete Dizinoff hat Elaine geheiratet, die er liebt. Die beiden haben Alec, ein Wunschkind, mittlerweile mehr oder weniger erwachsen.  Das eigene Haus, die eigene Praxis, genügend Geld also, und dazu noch Joe und Iris, gute Freunde aus Studienzeiten in der Nachbarschaft. 20 Jahre heimeliges Mittelstands-Klischee in den Vereinigten Staaten.

Nun ja, nicht ganz. Denn Wunschkind hin oder her – Alec ist nicht unbedingt der Schwiegermuttertraum schlechthin. Trotz aller Förderung schafft er die Schule mehr schlecht als recht, kommt mit Drogen in Kontakt, weiß nichts mit sich anzufangen, wirft ein teures Studium hin und will Künstler werden. Was macht der stolze Vater? Er knirscht mit den Zähnen und versucht dennoch die perfekte Grundlage für die Zukunft seines Sohnes zu schaffen.

Das Cover (blauer Himmel mit nur ein paar Wölkchen, ein schlichtes Haus, davor zwei männliche Figuren) ist schlicht  und ich hätte beim Betrachten desselben ebenso wenig wie durch den Titel herausgefunden, worum es geht. Denn es geht weniger um besagte Freundin, als um Petes Leben, in dem alles auseinander fällt. Oder vielmehr alles auseinanderfiel. Sein guter Ruf als Arzt, seine Freundschaften, seine Ehe, seine Familie – alles ist anders und nichts scheint gut. Mit Die Freundin meines Sohnes lässt Lauren Grodstein ihre Leserschaft auf Petes Leben zurückblicken, lässt sie mit ihm auf ein Urteil warten und erfahren, was zum abrupten Ende dieses ach so amerikanischen Idylls führte. Lässt ihn erzählen, was passiert ist.

Hier offenbarte sich für mich ein kleines Manko. Pete stellt sich bereits mit der Schilderung seiner aktuellen Lebenssituation voller Selbstmitleid und wenig sympathisch vor. Das hätte mich das Buch beinahe weglegen lassen. Nach einem anschließenden ausführlicheren Rückblick auf die Umstände, die zu eben dieser Situation führten, lässt die Autorin ihre Hauptfigur an diesen Anfang anknüpfen und beendet dadurch die Geschichte. Das eine oder andere konnte man sich jedoch bereits nach dieser anfänglichen Vorstellung denken.

Grodsteins Hauptfigur offenbart sich von Anfang an also wie bereits erwähnt nicht unbedingt als der sympathisch-nette Typ von nebenan. Vielmehr wird schnell deutlich, dass er ein Kontrollfreak ist, der letztlich nicht einmal vor Gewalt zurückschreckt, um seinen Willen durchzusetzen. Er ist hochmütig und in seiner Hochmütigkeit falsch, da er beispielsweise auf seine Freunde und deren Leben herabblickt. Doch warum? Weil er grundsätzlich ein schlechter Mensch ist?

Sicher nicht. Pete ist tatsächlich vielleicht nicht der sympathisch-nette Typ von nebenan. Aber er könnte nebenan oder sogar mit uns wohnen. Seine Taten und Denkweisen entstehen aus dem Wunsch, alles richtig zu machen. Seine Motivation ist die Liebe. Nicht zur Freundin seines Sohnes, wie man jetzt vielleicht vermuten könnte, sondern die zu seinem Sohn. Der eine oder andere mag das aus seinem Leben eher anders herum kennen (Mutter kann Sohn nicht loslassen, Vater die Tochter). Doch Alec ist Petes Wunschkind von seiner Traumfrau Elaine. Für Alec wünscht er sich ein gutes und sicheres Leben. Da passt es überhaupt nicht, dass der sich ausgerechnet in die in den Schoß ihrer Familie zurückkehrende Laura verliebt. Sie ist einige Jahre älter als Alec, die Tochter von Petes eingangs erwähnten guten Freunden Joe und Iris gleich nebenan. Ausgerechnet Laura, die mit 17 unbemerkt schwanger wurde, das Baby in einer Toilette zur Welt brachte und tötete. Ausgerechnet Laura, die danach erst in der Psychiatrie und dann in der Fremde verschwand. Ausgerechnet Laura – genauso interessant wie labil – verdreht Alec völlig den Kopf. Pete versucht alles, um diese Beziehung zu unterbinden. Darüber vernachlässigt er seine Tätigkeit als Arzt. Prompt unterläuft ihm ein fataler und tödlicher Fehler und er landet vor Gericht. Darüber setzt er seine Freundschaft mit Lauras Eltern aufs Spiel, weil er etwas anrührt, das jahrelang nur oberflächlich übertüncht wurde, um den Schein der Normalität zu wahren. Ein Ereignis, das nie richtig aufgearbeitet wurde. Seine Ehe, seine Familie, sie gerät allein dadurch in Gefahr, weil er nicht davor zurückschreckt, auf seiner Sicht der Dinge zu beharren. Während Petes Frau Elaine Mitleid für Laura empfindet, Alec die Welt nicht mehr versteht, Iris für ihre eigene Tochter kämpft, obwohl sie sie für damals hasst, ist sie in Petes Augen einfach eine Mörderin und gefährlich. Sie ist nichts für seinen Sohn, der auch noch verkündet, mir ihr nach Paris gehen zu wollen. Um das zu verhindern, sucht Pete ein letztes Gespräch mit Laura. Es eskaliert und Laura dreht den Spieß um. Sie wehrt sich nicht nur gegen Petes Versuche sie von Alec zu trennen, sie bringt ihn in Misskredit.

Was grundsätzlich wie ein gutbürgerliches amerikanisches Idyll anmutet, erweist sich sukzessive als oberflächlich gut funktionierende Farce mit etlichen schwelenden Konflikten und jeder Menge Unverständnis. Denn natürlich gab es einen Grund, warum Laura die damalige Schwangerschaft verschwieg. Natürlich gibt es auch einen Grund, warum Alec so ist wie er ist. Und natürlich gibt es 1.000 Gründe den Schein zu wahren, die allesamt wichtiger scheinen, als die wirklichen Probleme. Pete und seine Familie sind bei weitem nicht die Vorzeigetypen, als die er sich und sie selbst gerne sieht. Er wirkt stellenweise arrogant und in seinem Eifer alles richtig zu machen wie bereits erwähnt wenig liebenswürdig. Doch genau das macht ihn wiederum menschlich – wer ist schon perfekt?

Die Autorin springt zwischen den Figuren hin und her, erzeugt durch Andeutungen Spannung – die allerdings durch die eine oder andere langatmige oberflächliche Passage gebrochen wird. Ihre Charaktere sind nicht wirklich diffus, aber auch nicht sonderlich klar herausgearbeitet. Man erkennt durchaus Laura als gleichermaßen schwach wie berechnend. Pete ebenso fatalistisch hilflos wie fanatisch. Dennoch scheint hier etwas zu fehlen. Hinzu kommt, dass der Lesefluss etwas ins Stottern kommt, weil Grodstein in Petes Schilderung der Vorfälle auch noch Zeitsprünge eingebaut hat und auf klitzekleine Nebenschauplätze ausweicht, die nicht zwingend für die Geschichte gewesen wären. Und doch tragen auch diese Abschweifungen, in denen Pete auf an und für sich nebensächliche Erfahrungen seines Lebens eingeht, dazu bei, seine Sorge und Liebe zu Alec herauszuarbeiten.

Und keines von Petes Problemen wirkt so erfunden, dass man den Kopf schütteln müsste. Alle muten, genau wie seine aus Verzweiflung entspringenden Handlungen und die daraus resultierenden Folgen, real und nachvollziehbar an. Grodsteins Roman zeigt, dass Geld und gut situierte Verhältnisse nicht vor Fehlentscheidungen und Problemen bewahren und sie bisweilen nicht nur nicht abmildern, sondern sogar verstärken können. Die gesamte Entwicklung von Petes Geschichte ist nicht immer akzeptabel aber durchaus nachvollziehbar und gerade dadurch erschreckend. Man stellt sich zwangsläufig die Frage, wie weit sich Eltern in das Leben ihrer erwachsen werdenden Kinder einmischen dürfen. Inwieweit sie sie vor Fehlern bewahren dürfen. Was falsch verstandene Liebe und was natürliches Schutzbedürfnis ist.

Fazit:

Die Freundin meines Sohnes lässt sich trotz kleinerer Schwächen leicht lesen, ohne zum Lesequickie zu verkommen. Es ist nicht das spannendste Buch, das ich in letzter Zeit gelesen habe, und hat auch eine eher negative Grundnote. Dennoch konnte ich es nicht einfach so weglegen. Es zog mich langsam aber unaufhörlich bis zum Schluss. Denn durch die Nachvollziehbarkeit bestimmter Handlungen und Gedanken blieb bis zur letzten Seite der Wunsch, zu erfahren, wie die Sache ausgeht. Daher möchte ich Grodsteins Roman vier von fünf Punkten geben.

Copyright © 2012 Antje Jürgens (AJ)

30. März 2011

Brendle, Christine (Hg.): Unsere Welt 2050

Filed under: Erzählung, Novelle, Kurzgeschichte — Ati @ 19:18

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Christine Brendle (Hg.)
Unsere Welt 2050

C. M. Brendle Verlag
ISBN 9783981249750
ISBN 3981249755
Zeitgenössische Literatur, Anthologie
Erste Auflage  2011
Umschlaggestaltung Gute Aussicht Kommunikations GmbH
Taschenbuch, 165 Seiten
[D]  12,50 €


Verlagsseite 

 

War es das Cover, das mich neugierig machte, oder eher die Zeile „Ein Verlag macht Schule – Schüler machen ein Buch“? Ich weiß es nicht. Vielleicht war es auch die Mischung aus beidem. Manchmal genügen Kleinigkeiten um meine Neugier zu wecken. Bei Unsere Welt 2050 wurde sie geweckt und das, obwohl das matt glänzend gehaltene Cover in dunkelblau mit der gewählten (überwiegend) grünen Schrift etwas trocken und fachbuchartig wirkt. Das Motiv vorne zeigt eine Weltkugel, deren Ozeane und Länder mit Worten ausgefüllt ist, die bereits einen ersten kleinen Einblick auf das bieten, was im Buch kommt.

 

Zusammen mit der Verlegerin Christine Brendle haben der Lehrer Bertram Weber und vierzehn Schülerinnen und Schüler der Walther-Groz-Schule in Ebingen die Idee zu diesem Buchprojekt verwirklicht. Was 2010 begann, liegt nun vor und kann im Buchhandel bezogen werden. Bücher sind nicht nur etwas Kostbares und Wundervolles, sie verlangen auch einiges an Herzblut und innerer Überzeugung, wenn sie je fertig werden sollen. Die Schüler und Schülerinnen haben beides bewiesen. Sie haben das Projekt mit geplant, aktiv daran gearbeitet und alles umgesetzt. Sie dürften heute neben einer entsprechend erhaltenen positiven Bewertung für ihr Abitur ein Buch auch mit anderen Augen als noch vor ein paar Monaten betrachten. Es finden sich kleinere Anfängerfehler (eine Geschichte wird etwa wiederholt, was vermutlich kein Stilmittel des Autors ist) darin, doch angesichts der Tatsache, dass vorwiegend Laien beteiligt waren, ist die Umsetzung gut gelungen; vor allem, wenn man den Zeitrahmen betrachtet, in dem das Projekt verwirklicht wurde.

 

Aber zum Inhalt. Mit seinen 175 Seiten im A5-Format hält man ein Buch, dass schnell gelesen sein müsste, zumal die Kapitel nur wenige Seiten, einmal gar nur zwei Absätze umfassen. Doch die gewählte Thematik macht es zu einem Buch, das man zwischendurch immer wieder weglegt, um nachzudenken.

 

Schülerinnen und Schüler haben nicht nur zur Veröffentlichung der achtundzwanzig darin enthaltenen Geschichten und eines Gedichtes beigetragen – ein Teil wurde auch von Schülern geschrieben. Neben ihnen kommen auch andere, bekannte oder weniger bekannte Autoren zu Wort. Dazu gehören, außer Politikern und einer Bankerin, beispielsweise auch eine Hotelfachfrau oder ein Pfarrer a. D, Neulinge wie solche, die schon Veröffentlichungen vorweisen können.

 

Doch ob nun Frischling oder Profi, ob nun sechzehn oder sechsundachtzig – alle Autoren beschäftigt ein Thema: Unsere Welt 2050. Nicht einmal mehr ganze neununddreißig Jahre trennen uns momentan noch davon. Und in Anbetracht der Tatsache, wie rasant sich die Welt innerhalb der letzten 40 Jahre verändert hat, stellt sich berechtigterweise die Frage, wie die Welt 2050 gestaltet sein wird. Bunt oder farblos, trostlos oder hoffnungsvoll, brutal oder friedlich?

 

Die Art und Weise wie etwa der 1991 geborene Keith Petri darüber denkt, dürfte dem einen oder anderen älteren Leser kleinere Schluckbeschwerden verursachen. Seine Vision sieht düster und dystopisch aus; ist eine kleine Ohrfeige für die ignorante Gesellschaft im Hier und Jetzt; artikuliert eher eine Zukunftsangst, als eine Vision. Es gibt Science-Fiction, weitere Dystopien und fantastische Geschichten, wie die von Kristina Kesselring, in der die Menschen der Zukunft ihre Natur anderen Wesen angleichen können. Es gibt trotz der bedenklichen Vision eher Ironisch-Heiteres, wie das Gespräch zwischen einer Großmutter und ihrer Enkelin von Simone Föhl. Dagegen wirkt die Geschichte der 17jährigen Jasmin Loose, die ihre Protagonistin gegen die Unsterblichkeit kämpfen lässt, durchweg kritisch. Und Kimmelmann macht mit Leuten, die nichts können, kurzen Prozess. Er zeigt mit dem ausgestreckten Zeigefinger im Ausklang seiner Agenda 2050 trotz der deutlich gemachten Gefahr auf die mangelnde Fähigkeit zur Veränderung – stellvertretend für all das, was man tagtäglich ändern könnte.

 

Das sind nur ein paar der Beiträge der Anthologie. Alle daraus auch nur kurz anzuschneiden, würde den Rahmen einer Buchbesprechung sprengen. Alle zu lesen, empfiehlt sich jedoch eindeutig. Die Geschichten zeigen, dass die Autoren sich ihrer Aufgabe mit Ideenreichtum gestellt und sie teilweise komplex umgesetzt haben. Einige Ideen bieten Raum für einen Roman. Manche Beiträge sind eher philosophisch, manche wirken hoffnungsvoll geträumt, andere kritisch und bestürzend. Es geht um das Leben nach einem Nuklearkrieg, um Reisen in die Zukunft; um Unsterblichkeit, Ressourcenverschwendung und Ressourcenknappheit; um Mangel und Überfluss; um perfekte Menschen und solche, wie die Natur sie geschaffen hat; um Überlebenstaktiken und Exodus; um Bildung, Freizeitgestaltung, Ängste und Nöte, kleine Freuden und Liebe. Mal blickt der Leser zurück in die Gegenwart, mal wirft er einen Blick in die Zukunft. Mal wirkt diese Zukunft real, mal wie ein schwer realisierbarer aber erstrebenswerter Wunsch, mal fiktiv. Die damit hervorgerufenen Emotionen sind genauso vielfältig, wie die Ansätze, die die Autoren verfolgen. Die aktuellen Bezüge zu einigen Beiträgen genauso erschreckend wie der stete Hinweis auf durchaus bekanntes, doch gern verleugnetes oder ignoriertes Wissen, weil bis jetzt immer alles doch irgendwie funktioniert hat.

 

Damit ist den Autoren zusammen mit den an der Verwirklichung des Projekts arbeitenden Schülerinnen und Schülern, ihrem Projektleiter und der Herausgeberin eine Mischung gelungen, die einerseits tatsächlich überraschend kurzweilig unterhält, andererseits zum Nachdenken anregt. Es ist eines der Bücher gelungen, die man durchaus schnell lesen kann, das aber mit Sicherheit wert ist, öfter in die Hand genommen und auch weitergereicht zu werden. Eines der Bücher, die man nicht einfach schnell wieder vergisst. Was vielleicht am meisten betroffen macht, sind die Geschichten der jüngsten Autoren. Der Umstand, wie viel Hoffnung die Welt im Heute ihnen offenkundig schon genommen zu haben scheint. Eine Welt, mit der die Menschheit nicht nur heute viel zu sorglos umgeht.

 

Tatsache ist, dass unser Verhalten sich ändern muss und Unsere Welt 2050 zeigt sehr deutlich warum. Nicht nur, um die darin angedeuteten Horrorszenarien noch irgendwie abzuwenden, sondern um Hoffnung in unseren Kindern zu erhalten, zu schüren oder gar wiederzuerwecken. Veränderung kann und muss im Kleinen beginnen. Vielleicht mit einer Geschichte aus diesem Buch.

 

Fazit

 

Ein schwieriges Thema sehr gut umgesetzt. Geschichten/Gedichte, die den Leser in eigenen Gedankengängen bestätigen und unterstützen, Widerworte hervorrufen und – das ist das Wichtigste – nachdenklich stimmen. Die gelungene Verwirklichung dieser Idee lässt auf weitere Projekte dieser Art hoffen. Für Unsere Welt 2050 möchte ich trotz der kleinen Anfängerfehler, die volle Punktzahl vergeben, da diese hier nicht ins Gewicht fallen (und selbst bei Vollprofis vorkommen können).

 

Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

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