Die Leselustige Ati's Rezi-Seite – Buchbesprechungen, Ankündigungen, etc.

5. April 2013

MARSCHALL, ANJA: FORTUNAS SCHATTEN

328_marschall_fortunasschatten.jpgDryas Verlag
ISBN-13: 9783940855329
ISBN-10: 3940855324
historischer Krimi
Ausgabe 02/2012
Taschenbuch, 300 Seiten
Neupreis [D]: 12,95 €
Verlagsseite
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AnjaMarschall © privat

AnjaMarschall
© privat

Seit mehreren Jahren lebt die gebürtige Hamburgerin Anja Marschall mittlerweile in Schleswig-Holstein. Während die Journalistin in ihrem zweiten Kriminalroman Cornwall als Handlungsort auswählte, schuf sie nach eigenen Angaben für ihr Romandebüt eine literarische Liebeserklärung an die Stadt Glücksstadt und vereinte darin ihr persönliches Faible für das 19. Jahrhundert und das Krimigenre.

Heraus kam der Roman Fortunas Schatten, der bereits im letzten Jahr von DYRAS verlegt wurde. Der Verlag widmet sich mit Die grüne Fee einer Buchreihe, die das 19. Jahrhundert als Handlungszeitraum umfasst. Dazu gehört unter anderem der kürzlich von mir besprochene Roman Winterkind. Der hat mir sehr gut gefallen, weshalb ich mich auch an den historischen Kriminalroman Fortunas Schatten wagte. Und der wiederum – obwohl alle Romane inhaltlich nichts miteinander zu tun haben und von verschiedenen Autorinnen verfasst wurden – hat mich neugierig auf den dritten Band dieser Buchreihe mit dem Titel Bruderliebe gemacht.

Mit dem Inhalt nicht wirklich etwas zu tun hat das, was mir an der jeweiligen Covergestaltung der Reihe so gefällt. Aber ich liebe solche Details, weshalb ich sie hier nicht unerwähnt lassen möchte. Allen drei Covern gemeinsam ist ein mittig in Hochglanz abgebildetes rundes Bilddetail. Bei Winterkind ist es der Blick aus einem runden Fenster in den verschneiten Park zu sein, bei Fortunas Schatten ein Blick auf einen Kompass und bei Bruderliebe, der Blick in einen Spiegel. Die Covermotive sind schlicht gehalten und passen gut zur Thematik der Bücher.

Doch zum Inhalt des gerade vor mir liegenden Romans. In Fortunas Schatten geht es um den Kapitän Hauke Sötje, der als Einziger das Unglück überlebte, dem seine Mannschaft samt seines Schiffes zum Opfer fiel. Obwohl er von jeglicher Schuld freigesprochen wurde, belastet ihn das Erlebnis moralisch. Bevor er seinem Leben ein Ende setzen kann, beginnen ihn Ereignisse zu überrollen. Er gerät in eine Intrige und wird in einen Mordfall verwickelt. Bald schon ist seine einzige Verbündete die Bürgerstochter Sophie Struwe, die jedoch zeitgleich mit eigenen Problemen kämpfen muss. Bei Versuch diejenigen zu entlarven, die offenbar sowohl Haukes als auch Sophies Probleme ausgelöst haben, kommen sich die beiden näher.

Anfangs machte mir der Schreibstil der Autorin zu schaffen, erschien mir etwas zu trocken, fast abgehackt. Doch nachdem ich mich daran gewöhnt hatte, gestaltete sich für mich die Beschreibung der Glückstädter Szenerie überraschenderweise alsbald so bildhaft, dass ich förmlich mit den einzelnen Figuren dort die Straßen durchschritt. Ebenfalls sehr gelungen empfand ich die Darstellung damaliger Sitten und Gebräuche. Die Haupt- und Nebenfiguren haben teils Eigenarten, die man nicht zwingend mögen muss, sind nicht glatt geschliffen. Detailbeschreibungen lassen jedoch durchweg alle lebensnah authentisch wirken.

Die Autorin rebelliert nach eigenem Bekunden selbst sehr gerne und das tut auch die sympathisch wirkende Sophie in Fortunas Schatten. Statt sich näher mit der ihr zugedachten Rolle als Ehefrau und Mutter zu befassen, versucht sie den Namen ihres Vaters reinzuwaschen. Dass sie sich dabei nicht so konform verhält, wie es sich gehört, kann man sich denken und bald schon hilft sie mutig und selbstbewusst auch Hauke, von dessen Unschuld sie überzeugt ist. Hauke selbst zeigt sich intelligent, eher introvertiert und mit seinen Schuldgefühlen genauso sympathisch-interessant, wie Sophie oder alle anderen. Fast gebrochen und irgendwie hilflos, dann wieder geistreich, gerissen, smart und raffiniert. Das machte es mir leicht, mit ihnen zu fühlen. Dabei geht es gar nicht um so überschwängliche Gefühle, manches wirkt norddeutsch kühl, ohne kalt zu sein.

Die kurz gehaltenen Kapitel beginnen mit Artikelzitaten der Glückstädter Fortuna. Die darin erzählte Geschichte ist eigentlich recht schlicht. Doch es kommt ja bekanntlich darauf an, wie etwas erzählt wird.

Marschall verwebt historische Begebenheiten und die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbrüche jener Zeit, mit ein wenig Spionage und Intrigen und einer sich dezent anbahnenden Beziehung zwischen Sophie und Hauke. Ein Teil der Figuren hat tatsächlich gelebt, wie man dem Buch ganz hinten entnehmen kann. Das alles geschieht auf atmosphärisch dichte, unterhaltsam-spannende Art und Weise. Durch geschickt platzierte Andeutungen setzt sie das Gedankenkarussell ihrer LeserInnen in Gang, ohne zu viel zu verraten.

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Nach anfänglichen Schwierigkeiten las ich zunehmend neugierig auf das Ende weiter und war enttäuscht, als ich auf der letzten Seite ankam – weil ich schon fertig war. Lesestoff für ein paar gemütliche Lesestunden, der nach einer Fortsetzung ruft, die (wenn ich das richtig mitbekommen habe) aber auch durchaus schon geplant ist.

 

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

17. März 2013

ASHLEY, JENNIFER: DAS WERBEN DES LORD MACKENZIE – Highland Pleasures Band 02

Filed under: Belletristik,Buch- & Sammelreihe,Historisch,Liebe,Roman — Ati @ 19:51

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Originaltitel: Lady Isabella’s Scandalous Marriage
übersetzt von Susanne Kregeloh
LYX
ISBN-13: 9783802588884
ISBN-10: 3802588886
historischer Liebesroman
1. Auflage 03/2013
Serie: Highland Pleasures
Taschenbuch, 400 Seiten
Neupreis [D] 9,99 €


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Autorenseite

 

Neben historischen Liebesromanen verfasst die Autorin Jennifer Ashley unter anderem auch Urban Fantasy. Teilweise erscheinen ihre in 12 Sprachen übersetzten Bücher auch unter ihren Pseudonymen Allyson James oder Ashley Gardner.

Das Werben des Lord MacKenzie ist der erste Roman, den ich von ihr lese. Das Buch ist der zweite Band der Highland-Pleasures-Serie um die MacKenzies. Der erste Band erschien im September 2012 in deutscher Übersetzung ebenfalls bei LYX (Kein Lord wie jeder andere). Der dritte Band (Lord Camerons Versuchung) soll im August 2013 folgen. Ein Blick auf die Autorenseite wiederum verrät, dass noch sechs weitere Bände (noch nicht übersetzt) dazu erhältlich sind. Der Verlag weist darauf hin, dass die Buchreihe auch etwas für Leserinnen von Loretta Chase, Liz Carlyle oder Lisa Kleypas ist.

Doch zurück zum gerade vor mir liegenden Roman. Der wartet mit Hauptfiguren auf, die ich so nicht erwartet hätte. Da gibt es Isabella, die zuerst mit ihrer überaus überraschenden Eheschließung für Aufsehen sorgte und dann mit ihrer Trennung von ihrem Mann nachlegte. Sie offenbart sich als ernsthafte Frau, selbstbewusst. Von der oberflächlich anmutenden Hilflosigkeit, die andere weibliche Romanfiguren in diesem Genre oft anhaftet, ist hier nichts zu spüren. Mac wiederum ist kein Gentleman, wie man ihn aus anderen Romanen kennt, sondern hat einige nicht sehr liebenswerte Eigenschaften. Wie überhaupt auch die übrigen MacKenzies nicht ganz ohne sein dürften, immerhin soll auch Ian aus dem ersten Band der Reihe einen Teil seines Lebens in einer Nervenheilanstalt verbracht. Mac MacKenzie jedenfalls ist Maler, der es mit der Treue nicht so genau nimmt, seinen Freiraum schamlos ausnutzt und wesentlich mehr trinkt als ihm gut tut. Jedenfalls bis Isabella sich von ihm trennt. Die eigentliche Geschichte setzt jetzt erst an. Isabellas und Macs Wege kreuzen sich wieder und schnell wird klar, dass da noch etwas zwischen ihnen ist. Doch die gemeinsame Vergangenheit hat Isabella vorsichtig gemacht.

Eingangs der Kapitel können Ashleys LeserInnen jeweils kurz etwas aus dem früheren Leben der beiden in Form von Artikeln im Gesellschaftsteil einer Gazette aus der Sicht Dritter erfahren. Ansonsten offenbart sich das gegenwärtige Geschehen zusammen mit Rückblicken einmal aus Isabellas und dann wieder aus Macs Sicht. Die Beziehung der beiden erwacht zu neuem Leben, während man den Grund dafür erfährt, warum diese überhaupt im ersten Anlauf gescheitert ist.

Mit diesen beiden Figuren, wie auch mit den übrigen, konnte ich mich sehr schnell anfreunden. Sie wirken in die damalige Zeit passend und doch zeitlos modern. Sie sind aufgeschlossen und trotz Fehlern sympathisch. Menschlich echt versuchen sie zu retten, was zu retten ist, ohne sich ein zweites Mal die Finger zu verbrennen.

In diesem Genre scheint es nicht ohne Geheimnisse und gefährliche Situationen zu gehen. Auch Ashley bedient sich dieser Gestaltungselemente, scheint es doch jemand darauf abgesehen zu haben, Mac zu schaden. Doch speziell dieser Part scheint lediglich aus dem Bedürfnis entstanden zu sein, eine Gelegenheit für ein schnelleres Zusammenkommen von Isabella und Mac zu schaffen. Womöglich geht Ashley ja in einem weiteren Band der Reihe nochmals darauf ein, doch so wie dieser Handlungsfaden in Das Werben des Lord MacKenzie verarbeitet ist, erscheint er unbefriedigend offen oder schlicht überflüssig.

Als ich den Booklist-Kommentar zu dem Roman las (Ashley fesselt ihre Leser mit einer erotischen Geschichte voller komplexer Figuren), schwante mir Schlimmes. Denn, wie bereits in anderen Besprechungen erwähnt, sind mir in historischen Romanen erotische Andeutungen wesentlich lieber als explizite Beschreibungen. Doch obwohl Ashley tatsächlich wesentlich mehr als bloße Andeutungen in ihrer Geschichte verarbeitet, haben diese erfreulicherweise nicht störend auf mich gewirkt. So widersprüchlich sich das vielleicht auch lesen mag, sie dominieren trotz ihrer Häufigkeit den Roman glücklicherweise nicht und sind trotz aller Ausführlichkeit größtenteils wohltuend dezent.

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Wohltuend anders und überraschend gut empfand ich Das Werben des Lord MacKenzie. Leider war die letzte Seite viel zu schnell erreicht. Der zweite Band der Highland-Pleasures-Serie hat mir eindeutig Lust auf den Vorgänger gemacht. Und den Nachfolger werde ich mir sicherlich auch holen, da mir der flüssige, leicht lesbare Schreibstil der Autorin ebenso gefällt wie ihre ungewöhnlichen Charaktere.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

6. März 2013

COHN, RACHEL: BETA (Ananda-Serie Band 01)

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Originaltitel: Ananda Series 1- Beta
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Bernadette Ott
cbt
ISBN-13:
9783570161647
ISBN-10:
3570161641
Jugendbuch SciFi/Dystopie (ab 13 Jahren)
1. Auflage 02/2013
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 416 Seiten
Neupreis [D] 17,99 €

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Nach etlichen Sachbüchern möchte ich mich heute wieder einem Roman zuwenden -dem dystopisch angehauchten Jugendroman Beta von Rachel Cohn, der den Auftakt der Ananda-Serie darstellt. Wie viele Bücher es genau werden, weiß ich derzeit noch nicht, allerdings habe ich irgendwo etwas von vier Büchern gelesen. Die 1968 in Maryland geborene Rachel Cohn verfasst normalerweise zusammen mit David Levithan warmherzige Erzählungen für Jugendliche und wurde diesbezüglich etwa für Nick & Norah – Soundtrack einer Nacht für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Mit der 2012 erschienenen Originalausgabe von Beta geht sie also in eine ganz andere Richtung.

Ananda kannte ich bisher aus dem Sanskrit. Es bedeutet übersetzt etwa die Abwesenheit von Unglück. Im Umkehrschluss also Glück. Das lässt mich für Elysia hoffen. Die kommt nämlich als Teenager-Klon zur Welt, noch dazu in einer Beta-Ausführung. Glück ist also nicht unbedingt für sie vorherbestimmt. Dennoch geht es ihr anfangs auch nicht schlecht. Kurz nach ihrer Geburt wird sie, obwohl sie eine ungetestete Beta-Version ist, verkauft. Sie muss in einer traumhaften paradiesisch-perfekten Inselkulisse zwar nicht im eigentlichen Sinn arbeiten, aber als  Gesellschafterin ihrer Mutter und Gespielin ihrer Geschwister dienen und gefallen.

Dass die Realität anders aussieht, merken neben Elysia auch Cohns LeserInnen schnell. Bereits der erste Satz (auf den ich normalerweise wenig gebe) – Sie will mich kaufen – zog mich in seinen Bann. Und die Autorin schaffte es durch das ganze Buch hindurch, meine dadurch erwachte Neugier aufrecht zu halten. Mit ihrem Verkauf steht Elysia über den niederen Dienstboten-, Handwerker- oder sonstigen Arbeiterklonen. Dennoch ist sie weit weniger wert als ein Mensch.

Das Ganze spielt in der Zukunft auf der Erde, die allerdings trotz einiger Ähnlichkeiten ein wenig verändert ist. Eine große Flut und Wasserkriege haben ihr Antlitz verwandelt, die Technik ist (man sieht es bereits an den Klonen) weit fortgeschritten. Die Menschen sind teils genetisch optimiert und haben Cyborg-Eigenschaften – einen Relay-Screen unter der Haut des Unterarms, der telekommunikativen Zwecken dient und Smartphones, Tablets und Konsorten ersetzt. Da die Klone sehr menschlich wirken, werden sie durch Tätowierungen an der Schläfe und fuchsiafarbene Augen gekennzeichnet, darüber hinaus wird ihnen ein Ortungs- und Datenchip eingepflanzt.

Das Cover (das von cbt zeigt ein anderes Gesicht als das amerikanische Original, ist ansonsten jedoch gleich) passt also sehr gut, deutet es doch in seiner sanft wirkenden Ausführung auf die durch Manipulation entstandenen paradiesisch-schönen Eindrücke hin, die einem im Buch erwarten, und lässt durch den direkten Blick doch anklingen, dass Elysia nicht so seelenlos ist, wie sie sein soll.

Demesne, der Haupthandlungsort im ersten Band der Ananda-Serie, ist eine Insel. Die Luft wird mit speziellen Filtern gereinigt, das Meer darum herum ist verändert und wirkt wie ein Jungbrunnen. Sogar Haie sind so modifiziert, dass man sie als Streicheltiere benutzen kann. Auch die dort lebenden Menschen sind auf den ersten Blick perfekt, immerhin sorgt das Meerwasser dafür, dass sich Alterserscheinungen oder Folgen von Fehlernährung etwas abmildern lassen. Immenser Reichtum hat dieses Inselparadies geschaffen. Es gibt noch ein paar kleinere Atolle um Demesne, bevor die raue Wirklichkeit in Form eines unberechenbaren Meeres beginnt. Doch sieht man von kleineren Abstechern auf besagte Atolle ab, wird die übrige Welt außerhalb Demesnes in Beta nur erwähnt.

Irgendwo habe ich einmal gelesen, dass das Paradies zu existieren aufhört, wenn Menschen es betreten. Und das wird in Beta vollumfänglich bestätigt. Die Menschen, die nach Demesne kommen, sind reich. Alle anderen haben dort eigentlich nichts zu suchen. Die wenigen menschlichen Diener, die anfangs in das Ferienparadies mitgebracht wurden, erlagen bald der perfekten Schönheit der Insel. Das daraus entstehende Dolce-far-niente-Verlangen war den reichen Grundstücksbesitzern ein Dorn im Auge, weshalb sie auf die Erschaffung und den Erwerb von Klonen auswichen. Mit diesen können sie nach eigenem Gutdünken verfahren und sie straffrei töten, wenn es ihnen in den Sinn kommt. Defekte Klone müssen auf eine Krankenstation, wo sie vor ihrer Eliminierung noch maßlos gequält werden. Ein Defekt wäre etwa eine eigene Meinung, Aufbegehren. Das weiß Elysia allerdings noch nicht, als sie gleich eingangs ein erschreckendes Erlebnis auf der Krankenstation hat, die unmittelbar neben ihrer Geburtsabteilung liegt.

Das Paradies hat also einen hohen Preis. Unwillkürlich kommt die bedrückende Frage auf, wo das menschliche Grundmaterial für die Klone herkommt. Ob alle Verstorbenen eines natürlichen oder eines überraschenden Unfalltodes gestorben sind. Oder ob Menschen gezielt ausgesucht und ausgeschaltet wurden, weil sie vielleicht gut aussahen, jemandem im Weg waren oder als Andersdenkende gefährlich werden konnten. Oder weil sie arm sind. Manche verkaufen ihre Körper auch, damit das Überleben ihrer Familie gesichert ist.

Vordergründig geht es um das Erkennen Elysias. Dass Fehler und Schwächen von Klonen anders bewertet werden, als bei Menschen. Dass wenn zwei das Gleiche tun, es noch lange nicht dasselbe ist. Dass ständig ein tödliches Damoklesschwert über den Klonen schwebt. Aber auch, dass andere Klone und sogar Menschen an dem auf der Insel vorherrschenden Prinzip zweifeln und dagegen ankämpfen. Ausgelöst wird dies durch Erinnerungen ihrer First – also des Teenagers, der zuvor im Grunde genommen sterben musste, damit sie einen Körper hat. Etwas was es gar nicht geben dürfte also, denn Erinnerungen sind genauso wie Gefühle unmöglich. Ein Klon hat ohne nachzudenken oder zu werten das zu tun, was von ihm verlangt wird und sonst nichts.

Genau wie in Spielbergs AI – Künstliche Intelligenz aus dem Jahr 2001 wird die Geschichte aus der Sicht des Klons erzählt. Das geschieht jedoch nicht melodramatisch verkitscht. Im Buch kommt Elysia selbst zu Wort. Und so erfahren Cohns LeserInnen quasi aus erster Hand, was schief laufen kann und welche emotionalen Folgen es für einen Klon hat, der erkennt, dass er ganz offensichtlich defekt ist und trotzdem überleben möchte. Und damit noch nicht einmal alleine ist.

Die Autorin gestaltet die noch unproblematische Zeit nach Elysias Geburt interessant und humorvoll. Das Entdecken der Insel genauso wie das Ausbauen der auf ihrem Chip vorprogrammierten aber sehr beschränkten Wissensdatenbank. Schnörkellos geht die Autorin darauf ein, dass ein Klon keine Gefühle haben darf, seinem Besitzer gegenüber jedoch solche durchaus durch Gestik, Mimik und Worte auszudrücken lernen muss. Eine klitzekleine Schwäche gibt es dabei. Der war in diversen Szenen eingangs enthalten. Da ihre Wissensdatenbank zu diesem Zeitpunkt quasi nur Grundlegendes beinhaltet hat, wirkten manche ihrer Ansichten nicht unbedingt falsch, aber auch nicht ganz richtig und irgendwie vorgegriffen. Das lässt sich nicht allein mit Elysias Andersartigkeit erklären. Und auch später gemachte Ausführungen zu hormonellen Veränderungen und ihren Folgen wirken nicht durchweg schlüssig. Allerdings hilft der leicht lesbare Schreibstil über diese kleinen Schwächen hinweg. Auch die kurz gehaltenen Kapitel sorgten dafür, dass ich förmlich durch die Seiten flog.

Nicht alle Charaktere, die mir darin begegneten, waren liebenswert. Eigentlich sympathische Figuren wurden plötzlich unberechenbar. Durch Elysia lernte ich kaltherzige und scheinbar allmächtige HerrenHHhmenschen und verzweifelte, macht- aber nicht zwingend mutlose Klone kennen. Unerbittliche Eltern, aber auch solche, die alles für ihr Kind tun wollten und sich dafür sogar selbst betrogen. Jugendliche, die der perfekten Langeweile auf Demesne entkommen wollten. Kinder, die in ihrer Gefühlswelt keinen Unterschied zwischen Klonen und Menschen machten. Figuren also, die menschlich-authentisch wirken und mit real anmutenden Problemen kämpfen. Egoismus, Ehebruch, Missbrauch, Drogenkonsum, Notwehr und Mord, unerwiderte Gefühle,  schmerzhafte Verluste und scheinbar aussichtsloser Widerstand sind nur einige davon. Dennoch spielt Gewalt, obwohl sie latent in allerlei Variationen durchschimmert, eine untergeordnete Rolle in Cohns Roman. Elysia, die anfangs in ihrer Lernphase noch zerbrechlich und naiv wirkt, lernt schnell dazu. Und noch bevor der erste Band zu Ende ist, trifft sie aus Verzweiflung eine Entscheidung, die sie in Lebensgefahr bringt.

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Beta als Figur und als Roman ist nicht vollkommen perfekt. Manchmal agieren die Figuren nicht ganz nachvollziehbar, manches war vorhersehbar. Die überraschende Wende am Schluss erschwert aber die Wartezeit auf den Folgeband. Insgesamt hebt sich Cohns Auftaktband für mich eindeutig aus der Masse sonstiger Dystopien heraus. Ähnlich wie Sara Grant in ihrem Roman Neva lenkt Cohn den Blick auf kritische Probleme einer respektlosen Gesellschaft, die in ihrem Egoismus die Achtung vor Individuellem verloren hat. Ihr Roman wühlt auf, mehr als andere futuristische Dystopien, und macht nachdenklich. Dabei kommen überraschende Wendungen und auch ein dezenter Humor (der durch Elysias unschuldiges Nichtwissen entsteht) nicht zu kurz. Der Roman wird nicht durch eine reißerische, absolut entmutigende oder temporeiche Handlung getragen. Er erschüttert vielmehr durch beängstigende Andeutungen und fesselt durch eine dichte Atmosphäre. Nicht nur das jugendliche Zielpublikum, sondern auch deutlich ältere LeserInnen wie mich. Trotz kleinerer Schwächen möchte ich deshalb fünf von fünf Punkten dafür vergeben.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

25. Februar 2013

HUNTER, MADELEINE: DIE WIDERSPENSTIGE BRAUT – The rarest blooms Band 02

Filed under: Belletristik,Buch- & Sammelreihe,Historisch,Liebe,Roman — Ati @ 14:51

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Originaltitel: Provocative in Pearls
übersetzt von Stephanie Pannen
Serie: The rarest blooms
Egmont-LYX
ISBN-13:
978-3802588044
ISBN-10: 3802588045
historischer (Liebes-)Roman
1. Auflage 01/2013
Taschenbuch mit Klappenbroschur, 400 Seiten
[D] 9,99 €

Verlagsseite

Autorenseite (englisch)  

 

Nach dem zuletzt besprochenen (und, wie ich nun gelesen habe, schlecht übersetzten) Sands-Roman Liebe auf den zweiten Blick, hat mir der zweite Band der The-rarest-blooms-Reihe von Madeleine Hunter mit dem Titel Die widerspenstige Braut die Freude am Lesen unterhaltsam-leichter Regency-Romane wiedergegeben. Romanen also, in denen man noch mit Kutschen zu rauschenden Bällen fuhr, in der zweifelhafte Verehrer sich Duelle lieferten oder für charmante Verwirrungen sorgten. Romanen, in denen es oftmals um viel Schein und wenig Sein geht, um finanzielle Probleme und Abhängigkeiten, die jedoch zumeist glücklich enden. Ab und zu schalte ich mit solchen Romanen einfach gerne ab, obwohl die Vorstellung horrend ist, wegen jeder Kleinigkeit um die Erlaubnis eines Mannes bitten zu müssen und so abhängig zu sein, wie Frauen damals waren.

Doch zurück zum Buch. Es handelt sich zwar um den zweiten Teil einer Buchreihe, jedoch muss man den ersten Teil vorab nicht zwingend lesen. Die Geschichten der jeweiligen Hauptfiguren sind in sich geschlossen. Allerdings trifft man sie in den anderen Romanen wieder. Die männlichen Hauptcharaktere sind durch Freundschaft ebenso miteinander verbunden, wie die weiblichen Hauptfiguren. Letztere haben sich samt und sonders in Daphnes Anwesen in Cumberworth, nahe London, kennengelernt. Deren Devise ein sicheres Obdach zu bieten, ohne bohrende Fragen zu stellen, kommt allen entgegen. Denn jede der Frauen birgt ein Geheimnis.

Hunters Schreibstil lässt sich leicht lesen, die Sprache ist an die damalige Zeit angepasst. Genau dadurch wirken Szenen, in denen es wie in Liebe auf den zweiten Blick von Sands durchaus um mehr als nur erotische Andeutungen geht, nicht so platt. Wirklich gebraucht hätte ich diese Szenen zwar nicht, doch haben sie mich auch nicht direkt abgestoßen. Der Autorin gelingt es insgesamt erneut eine stimmige Hintergrundatmosphäre zu schaffen, die es ihren LeserInnen leicht macht, in das Geschehen einzutauchen.

Auch hier geht es um viel Schein und wenig Sein. Obwohl die adlige Welt gerne auf reiche Bürger und alles darunter herabsah, nahm sie deren Geld im Fall der Fälle doch mindestens ebenso gerne dankend an. Das Bürgertum wiederum erhoffte sich einige Verbesserungen, indem es quasi dafür bezahlte, dass der verarmte Adel entsprechende Verbindungen mit ihnen einging.

Hunters weibliche Protagonistin Verity lebte zwei Jahre lang bei Daphne und den anderen Frauen, bevor ihre Vergangenheit sie einholt. In der willigte sie in eine arrangierte Ehe ein, um jemanden zu schützen. Dass ihr Opfer vergebens war, erfuhr sie viel zu spät und so entschloss sie sich noch an ihrem Hochzeitstag zur Flucht, in deren Verlauf sie ihren eigenen Tod vorzutäuschen versuchte.

Während Verity sich all die Monate in sicherer Obhut für die Eventualität einer Entdeckung rüsten konnte, geriet der Earl of Hawkeswell gleich zweifach in Bredouille. Zum einen kam er nicht an das durch die Eheschließung erhoffte Geld, was seine finanzielle Lage desaströs verschlechterte. Zum anderen sah und sieht er sich mit unangenehmen Mutmaßungen hinsichtlich Veritys vermeintlichem Tod konfrontiert.

Als er unverhofft seiner tot geglaubten Frau gegenübersteht, schöpft er neue Hoffnung. Doch Verity bittet ihn um die Annullierung der nie vollzogenen Ehe und versucht ihm die Angelegenheit finanziell zu versüßen. Von Rechts wegen könnte Grayson seine Frau zwingen, mit ihm zu kommen. Er könnte auch auf seine ehelichen Rechte pochen. Doch das tut er nicht. Stattdessen bittet er sich eine Bedenkzeit aus, die sie anfangs gemeinsam bei Audrianna und Sebastian verbringen. Bald schon ist ihm klar, dass er seine Ehefrau nicht gehen lassen möchte und er beginnt sie dazu zu verführen, ihren Annullierungswunsch zu vergessen.

Das ist jedoch gar nicht so leicht, denn Verity hält Adlige für Schmarotzer, die nur das eigene Vergnügen suchen. Zu unvereinbar erscheinen ihr die Unterschiede zwischen ihrer und Graysons Welt. Der wiederum vermutet, dass ein anderer Mann hinter der Flucht ebenso wie in dem Annullierungswunsch stecken könnte. Und ganz unrecht hat er damit nicht, gibt es da doch den Schatten des Mannes aus Veritys Vergangenheit.

So wie sich im ersten Roman der Reihe ein Hintergrund-Handlungsfaden mit dem der sich anbahnenden Beziehung von Audrianna und Sebastian verwob, arbeitete Hunter auch in Die widerspenstige Braut einen solchen ein. Während er sich in Ein skandalöses Rendezvous um geldgierige Aristokraten und Kriegsgewinnler drehte, handelt er im vorliegenden Buch von industriellen Veränderungen ebenso wie von Adligen, die ihre gesellschaftliche Stellung als gottgegebenes Recht betrachten und dieses nach ihren Bedürfnissen zurechtbiegen.

Keine sehr guten Ausgangsvoraussetzungen also für das Ehepaar, das sich eigentlich gar nicht kennt. Für den Roman allerdings schon, obwohl er mit dem beginnt, wo andere meist enden. Die gegensätzliche Herkunft der Hauptfiguren macht schnell klar, dass Gefühle keine Rolle bei den Hochzeitsplanungen spielten. Beidseitige Vorurteile wiederum sorgen dafür, dass nach der Wiederbegegnung Vertrauen ebenfalls nicht dazugehört. Das klingt eigentlich schrecklich unromantisch. Doch der Umstand, dass Grayson nicht stur auf Veritys Pflichten pocht, lässt den Charakteren Zeit, Gefühle füreinander zu entwickeln. Da gibt es keine verträumten und oberflächlichen jungmädchenhaften Schwärmereien, sondern eine harmonische, durchaus glaubwürdige Gesamtentwicklung einer Beziehung. Und obwohl Verity und Grayson anfangs distanziert wirken, Verity abweisend und Grayson teils unbeherrscht und berechnend, gibt es auch eine romantische Entwicklung, die zu dem führt, was LeserInnen beim Aufschlagen des Buches erhoffen: dem Happy End.

Was mir an der Reihe gut gefällt ist der Umstand, dass die Frauen trotz der gesellschaftlichen Beschränkungen mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen stehen. Ebenso, dass die Charaktere nicht einfach glatt geschliffen charmant sind, dass die Zeit nicht vollkommen verklärt dargestellt wird. Das Ganze ist nicht allzu ernsthaft, aber auch nicht zu oberflächlich beschrieben.

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Hunter hat sich im zweiten Band der Reihe für mein Dafürhalten etwas gesteigert. Mit Die widerspenstige Braut hält man eine Geschichte in Händen, die sich zurückhaltend-unaufdringlich und schnörkellos-dezent, aber für LeserInnen nachvollziehbar entwickelt und entspannenden Lesespaß bietet. Der möchte ich keine fünf, aber starke vier Punkte geben und freue mich schon auf den nächsten Band der The-rarest-blooms-Reihe.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

19. Februar 2013

ROTH, VERONICA:DIE BESTIMMUNG – TÖDLICHE WAHRHEIT

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Originaltitel: Insurgent
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Petra Koob-Pawis
cbt Verlag
ISBN-13: 9783570161562
ISBN-10:
3570161560
Dystopie, Jugendbuch ab 14 Jahren
1. Auflage 12/2012
Hardcover mit Schutzumschlag, 512 Seiten
Neupreis [D] 17,99 €

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Autorenblog englisch
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Mit gerade 20 Jahren und während ihres Studiums in kreativem Schreiben verfasste die Autorin ihren 2011 erschienenen Debütroman Divergent. Dieser befand sich zum einen mehrere Wochen auf der Bestsellerliste der New York Times und die Filmrechte sind bereits verkauft. Zum anderen wurde eine deutsche Übersetzung von cbt 2012 unter dem Titel Die Bestimmung veröffentlicht. Roths Debüt stellt den Auftakt einer Trilogie dar, deren zweiter Teil Insurgent in deutscher Übersetzung unter dem Titel Die Bestimmung – Tödliche Wahrheit ebenfalls von cbt noch im gleichen Jahr herausgegeben wurde. Der dritte Teil soll Ende 2013 folgen.

Es empfiehlt sich, den ersten Band der dystopischen Trilogie zu lesen, bevor man sich an den Zweiten macht, denn die Bände sind nicht in sich abgeschlossen.

Die Geschichte wird von der Hauptfigur im Präsens erzählt. Diese heißt Tris, ist 16 und steht in Roths Debütroman vor einer schwierigen Entscheidung. Wie alle in ihrem Alter muss sie über ihre Zukunft entscheiden. In ihrer Welt gibt es insgesamt fünf Fraktionen, eine davon muss sie als ihre künftige Familie wählen. Da gibt es die Selbstlosen (Altruan), die Freimütigen (Candor), die Wissenden (Ken), die Friedfertigen (Amite) und die furchtlosen (Ferox). Wer die Wahl hat, hat die Qual, zumindest, wenn wie in Tris‘ Fall der Bestimmungstest, der bei der Entscheidung helfen soll, kein eindeutiges Ergebnis erbringt. Tris trägt mehrere gegensätzliche Begabungen in sich, gehört zu den Unbestimmten und gilt dadurch als Gefahr für die Gemeinschaft. Bisher hat sie bei den Altruan gelebt, jetzt schließt sie sich den Ferox an. Eine fatale Entscheidung, denn dabei gerät sie in einen Konflikt, der neben ihrem eigenen Leben auch das all derer bedroht, die ihr etwas bedeuten. Unabhängig von allem geht es auch um die Beziehung zwischen Tris und dem jungen Tobias. Das ist der Inhalt des Auftaktromans der Trilogie von Veronica Roth.

Die Bestimmung – Tödliche Wahrheit schließt unmittelbar an den ersten Teil an. Der endet mit einem Angriff der Wissenden, die mit ferngesteuerten Furchtlosen versuchten, die Altruan zu vernichten. Dabei kommen ihre Eltern ums Leben, weshalb Tris sich nicht wirklich darüber freuen kann, dass sie es gemeinsam mit ihrem Bruder, ihrem Freund und wenigen weiteren Überlebenden zu den Friedfertigen geschafft hat. Die Erleichterung darüber wird auch getrübt, weil sie während des vorangegangenen Angriffs einen Freund erschießen musste, der unter dem Einfluss der Ken stand. Hinzu kommt, dass sie nicht lange bei den Amite bleiben können. Zu dicht sind ihnen ihre Verfolger bereits auf den Fersen und zwischen den Fraktionen herrscht Krieg. Die bisher funktionierende Gesellschaft zerbricht Stück für Stück.

Wer schnelle Entwicklungen der Handlung erwartet, sollte die Hände davon lassen. Eine dichte Atmosphäre geht oft zulasten des Tempos. Auch wenn man der Autorin keine wortmalerische Detailverliebtheit unterstellen kann, ist ihr eine solche Atmosphäre aber gelungen. Bezüglich der Charaktere ist positiv zu erwähnen, dass verschiedene Figuren in beiden bis jetzt erschienenen Bänden aufgetaucht sind. Über ihre Sympathie lässt sich streiten. Allerdings muss man Romanfiguren ja nicht zwingend mögen, um sie interessant zu finden. Roths Figuren haben Fehler und Macken. Niemand ist perfekt, mancher suspekt und mehr als einer egoistisch. LeserInnen können sich über sie und mit ihnen ärgern, zeitweise mit ihnen mitfiebern, -hoffen oder auch -leiden.

Der Dystopie geschuldet offenbart sich Tris innerlich zerrissen. Schuldgefühle, Rachegedanken, Zorn und Zukunftsängste beherrschen sie. Dabei passen Erinnerungen teilweise nicht zu dem, was sie jetzt erlebt. Sicherheit scheint es nicht mehr zu geben. Gut und Böse offenbaren sich als willkürliche Definition. Misstrauen macht sich breit, vertrauen fällt schwer. Gleichzeitig möchte Tris aber auch ihre Schuld begleichen, indem sie die Unbestimmten rettet. Dafür ist sie sogar bereit, sich selbst zu opfern und sich von Tobias zu trennen, nachdem sie sich gerade ihre Liebe gestanden haben. Dafür ist sie sogar willens, sich zum Schein mit dem Feind zu verbünden.

Negativ fiel mir auf, dass Tris im zweiten Buch zusehends an Sympathiepunkten verlor. Ihre Handlungen sind nicht immer nachvollziehbar, oft wirken sie übereilt. Obwohl sie die Gefahr fürchtet, sucht sie sie geradezu. Viel zu oft zeigt sie sich zickig-egoistisch und voller Todessehnsucht. Tobias spürt, dass ihm Tris entgleitet. Die beiden streiten sich in einem fort oder verschweigen sich etwas, dennoch verzeiht er ihr unzählige Male. Beide wirken manchmal kaltblütig-kalkulierend, dann wieder so voll blindem Aktionismus, dass es fast weh tut. Die ausführliche Beschreibung von innerer Zerrissenheit und Schuldgefühlen sorgt neben Tris‘s polarisierenden und ihrem stellenweisen erschreckenden, naiv-dummen Verhalten zudem über weite Strecken des zweiten Bands für Längen, obwohl sie grundsätzlich gut in die Geschichte passt. Darüber tröstet der flüssig-lockere Schreibstil nur bedingt hinweg.

Einen wirklich dicken Minuspunkt gibt es jedoch für die Brutalität, wird doch viel zu häufig um sich geschlagen und/oder aus allen Rohren geschossen. Die Eliminierung Andersdenkender ist ein blutiger Haupthandlungsbestandteil. Gewalt gab es auch schon im ersten Band. Doch fiel sie mir in Die Bestimmung – Tödliche Wahrheit vermehrt auf, weil die Figuren darin zeitgleich emotional distanziert dargestellt werden. Die Art und Weise, wie sie gefühllos-kaltblütig über das Geschehen hinweggehen, kann man am ehesten als abgestumpft bezeichnen. Letzteres ist zwar durchaus aufgrund des Geschehens nachvollziehbar. Doch abgesehen davon, dass diese Abstumpfung zeitgleich manch überzogen wirkendem, irrationalen Ausbruch gegenübersteht, übertrug sie sich auch auf mich als Leserin. Gewalt, Trauer und Verlust können Menschen verändern. Die Veränderung bei Tris ging mir persönlich zu weit.

Kampfszenen können dramatisch und temporeich sein und davon gibt es einige im Buch. Allerdings wirken sie im zweiten Band genau wie das Hin und Her zwischen Tris und Tobias eher negativ auf den Spannungsbogen. Es gibt Endzeitgeschichten, die weniger Gewalt beinhalten und dennoch packender sind. Roths Geschichte ist nicht wirklich langweilig, doch fehlt etwas. Die Bestimmung – Tödliche Wahrheit wirkt, wie viele zweite Bände einer Trilogie, manchmal wie bloßes Füllmaterial, da sich die Handlung nicht signifikant weiterentwickelt. Erst gegen Ende nimmt das Erzähltempo wieder an Fahrt auf und es tut sich etwas.

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Wie schon im ersten Band ist das Ende des Buches nicht das Ende der Geschichte. Geheimnisse und Rätsel wurden gelüftet, doch bleiben Fragen offen und bieten Platz für Spekulationen, verwirren teilweise aber auch. Bleibt zu hoffen, dass Roth mit dem dritten Band der Trilogie wieder an den besser gelungenen ersten Band heranreicht. Die Bestimmung – Tödliche Wahrheit hat meine Erwartungen nicht erfüllt, weshalb ich nur zwei von fünf Punkten dafür vergeben möchte.

Obwohl ich den inhaltlichen Grundgedanken durchaus spannend finde, kann ich diesen für mich nicht fesselnd mit den jugendlichen Charakteren in Einklang bringen. Grundsätzlich halte ich die Altersfreigabe für verfehlt. Warum? Dystopien sind zwar nicht für eine fröhliche Grundidee bekannt, doch muss Krieg, Brutalität und Tod in dieser Form und einem solchen Ausmaß bei der anvisierten Zielgruppe wirklich sein? Nach der Lektüre der ersten beiden Bände ebenso wie nach einem Blick auf die begeistert-positiven Reaktionen frage ich mich unwillkürlich, wie verroht unsere Gesellschaft sein muss, wenn eine derartig gestaltete Ideenumsetzung in Jugendbüchern eine solche Begeisterung auslöst. Aus dem Grund werde ich die Trilogie niemandem aus meinem Bekannten und Verwandtenkreis als Jugendbuch empfehlen.

 

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

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