Die Leselustige Ati's Rezi-Seite – Buchbesprechungen, Ankündigungen, etc.

19. April 2013

RIEBE, BRIGITTE: DIE SCHÖNE PHILIPPINE WELSERIN

Die_schöne_Phili_Welserin_RLYVerlag: Gmeiner
ISBN-13. 9783839213513
ISBN-10: 3839213517
Genre: Historischer Roman
Ausgabe: 1. Auflage 03/2013
Taschenbuch, 336 Seiten
Neupreis [D] 14,99 €

 

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Autorin: Brigitte Riebe ©Schelke Umbach

Autorin: Brigitte Riebe
©Schelke Umbach

Seit 1994 sind 21 Bücher der 1953 geborenen, promovierten Historikerin, einstigen Museumspädagogin und ehemaligen Verlagslektorin veröffentlicht worden. Allesamt historisch wenden sie sich teils an ein jugendliches Publikum, größtenteils jedoch an erwachsene Leser. Als freie Autorin begann Griebe allerdings bereits vier Jahre vorher. Und im Grunde sind die eben erwähnten Romane, die in mehrere Sprachen übersetzt wurden, auch nur ein Teil ihrer Arbeit. Denn unter den Pseudonymen Lara Stern und Felicitas Gruber (hier in Zusammenarbeit mit Gesine Hirsch) verfasste sie zudem bislang mindestens 9 veröffentlichte Krimis.

Gerade liegt der aktuelle Roman der Autorin vor mir. Bei dem ist mir etwas passiert, was äußerst selten vorkommt. Das in Pink gehaltene Hintergrundmotiv des Covers löste seltsamerweise mehrmals den Reflex aus, das Buch auf meinem SuB nach unten zu packen, kaum dass es oben lag. Wie auch immer, es dauerte etwas, bis ich mich an die Lektüre machte. Und obwohl ich mit der Farbe besagten Covers noch immer meine Probleme habe, hat mir der Inhalt wie gewohnt (ent-)spannend-unterhaltsame Lesestunden beschert. Schön fand ich übrigens die Gestaltung der Kapitelanfänge, die verschiedene Kräuter zeigen und beschreiben. Dies geschieht nicht willkürlich. Jede der so vorgestellten Pflanzen spielt im anschließenden Kapitel eine Rolle und stellt somit einen Bezug zur Geschichte her.

In der geht es um eine ertrotzte Liebe mit einem Habsburger. Falsch liegt allerdings, wer dabei sofort an Elisabeth Amalie Eugenie, auch Sisi, Sissi oder Lisi genannt, denkt. Die mag zwar auch nicht für Franz Josef vorgesehen gewesen sein, lebte aber erstens wesentlich später und zweitens verrät ja schon der Titel, dass es um jemand anderen geht.

Der Roman beschreibt vielmehr das Leben der Patriziertochter Philippine (kurz Pippa) Welser, die von der Öffentlichkeit nur als Geliebte eines kaiserlichen Thronfolgers betrachtet wurde, obwohl sie tatsächlich, wenn auch heimlich, mit ihm verheiratet war und mehrere gemeinsame Kinder zur Welt brachte. Der sich aus dieser Ehe ergebende Status rief neben Bewunderern etliche Neider und Widersacher auf den Plan. Das Leben Philippines war geprägt von dieser unerlaubten Liebe, Glück und Trauer (nicht alle ihre Kinder erreichten das Erwachsenenalter) und beständiger Angst. Sie wusste nicht, wem sie trauen konnte, fürchtete sich vor Giftanschlägen. Herauszufinden, wer Freund oder Feind war, beeinflusste ihren Alltag. Bevor man allerdings etwas darüber erfährt, beginnt der Roman zunächst mit Philippines Ende, im Zuge dessen sie sich an ihr Leben erinnert.

Das Buch wird im Genre historischer Kriminalroman angeboten. Obwohl tatsächlich mehrere Personen sterben und Giftanschläge eine Rolle spielen, würde ich es dennoch persönlich eher von einer historischen Liebes- bzw. Lebensgeschichte sprechen, deren dominierendes Kernstück Philippine ist. Tatsächliche Aufklärung, wie ich sie in einem Krimi erwarte, findet nicht statt. Es bleibt offen, ob die Anschläge auf Pippa und ihre Kinder politisch motiviert oder eher durch Eifersucht begründet waren. Nebenbei erwähnt, Philippine Welserin ist nicht frei erfunden. Das Covermotiv zeigt ein Gemälde der echten Philippine Welserin. Auch die übrigen Charaktere sind nicht rein fiktiv. Vielleicht wirken sie deshalb alle so echt und facettiert? Obwohl das Buch keine Biografie der historischen Persönlichkeit ist, hat die Autorin zahlreiche Rechercheergebnisse in die Geschichte eingeflochten. Sie fügt in einem Nachwort ergänzende Daten und Tatsachen an und lässt sich darin auch über Fiktion und Wirklichkeit aus.

Die reale Philippine fiel bereits früh durch ihre Schönheit ebenso auf, wie durch ihr Interesse an naturwissenschaftlichen Dingen und kaufmännischen Angelegenheiten. Und auch Griebe stellt Pippa klug und gebildet, und das nicht nur auf die Pflanzenheilkunde bezogen, dar. Als eine Frau, die angesichts der heimlich gehaltenen Beziehung und dem Wunsch eine gute Frau und Mutter zu sein, zu zerbrechen drohte. Die, wie bereits erwähnt und durchaus berechtigt, Angst hatte, beiseitegeschafft zu werden und dennoch die glücklichen Momente im Kreise ihrer Familie genießen konnte. Die mit Intrigen und Schicksalschlägen kämpfen musste, ohne sich wirklich unterkriegen zu lassen. Angesichts aller Erlebnisse wirkt der Roman in weiten Teilen recht schwermütig.

Griebes Erzählstil lässt einen leicht in die Geschichte eintauchen. Einerseits hat sie Dialoge der damaligen Zeit (16. Jahrhundert) angepasst, andererseits eine einfache Sprache gewählt. Dass sich auch mit einer solchen eine dichte, aber nicht zu üppige, und authentische Hintergrundatmosphäre weben lässt, beweist die Autorin nicht zum ersten Mal. Andererseits nehmen LeserInnen aus verschiedenen Perspektiven am Geschehen teil. Es gibt Tagebuchpassagen, in denen Pippa direkt zu Wort kommt, und Kapitel, in denen alles von einem Erzähler aus Pippas Sicht vermittelt wird. Das sorgt dafür, dass der Roman lebendig wirkt. Man kann mitfiebern und -fühlen.

Bei vielen historischen Romanen, die sich über mehrere Jahrzehnte ziehen und dabei auf eine Person fokussiert sind, habe ich für gewöhnlich das Gefühl, dass etwas fehlt bzw. einfach übersprungen wird, während andere Dinge zu ausführlich dargestellt werden. Nicht so in Griebes Roman Die schöne Philippine Welserin. Ausgewogen rollte sich das Leben Pippas vor meinem Augen auf und ließ nicht zu, dass ich das Buch aus der Hand legte.

Fazit: 04aperlenpunkte.jpg

Eine geschickte Auswahl an fiktiven und historischen Begebenheiten, die harmonisch und schlüssig, auf unterhaltsame und spannende Art miteinander verknüpft wurden. Das Porträt einer klugen Frau, die allen Intrigen und Widrigkeiten zum Trotz ihre Liebe zu einem der österreichischen Thronfolger auslebte. Dafür möchte ich vier von fünf Punkten vergeben.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

5. April 2013

MARSCHALL, ANJA: FORTUNAS SCHATTEN

328_marschall_fortunasschatten.jpgDryas Verlag
ISBN-13: 9783940855329
ISBN-10: 3940855324
historischer Krimi
Ausgabe 02/2012
Taschenbuch, 300 Seiten
Neupreis [D]: 12,95 €
Verlagsseite
Autorenseite

 

AnjaMarschall © privat

AnjaMarschall
© privat

Seit mehreren Jahren lebt die gebürtige Hamburgerin Anja Marschall mittlerweile in Schleswig-Holstein. Während die Journalistin in ihrem zweiten Kriminalroman Cornwall als Handlungsort auswählte, schuf sie nach eigenen Angaben für ihr Romandebüt eine literarische Liebeserklärung an die Stadt Glücksstadt und vereinte darin ihr persönliches Faible für das 19. Jahrhundert und das Krimigenre.

Heraus kam der Roman Fortunas Schatten, der bereits im letzten Jahr von DYRAS verlegt wurde. Der Verlag widmet sich mit Die grüne Fee einer Buchreihe, die das 19. Jahrhundert als Handlungszeitraum umfasst. Dazu gehört unter anderem der kürzlich von mir besprochene Roman Winterkind. Der hat mir sehr gut gefallen, weshalb ich mich auch an den historischen Kriminalroman Fortunas Schatten wagte. Und der wiederum – obwohl alle Romane inhaltlich nichts miteinander zu tun haben und von verschiedenen Autorinnen verfasst wurden – hat mich neugierig auf den dritten Band dieser Buchreihe mit dem Titel Bruderliebe gemacht.

Mit dem Inhalt nicht wirklich etwas zu tun hat das, was mir an der jeweiligen Covergestaltung der Reihe so gefällt. Aber ich liebe solche Details, weshalb ich sie hier nicht unerwähnt lassen möchte. Allen drei Covern gemeinsam ist ein mittig in Hochglanz abgebildetes rundes Bilddetail. Bei Winterkind ist es der Blick aus einem runden Fenster in den verschneiten Park zu sein, bei Fortunas Schatten ein Blick auf einen Kompass und bei Bruderliebe, der Blick in einen Spiegel. Die Covermotive sind schlicht gehalten und passen gut zur Thematik der Bücher.

Doch zum Inhalt des gerade vor mir liegenden Romans. In Fortunas Schatten geht es um den Kapitän Hauke Sötje, der als Einziger das Unglück überlebte, dem seine Mannschaft samt seines Schiffes zum Opfer fiel. Obwohl er von jeglicher Schuld freigesprochen wurde, belastet ihn das Erlebnis moralisch. Bevor er seinem Leben ein Ende setzen kann, beginnen ihn Ereignisse zu überrollen. Er gerät in eine Intrige und wird in einen Mordfall verwickelt. Bald schon ist seine einzige Verbündete die Bürgerstochter Sophie Struwe, die jedoch zeitgleich mit eigenen Problemen kämpfen muss. Bei Versuch diejenigen zu entlarven, die offenbar sowohl Haukes als auch Sophies Probleme ausgelöst haben, kommen sich die beiden näher.

Anfangs machte mir der Schreibstil der Autorin zu schaffen, erschien mir etwas zu trocken, fast abgehackt. Doch nachdem ich mich daran gewöhnt hatte, gestaltete sich für mich die Beschreibung der Glückstädter Szenerie überraschenderweise alsbald so bildhaft, dass ich förmlich mit den einzelnen Figuren dort die Straßen durchschritt. Ebenfalls sehr gelungen empfand ich die Darstellung damaliger Sitten und Gebräuche. Die Haupt- und Nebenfiguren haben teils Eigenarten, die man nicht zwingend mögen muss, sind nicht glatt geschliffen. Detailbeschreibungen lassen jedoch durchweg alle lebensnah authentisch wirken.

Die Autorin rebelliert nach eigenem Bekunden selbst sehr gerne und das tut auch die sympathisch wirkende Sophie in Fortunas Schatten. Statt sich näher mit der ihr zugedachten Rolle als Ehefrau und Mutter zu befassen, versucht sie den Namen ihres Vaters reinzuwaschen. Dass sie sich dabei nicht so konform verhält, wie es sich gehört, kann man sich denken und bald schon hilft sie mutig und selbstbewusst auch Hauke, von dessen Unschuld sie überzeugt ist. Hauke selbst zeigt sich intelligent, eher introvertiert und mit seinen Schuldgefühlen genauso sympathisch-interessant, wie Sophie oder alle anderen. Fast gebrochen und irgendwie hilflos, dann wieder geistreich, gerissen, smart und raffiniert. Das machte es mir leicht, mit ihnen zu fühlen. Dabei geht es gar nicht um so überschwängliche Gefühle, manches wirkt norddeutsch kühl, ohne kalt zu sein.

Die kurz gehaltenen Kapitel beginnen mit Artikelzitaten der Glückstädter Fortuna. Die darin erzählte Geschichte ist eigentlich recht schlicht. Doch es kommt ja bekanntlich darauf an, wie etwas erzählt wird.

Marschall verwebt historische Begebenheiten und die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbrüche jener Zeit, mit ein wenig Spionage und Intrigen und einer sich dezent anbahnenden Beziehung zwischen Sophie und Hauke. Ein Teil der Figuren hat tatsächlich gelebt, wie man dem Buch ganz hinten entnehmen kann. Das alles geschieht auf atmosphärisch dichte, unterhaltsam-spannende Art und Weise. Durch geschickt platzierte Andeutungen setzt sie das Gedankenkarussell ihrer LeserInnen in Gang, ohne zu viel zu verraten.

Fazit: 04aperlenpunkte.jpg

Nach anfänglichen Schwierigkeiten las ich zunehmend neugierig auf das Ende weiter und war enttäuscht, als ich auf der letzten Seite ankam – weil ich schon fertig war. Lesestoff für ein paar gemütliche Lesestunden, der nach einer Fortsetzung ruft, die (wenn ich das richtig mitbekommen habe) aber auch durchaus schon geplant ist.

 

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

2. April 2013

FORD, JAYE: DIE BEUTE

Filed under: Krimi/Thriller,Roman — Schlagwörter: , , , , , — Ati @ 19:47

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Originaltitel: Beyond Fear
übersetzt von Christiane Winkler
blanvalet Taschenbuch Verlag
ISBN-13: 9783442378661
ISBN-10: 3442378664
Thriller
1. Auflage 04/2013
Taschenbuch, 448 Seiten
Neupreis [D] 9,99 €

Verlagsseite
Autorenseite englisch

Die ehemalige Journalistin und Werbeberaterin Jaye Ford begann erst spät zu schreiben. Ihr Romandebüt – der Thriller Beyond Fear – avancierte 2011 zum meistverkauften Krimi-Debüt in Australien. 2012 wurde die Autorin dafür mit dem Davitt Award in den Kategorien Debut Novel und Readers Choice ausgezeichnet. Ford lebt mit Mann und zwei Kindern in Australien und widmet sich mittlerweile ganz dem Schreiben. Beyond Fear wurde zwischenzeitlich in mehreren Sprachen veröffentlicht. Die deutsche Übersetzung liegt gerade vor mir. Und hat mir so gut gefallen, dass ich mich frage, wann die Übersetzung von Fords zweitem Roman Scared Yet? auf den Markt kommt.

Die Beute spielt größtenteils in einem einsam gelegenen Ferienhaus. Angemietet für ein Wochenende von vier Freundinnen, die einmal jährlich gemeinsam ausspannen möchten. Doch bereits angesichts der Überschrift der Inhaltsangabe wird klar, dass das nicht so einfach gelingen kann. Immerhin heißt es da: Vier Frauen. Zwei Fremde. Kein Entkommen.

Nach einem Beinaheunfall landen Jodie und ihre Freundinnen Hannah, Louise und Corinne später als erwartet an ihrem Zielort. Unfrieden und eine miese Stimmung drohen die Wochenendplanung zu zerstören. Corinne kann kaum laufen, da sie sich in den Knöchel verstaucht. Hannah nimmt Jodie übel, dass sie auf paranoide Art versucht, allen das Wochenende zu verderben. Denn Jodie fühlt sich nahezu von der ersten Minute an permanent beobachtet. Sie warnt immerzu, wird jedoch nicht ernst genommen. Letzteres liegt auch daran, dass Louise prompt ausplaudert, was sie ihr anvertraut. Dabei wollte sie es keinesfalls allen erzählen, was sie vor Jahren erleben musste. Die seelischen und körperlichen Narben davon zeichnen Jodie bis in die Gegenwart. Eigentlich glaubte sie Flashbacks und Panikattacken mit Therapie, Selbstverteidigungskursen und einer gesunden Portion Misstrauen im Griff zu haben. Doch so, wie ihre Freundinnen nach Louises Indiskretion an ihren momentanen Wahrnehmungen zweifeln, muss sich auch Jodie selbst fragen, ob sie nicht einfach hysterisch überreagiert.

Parallel zum aktuellen Geschehen im Bezug auf die Frauen und den Erinnerungen an Jodies dramatische Vergangenheit lernen Fords LeserInnen gleich eingangs den Expolizisten Matt kennen, der den Wagen der Frauen abschleppt und schnell Interesse an Jodie bekundet. Auch seine Vergangenheit ist nicht perfekt und er leckt in seinem Heimatort seine psychischen Wunden, die auch durch die Erinnerung an einen ungelösten Fall wieder aufgerissen werden.

Denn: Der Thriller von Jaye Ford wäre natürlich kein Thriller, wenn da nicht mehr hinter den Vorkommnissen stecken würde. Paranoia ist keine Paranoia mehr, wenn eine reale Gefahr besteht. Und Jodie, Louise, Corine und Hannah geraten in Lebensgefahr, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort sind. Die Inhaltsangabe verrät ja schon die beiden Fremden, die ihre eigenen Ziele verfolgen und neben anderen Dingen auch vor Mord nicht zurückschrecken.

Ford lässt ihre LeserInnen recht schnell an der unheilvollen Entwicklung teilnehmen. Bereits auf der zweiten Seite geschieht der Beinaheunfall und danach geht alles Schlag auf Schlag, sodass die Charaktere nahezu nebenbei vorgestellt werden. Nachdem sowohl Jodie als auch Matt von Erinnerungen an ihre Vergangenheit eingeholt bzw. zusammen mit den anderen von den aktuellen Ereignissen überrollt werden, erfährt man in kleinen Atempausen auch Näheres über Jodies Freundinnen, über ihre verlorenen Träume, ihre Launen und Schwächen, aber auch über ihre Stärken und Wünsche. Auch Matts Angehörige oder die beiden Fremden werden kurzzeitig beleuchtet. Wobei Atempausen jetzt vielleicht etwas andeutet, was so nicht gegeben ist. Die Geschichte ist nicht wirklich atemberaubend. Sanft, aber konsequent gebogen würde ich den Spannungsbogen eher bezeichnen. Dadurch wirkt auch die sich nebenbei allen anfänglich negativen Tendenzen zum Trotz zwischen Jodie und Matt überaus dezent anbahnende Romanze nicht unpassend.

Die Autorin hat die Handlungsstränge um das an sich harmlose Vergnügungswochenende, die dramatischen Erinnerungen und die Verbrechen gut proportioniert. Überhaupt setzt sie nicht auf blutige Gewaltexzesse, wie man sie häufig in Romanen oder Filmen findet. Dennoch wirkt gerade dadurch bedrohlich, was bedrohlich wirken soll, und man fragt sich unwillkürlich, wie die Sache ausgehen wird.

Die Charaktere – egal ob gut oder böse – handeln größtenteils nachvollziehbar und wirken echt. Sie sind keine Übermenschen, sondern kämpfen skrupellos oder verzweifelt ums Überleben oder sind dem Geschehen hilfslos ausgeliefert.

Die eine oder andere Passage lässt einen als LeserIn den Kopf schütteln, angesichts der Begriffstutzigkeit der Frauen. Es gibt auch gewisse Vorhersehbarkeiten, die das Lesevergnügen aber nicht sonderlich schmälern. Das Ende ist allerdings etwas schön zu gezeichnet, was vermutlich eingefleischte Hardcore-Thriller-Fans wirklich stört. Ford bewahrt ihren handelnden Opfern Menschlichkeit und lässt sie Schuldgefühle angesichts der Auswirkungen ihres Tuns empfinden. Aber auch Verständnis und bereitwilliges Verzeihen für offenkundiges Versagen.

Fazit: 04aperlenpunkte.jpg

Nach meinem Dafürhalten allerdings eher ein Roman für Frauen. Und auch nur für solche, die nicht ständig von einem neuen Verbrechen lesen wollen, das den Atem raubt und ängstlich die Fenster überprüfen lässt. Wer das aber nicht braucht, wird mit Die Beute kurzweilig und durchaus spannend unterhalten. Ein gelungenes Debüt, das Lust darauf macht, mehr von Jaye Ford zu lesen.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

 

26. Februar 2013

ATKINSON, KATE: DAS VERGESSENE KIND

Filed under: Belletristik,Krimi/Thriller,Roman — Ati @ 15:19

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Originaltitel: Started early, took my dog
übersetzt von Anette Grube
Knaur Taschenbuch Verlag
ISBN-13: 9783426509524
ISBN-10: 3426509520
Krimi
Ausgabe 10/2012
Taschenbuch, 464 Seiten
[D] 10,99 €

Verlagsseite
Autorenseite (englisch)

 

Die 1951 in York geborene britische Autorin Kate Atkinson ist Trägerin des britischen Verdienstordens MBE (Order of the Britisch Empire), der sowohl zivilen wie auch militärischen Personen sowie Bürgern nicht britischer Staaten verliehen wird. Atkinson, die Englische Literatur und Amerikanistik studierte, kam Mitte der 1980er zum Schreiben. Nach Erzählungen versuchte sie sich an Romanen, in denen die Figuren häufig mit Problemen kämpfen, die sie an die Grenzen ihrer Möglichkeiten bringen. Mit dem Roman Case Histories (Die vierte Schwester), erschuf die Autorin die Figur des Privatdetektivs Jackson Brodie und wandte sich dem Krimi-Genre zu, ohne direkt Krimis zu verfassen (Quelle Wikipedia). Dem 2004 erschienen Auftaktroman um den behäbigen Privatermittler folgten bis 2010 drei weitere Bücher. Die BBC verfilmte bislang die ersten drei Romane der Reihe. Der vierte Band Started early, took my dog erschien 2010. Die deutsche Übersetzung Das vergessene Kind wurde 2011 von Droemer als Hardcover und 2012 von Knaur als Taschenbuch herausgegeben. Der Roman erreichte unter anderem jeweils den dritten Platz beim Deutschen Krimi Preis International und auf der KrimiZEIT-Bestenliste. Außerhalb der Brodie-Reihe wurden von der Autorin seit 1995 vier weitere Romane, Kurzgeschichten, Erzählungen und ein Theaterstück veröffentlicht, die teilweise ebenfalls mit Preisen bedacht wurden.

Doch zum Roman, in dem eine ehemalige Polizistin sich damit überrascht, dass sie kurzerhand ein Kind kauft. Eigentlich nur, um dieses vor der vermeintlichen Mutter zu retten, die nicht nur drogensüchtig ist, sondern der bereits mehrere Kinder weggenommen wurden. Gleichzeitig beginnt Jackson Brodie in einem dreißig Jahre alten Fall zu recherchieren, an dem Tracy während ihrer Polizistenlaufbahn beteiligt war. Dieser unglückliche Zufall jagt Tracy zusammen mit ihrem schlechten Gewissen bezüglich ihres Spontankaufs in die Flucht.

Diese kurze Inhaltsangabe klingt genau, wie die auf der Buchrückseite, sehr strukturiert. Doch obwohl ich Atkinson nicht unterstellen möchte, ihren Roman unstrukturiert abgefasst zu haben, liest er sich längst nicht so glatt, wie ich das für gewöhnlich bevorzuge. Deshalb musste ich das Buch auch zwei Mal von vorne beginnen. Das lässt sich übrigens lesen, ohne dass man die Vorgängerbände kennt. Ich persönlich habe lange Zeit gar nicht registriert, dass ich einen Roman aus einer Buchreihe in Händen halte.

Die Autorin ist bereits dafür bekannt, dass sie mehrere parallele Handlungsfäden in ihren Geschichten verarbeitet, die sich lose durch ihre Plots ziehen und spät zusammengesponnen zu teils überraschenden Lösungen führen. Das wusste ich jedoch eingangs noch nicht. Hinzu kommt, dass sie überaus detailverliebt Worte aneinanderreiht, die erst einmal nichts zum eigentlichen Handlungsgeschehen beitragen, die Atmosphäre aber auch nicht zwingend verdichten. Kurze Kapitel, die sich von Anfang an immer wieder um eine andere Figur drehen, wirken wild zusammengewürfelt und ohne eigentlichen Zusammenhang. Dass Jackson Brodie die eigentliche Hauptfigur des Romans ist, fällt nicht auf, denn im Grunde kommen alle Figuren gleichermaßen ausführlich in ihrer Gedankenwelt beschrieben doch etwas blass daher. Vieles uferte anfangs so sehr für mich aus, als dass mich die eigentlich spannende Grundidee fesseln konnte. Das lag auch daran, dass lebendige Dialoge fehlen. LeserInnen erleben die Gedanken der Figuren als Monologe in deren eigenen Kopf mit. Das wirkt manchmal hölzern, enthält jedoch durchaus eine Art unterkühlter Komik. Und dann wiederum berührt es auf überraschende Weise, wenn man schon gar nicht mehr damit rechnet.

Die Geschichte spielt auf zwei Zeitebenen und wird aus zahlreichen Perspektiven erzählt. Sie beginnt im England der 1970er-Jahre, als Tracy gerade ihre Polizistenlaufbahn begonnen hat. Bei der Entdeckung einer ermordeten Prostituierten wird ein kleines Kind gefunden, das danach in der Versenkung verschwindet. Die zweite Zeitebene handelt 30 Jahre später. Tracy ist längst aus dem Polizeidienst ausgeschieden, arbeitet als Warenhausdetektivin, lebt alleine – bis eben zu jenem Tag, an dem sie das kleine Mädchen kauft. Dazu gesellen sich die Handlungsstränge um eine demente Schauspielerin, um eine Sozialarbeiterin, um diverse Polizisten. Und um Jackson Brodie selbst, der herauszufinden versucht, woher seine australische Auftraggeberin kommt, die offenbar in den 1970ern in England geboren wurde, gleichzeitig offiziell aber gar nicht zu existieren scheint.

Es dauerte geraume Zeit, bis ich mich auf Atkinsons Schreibstil einstellte und plötzlich dabei ertappte, wie ich neugierig die Seiten umblätterte. Erzählfragmente begannen sich unspektakulär, aber unaufhaltsam, vor meinen Augen zusammenzufügen. Die auf den ersten Blick wild zusammengewürfelten Figuren sind alle miteinander durch mehr als ein Drama, mehr als ein Geheimnis, mehr als einen Mord, mehr als eine unglückliche Familie und trostlose Lebenswege sowie unerfüllte Träume oder Lebenslügen verbunden. Atkinsons Charaktere gehören samt und sonders nicht zu den Gewinnern. Sie lässt sie einiges durchmachen und geht nicht sonderlich zartfühlend mit ihnen um. Dafür stimmt sie sie sukzessive aufeinander ab. Unversehens ertappte ich mich dabei, wie ich mit ihnen gefühlt, gelitten und gehofft habe.

Der Roman ist zugegebenermaßen nicht ganz ohne Längen, die man vor der Kulisse menschlicher Tragödien und Abgründe nicht erwartet. Dennoch kam das Ende letztlich viel zu schnell. Obwohl dabei längst nicht alle Handlungsfäden schlüssig abgeschlossen werden (vielleicht weil der Roman eben doch Teil einer Reihe ist?), wirkt der Roman nicht unbefriedigend unvollendet.

Fazit: 04aperlenpunkte.jpg

Eine nicht ganz einfache, gesellschaftskritische Geschichte, bei der sich Durchhalten lohnt. Wer schnelle und vor allem einfach strukturierte Handlungsentwicklungen bevorzugt, dem rate ich, die Finger vom Buch zu lassen. Wer auf reißerisch-blutige Passagen hofft, wird sie in diesem Krimi auch nicht finden. Dafür regt Atkinsons Roman leise und unaufgeregt zum Nachdenken an und wird sicherlich nicht der Letzte sein, den ich von dieser Autorin lese. Für Das vergessene Kind möchte ich vier von fünf Punkten vergeben.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

3. Februar 2013

KLEIN, EDWIN: DER KREBSKANDIDAT – The Cancer-Man

Filed under: Krimi/Thriller,Roman — Ati @ 18:16

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SWB-Verlag
ISBN-13: 9783942661959
ISBN-10: 3942661950
Thriller
1. Auflage 09/2012
Taschenbuch,
383 Seiten
[D] 12,50 €

Verlagsseite
Autorenseite

Kürzlich warf ein Bekannter einen Blick auf meinen SuB. Als er Der Krebskandidat entdeckte, flammte sein Interesse auf, glaubte er doch, dass es darin um den von William B. Davis in Akte X gespielten, anscheinend stets rauchumwölkten Krebskandidaten ginge. Ich habe den darauf folgenden begeisterten Ausführungen zur Filmfigur nur mit halbem Ohr gelauscht und mich stattdessen nochmals entsetzt über die Inhaltsangabe des Buches hergemacht. Obwohl ich so ziemlich alles lese, kann ich nicht behaupten, Akte-X-Fan zu sein. Einen Roman über eine Figur daraus wollte ich auch nicht unbedingt lesen. Während mein Bekannter mein mangelndes Interesse absolut nicht nachvollziehen konnte, durfte ich jedoch erleichtert aufatmen. In Edwin Kleins 2012 beim SWB-Verlag herausgegebenen Roman geht es glücklicherweise um etwas ganz anderes.

1967 wurde Klein Deutscher Juniorenmeister im Hammerwurf. In den folgenden Jahren durfte der ehemalige Leichtathlet noch mehrmals das Siegertreppchen besteigen und nahm auch an den Olympischen Spielen 1972 und 1976 teil. Nach Beendigung seiner Sportlerkarriere war er als Gymnasiallehrer tätig. Seit 1990 arbeitet er als freier Autor. Aus der Feder des 1948 bei Trier geborenen Edwin Klein, der auch unter dem Pseudonym Ed Elkin schreibt, stammen über 20 Bücher, z. T. in mehreren Auflagen und Sprachen, sowie etwa ein Dutzend Drehbuch-Exposés. Kleins Spektrum reicht von Sach- über Kinderbücher hin zu Biografien. Auch actionorientierte Polit-Thriller, angesiedelt im nationalen wie internationalen Milieu, sind dabei.

Der Krebskandidat handelt von Philipp. Der kann sich offenbar ohne medizinische Behandlungen selbst heilen. Die Pharmaindustrie interessiert sich für ihn, birgt doch Philipps genetische Veranlagung die Chance, ein Mittel gegen die todbringende Krankheit entwickeln zu können. Dadurch steht sein Leben von heute auf morgen Kopf und ihm werden verlockende Angebote gemacht. Doch bei Weitem nicht jeder sieht in der Ergründung seines Geheimnisses einen absoluten Segen. Faktisch drohen der Pharmaindustrie herbe Verluste, weil sich mit gesunden Menschen kein Geld verdienen lässt. Philipp wird zu einem Problem …

Diese spannende Grundidee offenbart sich nach einem schnellen Blick auf die Rückseite des Buches. Wer vermutet, dass sich Klein ausschließlich auf Philipp und seine wundersame Veranlagung bzw. auf die sich für ihn ergebenden Folgen konzentriert, wird schnell eines Besseren belehrt. Tatsächlich spielt er eine genauso große oder kleine Rolle wie alle anderen Charaktere, die man im Buch findet. Egal ob es sich um seine Freundin Gilla handelt, die ihn irgendwann managt, da ihm die Sache recht schnell über den Kopf wächst. Seinen Freund und Hausarzt Holger oder Gillas Ex-Freund und Computercrack Kurt. Peter Farmer, den Chef eines großen Pharmaunternehmens, dessen als Wissenschaftlerin tätige Geliebte, seinen zwielichtigen Sohn Walter, seinen profitgierigen Schwiegervater oder dessen gleichgesinnte Freunde, die im Hintergrund ähnlich Marionettenspielern die Fäden ziehen. Da gibt einen Fremdenlegionär und dessen Helfer, die sich für andere die Hände schmutzig machen. Und noch etliche weitere Charaktere, mal mehr mal weniger beleuchtet, zwischen denen der Autor munter hin und her springt.

Auch bei den Handlungsorten spart Klein nicht. Er schickt seine Figuren an verschiedene Orte in Europa, in den Vereinigten Staaten von Amerika und auf dem afrikanischen Kontinent und lässt sie eine Fülle an Dingen erleben, Aktionen planen und ausführen, verlieren und gewinnen. Die 382 Seiten sind wirklich prall gefüllt mit Erzählsträngen, die sich einander unterschiedlich temporeich nähern und wieder auseinanderdriften, ohne dass einer dieser Stränge verloren geht oder offen endet. Sie handeln auf den ersten Blick zwar durchaus von Philipp, mehr jedoch von den überaus korrupten, absolut profitgierigen, machthungrigen und erschreckend menschenverachtenden Motiven derjenigen, die an der Spitze großer Pharmaunternehmen stehen. Wer Freund oder Feind ist, erschließt sich dabei nicht gleich auf den ersten Blick.

Ein Ideenszenario ganz nach meinem Geschmack. Eigentlich. Denn tatsächlich handelt es sich bei Der Krebskandidat um ein Buch, das mir nach einem interessanten Auftakt einiges an Durchhaltevermögen abverlangte. Mehrere Male war ich kurz davor, es endgültig vor der Lektüre des letzten Kapitels beiseite zu legen. Immer wieder stolperte ich über die gleichen Schwachstellen und brauchte, was bei mir extrem lange ist, sechs Wochen, bis ich besagtes Kapitel beenden konnte. An der Grundidee lag es nicht, denn die finde ich nach wie vor spannend. An den vielen Informationen, die man im Bezug auf Krebserkrankungen und Untersuchungsmethoden ganz nebenbei erfährt, ebenso wenig. Firmenpolitische Erwägungen, Intrigen und Verwirrspiele, Anschläge und Rückschläge – all das hätte mich grundsätzlich fesseln können, wäre es denn anders beschrieben worden.

Obwohl ich nicht behaupten kann, dass mir irgendeine der Figuren absolut unwirklich vorkam, blieben mir durchweg alle fremd. Sympathie, Antipathie und so etwas wie Mitgefühl kam allenfalls ansatzmäßig auf.

Das erklärt sich nicht nur damit, dass der Autor sich diverser Klischees bedient und seine der Figuren alle hypergescheit und umfassend informiert gestaltet. Es liegt sicherlich auch daran, dass lebendige Dialoge fehlen. Zu vieles spielt sich in den Köpfen der Figuren ab. Ihre Gedankengänge wirken abgeklärt-distanziert, muten fast wie abstrakte Selbstgespräche an. Teils sind es auch Selbstgespräche, die dazu noch allzu häufig im Konjunktiv I formuliert wurden. Selten habe die Worte werde, solle, müsse oder könne in einer derartigen Fülle gelesen. Unterschiede zwischen den Figuren kann man hier kaum erkennen. Dadurch scheint die Geschichte insgesamt eher präsentiert zu werden, als sich zu entwickeln. Kommt es tatsächlich zu einem Dialog, artet dieser allzu schnell in etwas aus, dass sich am besten als Fachsimpelei beschreiben lässt. Die ist zwar durchaus interessant, wirkt jedoch trocken. Emotionen gehen auf diese Weise zudem vollkommen unter. So habe ich beispielsweise angesichts der Gefahr, in der Philipp sich im Laufe der Geschichte befindet, keine Angst bei ihm erkennen können, da er sich durchweg rational verhält. Auch Gillas Verhalten erscheint eher gewinnorientiert als andeutungsweise besorgt. Wut wird erwähnt, doch erstickt keine der Figuren daran, machen sie sich doch sofort und überaus vernunftbegabt an die Umsetzung von eventuellen Rachegelüsten.

Auch die bildhafte Beschreibung der Handlungsorte fehlt oder geht, sofern sie denn vorhanden ist, in allzu anschaulichen Ausführungen mit Sachbuchcharakter unter. Klein erwähnt viele Vorkommnisse aus dem realen Leben, verknüpft sie mit seiner Romanhandlung. Beides finde ich grundsätzlich spannend und interessant. Allerdings zog sich das Geschehen in diesem Fall stellenweise unerträglich in die Länge, gerade aufgebaute Spannung flachte schlagartig wieder ab. Letzteres auch deshalb, weil sich durch die Perspektivwechsel eine gewisse Vorhersehbarkeit einschlich.

Hinzu kommt, dass die Figuren – Philipp und Gilla sozusagen als Normalbürger, Farmer als Chef eines riesigen Konzerns, Walter als sein Handlanger oder der Fremdenlegionär der für Geld alles tut – über Ressourcen und Möglichkeiten verfügen, die sie fast auf gleicher Augenhöhe operieren lassen. Und, obwohl der eine schlauer und gewiefter ist als der andere, Fehler machen und Dinge außer Acht lassen, die ebendies in Frage stellen. Kriminelle Machenschaften werden durch Verträge ausgebremst und die wiederum durch kriminelle Machenschaften ausgehebelt. Sinn und Zweck mancher Aktion bleiben so mitunter fast auf der Strecke.

Grundsätzlich – Roman hin oder her – wirken Kleins Gedankengänge zu den profitorientierten Interessen der Pharmaindustrie im Medikamentenbereich nicht völlig unglaubwürdig. Dazu gab es in der Vergangenheit bereits zu viele entsprechende Skandale. Krankheit ist ein wesentlich lukrativeres Geschäft als Gesundheit. Allerdings wirkt der von ihm präsentierte Erzählstrang bezüglich der vordergründig angestrebten Herstellung DES MEDIKAMENTS gegen Krebs grundsätzlich ebenso wie der mehrfach im Buch angesprochene, eng gesteckte zeitliche Rahmen etwas weit hergeholt. 

Das Ende hat mich dennoch in gewisser Weise völlig überrascht, wobei ich mich hier nicht auf das letzte Kapitel im Buch beziehe. Doch insgesamt betrachtet ist die Idee des Drahtziehers hinter allem zu konstruiert-bemüht. Die Motivation ist zwar klar herausgearbeitet und angesichts des enormen Gewinns für diese Figur auch nicht gänzlich unglaubwürdig. Doch die Entwicklung beruht einerseits auf zu vielen geschickten Planungen und andererseits auf allzu passenden Zufällen. Hätte der Hausarzt nicht reagiert, wäre ein weiterer Arzt nicht in Aktion getreten. Wäre dieser nicht in Aktion getreten, hätte Philipp niemals den ersten Schritt in die Öffentlichkeit gemacht. Ohne diesen Schritt wäre aber die Folgereaktion nicht zu erwarten gewesen und so weiter. Die drahtziehende Figur im Hintergrund scheint einzig und allein einfach alles bedacht zu haben, selbst die Reaktionen von Konkurrenten. Praktischerweise denken jedoch sowieso nur amerikanische und deutsche Pharmaunternehmen ernsthaft daran, die ebenso verblüffende wie hoffnungsmachende Anomalie Philipps gewinnbringend für sich zu nutzen.

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Der Autor spannt einen detailverliebten weiten Bogen ausgehend von einer Krebsdiagnose und den daraus resultierenden Entwicklungen, über erschreckende Testreihen und gewinnbringende Falschmeldungen sowie Versuchen an Menschen bis hin zur Gier nach Macht und Reichtum, die alles überstrahlt. Das grundsätzlich interessante Ideenszenario verliert jedoch an Reiz angesichts der Gedankenfülle, die der Autor zum Ausdruck bringt. Einiges wirkt zu komprimiert. Anderes eindeutig zu ausführlich. Insgesamt nicht immer spannend, aber auch nicht durchgehend langweilig. Richtig gut gefiel mir das Buch nicht, da es mir zu viel Durchhaltevermögen abverlangt hat. Wirklich schlecht fand ich Kleins Roman jedoch keinesfalls, weshalb ich drei von fünf Punkten dafür vergeben möchte.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

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