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30. November 2012

Bagshawe, Louise: Diamonds – Wer Luxus will, muss listig sein

Filed under: Belletristik,Chick-Lit,Roman — Ati @ 18:27

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Originaltitel: Glitz
ins Deutsche übersetzt von Kerstin Winter
Knaur Taschenbuch
ISBN-13: 9783426504932
ISBN-10: 3426504936
Chick-Lit
03/2011
Taschenbuch, 512 Seiten
[D] 8,99 €

Verlagsseite
Autorenseite (englisch)

Die englische Autorin Louise Bagshawe, Mutter von zwei Kindern, entdeckte das Schreiben früh für sich. Bereits mit 14 verfasste sie Artikel für diverse Zeitungen. Nach einem beruflichen Abstecher in die Musikindustrie widmete sie sich ganz dem Schreiben und avancierte zur Bestseller-Autorin. Nebenbei engagiert sie sich politisch und im Rahmen unterschiedlicher Wohltätigkeitsprojekte.

Bei Knaur erschien seit 2005 jährlich ein neuer Roman von ihr. Dazu zählen Hexe mit Handtasche (09/2005), Löwin im Minirock (03/2006), Schmusekatze auf Beutefang (08/2007), Heldin auf Stöckelschuhen (12/2007), Wildkatze mit Samthandschuhen (05/2008), Glamour – Wer alles will, muss mutig sein (01/2009), Sparkles: Viel zu schön, um brav zu sein (02/2010) und der im März 2011 erschienene und vor mir liegende Roman Diamonds – Wer Luxus will, muss listig sein.

Darin geht es um das Schwesternpaar Juno und Athena und ihre Cousinen Diana und Venus, die eigentlich unterschiedlicher nicht sein könnten. Nicht zum ersten Mal bedient sich die Autorin dabei einer Gesellschaftsschicht, in der Schönheit und Reichtum Macht bedeuten und die wiederum alles. Die eine ist die versnobte, überhebliche Königin der Londoner High Society, die andere eine international anerkannte etwas schrullige Philologin. Die Dritte im Bunde Londons bekanntestes und etwas wildes It-Girl, die Vierte eine talentlose, eher durch ihr Vermögen bekannte Schauspielerin. Und sie haben bei allen Unterschieden dann doch ein paar Gemeinsamkeiten.

Sie alle schwimmen im Geld. Besagtes Geld müssen sie nicht erst mühsam verdienen, bevor sie es mit vollen Händen aus dem Fenster werfen dürfen. Unabhängigkeit ist etwas Herrliches, nicht wahr? Ein alljährliches Geschenk von 500.000 Pfund garantiert diese Unabhängigkeit und sie müssen dafür nur einmal jährlich gemeinsam einen spendablen Onkel besuchen. Nebenbei bemerkt. Das ist zwar ein sattes Polster, stehen ihnen umgerechnet doch etwas mehr als 50.000 Euro pro Monat zur Verfügung. Allerdings scheint das im Reich der Superreichen und Superschönen dann doch wieder nicht so unendlich viel.

Das merken die Vier dann auch prompt, als sie, obwohl sie bisher noch nie in ihrem Leben einen Gedanken an ihren Kontostand verschwenden mussten, bei einem dieser Besuche der Verlobten ihres Onkels vorgestellt werden. Die ist nicht nur in ihrem Alter, sondern gibt auch gerne Geld aus. Und so unabhängig der stete Geldfluss die Vier in der Vergangenheit auch gemacht haben mag, so sehr stellt sein Versiegen sie vor Probleme. Also suchen sie einen Ausweg.

Neben dem paranoiden und berechnenden Onkel gestaltet Bagshawe auch ihre vier Hauptcharaktere nicht sonderlich sympathisch. Erst nach und nach konnte ich mich halbwegs mit ihnen arrangieren, gingen sie doch zudem beinahe in der allzu häufigen Nennung von Luxusmarken unter. Dieses Schicksal teilen sie sich mit Handlungssträngen um Beziehungen und mit denen zu Ideen, wie sie ihrem Dilemma entkommen könnten bzw. der Umsetzung derselben. Darüber hilft der flüssig und angenehm lesbare Schreibstil nur halbwegs hinweg. Spritzige Dialoge oder ein gewisser Wortwitz hätten die gerade erwähnte Schwäche auch überspielen können, kommen aber faktisch zu kurz.

Und dann, als ich so langsam aber sicher angesichts der Entwicklung, die sich für die vier Frauen abzeichnet, Gefallen an dem Buch fand, landete ich auch schon mitten im Schluss. Die Vier erleben ihr persönliches Happy End, nur leider nimmt man als LeserIn viel zu wenig daran teil.

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Das Buch lässt mich gespalten zurück. Es liest sich trotz der erwähnten Schwächen leicht und flüssig. Die Entwicklung der vier Frauen hätte jedoch eindeutig mehr Beachtung verdient, die wiederholte Betonung ihres luxuriösen Lebens dafür weniger vertragen. Ein Lesequickie, für den ich drei von fünf Punkten vergeben möchte.

Copyright ©, 2012 Antje Jürgens (AJ)

 

Coburn, Jennifer: Kerle angeln

Filed under: Belletristik,Chick-Lit,Roman — Ati @ 14:27

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Originaltitel Reinventing Mona
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Barbara Imgrund
Knaur Taschenbuch
ISBN-13: 9783426500576
ISBN-10: 3426500574
Belletristik
Originalausgabe 07/2011
Taschenbuch, 368
[D] 8,99 €

Verlagsseite
Autorenseite (englisch)

 

Für Artikel in diversen Magazinen und Zeitschriften, die in Australien, Kanada und den Vereinigten Staaten verlegt werden, wurde die in New York geborene Autorin und in Michigan graduierte Journalistin Jennifer Coburn bereits mehrfach ausgezeichnet. Darüber hinaus beteiligte sie sich an vier Anthologien und veröffentlichte bislang vier Romane. Die Inspiration dazu bezieht sie unter anderem, wie man dem Autorenprofil auf der Verlagsseite entnehmen kann, eigenen Angaben zufolge aus belauschten Gesprächen (von Freunden und Verwandten). Außerdem steckt in jede ihrer Figuren ein kleines Stück von sich selbst. Drei der vier von ihr veröffentlichten Romane erhält man in der deutschen Übersetzung bei Knaur. Neben dem mir vorliegenden Kerle angeln, die zusätzlich zu der gedruckten Form auch als E-Book erhältlich ist, gibt es auch noch die beiden Titel Mütter, Männer und andere Katastrophen sowie Ehemann günstig abzugeben. Coburn lebt mit ihrer Tochter Katie und ihrem Mann William in San Diego.

 

Wie die Titel bereits erahnen lassen, geht es in ihren Romanen nicht ganz ernst zu. Und auch die Inhaltsangabe auf der Verlagsseite unterstrich diese Vermutung. Das las sich für mich bereits wie ein nettes chick-lit-Lesevergnügen für zwischendurch.

 

Allerdings, ich gebe es zu, hätte ich nicht unbedingt damit gerechnet, eine vom Schicksal arg gebeutelte Hauptfigur kennenzulernen. Durch einen Unfall verlor Mona Eltern, Geschwister und ihre erste Liebe zusammen mit allen übrigen Bewohnern der Hippie-Kommune, in der sie bis dahin lebte. Sie wächst bei ihrer Großmutter auf. Jahre später stirbt auch diese und hinterlässt Mona ihr Haus. Die mittlerweile fast 31Jährige ist einsam und hat im Grunde keinen Plan, wie es weiter gehen soll. Hinzu kommt, dass ihr Arbeitsplatz von heute auf morgen nicht mehr sicher ist. Ihr Chef bietet all denen eine Abfindung, die freiwillig gehen.

 

Das klingt jetzt erst einmal viel zu ernst für eine unterhaltsame Kommödie. Doch diese traumatischen, im Rückblick erzählten Ereignisse bestimmen nicht die Grundnote von Kerle angeln, keine Sorge. Sie bieten jedoch eine Erklärung für so manche Wunschvorstellung Monas und auch die eine oder andere Verhaltensweise findet sich gut darin begründet.

 

Bei der Abfindung greift Mona jedenfalls zu, sieht sie doch den richtigen Zeitpunkt gekommen, um ihr Leben neu zu organisieren. Vor allem will sie endlich Adam, dem Steuerberater ihrer Großmutter, den sie seit 7 Jahren anhimmelt, ohne dass er etwas davon weiß, näherkommen. Da sie jedoch keinen blassen Schimmer hat, wie sie letzteres Erfolg versprechend umsetzen kann, sucht sie Hilfe. Die findet sie in dem Kolumnisten Mike. Der scheint zwar ein absoluter Chauvinist im Neandertalerformat zu sein, doch Monas Ansicht nach ist er perfekt dafür prädestiniert, Verständigungsprobleme mit Adam zu vermeiden. Ihre Idee und Mikes Hilfe zahlt sich aus, denn tatsächlich kann sie ihren Traummann endlich treffen. Dumm nur, dass mittlerweile auch Mike Herzklopfen bei ihr verursacht und Adam plötzlich gar nicht mehr so interessant ist.

 

Wer Wert auf eine humorvolle Liebesgeschichte legt, sollte vielleicht die Finger von Coburns Roman lassen. Denn tatsächlich ist hier eher der Weg das Ziel, der Fokus liegt eindeutig auf Monas Bemühungen geliebt zu werden. Kerle angeln und damit Monas Aktionen gestalten sich komödiantisch. Es ist eine leicht lesbare, amüsant-spöttische, turbulente und stellenweise klamaukartig überzogene Geschichte.

 

Die Hauptfigur Mona ist gelinde gesagt chaotisch, jedoch genau wie einige Nebencharaktere, liebenswert dargestellt. Die junge Frau bezeichnet sich schon mal selbst als „Senffleck auf einer Tweedcouch aus dem Versandkatalog“. Dass sie eigentlich erst 20 kg abnehmen und ihren Traummann zudem erst noch davon überzeugen muss, die Richtige für ihn zu sein, weil er sie nicht richtig kennt, mag übertrieben und unreif klingen, doch wirkt Mona gerade dadurch überraschend authentisch.

 

Sie erzählt die Geschichte übrigens. Die gewählte Ich-Form bietet insofern ein kleines Manko, als man wenig über die Beweggründe von Mikes Verhalten erfährt. Man bekommt natürlich mit, dass der unter seiner harten Schale einen weichen, liebenswerten Kern versteckt und längst nicht so hartgesotten ist, wie er tut. Doch abgesehen davon bleibt er angesichts der gewählten Erzählform eben etwas zu diffus. Unabhängig davon erfüllen er und sein Rivale Adam mehrere überaus triviale Klischees.

 

Im Laufe der Geschichte verwandelt sich Mona vor den Augen von Coburns LeserInnen. Die Frau ohne Leben, Familie, Mann, Freunde, Hobbys, Leidenschaften, Stil oder Leichen im Keller stellt fest, dass sie sich gar nicht verstellen muss, um akzeptiert, anerkannt und geliebt zu werden. Sie wird aktiv und letztlich auch dafür belohnt. Bis dahin greift sie jedoch zu recht kreativen Mitteln und muss mit mehr als einem Missgeschick und dem einen oder anderen Stolperstein zurechtkommen. Hier scheint sich zu bestätigen, was die Autorin von sich sagt, denn manches wirkt trotz der Überzogenheit so echt, als ob es tatsächlich an die Realität angelehnt wäre.

 

Bedauerlicherweise etwas zu theatralisch ist dann der Schluss der Geschichte. Irgendwie passt er zwar zu den Dingen, die Mona so anstellt, um Adam auf sich aufmerksam zu machen, aber insgesamt wirkt der Showdown zu dick aufgetragen.

 

Fazit: Trotz kleinerer Schwächen wurde ich nicht enttäuscht. Kerle angeln ist eine amüsante, leicht lesbare Geschichte für einige unterhaltsame, entspannende Lesestunden. Sie sorgt für hochgezogene Mundwinkel und lässt einen leicht eintauchen. Ich möchte ihr vier von fünf Punkten geben und kann sie jedem empfehlen, der abschalten möchte.

 

Copyright ©, 2012 Antje Jürgens (AJ)

 

29. November 2012

Raven, Lynn: Hexenfluch

Filed under: Roman — Schlagwörter: , , , , , , , , — Ati @ 17:41

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Knaur Taschenbuch
ISBN-13: 9783426505601
ISBN-10: 3426505606
Fantasy
1. Auflage 05/2011
Taschenbuch mit Klappenbroschur, 432 Seiten
[D] 12,99 €

Verlagsseite
Autorenseite

Beim Stöbern auf der Verlagsseite fiel mir das rote Kleid auf dem Cover ins Auge. Also las ich flugs die Inhaltsangabe. Demnach geht es um eine erfolgreiche Ärztin Ella, die für ihren Beruf lebt. Ihre Mutter hat sie und ihren Vater verlassen, was dafür sorgte, dass sie ihr Herz verschloss. Abgesehen davon ahnt sie nicht, dass ihre Mutter ihr etwas hinterlassen hat. Ein magisches Erbe, das zum Ausbruch kommt, als sie eines Abends beobachtet, wie ein Mann von einer Gruppe vermummter Gestalten misshandelt wird. Ihr beherztes Eingreifen verhindert das Schlimmste, doch als sie den verletzten Hexer Christian Havreux berührt, durchströmt sie eine ungeahnte Macht. Auch Havreux spürt diese bislang unentdeckten Fähigkeiten und bietet ihr prompt – nicht ganz uneigennützig – an, sie auszubilden.

Trotz des magischen Elements spielt die Geschichte in unserer Welt, unserer Zeit. Allerdings richtet sich die Autorin im Gegensatz zu früheren Büchern eindeutig an ein erwachsenes Publikum. Die Elemente in der Geschichte sind dunkel und brutal, stellenweise sehr blutig. Daneben kommen auch Liebe und Erotik darin vor, allerdings nicht so, dass sie die Geschichte überfrachten oder verkitschen.

Raven schreibt in einem flüssigen, unprätentiösen und leicht lesbaren Stil, greift in spannenden Szenen auf kurze Sätze zurück. Trotz wechselnder Perspektiven nimmt die Geschichte dennoch anfangs nur zögerlich an Tempo zu. Oder vielleicht sollte ich schreiben, dass sie gerade wegen der wechselnden Perspektiven nur langsam an Tempo gewinnt. Hierdurch ergibt sich nämlich eine gewisse Vorhersehbarkeit. Hinzu kommt, dass die Haupt- und Nebencharaktere etwas zu wenig beleuchtet werden. Wirklich unscheinbar oder gar uninteressant sind sie jedoch nicht und beides wird zudem eindeutig durch die ansonsten dichte Atmosphäre abgemildert.

Christian ist genauso sympathisch wie undurchschaubar. Ella genauso hilfsbereit wie ehrgeizig. Und obwohl sie eigentlich völlig in ihrem Beruf aufgeht, schafft Christian, was andere nicht schaffen. Er scheint einfach perfekt. Schätzt Ellas Denkweise, respektiert sie, bringt ihr bei, ihre magischen Fähigkeiten zu kontrollieren, die sie durchaus aus der Bahn werfen könnten. Auf geradezu sanfte Weise wirbt er um sie. Vor dem magisch-düsteren Hintergrund wirkt die sich anbahnende Liebesgeschichte makellos. Dieser Hintergrund ist übrigens gut damit verwoben und beinhaltet, dass Christian eine undurchschaubare, tödlich-böse Seite hat. Und in den Fängen der Dämonin Lyresha hängend nicht wirklich frei entscheiden kann.

Gegen Mitte und vor allem Ende des Romans nimmt die Geschichte greifbar an Tempo zu, ohne dass der Eindruck entsteht, dass hier schnell etwas beendet werden musste. Hier hält auch vermehrt brutale Gewalt Einzug, es werden Vergewaltigungen und Abartigkeiten erwähnt, ohne dass die Autorin sich in zu exzessiven Beschreibungen verliert. Dennoch scheint das Blut förmlich aus dem Buch herauszutropfen.

Fazit: Wer hofft, den bisherigen, dem jugendlichen Publikum geschuldeten, romantisch-sehnsüchtigen Stil Ravens auch in Hexenfluch zu lesen, wird enttäuscht werden. Unabhängig davon findet man darin, sowohl ganz allgemein betrachtet wie auch direkt auf frühere Romane der Autorin bezogen, keine neue Grundidee. Eine gute Umsetzung hebt dieses vermeintliche Manko jedoch wieder auf. Und Raven hat die Idee trotz des eher behutsamen Einstiegs sowohl gut als auch wieder etwas anders in einen unterhaltsam-spannenden Fantasy-Roman für Erwachsene umgesetzt. Deshalb lohnt es sich durchaus, bei Ravens Hexenfluch durchzuhalten. Ich möchte der Geschichte vier von fünf Punkten geben.

Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

Moog, Philipp: Lebenslänglich

Filed under: Krimi/Thriller,Roman — Ati @ 13:36

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Dumont Buchverlag
ISBN-13: 9783832161590
ISBN-10: 3832161597
Krimi
1. Auflage 04/2011
Taschenbuch, 188 Seiten
[D] 8,99 €


Verlagsseite

Bereits 2008 kam der Debütroman des 1961 geborenen Schauspielers, Synchronsprechers,  Drehbuch- und Romanautors auf den deutschen Buchmarkt. Nach der Hardcoverausgabe legte Dumont im letzten Jahr in Form einer Taschenbuchausgabe nach.

Schwarzer Humor ist etwas, was ich seit Langem mag. Auslöser war glaube ich ein Monty Python-Film. Diese kleine Vorliebe und der Hinweis, dass Moogs Roman voll davon wäre, führte dazu, dass die Taschenbuchausgabe von Lebenslänglich vor mir liegt.

Moogs Schreibstil zog mich schnell in seinen Bann, wobei es mich nicht direkt in die Geschichte zog. Der Grund hierfür ist die für mich etwas zu distanzierte Art, mit der die Hauptfigur sich betrachtet. Man könnte schon fast sagen verbal seziert. Dennoch habe ich das Buch verschlungen.

Die gerade angesprochene Hauptfigur ist ein kleiner, unscheinbarer, adipöser Bankkassierer mit schütterem Haar und teigiger Haut. Er hat kein allzu reges Liebesleben. Eigentlich gar keins, denn die Frauen übersehen ihn schlichtweg, tagtäglich viele, viele Male. Überhaupt ignoriert ihn die Gesellschaft. Er fühlt sich ausgeschlossen, hat keinen Spaß und versucht, aus diesem trostlosen Dasein auszubrechen. Dafür macht er aber keine Diät. Er rennt auch nicht ins Fitnessstudio, um seinen Körper auf Vordermann zu bringen. Besucht auch keine Flirtkurse oder irgendwelche Seminare mit Anschlussgarantie. Nein, weil er widersinnigerweise hofft, dass eine spezielle Kollegin in seine tröstenden Arme flüchtet, wenn den Liebhabern seiner weiblichen Kolleginnen etwas geschieht, sorgt er für deren Ableben. Dummerweise wird natürlich die Polizei angesichts der Todesfälle aufmerksam. Und ganz unabhängig davon geht sein Plan schief. Nicht seine angebetete Traumfrau sucht Trost bei ihm und schmachtet ihn an, sondern eine nach Schweiß riechende und ebenfalls keinem hierzulande gängigen Schönheitsideal angehörende andere Kollegin. Angewidert wehrt er sich gegen ihre Avancen, denn auch wenn er selbst kein Prinz ist, möchte er doch absolut überhaupt keine Kröten küssen.

Kein sehr sympathischer und noch dazu ein namenloser Hauptcharakter, den Moog da für sein Romandebüt wählt. Allerdings auch keiner, der absolut erfunden und unecht wirkt. Voll Selbstmitleid lebt das dicke Männchen, wie er sich selbst nennt, in seiner eigenen kleinen Welt. Voller Hass auf sich selbst und die Welt, die ihn einfach übersieht und ungerecht behandelt. Was er denkt und fühlt, was er ihn zu dem was er tut motiviert, das erfahren Moogs LeserInnen durch ihn, mal in der ersten, mal in der dritten Person. Er plant perfide seine Taten und führt sie auch gnadenlos aus, bevor er sich selbst zum tapferen kleinen Held des jeweiligen Abends erhebt.

Moog spart an unnötigen Ausführungen, schafft aber durch die treffend klare, bildhafte Sprache eine authentische Atmosphäre. Er pointiert durch böse Ironie und bitteren Zynismus. Und so sieht man, wie die Wunschvorstellungen des Verlierers sich in Nichts auflösen. Trostlos und trist fristet er sein Dasein. Er ist sich gnadenlos seiner selbst, vor allem aber seiner Defizite bewusst. Straft sich unentwegt, indem er sie sich unter die Nase reibt und Vergleiche zieht. Während die Welt ihn übersieht, scheinen seine Sinne überall zu sein und alles wahrzunehmen. Seine Welt stand mir beim Lesen erschreckend klar vor Augen. Unaufgeregt wird nach und nach nachfühlbar klar, wie sehr jemand nicht nur durch die Gesellschaft, sondern auch durch sich selbst ins Abseits manövriert werden kann.

Fazit: Lesenswertes Debüt, das Lust auf weitere Werke des Autors macht. Schwarz, zynisch und unterhaltsam, wie er ist, bekommt Philipp Moogs Debütroman fünf von fünf Punkten von mir.

Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

28. November 2012

Tutschkow, Swetlana Alexandrowna: Russisches Zigeuner-Orakel

Filed under: Buch- & Sammelreihe,Esoterik — Ati @ 13:23

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Königsfurt-Urania Verlag GmbH
ISBN-13: 9783868267341
ISBN-10: 3868267344
Esoterik
Neuausgabe 2012
Set im Stülpkarton, Buch broschiert, 176 Seiten und 25 Karten
[D] 14,99 €

Verlagsseite

Ein Bekannter von mir liest täglich sein Horoskop und ist auch ganz scharf darauf, gegen Jahresende solche für das gesamte folgende Jahr (etwa die in der Fernsehzeitung und diversen Monatszeitschriften) zu studieren. Ich schreibe bewusst studieren, denn wenn man sich hoch konzentriert in die Dinger vertieft, kann man das nicht anders nennen. Dennoch wird er aller Voraussicht nach einen Schreikrampf bekommen, wenn er eine meiner neuesten Errungenschaften mitbekommt. Nach eigenen Aussagen hält er es nämlich eher wie Doris Day in ihrem Song Que sera, sera, wo irgendwo die Textzeile „the future’s not ours to see“ kommt. Esoterische Spinnereien wie Kartendecks oder Pendel kann er deswegen überhaupt nicht ab.  

Die Errungenschaft ist ein weiteres Set aus der Bibliothek der Orakel von Königsfurt-Urania. Jedes der Sets ist ein optischer Leckerbissen mit dazu passenden, ausführlichen Informationen und entsprechendem Handwerkszeug (Karten, Pendel, etc.), sodass sowohl Anfänger als auch Geübte damit experimentieren oder arbeiten können. Auch das gerade vor mir liegende Russische Zigeuner-Orakel von Tutschkow ist so gehalten.

Diejenigen, die sich schon länger mit der Materie beschäftigen, werden bei Lesen des Titels Russisches Zigeuner-Orakel vielleicht etwas wie „da war doch mal was“ denken. Ein Buch und Kartendeck von Tutschkow wurde 1991 von HarperOne mit dem Titel Russian Gypsy Fortune Telling Cards herausgegeben. Eine deutsche Ausgabe erschien dann erstmalig 1993, eine weitere 2006 – beide bei AGM Müller AG Urania. Jetzt gibt es die mir vorliegende Neuausgabe aus dem Hause Königsfurt-Urania. Oder vielleicht kennen ja auch einige entsprechende Orakel-Karten von Vadim Tschenze oder die sogenannten Seni Horoskop-Orakelkarten, die auf Wallensteins Hofastrologen und Berater Giovanni Battista Senno, kurz Seni, zurückgehen und als eine der reizvollsten astrologischen Überlieferungen des Abendlandes gelten.

Doch zurück zum aktuellen Set. Das beinhaltet zunächst einmal die 25 quadratischen Karten. Diese messen 10 auf 10 Zentimeter, woran man sich beim Mischen eventuell erst einmal gewöhnen muss. Die Rückseite ist einheitlich schwarz-golden gestaltet und zeigt neben Ornamenten einen mittig angebrachten Stern und in den vier Ecken die Symbole Sonne, Herz, Kleeblatt und Mond. Die farbig gestalteten Vorderseiten sind optisch durch diagonale, ornamentale Streifen (passend zur Rückseite schwarz-golden) geteilt, sodass vier Dreiecke entstehen. Diese Dreiecke sind mit jeweils einem halben Symbol ausgefüllt.

Das Kartenlegen hat etwas von einem Puzzle, bei dem man nach dem Legen durch Drehen versucht, ein Gesamtbild aus zwei nebeneinanderliegenden Hälften herzustellen. Der Legeplatz bleibt dabei derselbe. Grundsätzlich könnten so 50 ganze Symbole entstehen. Praktisch ist das aber nahezu unmöglich. Auch bei diesem Deck kann man die Karten für sich, anwesende oder abwesende Personen legen und deuten, jedoch für ein und dieselbe Person nicht mehr als einmal täglich.

Nur die durch Drehung entstehenden ganzen Bilder werden gedeutet. Hierbei wird dann auch beachtet, ob das Motiv nach links, rechts, oben oder unten zeigt. Wer sich unschlüssig ist, wie er das etwa beim Sonnensymbol erkennen kann, dem wird das Ganze erleichtert. Auf den einzelnen Symbolen findet man einmal Zahlen, die das Nachschlagen im Buch vereinfachen, und Pfeile. Diese befinden sich (in einem kleinen Quadrat, Gold auf Schwarz) in der Mitte der Karten, sodass sie wiederum ein auf Spitze stehendes Quadrat ergeben. Ergeben zwei zusammengehörende Hälften ein ganzes Symbol, findet man die Pfeile dadurch links und rechts oder ober- und unterhalb des desselben.

Die 50 Symbole sind: Kavalier, Kleeblatt, Schiff, Haus, Feuerholz, Apfel, Schlange, Leichenwagen, Blumenstrauß, Sichel, Äste, Vögel, Knabe, Fuchs, Bär, Sterne, reiher, Hund, Burg, Wald, Berge, Straße, Mäuse, Herz, Ring, Buch, Brief, Hufeisen, Geld, Lilie, Sonne, Mond, Fisch, Eule, Anker, Händedruck, Engel, Dame, Pferd, Knoten, Katze, Waage, Krebs, Feuer, Schwein, Brücke, Dämonen, Hahn, Dolch und Brot.

In dem beiliegenden Handbuch wird darauf eingegangen, wofür die 50 Symbole stehen. Wie bei vielen anderen Karten auch ist dank der darauf befindlichen Zahlen ein schnelles Nachschlagen möglich. Die Optik kommt auch im Buch nicht zu kurz. Neben den Abbildungen der Symbole sind die einzelnen Seiten unten mit dem gleichen Ornament verziert, das sich auch auf dem Titelbild oder Stülpkarton findet, zusätzlich weitere Ornamente am Ende jeder Symbolbeschreibung.

Das Handbuch ist in zwei Teile gegliedert: Auf den ersten 30 Seiten finden sich allgemeine Informationen. Etwa über die Herkunft des Orakels, über das Wahrsagen der Zigeuner aber auch über die Geschichte der Familie der Autorin. Dann geht es allgemein um Legung und die innere Einstellung beim Legen.

Im zweiten Teil folgen dann die Symbole im Überblick. Auf jeweils drei Seiten erfährt man ausführlich etwas über die allgemeine und die sich aus der Liegerichtung ergebende Bedeutung und letztlich auch die Dauer des Einflusses. Hierbei hat Swetlana Alexandrowna Tutschkow besonderen Wert darauf gelegt, dass sowohl die russische mystische Seite wie auch die eher vernunftbetonte rationale Seite westlicher Leser nicht zu kurz kommt.

Fazit: Das zur Bibliothek der Orakel gehörende Set Russisches Zigeuner-Orakel ist wieder einmal wunderschön gestaltet und im stabilen Umkarton ebenso praktisch wie ansprechend aufzubewahren. Die Karten selbst heben sich von den üblicherweise erhältlichen Orakelkarten ab. Spannend anders lassen sie sich überraschend und leicht deuten. Das „und“ dazwischen habe ich jetzt bewusst gewählt, weil die Richtigkeit der bisher eingetroffenen Deutungen verblüffend für mich war. Wer Lust hat, Neues auszuprobieren, dem kann ich dieses Set getrost empfehlen, dem ich wieder einmal fünf von fünf Sternen geben möchte.

 

Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

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