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4. Mai 2013

JUNG, SUSANNE: BESSER LEBEN MIT DEM TOD

1012_01_SU_Jung_LebenMitTod.inddVerlag: Klett-Cotta
ISBN-13: 9783608947458
ISBN-10: 3608947450
Genre: Sachbuch, Erfahrungen
Ausgabe: 1. Auflage 03/2013
Hardcover mit Schutzumschlag, 226 Seiten
Neupreis [D] 19,95 €

Verlagsseite

 

Obwohl er unabdingbar zum Leben dazugehört, befassen sich die Wenigsten von uns ernsthaft mit dem Tod. Er wird tabuisiert und verdrängt, obwohl er uns ohne Ausnahme bevorsteht. Vermutlich einer der Gründe, warum er die Hinterbliebenen immer wieder besonders schmerzhaft trifft und so manchen aus der Bahn wirft.

Susanne Jung © Marijan Mura

Susanne Jung
© Marijan Murat

Susanne Jung schreibt über den Tod und das Thema Abschied nehmen. Der Schutzumschlag des Buches ist schlicht gehalten. Er zeigt ein weißes Kissen auf weißem Grund, eine einzelne rote Rose. Friedlich und liebevoll wirkt dieses bescheidene Motiv und steht damit eigentlich im krassen Kontrast zum Thema an sich. Immerhin wird durch den Tod eine Person aus unserem Leben gerissen; für so manchen bricht dadurch eine Welt zusammen. Andere sind erleichtert, weil eventuell ein langer Leidensweg beendet wurde. Doch egal ob so oder so, ohne einen adäquaten Abschied fällt die eigentliche Trauerarbeit schwer. Ohne Akzeptanz ist sie unmöglich.

Ebenso schlicht wie das Umschlagmotiv ist der Schreibstil der Autorin. Das allerdings nur im Sinne von sehr gut nachvollziehbar, denn tatsächlich vermittelt Susanne Jung den Inhalt ihres Buches auf niveauvolle Art. Sie gestaltet ihn sehr praxisbezogen. Nicht unbedingt philosophisch-anspruchsvoll, dafür aber ebenso anrührend wie achtungsvoll, verständnisvoll wie kritisch. Denn die Autorin weiß, wovon sie schreibt. Nicht nur, weil sie selbst mehr als einen schmerzhaften Verlust erlitt. Auch weil sie einen Beruf ausübt, der nicht ganz gewöhnlich ist. Ursprünglich lernte sie, wie man Bilderrahmen vergoldet. Über eine ehrenamtliche Sterbebegleitung kam sie im Laufe der Jahre jedoch in ein Bestattungsinstitut. Was sie dort erlebte, war nicht das, was sie sich unter einem würdigen Abschied vorstellte. Und so machte sie sich einige Jahre danach als Bestatterin selbstständig.

Von ihren eigenen Erfahrungen mit den Themen Sterben und Abschied, über ihren Umgang damit, erfahren LeserInnen eingangs des Buches. Offen erzählt Jung von Erlebnissen und Verlusten, jahrelanger Verdrängung und Trauerbewältigung. Nach ihren Ausführungen dazu, wie sie Bestatterin wurde, widmet sie sich dann Todesfällen, die andere erlebt haben. Sie schreibt vom Abschied von einem Kind, das nie leben durfte. Von einem Jugendlichen, der sich das Leben nahm. Von einem Mann, der durch seinen letzten Willen seiner Witwe fast die Möglichkeit zum Abschiednehmen nahm. Von einem Witwer, der innerlich mit seiner Frau starb. Von einer Organspenderin. Das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus Jungs Erfahrungsschatz, der mittlerweile über 800 Bestattungen umfasst, die aber natürlich nicht alle in dem Buch erwähnt werden. Was jedoch erwähnt wird, sind bürokratische Hürden, die es nicht nur im Rahmen individuell gestalteter Bestattungen zu nehmen gilt. Unaussprechliches, das ausgesprochen werden sollte. Gefühle, die zugelassen werden sollten. Und Jungs Wünsche für Veränderungen der hierzulande geläufigen Sterbe- und Bestattungskultur.

Einfühlsam geht sie auf den Unterschied zwischen Verstorbenen und Toten ein. Das mag für den einen oder anderen seltsam klingen. Dass es ihn tatsächlich gibt, weiß ich jedoch aus eigener Erfahrung und kann nur bejahen, was die Autorin dazu schreibt. Ihre Überlegungen, warum der Tod in den letzten Jahrzehnten dermaßen distanziert in Angriff genommen und zunehmend tabuisiert wurde, sind nachvollziehbar logisch. Jung hebt hervor, wie wichtig es ist, die Möglichkeit für einen bewussten Abschied anzubieten, unterstreicht aber auch die Bedeutsamkeit, diese Möglichkeiten als Betroffener zu nutzen. Ihre Anschauung des Lebens und (untrennbar damit verbunden) des Lebensendes vermittelt sie, trotz der Omnipräsenz des Todes, ebenso sensibel wie sachlich und durch alle kurzen Kapitel hindurch durchweg lebendig. Empathisch und unaufgeregt offenbart sich so Stück für Stück eine versöhnliche Fürsprache für ihn, mehr jedoch noch für das bewusste Leben.

Fazit: 05aPerlenpunkte

Besser leben mit dem Tod oder Wie ich lernte Abschied zu nehmen ist ein sehr persönliches Buch, das ich gerne weiterempfehle und für das ich die volle Punktzahl vergebe. Es wirkt tröstlich und informativ. Nicht nur für diejenigen, die gerade selbst einen Todesfall beklagen, sondern auch für jene, die sich mit der eigenen Endlichkeit auseinandersetzen. Dass Susanne Jung tatsächlich mehr als eine konventionelle Bestatterin ist, durfte ich beim Abschied eines Freundes erleben. So sensibel, wie sie dabei die Hinterbliebenen begleitete und tröstete, so vermittelt sie in ihrem Buch tatsächlich, dass Abschied nehmen gelernt sein will und man besser lebt, wenn man den Tod nicht verdrängt – einfach weil er zu unserem Leben gehört.

 

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

28. März 2013

WUDY, BRISSA: SCHIFFBRUCH … und das Leben ist doch vollkommen

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Renate Götz Verlag
ISBN-13: 9783902625137
ISBN-10: 3902625139
Erfahrungen
Ausgabe 05/2010
Taschenbuch, 228 Seiten
Neupreis [D] 17,41 €

Verlagsseite

Die alleinerziehende Lehrerin Brissa Wudy ist nach einem Unfall auf einen Rollstuhl angewiesen. In ihrem Buch Schiffbruch erzählt sie von diesem lebensumwälzenden Geschehen.

Was mich gleich eingangs sehr berührt hat, ist eine Form der Demut, die man eher selten erlebt. Wudy bedankt sich für all das Gute, das ihr seither widerfahren ist. Für Dinge, von denen sie weiß, dass sie nicht selbstverständlich sind. Dies und der Untertitel … und das Leben ist doch vollkommen deuten bereits das an, was sich im Buch noch genauer herauskristallisiert: Brissa Wudy hat sich von den Folgen ihres Unfalles nicht unterkriegen lassen. Das heißt nicht, dass sie nicht mental zu Boden gegangen ist. Auch wenn sie es nicht explizit schreibt, spürt man es mehrfach zwischen den Zeilen. Doch sie hat sich jedes Mal wieder aufgerichtet.

Da sie in ihrem Buch überwiegend auf die Zeit nach dem Unfall eingeht, kann man sich nur ausmalen, wie stark ihre Persönlichkeit, wie groß ihre Lebenslust oder wie ausgeprägt ihr soziales Engagement zuvor gewesen sein muss. Und in diesem Bereich hat sie keine Lähmung erfahren. Allerdings musste sie ihre Grenzen neu kennenlernen und definieren.

Schiffbruch … und das Leben ist doch vollkommen liest sich sehr flüssig, obwohl das Geschriebene nicht immer leicht und auch nicht konsequent linear aufgebaut ist. Die Autorin erzählt zum einen die fiktive Geschichte einer Gruppe Gestrandeter. Die pflegt auf einer einsamen Insel nicht nur ihre Wunden, sondern hält ebenso nach dem Leben außerhalb der Insel Ausschau, wie sie versucht, Gegebenes zu akzeptieren. Dabei wechselt Wudy die Perspektiven, lässt ihre LeserInnen immer wieder aus der Sicht eines anderen Schiffbrüchigen an den Ereignissen dort teilnehmen. Das Bild der einsamen Insel, die Machtlosigkeit der Gestrandeten nach dem Schiffbruch, ihre Sorgen, Nöte und Ängste aber auch ihre zarten Hoffnungen korrespondieren synonym mit dem, was Wudy zum anderen über sich selbst schreibt.

Wer eine autobiografische Erzählung über die erlittenen Verletzungen und die daraus resultierenden Behandlungen und expliziten Spätfolgen, erwartet, wird sehr schnell mit etwas anderem überrascht. Mit Wudys deutlich spürbarer spiritueller Einstellung etwa oder ihren philosophischen Betrachtungen verschiedener Dinge. Genauere Schilderungen über die Folgen ihrer Lähmung im täglichen Leben gehen darüber fast unter. Eher beiläufig erfährt man, wie sie nach einem Umzug in eine eigentlich barrierefreie Wohnung vom zuständigen Architekten hören muss, dass sie doch bloß aufstehen und wenige Schritte gehen muss, um in die überhaupt nicht barrierefreie Dusche zu gelangen. Nur ganz zaghaft blitzen solche Erlebnisse auf und werden sofort von etwas anderem übertüncht.

Verdrängung? Dieser Verdacht drängt sich durchaus auf. Manches im Buch kam mir zu distanziert vor. Fast, als ob Wudy sich selbst keinen genaueren Blick auf bestimmte Gedanken gestatten würde. Doch wesentlich öfter offenbart sich die Stärke einer Frau, die gelernt hat, sich in Krisenzeiten einem Schilfrohr im Sturm gleich bis zum Boden zu neigen und dann wieder aufzurichten. Allenfalls geknickt, aber nicht gebrochen. Die ihre Lebensfreude trotz allem nicht verliert, weil neben ihr auch ihre Freunde und Verwandten sie weiterhin als Frau und Mutter und nicht nur als Behinderte sehen. Genauso bezeichnend wie berührend fand ich in diesem Zusammenhang, dass sie dank und mit einer Freundin zu einer Bauchtanzgruppe stieß und ihre Freude am Tanzen wiederfand.

Wudy beschränkt sich in ihrem Buch aber nicht nur auf das Schildern ihrer Erlebnisse bzw. ihrer Reaktionen und Gefühle darauf. Sie macht sich auch Gedanken um andere. Versucht sich in diese im Bezug auf ihre eigene körperliche Einschränkung hineinzufühlen. Erklärungen für bestimmte Verhaltensweisen zu finden, ohne diese zu verurteilen. Gleichzeitig sieht sie immer noch andere Männer und Frauen, denen es offensichtlich deutlich schlechter geht als ihr selbst. Auch an den sich daraus ergebenden Gedanken lässt die Autorin ihre LeserInnen teilhaben.

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Man merkt dem Buch an, dass es geschrieben werden musste. Zur Bewältigung des Erlebten. Dennoch entstand auch ein Buch über den Wert einer positiven Lebenseinstellung. Eines, das den eigenen Blick auf das persönliche Umfeld verändern kann. Ein Buch, das zeigt, dass ein Schiffbruch im Leben nicht das Ende sein muss. Und dass neue (Lebens-)Wege, so unbekannt und erschreckend sie auch erscheinen mögen, immer noch Wege sind, die es sich zu beschreiten lohnt. Ein Buch, für das ich vier von fünf Punkten vergebe. Und eine Autorin, der ich an dieser Stelle und von ganzem Herzen weiterhin so viel Kraft und Lebensfreude wünsche.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

20. März 2013

GUTMANN, JOHANNES: LEBEN UND GENIESSEN MIT KRÄUTERN UND GEWÜRZEN

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Eugen Ulmer Verlag
ISBN-13: 978-3800176809
ISBN-10:
3800176807
Sachbuch
Ausgabe 06/2011
Hardcover, 224 Seiten
Neupreis [D] 24,90 €

Verlagsseite

 

Es liegt schon Jahrzehnte zurück, doch ich kann mich noch genau an meine ungläubige Überraschung erinnern, als ich zum ersten Mal bei einer Schulfreundin übernachten durfte und am nächsten Morgen mit ihr zum Frühstücken in die Küche ging. Auf einem Regal drängelten sich zahlreiche Gewürzmischungen aus den Häusern Maggi und Knorr und dazu gesellten sich in einem Plastikbehälter fast noch mehr Beutel mit Hackbratenfix und Konsorten. Ich war platt, denn so etwas war ich von daheim nicht gewohnt. Wir würzten auch, allerdings mit Sologewürzen bzw. selbst zusammengestellten Mischungen und vor allem mit frischen, getrockneten oder gefrosteten Kräutern – je nach Jahreszeit. Das ist bis heute so geblieben. Doch während vor ein paar Jahren lediglich der Geschmack besagter Kräuter und Gewürze für mich wichtig war, hat sich schon seit geraumer Zeit das Interesse entwickelt, zu wissen, welche Inhaltsstoffe ich damit zu mir nehme, womit ich sie am besten kombinieren kann, und Ähnliches. Obwohl ich mittlerweile einige Seminare dazu besuchte und auch einige Bücher über dieses Thema habe, konnte ich nicht widerstehen, als ich beim Eugen Ulmer Verlag Leben und Genießen mit Kräutern und Gewürzen entdeckte. Der Titel las sich einfach überaus vielversprechend für mich.

Als ich es kurze Zeit später in Händen hielt, stellte sich sehr schnell heraus, dass es eins der Bücher ist, die mich zwiespältig zurücklassen. Die 222 Seiten enthalten Rezepte, die zum Nachmachen anregen, warten mit Kräuter-, Gewürz- und Teekunde auf und enthalten nebenbei noch Erzählungen. Zahlreiche Fotos runden das Ganze ab. Eigentlich etwas, das mir grundsätzlich zusagt.

Johannes Gutmann ist der Gründer und Betreiber der österreichischen Sonnentor GmbH. Die Firma ist mir nicht ganz unbekannt, da eine Bekannte regelmäßig dort bestellt und von der Qualität der Produkte begeistert ist und ich selbst auch schon in Naturkostläden darauf gestoßen bin. Sonnentor hat sich auf Bio-Kräuter- und Gewürzhandel spezialisiert. Damit weiß Gutmann natürlich rein thematisch betrachtet, wovon er erzählt (geschrieben wurde das Buch von Christine Haiden und Nina Roth).

Doch beim ersten Durchblättern fiel mir bereits die in meinen Augen unvorteilhafte Gewichtung der einzelnen Inhalte auf. So lässt sich Gutmann allein schon bis Seite 65 über seine eigene Vergangenheit und seinen beruflichen Werdegang einschließlich der Sonnentor-Geschichte aus. Das ist gar nicht mal langweilig, sondern liest sich sehr flüssig und dank der gewählten Schriftgröße auch recht schnell.

Dennoch war ich froh, als ich den Buchbereich erreichte, der sich zunächst kurz der Kräuter- und Gewürzkunde widmet – hier war die Schriftgröße schon deutlich kleiner, bleibt aber gut lesbar. Neben allgemeinen Informationen werden Teekräuter, Würzkräuter und Gewürze einzeln vorgestellt. Dieser Teil gefiel mir am besten. Die Vorstellungen enthalten etwas über Herkunft, Geschmack und Geruch, womit das Kraut oder Gewürz harmoniert und wie es wirkt. Im Aufbau ähnelt diese Vorstellung dann durchaus anderen Kräuter- und Gewürzbüchern. Doch wer sich als Neuling an die Thematik herantasten oder Nachschlagen möchte, ist damit gut bedient, obwohl das an sich fundierte Basiswissen durchaus Ausbaupotenzial besitzt.

Die Vorstellungen von Teemischungen, Gewürz- und Gewürzblütenmischungen mindern den gerade erworbenen Pluspunkt jedoch schon wieder etwas. Das die Firma hier keine Betriebsinterna preisgibt ist verständlich. Allerdings bringt es mir als Leser wenig, nur zu lesen, was im Groben in den Mischungen enthalten ist. So etwas könnte ich grundsätzlich für weniger Geld im Internet oder einem Produktkatalog erfahren.

Zwei Seiten mit Volksmundtipps zu Kräutern findet man auch. In der werden verschiedene Kräuter von Apfelminze bis Zitronenverbene angesprochen. Gleich eingangs fiel mir hier etwas auf, das ich nicht unerwähnt lassen möchte. Bei Apfelminze etwa findet man explizit den Hinweis, dass man sie während einer homöopathischen Behandlung einsetzen kann, da sie u. a. kein Menthol enthält. Doch Menthol ist sehr wohl Bestandteil der Apfelminze; nicht so ausgeprägt wie bei der Pfefferminze, doch eben grundsätzlich vorhanden. Die auf den beiden Seiten aufgeführten Kräuter wurden darüber hinaus bereits bei den ausführlicheren Einzelporträts vorgestellt, sodass ich nicht ganz nachvollziehen kann, warum an dieser Stelle nochmals darauf eingegangen wird.

Auch die ab Seite 190 folgenden Rezepte sind grundsätzlich interessant. Doch: Man benötigt dafür Produkte der Firma Sonnentor. Und das nicht nur zum Würzen, wenn ich mir das Rezept der Waldviertler Steinpilzsuppe so ansehe. Wenn ich nach einem Rezept koche, möchte ich nicht eine bereits fertige Steinpilz-Dinkelcremesuppe verfeinern. Ebenso geht es bei der Schaumsuppe mit Muskatkürbis. Auch hier ist die Bio-Bengelchen Bunte Dinkelcremesuppe als Zutat genannt. So ein Rezept mag auf einer Tütensuppe hinten aufgedruckt ganz nett sein, in einem Rezeptbuch finde ich das weniger ansprechend. Zwar halten sich solche Rezeptideen in engen Grenzen, doch sind sie grundsätzlich vorhanden. Alternativen hierzu oder zu den ebenfalls aufgeführten Gewürzmischungen werden hierbei nicht genannt. Wen das nicht stört, der findet Sonnentorprodukte auch außerhalb von Österreich (in Schleswig-Holstein bekomme ich sie problemlos) oder auch via Internet. Und wer nicht so wie ich eine reine Rezeptköchin ist, kann natürlich grundsätzlich auch mit seinen eigenen Gewürz(mischung)en alles ausprobieren.

Nach Anregungen für Getränke geht es über Suppen und kleinen Vorspeisen bzw. Salaten weiter zu den Hauptgerichten bis hin zu süßen Verführungen. Sowohl Fleisch- und Fischesser als auch Vegetarier finden darin Rezeptideen zum Nachmachen. Exotisches findet neben bodenständigem Platz. Positiv dabei ist, dass diese Rezepte sich leicht nachkochen lassen. Auch Anfänger dürften dank der guten Beschreibung keine Probleme damit haben. Irgendwo habe ich gelesen, dass Übersetzungen für österreichische Zutaten praktisch wären. Die sind allerdings tatsächlich teilweise vorhanden und bei den ein, zwei anderen Gelegenheiten kann man sich gut denken, worum es geht.

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Insgesamt betrachtet finde ich das Buch nicht schlecht. Allerdings konzentriert es sich sehr auf die Sonnentorgeschichte und Sonnentorprodukte. Letzteres finde ich sehr schade, da es so eher als Werbung für Gutmanns Firma zu sehen und damit preislich eindeutig zu hoch angesetzt ist. Sonnentor ist gut, ein bisschen weniger Sonnentor hätte dem Buch jedoch eindeutig gut getan. Deshalb möchte ich nur starke zwei von fünf Punkten dafür vergeben, für drei hat es nicht ganz gereicht.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

16. Januar 2013

KLEIS, CONSTANZE: STERBEN SIE BLOSS NICHT IM SOMMER – und andere Wahrheiten, die Sie über Ihr Ende wissen sollten

Filed under: Erfahrungen/Biografien,Tod/Trauer — Ati @ 17:17

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Dumont Buchverlag
ISBN-13: 9783832196578
ISBN-10: 3832196579
Erfahrungen
1. Auflage 08/2012
Hardcover mit Schutzumschlag, 220 Seiten
[D] 19,99 €

Verlagsseite

Constanze Kleis ist – wie man dem Buchumschlag oder diversen Verlagsseiten entnehmen kann – Journalistin und Buchautorin. Zusammen mit Susanne Fröhlich verfasste sie mehrere Bestseller, war 2002 für den Deutschen Buchpreis nominiert. Darüber hinaus arbeitet sie freiberuflich für Zeitschriften wie Cosmopolitan und Elle aber auch für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung.

Normalerweise schreibt Kleis in ihren Büchern auf spritzige Art und Weise über erheiternde Themen. Ihr Name, das Cover und der provokative Titel Sterben Sie bloß nicht im Sommer – Und andere Wahrheiten, die Sie über Ihr Ende wissen sollten vermitteln bei einem flüchtigen Blick den Eindruck, dass es in dem im August 2012 bei Dumont erschienen Buch ebenfalls so sein könnte. Allerdings ist das Gegenteil der Fall. Trotz des erkennbaren, frisch-humorigen Schreibstils der Autorin ist das Buch bitterernst. Constanze Kleis verfasste es nach der unheilbaren, tödlich verlaufenden Erkrankung ihrer Mutter und den in diesem Zusammenhang gemachten Erfahrungen im Krankenhaus-, Reha- und Pflege-Alltag.

Ohnmächtige Wut kann dafür sorgen, dass man ungerecht wird. Blind um sich beißt oder schlägt, um sich zu wehren. Dass man anklagend auf jemanden zeigt, weil man sich verraten fühlt. Und angesichts der von der Autorin geschilderten Erlebnisse kann man ihre Wut in gewisser Weise fühlen. So lässt sie sich etwa auf Seite 210, kurz nach dem Tod ihrer Mutter, über den Hausarzt aus. Zitat: Er wäre so gerne ein wirklich guter Mensch. Außer mittwochs. Da ist die Praxis geschlossen und auch das Mitgefühl hat Ruhetag.

Ist das Buch nur ein posthumer Aufschrei nach dem Tod ihrer Mutter? Stellvertretend gegen all das, wogegen man anschreien kann, weil besagter Tod einfach keine Ohren hat? Oder steckt mehr dahinter?

In ihrem Buch erzählt die Autorin nicht nur die Krankengeschichte ihrer Mutter, die sie zusammen mit ihrer Schwester und ihrem Vater bis zuletzt eng begleitete. Sie startet tatsächlich auch einen Rundumschlag gegen die Entmenschlichung in unserem zunehmend privatisierten und gewinnmaximierten Gesundheitssystem und der damit verbundenen profitablen Sterbeindustrie. Erwähnt dabei Ärzte, die nicht mit der Familie reden wollen. Pampig reagierendes Klinikpersonal, das zudem stellenweise schlampig bis fahrlässig arbeitet. Schreibt von denjenigen, die gerade dann im Urlaub sind, wenn man sie braucht und fatalerweise keine Vertretung haben. Von Behandlungsdokumentationen, die nicht nur lückenhaft sind, sondern von der Wirklichkeit abweichen. Berichtet von Klinikverwaltungen, die nach berechtigten Reklamationen Einschüchterungsversuche starten. Lässt auch  Versicherungen, Kranken- und Pflegekassen und den Medizinischen Dienst nicht außen vor, die auf Paragrafen und/oder Richtlinien beharrend auf Zeit spielen, wo es gar keine Zeit mehr zu verlieren gibt. Und wettert eben gegen jenen Hausarzt, der entgegen der Beteuerung, jederzeit erreichbar zu sein, nicht erreichbar war.

Die von ihr geschilderten Übel sind, so persönlich Constanze Kleis sie auch erlebt hat, seit Langem allgemein bekannt. Dennoch haben sie sich in den vergangenen Jahren fatalerweise eher intensiviert als verbessert.

Tatsächlich hat Kleis zu gut recherchiert und die Ergebnisse stringent in ihr Buch eingeflochten, als dass man ihr den Vorwurf eines traumabedingten, verzweifelt-pauschalen Rundumschlags machen kann. Die Autorin verweist zur Untermauerung ihrer Aussagen auf Studien und diverse Berichte, nennt Quellen und gibt Interviews wieder. Sie geht auf Fördermittel ein und Privatisierung, auf Lohndumping, bürokratischen Unsinn und unlogische Dezentralisierungen. Spricht explizit zu viele Dinge (etwa die ungleiche Bezahlung häuslicher Pflege im Gegensatz zu einer solchen mittels Pflegediensten oder in Pflegeheimen) an, die in unserem Gesundheitswesen allgemein eindeutig besser laufen bzw. völlig geändert werden müssen.

Stellenweise beißend sarkastisch, dann wieder leicht ironisch, mal bitter, mal voller Trauer aber nicht weinerlich und mal distanziert schildert die Autorin Missstände, die (wie ich aus eigener Erfahrung weiß) bedauerlicherweise und leider nicht nur hierzulande ganz und gar nicht unrealistisch sind. Egal ob es sich darum handelt, dass man als Angehöriger für diverse Ärzte praktisch unsichtbar oder für hysterisch oder grenzwertig minderbemittelt gehalten wird. Oder darauf, dass man seltsamerweise irgendwann sogar Verständnis für Dinge entwickelt, für die man im Grunde kein Verständnis haben kann, einfach weil man keine Alternative weiß. Dass unabhängig vom Umgang mit den Angehörigen Kranke zum Teil (glücklicherweise nicht immer) sukzessive ihrer Würde beraubt werden. Das Mitgefühl ein Auslaufmodell in unserer Gesellschaft zu sein scheint. Und dass man während der schweren Zeiten, die lebensbedrohliche und akute Erkrankungen mit sich bringen, in einem Meer aus Hilflosigkeit zu ertrinken droht. Dass man geradezu erstarrt und sich allein gelassen fühlt. Dass man sich nicht traut, auf den Tisch zu schlagen, weil man fürchtet, dass der Falsche und Schwächste die Konsequenzen tragen muss. Dass es eine riesengroße Diskrepanz zwischen beworbener oder gepriesener Wahrheit und tatsächlichen Gegebenheiten gibt.

Insgesamt lässt Kleis ihre LeserInnen nicht nur an ihren individuell gemachten schlechten Erfahrungen und schockierenden Rechercheergebnissen im Bezug auf Studien, Statistiken und Berichten teilhaben. Auch andere Betroffene und (menschlich gebliebene) Behandler tragen ihren Teil zum Buch in Form von Interviews bei. Etwa ein ganzheitlich denkender und handelnder Chirurg aus Frankfurt. Oder eine Krankenschwester, die ihren Beruf einst aus der Überzeugung ergriff, anderen damit wirklich helfen zu können; heute jedoch desillusioniert resümiert, dass sich das Berufsbild völlig verändert hat. Kleis ist nicht blind gegenüber der Tatsache, dass die eigene Moral angesichts häuslicher Pflege auf den Prüfstand gehört. Sie lässt auch die Tatsache nicht unberücksichtigt, dass manchen Angehörigen im Zuge einer privaten Pflege nichts anderes übrig bleibt, als konspirativ und nicht immer ganz legal zu agieren, wollen sie ihren Kranken eine adäquate Versorgung bieten. Fatalerweise werden – wie auf Seite 206 zu lesen ist – zu Hause betreuten Pflegebedürftigen doppelt so häufig Leistungen verwehrt, wie denen in Pflegeheimen.

All dies, ist trotz der enthaltenen Tragik und Wut dank des ganzen Sarkasmus auf durchaus unterhaltsame Weise und mit dezentem Wortwitz niedergeschrieben. Leichter wird die Lektüre dadurch nicht, dazu ist die Thematik einfach zu ernsthaft und aufwühlend.

Verständlicherweise hat die Autorin mit ihrem Buch einigen Widerspruch bei denen ausgelöst, die sich negativ davon angesprochen fühlen. Bei einigen davon kann man mit Sicherheit den Spruch „getroffene Hunde bellen“ anwenden. Genauso sicher darf man aber vermutlich davon ausgehen, dass Kleis im Zuge des Erlebten dem einen oder anderen Beteiligten auf die Füße getreten ist, obwohl der oder die betreffende Person am wenigsten dafürkonnte. Einfach, weil man auch als Kranker oder Angehöriger einen (durchaus nachvollziehbaren) Egoismus entwickelt, den man anderen jedoch nur bedingt zubilligt.

Nicht jeder hat das Glück im Fall einer schwerwiegenden oder gar tödlichen Krankheit über Angehörige zu verfügen, die sich finanziell und/oder zeitlich in Pflege und Versorgung einbringen können. Nicht jeder hat die Kraft, im Fall der Fälle den Kampf gegen Windmühlenflügel aufzunehmen. Doch genau so ein Kampf kommt viel zu häufig auf Kranke und ihre Angehörigen zu. Constanze Kleis hat ihn, gemeinsam mit ihrer Familie, erlebt und in einem berührenden, aufwühlenden Buch verarbeitet.

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Sterben Sie bloß nicht im Sommer – Und andere Wahrheiten, die Sie über Ihr Ende wissen sollten ist kein Buch für nebenher. Die darin von der Autorin aufgeworfenen Fragen können Angst machen, ebenso wie die eine oder andere von ihr gefundene Antwort. Nicht, weil es keine Lösungsansätze an sich zu geben scheint. Eher, weil die wenigsten von uns vor schwerwiegender Krankheit und den daraus resultierenden Folgen gefeit sind. Es ist kein leichtes Buch, aber ein lesenswertes. Eins das berührt, polarisiert, fassungslos und nachdenklich macht und unter die Haut geht. Die in dem Buch zum Ausdruck kommenden Gefühle (Trauer, Verbitterung, Wut) sind logischerweise nicht objektiv, da sie aus eigenen schmerzhaften Erfahrungen entstanden sind. Sie lassen sich nicht werten. Die Recherchen und der Schreibstil schon. Ob man es im Fall der Fälle schafft, den latent enthaltenen oder explizit ausgesprochenen Empfehlungen der Autorin Folge zu leisten, steht zugegebenermaßen auf einem anderen Blatt. Doch es ist wichtig, dass diese Themen immer wieder und immer lauter angesprochen werden. Dass man nicht alles hinnimmt. Dass man sich wehrt. Nur so schaffen wir es vielleicht irgendwann wieder, unsere Kranken in Würde zu behandeln, zu pflegen und zu verabschieden, statt uns kräfteraubend um Unsinnigkeiten streiten und gegen gewinnorientierte Sparmaßnahmen kämpfen zu müssen.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

9. Januar 2013

Volk, Andrea: Wenn Sie jetzt anrufen, bekommen Sie den Moderator gratis dazu

Filed under: Erfahrungen/Biografien — Ati @ 13:31

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Wilhelm Heyne Verlag
ISBN13:
9783453645356
ISBN10:
3453645359
Sachbuch

Originalausgabe 01/2013
Taschenbuch, 272 Seiten

[D] 8,99 €

Verlagsseite

Autorenseite

Der Titel Wenn Sie jetzt anrufen, bekommen Sie den Moderator gratis dazu, zusammen mit dem Untertitel Unglaubliches aus der Welt des Teleshoppings, lässt vermuten, was im Großen und Ganzen auf Volks Leserschaft zukommt. Zumal die 1964 in Mannheim geborene und in Homburg aufgewachsene Autorin auch als Kabarettistin und Comedian in Köln gemeinsam mit Nina Knecht (Volk & Knecht) ihre scharfe Zunge mehrfach unter Beweis stellte, ihr Publikum zum Lachen brachte und dafür mit diversen Comedy-Preisen bedacht wurde. Neben ihrer Zusammenarbeit mit Knecht ist sie auch mit ihrem Soloprogramm VolksBelustigung erfolgreich.

Andrea Volk erzählt gerne Geschichten, wie man einem Interview mit der Rheinischen Post entnehmen kann, und musste einfach ein Buch schreiben, nachdem sie mit ihren Erlebnissen aus sechs Jahren QVC bei den Leuten, denen sie davon erzählte, Lachanfälle auslöste. In dem bereits erwähnten Interview führt die Autorin (vielleicht nicht ganz ernst gemeint) an, dass ihre LeserInnen krachend komische und irre investigative Unterhaltung erwartet. Dass sie eine fast Loriot’sche Sicht auf das Miteinander und einen humorvollen Blick hinter die Kulissen des Teleshopping-Alltags bietet. Dass Wenn Sie jetzt anrufen, bekommen Sie den Moderator gratis dazu  kein Buch zum Einschlafen ist.

Mit letzterem hat sie recht. Eingeschlafen bin ich nicht. Doch beim Rest kann ich nicht vollkommen zustimmen. Das Buch lässt sich leicht lesen. Allerdings sorgen diverse Wiederholungen für kleinere Längen, wenn man das Buch am Stück liest. Da hilft dann auch der flüssig-lockere Schreibstil der Autorin nur bedingt hinweg.

Hinzu kommt: Der methodisch wirkende, alltägliche Wahnsinn von Wahrheiten, die vor der Kamera über Gebühr gedehnt werden ohne wirklich zur Lüge zu mutieren, von explodierenden Entsaftern, von Weihnachtspräsentationen im Juli, von Moderatoren die sich mit Experten unnötige und dem Prinzip Verkauf-ist-alles absolut widersprechende Zwistigkeiten liefern oder von Experten, die um des Verkaufs willen schon mal WC-Reiniger mit Aktivsauerstoff zu sich nehmen und mit Kollegen auch nicht immer allzu gut oder fair umspringen, verliert vor dem (vorsichtig ausgedrückt) menschenverachtenden Prozedere trotz seiner Skurrilität eindeutig an Humor. Krachend komisch ist das Buch also nicht immer. Irre investigativ irgendwie schon, wenn man die Betonung auf das erste Wort legt.

Humor ist ja bekanntlich, wenn man trotzdem lacht. Doch irgendwie verging mir im Laufe des Buches das Lachen mehr und mehr und sorgte letztlich gerade mal noch für hochgezogene Mundwinkel. Daran war zumindest stellenweise auch der Umstand schuld, dass Volk Teleshopping-Kunden als scheinbar grenzdebil bezeichnet, mehrfach ähnliche Kommentare über sie losgelassen hat und ihnen offenbar per se Geschmacklosigkeit unterstellt. Falls das Comedy ist, weiß ich warum ich die meisten Comedians nicht mag. Es ist eine Sache ein System, Missstände und Absurditäten anzuprangern. Egal ob das humoristisch geschieht oder nicht. Volks Sicht auf Kunden, die immerhin daran beteiligt waren, dass sie sechs Jahre lang an diesem System mitverdienen konnte, empfand ich jedoch weniger lustig. Vielleicht weil man mir anlässlich meiner eigenen Tätigkeit im (normalen) Einzelhandel eingebläut hat, dass Kunden zwar manchmal eigen, manchmal sehr besonders und manchmal überaus speziell sind, aber doch dafür sorgen, dass ich mir meine Brötchen zum Frühstück leisten kann.

Doch zurück zum Buch. Obwohl ich kein Fernsehgerät besitze und eher selten einmal einen Blick in fremde Geräte werfe, sind mir Teleshopping, QVC und der Designer Glöckler mehr oder weniger geläufige Begriffe. Dass ich dennoch einen gewissen Wiedererkennungseffekt beim Lesen verspürte, alles förmlich direkt vor mir sah, macht vielleicht deutlich, wie klar die Wortwahl der Autorin ist – auch wenn der Designer im Buch blond ist, der Sender darin anders heißt und beide eventuell gar nicht so explizit gemeint sind.

Die meisten von uns müssen auf irgendeine Art Geld verdienen. Manche, wie Andrea Volk, absolvieren dafür Vorstellungsgespräche, bei denen sich herausstellt, dass sie als Live-Experten geeignet sind. Solche Experten können schon mal an Tagesumsätzen von drei Millionen beteiligt sein. Doch das gelingt den wenigsten. Und manche – so die Autorin – werden nicht mehr gebucht, obwohl sie dennoch fast eine halbe Million schaffen. Bereits das allein macht den Druck deutlich, der auf diesen Experten lastet. Sie arbeiten an der Seite von fest angestellten Moderatoren. Sie präsentieren Produkte, hinter denen sie nicht immer 100%ig stehen. Sie werden am ehesten für einen Verkaufsflop verantwortlich gemacht. Und das alles vor dem Hintergrund, dass besagte Experten quasi selbstständig tätig sind und deshalb von heute auf morgen ausgetauscht werden können. Das Arbeitszeiten überaus flexibel gestaltet dazu führen können, dass manche von ihnen geradezu im Sender leben. Dass in der ach so heilen, kunterbunten Fernseh-Verkaufswelt die Devise friss oder stirb scheinbar perfektioniert wird.

Das eine oder andere Kapitel in Volks Buch wirkt überzogen – und tatsächlich gibt Volk zu, manches überspitzt ausgeschmückt dargestellt zu haben. Manches Mal wirkt auch die Ironie darin weniger fein als verbittert und – stellenweise etwas zu bemüht. Doch allzu weit hergeholt scheinen Volks geschilderte Episoden insgesamt keineswegs zu sein. Sie haben mich sofort an einen Artikel im Oktober 2012 erinnert, demzufolge die amerikanische QVC-Expertin Cassie Lane vor laufender Kamera zusammenbrach und – Verkauf ist schließlich alles – ihr Moderator Dan Wheeler mit ruhiger Stimme und einem Standbild das entsprechende Produkt weiter anpries. Zwar soll es besagter Expertin hinterher wieder gut gegangen sein, allerdings war ihr Zusammenbruch offenbar keinen Abbruch der Verkaufsshow wert.

Sechs Jahre als Expertin für Plüschanzüge, Synthetikkleidung und Reinigungsmittel. Jahre voller Intrigen, Eitelkeit und Dummheit, Willkür und Illusionen. Voller Pleiten, Pech und Pannen. Trotzdem – allerdings nur auf Seite 271 – merkt die Autorin an, dass sie die Zeit rückblickend als „aufregend, wunderbar, lustig, furchtbar, unerträglich, fantastisch und psychologisch wertvoll“  betrachtet. Außerdem: „Ich habe viel gelernt, viel gelacht, tolle und blöde Menschen kennengelernt und den Kapitalismus von innen.“ Womit mal wieder bewiesen sein dürfte, dass man sich auf Zeit und unter bestimmten Umständen mit so ziemlich allem arrangieren kann.

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Vielleicht liegt es daran, dass ich mit den falschen Vorstellungen an das Buch herangegangen bin. Irgendwo habe ich gelesen, dass es ein witziges Buch mit ernsten Anklängen ist. Krachend komisch (wie im Interview von der Autorin angegeben) fand ich es allerdings nicht. Trotz diverser tatsächlicher Lacher sieht Humor anders für mich aus. Die bereits erwähnten Wiederholungen sorgen ebenfalls für einen Punktabzug. Unterhaltsam informativ fand ich es dennoch und ich bin zwischen einer gewissen Fassungslosigkeit und etwas Schadenfreude hin und her geschwankt.  Betrachte ich es jedoch als ernstes Buch mit einigen witzigen Anklängen, kann und möchte ich drei von fünf Punkten für Wenn Sie jetzt anrufen, bekommen Sie den Moderator gratis dazu vergeben. Und es jedem empfehlen, der einen (einseitigen) Blick hinter die Kulissen einer scheinbar gnadenlosen, niemals ruhenden Maschinerie werfen möchte, die verblüffende Umsätze verzeichnen kann und kontinuierlich wächst.

 Copyright © 2012 by Antje Jürgens (AJ)

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