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31. Oktober 2010

Jahnke, Stefan: Ausgelöscht

Filed under: Belletristik,Historisch,Roman — Ati @ 22:24

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BoD – Books on Demand, Norderstedt
ISBN 978-3837087253
Historischer Thriller
Originalausgabe 2009
Umschlaggestaltung Stefan Jahnke
Taschenbuch 310 Seiten


Autorenseite

Obwohl der 1967 geborene Autor seine Liebe zum Schreiben früh entdeckte, wagte er sich erst 2008 an Romane heran. Seither erscheinen mit schöner Regelmäßigkeit Bücher von ihm. Sein Spektrum reicht von Krimis und Thrillern über historische Romane bis hin zu Reiseberichten. Die privaten wie beruflichen Interessen des studierten Maschinenbauers sind breit gefächert. So arbeitete er unter anderem in einer Werbeagentur in London. Diese Tätigkeit ging in Anstellungen in der Verlagsbranche über, was wiederum von der Leitung und Beteiligung an einer Bildungseinrichtung oder leitenden Forschungs- und Entwicklungsaufgaben bei einem der größten Reprografen Deutschlands abgelöst wurde. Jahnke ist verheiratet und lebt zusammen mit seiner Frau und zwei Kindern in Dresden und Radebeul. Er ist Mitbegründer des Autorenvereins Kristallfeder.

Das Cover ziert das Foto einer verschneiten Landschaft und lässt noch nicht viele Rückschlüsse auf das Buch zu.

Laut Inhaltsangabe geht es jedenfalls ins Mittelalter. Jahnkes Schreibstil, obwohl sofort klar erkennbar, bedient sich einer etwas anderen Sprache als sonst. Einer, die mir auf Mittelaltermärkten begegnet ist, was das Eintauchen in die Geschichte für mich gleichermaßen erleichterte, wie erschwerte. Denn der Autor lässt seine Charaktere nicht nur so sprechen und denken. Seine Beschreibungen von Dingen, Gegenden und/oder Begebenheiten sind genauso gehalten.  

Leser, die sich darauf einlassen, landen in einer Welt, in der die Bevölkerung den willkürlichen Entscheidungen und Launen ihrer Landesherren und der heiligen Kirche unterworfen waren, die ihre Dogmen genau wie ihre Vormachtstellung auf Biegen und Brechen halten wollten. Was dafür getan werden, wer dafür bezahlen musste, war völlig gleichgültig. Die Kirche ging dafür so weit, ein ganzes Dorf verschwinden zu lassen.

Doch das kristallisiert sich erst später heraus. Zunächst einmal lernt man im Prolog jenen Ritter kennen, der später mit zur Aufklärung des Sachverhalts beiträgt. Einen Menschen mit allen Fehlern und Schwächen der damaligen Welt, der bisweilen allerdings schon wie jemand zu denken scheint, der etwas später gelebt und andere Denkweisen gelernt hat. Der, obwohl seit Jahren ein treuer und loyaler Diener seines Herrn, trotzdem immer damit rechnen muss, in Ungnade zu fallen. Und dem geht es zu Anfang gar nicht gut. Ihm droht Folter oder gar der Tod, weil er seinem Herrn nicht das besorgen konnte, was der wollte – ein wirksames Mittel gegen die Pest und andere Gebrechen. Dabei konnte er das gar nicht, denn Eich, ein Dorf, das jahrzehntelang neben zahlreichen Wundern (in Form von Heilungen) auch für Ärger sorgte, ist mit Mann und Maus, Haus und Hof verschwunden. Nichts scheint mehr darauf hinzudeuten, dass dort überhaupt jemals eine florierende Siedlung stand. Nur mit einigem Glück kann Hannes Balthasar überzeugen gen Eich zu ziehen, um sich selbst von dieser Ungeheuerlichkeit zu überzeugen.

Danach geht es in die eigentliche Geschichte und der Leser lernt den ungestümen Balthasar kennen, der trotz seiner Jugend von gerade mal 13 Jahren nicht vor Raub, Unterdrückung und Vergewaltigung zurückschreckt und schon eine Gruppe um sich schart, die ihn ein Leben lang begleitet. Bereits allein durch ihn wird deutlich, dass Frauen damals weniger als Vieh galten, das die arme, z. T. hungernde Bevölkerung geknechtet und ausgepresst wurde und gegen all das wenig unternehmen konnte, weil sie quasi zum Besitz des Landesherren gehörten. Und der Junge – Balthasar – ist der Sohn dieses Landesherren, und schreckt übrigens auch nicht davor zurück, den eigenen Vater zu bestehlen.

Dann jedoch geschieht etwas, was den Hitzkopf Balthasar zum Umdenken bewegt. Er wird kein Heiliger, aber er ändert sich. Es ist ein langsamer, aber unaufhaltsamer Prozess, der beginnt, als sich ihm der unbewaffnete Holger von Roßberg in den Weg stellt. Er ist aufgrund einer Eingebung nach Eich gezogen, um den Bewohnern dort beizustehen. Etwas an dem Mann lässt Balthasar innehalten und wieder und wieder nach Eich kommen, um von ihm zu lernen. Dabei könnte er ihn kurz nach ihrem Kennenlernen, ohne irgendwelche Repressalien fürchten zu müssen, vernichten. Denn Balthasars Vater stirbt und er, obwohl er das Mündel seines älteren Bruders Friedrich ist, wird zum Herrn über die Wartburg. Doch er merkt schnell, dass er mehr von einem lebendigen als von einem toten von Roßberg profitieren kann.

Der junge Herr der Wartburg hebt bald schon seine schützende Hand über die Gemeinde Eich und von Roßberg. Schutz ist nötig, denn was von Roßberg bewirkt, lässt das Misstrauen der Kirche erwachen. Seine Bemühungen sind nicht ganz ungefährlich, denn auch Adlige können schnell unter Kirchenbann gestellt werden. Damit taucht der Autor in einen sehr dunklen Abschnitt der Glaubensgeschichte ein. Die damalige Kirche verteilte Vergebung und Gnade nicht an Bedürftige, sondern an zahlende Kundschaft. Doch der Autor geht weiter, erinnert an die Welle von Tod und Verderben, die die damalige Kirche lostrat, um ihre Machtposition zu halten.

Deshalb sorgt Balthasar auch dafür, dass König Karl und der amtierende Papst Eich ebenfalls Schutz bieten. In diesem Zusammenhang lernt auch der Ritter Hannes den geheimnisumwobenen Ort und den Mann kennen, der dafür verantwortlich ist. Der Heiler bringt nicht nur Balthasar viel bei, sondern sorgt durch seine wundersam wirkenden Handlungen dafür, dass die bis dahin unscheinbare Gemeinde zu einer blühenden Siedlung heranwächst und Pilgerströme anzieht. Während das übrige Land unter der Pest leidet und Raubrittertum, Verwahrlosung und Hunger sich ausbreiten, blüht neben Eich auch der Verwaltungsbereich auf, den Balthasar leitet. Bis, ja bis eben zu jenem schicksalshaften Tag Jahre später, an dem Eich von heute auf morgen verschwunden zu sein scheint. Zauberei? Eine dreiste Lüge und Verschwörung seines bisher treuen Ritters Hannes und des Heilers von Roßberg?

Erst als Balthasar sich mit eigenen Augen von dem an sich unerklärlichen Phänomen überzeugt, erteilt er Hannes den Auftrag, nach einer Klärung zu suchen. Sehr bald stellt sich heraus, dass die Kirche etwas mit dem Verschwinden zu tun haben muss. Eine Kirche, die damals schnell etwas als Häresie und Ketzerei abtat, die Menschen folterte, ertränkte oder verbrannte, nur weil sie anders dachten, altes Wissen hegten und pflegten, etc. Nur – welcher der gerade amtierenden Päpste hat den Auftrag erteilt? Und was ist aus den Menschen von Eich geworden, allen voran aus Holger von Roßberg? Was haben die Templer mit diesem Ort zu tun, die von der Kirche verfolgt werden, weil sie Maria Magdalena verehren und nicht als Hure abstempeln? Was haben sie mit dem Ritter selbst zu tun. Von diesem Handlungsstrang (Templer) hätte ich ehrlich gesagt gerne mehr gelesen. Aber er fügt sich auch so gut in die Geschichte ein.

 

Der Autor schlägt einen weiten Bogen, der letztlich im Epilog in Schottland mit Hannes endet, Jahre nach dem Verschwinden von Eich oder dem Tod Balthasars, der beteiligten Päpste oder Könige.

Die von Jahnke gewählte Sprache, das Herausstellen der teilweise recht verqueren Ansichten sogenannter „Edler“ und „Ritter“, das Schlaglicht auf ein sehr dunkles Kapitel in der europäischen Geschichte – all das führt den Leser durch die 310 gut gefüllten Seiten.

Seiten, die auch flüchtig davon sprechen, dass man ohne Vergangenheit, ohne das gelebte Wissen langjähriger Erfahrungen, wohl existieren, aber nicht immer unbedingt gut leben kann. Diese Thematik ist nach wie vor aktuell und wird doch so oft ignoriert. Ebenso aktuell, wenn auch in veränderter Form, ist der Umstand, dass auch heute noch sinnlose Opfer auf dem Altar der Machterhaltung gemacht und gebracht werden, sowohl vor religiösen wie auch wirtschaftlichen Hintergründen. Auch wenn vieles in Jahnkes Roman reine Fiktion ist, der weitergesponnene Faden einer teilweise sicher belegten Recherche – man stellt sich unwillkürlich die Frage, welch ungeheurer (Wissens-)Schatz verloren ging, weil ein machthungriger Teil einer Organisation, der weit jenseits dessen scheint, was Glauben bedeuten sollte, seine Interessen rücksichtslos und zielstrebig wahrte. Führt allgemein betrachtet vor Augen, dass einige wenige reichen, um viele zu unterdrücken; Halbwahrheiten oder gar Lügen zu verbreiten, wenn sie es geschickt anstellen. Intrigen zu spinnen, die in die heutige Zeit reichen, auch wenn sich vieles zum Besseren geändert haben mag. Macht klar, dass viele vieles über sich ergehen lassen, weil sie eigentlich nur eins wollen: Leben.

Beim Lesen des Titels fiel mir übrigens ein Spruch ein. Ich weiß nicht, von wem er stammt, aber er lautet: „Alles, was lebt, sich bewegt, hinterlässt eine Spur. Keine Tat wird ausgelöscht, kein Gedanke fällt ins nichts.“ Dass an dem Spruch etwas dran ist, belegen die Worte des Autors ganz vorne im Buch. Eich und andere Orte mögen aus welchen Gründen auch immer ausgelöscht worden sein. Doch etwas von ihnen lebt weiter: In Archiven, Gedanken, Erinnerungen. Seine Recherchen haben Jahnke für diese Geschichte in Archive in Berlin, Eisenach, Avignon und Rom gebracht und mich durch seine Worte für einen kurzweiligen Abend ins Mittelalter. Wer historische Roman mag, sollte auf alle Fälle einen Versuch wagen.

Copyright © 2010 Antje Jürgens

24. Oktober 2010

Steinwachs, Nadja: That’s life! … eigentlich, natürlich und na toll!

Filed under: Roman — Ati @ 13:25

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Medu-Verlag
ISBN 9783941955103

Erfahrungen
Originalausgabe 2010

Umschlaggestaltung Daniela Tannebaum (Verlag)

Taschenbuch 248 Seiten

€ 12,95 [D]

 

www.medu-verlag.de

Neben der Vorliebe für Fotografie, Kunst, Musik, Tanz, Tiere und Reisen schreibt die 1981 in Herborn geborene Autorin Nadja Steinwachs gerne. Sie arbeitet als Heilpraktikerassistentin und Seminarleiterin für autogenes Training und hat vor ihrem ersten Roman „That’s Life!“ bereits ein Kinderbuch mit dem Titel „Pino, der kleine Pingpongball geht auf Reisen“ verfasst.

Zitat der Inhaltsangabe

Emotional und provokant erzählt die Psychologiestudentin Emely Morgenstern von ihrem ganz alltäglichen Wahnsinn: Sie schreibt Gedanken- statt Tagebücher, rettet Würmer von der Straße und verkauft zu enge Jeans an zu dicke Mädchen. Sie philosophiert über das Leben und den unvermeidlichen Tod, lässt sich über den Superstarwahn und das Privatfernsehen aus, arbeitet mal als Altenpflegerin und mal im Immobiliengeschäft.

Offen und ehrlich veranschaulicht sie, dass das Leben zwar Partys bietet, nicht aber als Party verstanden werden sollte. In ihren kurzweiligen Geschichten aus der Welt des Alltäglichen kombiniert sie Spiel und Spaß mit der Ernsthaftigkeit des Lebens und stellt überraschend fest, dass letztlich beides möglich ist.

Eigentlich gibt es nicht viel mehr dazu zu schreiben, denn genau genommen gibt diese Inhaltsangabe sehr gut wieder, was man zu lesen bekommt.

Ich habe mich also ans Lesen gemacht und tauchte in Steinwachs Gedankenwelt ein. Wobei …? Das Buch ist in Ich-Form geschrieben, was zum Gedankenbuch passen würde, aber gleichzeitig als Roman deklariert. Die Protagonistin nennt sich Emely Morgenstern. Was davon Wirklichkeit oder Fiktion ist, zu Emely oder doch vielleicht Nadja gehört, scheint bisweilen fraglich, da das eine oder andere Puzzleteilchen aus dem Lebenslauf der Autorin doch dem der Protagonistin gleicht.

Zuerst erfährt der Leser, dass Emely Tagebücher nicht mag und lieber Gedankenbücher schreibt, genau wie in der Inhaltsangabe beschrieben. Und es stimmt. Seite für Seite findet man Gedanken, die sich mühelos aneinanderreihen und gleichzeitig kunstvoll ineinander verschlingen. Querbeet durch alle Themenbereiche lässt die Autorin ihre Leser spritzig, humorvoll, stellenweise biestig und leicht provokant an dem teilnehmen, was ihr so durch den Kopf spukt. Die Seiten blättern sich fast von alleine um und man fragt sich, wann das nächste Kapitel anfängt, dabei hat man längst begonnen, es zu lesen.

Die Leser erfahren von der überaus lebhaften Fantasie Emelys, die den kleinen Vampir als beruhigend empfindet, den kleinen Prinzen jedoch nicht so recht versteht. Dass sie vehemente Tierschützerin ist, die sich nicht nur darauf beschränkt, Regenwürmer von der Straße zu retten, sondern auch in einer Nacht und Nebelaktion Hasen aus ihrem Gefängnis befreit. Auch verkrachte Existenzen werden bei ihr nicht einfach in Grund und Boden verdammt. Leser erhaschen einen Blick auf eine etwas chaotische, aber gläubige junge Frau mit Prinzipien.

Ihr Rundumschlag gegen Integrationsverweigerung, Fleischesser, Sozialsystemschmarotzer (sie bezieht sich wirklich nur auf die Schmarotzer und nicht auf diejenigen, die wirklich hilfsbedürftig sind), vernachlässigte Kinder, etc. könnte den einen oder anderen Standup-Comedian vermutlich vor Neid erblassen lassen.

Allerdings kommt irgendwo zwischendrin ein Bruch. Das Buch verliert den Gedankenbuchcharakter und wird eigentlich das, was Emely gar nicht mag. Eine Art Tagebuch, in dem Reiseerfahrungen (okay, das war schon im Anfangsteil so, doch da wirkte diese Erfahrung einfach anders) genauso verarbeitet werden wie zerbrochene Beziehungen; der Tod ihr nahestehender Menschen genauso wie Drogen und der eine oder andere Blick in die mehr oder weniger legale Welt in ihrer unmittelbaren Umgebung. Außerdem scheint Emely immer dann krank zu werden, wenn sie im Urlaub ist und dabei nicht unbedingt die besten Erfahrungen zu machen. Der Leser entdeckt eine Emely, die trotz aller Vorwürfe gegen eine mehr oder wenige bigotte Gesellschaft selbst die Tendenz dazu aufweist.

Beispiel: Sie wird Vegetarierin, weil sie die Qual der Tiere nicht erträgt. Fische, die nach ihrem eigenen Dafürhalten ebenfalls Qual empfinden, wenn sie im industriell anmutenden Fischfang qualvoll eingequetscht langsam ersticken, landen jedoch auf ihrem Teller. Oder: Sie ist gegen Drogen, trinkt aber gern und öfter einen über den Durst und ist auch nicht abgeneigt, Joints zu rauchen. Oder: Sie hilft zwar Obdachlosen, ist aber völlig gegen Zigeuner eingestellt, weil die einfach alle klauen. Sie ist gegen Wildfang exotischer Tiere, muss aber selbst anscheinend den einen oder anderen Exoten unbedingt haben, um ihn später mit schlechtem Gewissen in einem Zoo oder einer Auffangstation abliefern zu müssen, weil sie keine artgerechte Haltung bieten kann.

Außerdem spricht Emely neben ihren Jobs von einem Psychologiestudium und Patienten, wirkt gleichzeitig aber auch wie jemand, der die eine oder andere Therapiestunde nötig hätte. Das macht einerseits menschlich, andererseits fällt es überdeutlich auf. Vielleicht weil ich nach dem Auftakt etwas anderes erwartet hatte, auch wenn von vornherein klar war, dass in dem anfänglich lockeren Stil nicht das Buch mit der Seitenzahl zustande gekommen wäre, das ich eben in Händen hielt. Die Kapitel scheinen übrigens chronologisch wild durcheinander zu springen. Manchmal kam es mir auch so vor, als ob sie in größerem zeitlichen Abstand verfasst worden wären.

Das Buch wird dadurch nicht schlecht. Innerhalb kurzer Zeit war es ausgelesen. Die entsprechenden Kapitel zogen sich etwas, waren aber immer noch in einem flüssigen, lebendigen Stil geschrieben. Und was im ersten Teil an spritziger Leichtigkeit im Standup-Comedian Stil herausragte, machte andererseits der zweite Teil durch eine überraschende … (Tiefe ist das falsche Wort) Ernsthaftigkeit (ist auch nicht richtig, aber kommt wenigstens andeutungsweise heran) wett. Allerdings: Wenn es hart zu werden droht, wendet Emely sich bisweilen ab, zieht sich zurück. Ein Schutzmechanismus, klar, der die innere Zerrissenheit der Figur noch mehr hervorhebt und damit gleichzeitig die Leichtigkeit im ersten Teil Lügen straft. Dieser Rückzug geschieht allerdings irgendwie oberflächlich. Emely denkt nicht weiter über das Erlebte nach bzw. lässt Leser in ihrem Gedankenbuch nicht wirklich daran teilhaben. Sie erzählt einfach davon und wirft die Tür zu nach dem Motto „muss ich nicht haben“. Was wiederum die Ernsthaftigkeit zumindest in Teilen aushebelt. Vielleicht wäre es besser gewesen, alles unabhängig voneinander herauszubringen? Ich weiß es ehrlich gesagt noch immer nicht, egal wie oft ich das Buch zur Hand nehme, um einzelne Passagen nachzulesen. 

Übrigens: Der Untertitel des Buches „… eigentlich, natürlich und na toll!“ wurde mir beim Schreiben gerade erst so richtig bewusst. Eigentlich ist Emely eine hilfsbereite junge Frau, wahrheitsliebend, mit Prinzipien und moralischen Grundsätzen, stark und neugierig aufs Leben – zumindest auf den ersten Blick. Aber natürlich hat sie ihre Fehler und Schwächen. Na toll! Damit ist sie ja auch nicht besser als wir alle.

Fazit: Ein Buch zum Entspannen, das aber auch Denkanstöße vermitteln kann. Und der Titel trifft es wirklich. Manchem Leser könnte das Buch auch als Spiegel dienen.

 

Copyright © 2010 by Antje Jürgens

23. Oktober 2010

Dickerhoff/Lox: Märchen für die Seele – Märchen zum Erzählen und Vorlesen

Filed under: Jugendbuch,Märchen — Ati @ 12:45

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Königsfurt-Urania Verlag GmbH
ISBN 978-3-86826-017-5
Märchen
Sonderausgabe 2010
Umschlaggestaltung Jessica Quistorff
Hardcover, 480 Seiten
€ 12,90 [D]

www.koenigsfurt-urania.com

Die 1963 geborene Harlinda Lox ist Vizepräsidentin der Europäischen Märchengesellschaft, Erzählforscherin, Germanistin, und wissenschaftliche Autorin. In Zusammenarbeit mit dem 10 Jahre älteren Heinrich Dickerhoff, dem Präsidenten der Europäischen Märchengesellschaft, der als Dozent an einer katholischen Akademie und Heimatvolkshochschule tätig ist, entstand der Sonderband „Märchen für die Seele“.

Märchen aus Sibirien, Brasilien, Ungarn, Irland, Deutschland, China – eigentlich aus aller Welt. Es scheint unendlich viele zu geben. Und von den vielen wieder unendlich viele Variationen.

Im vorliegenden Buch findet sich eine Zusammenfassung von insgesamt drei bereits veröffentlichten Märchenbüchern (Traumhaus und Wolkenschloss – 2003 Königsfurt-Urania Verlag; Märchen, an denen mein Herz hängt – 2006 Königsfurt-Urania Verlag; Diebe, Dummlinge, Faulpelze & Co – 2009 Selbstverlag der Europäischen Märchengesellschaft).

Im Vorwort meldet sich nicht nur der Herausgeber zu Wort, sondern auch der Neurobiologe Gerald Hüther, der auf die Bedeutung von Märchen in der Entwicklung von Kindern aufmerksam macht. Hinter jedem Märchen steht ein Kommentar. Im knapp 20 Seiten starken Nachwort wiederum kann man Ausführungen zu den Themen Märchen und Seele nachlesen, bevor das Buch im Quellennachweis ausklingt.

Es ist immer wieder verblüffend, wie ähnlich sich doch viele Geschichten sind. Und wie einnehmend jede wiederum für sich sein kann. So ist mir beispielsweise die in diesem Buch enthaltene Aschenputtelvariante wesentlich lieber als die allseits bekannte; immerhin muss das arme Mädchen in dieser Geschichte nicht erst herausgeputzt auf dem Ball erscheinen, damit der Königssohn sich in sie verliebt.

Gerade in unserer schnelllebigen, oft viel zu oberflächlichen Zeit ist es sinnvoll, unseren Kindern Märchen zu erzählen, um ihnen früh zu vermitteln, innere Werte zu schätzen und einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Oder dass es sinnvoll ist, ältere Menschen und ihr Wissen zu achten. Das Demut und Dankbarkeit nichts schlechtes sind. Wie wichtig Träume sind. Die leicht verständlichen Märchen in diesem Buch helfen mit Sicherheit dabei.

Besonders gefallen hat mir auch die Verknüpfung des Vorworts/Nachworts mit den Kommentaren und den Märchen. Mit „Märchen für die Seele“ hat man deshalb kein reines Vorlesebuch in Händen.

Fazit: Ich bin bekennender Märchenfan und trotzdem von vielen Büchern mit Volksmärchen enttäuscht. Das liegt nicht daran, dass sich viele Märchen ähneln, sondern in den meisten Fällen vielmehr an der Art der Zusammenstellung. Die ist in „Märchen für die Seele“ gelungen, weshalb ich das Buch mit 5 von 5 Punkten bewerten möchte. Immer wieder schön zum Vor- aber auch Nachlesen.

Copyright © 2010 by Antje Jürgens

Marklund, Liza (Hg.): Mörderische Weihnachten

Filed under: Krimi/Thriller,Roman — Ati @ 11:11

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List Taschenbuch
ISBN 978-3-548-61015-3
Erzählungen
Originalausgabe 2010
Umschlaggestaltung bürosüd° GmbH, München
Taschenbuch, 256 Seiten
€ 8,95 [D]

www.list-taschenbuch.de 

Für die Sammlung dieser Erzählungen haben sich verschiedene skandinavische Autoren zusammengeschlossen. Neben Liza Marklund arbeiteten Arne Dahl, Torbjörn Flygt, Åke Edwardson, Kjell Eriksson, Helene Tursten, Johanna Nilsson, Leif Davidsen, K. Arne Blom und Inger Frimansson an der Verwirklichung des Buches mit.

Neben dem Vorwort von Liza Marklund und dem Quellennachweis erwarten den Leser 11 skandinavische Geschichten, die mit Weihnachten insoweit zu tun haben, als es eben in dieser Zeit geschieht. Wirklich mörderisch sind sie nicht alle. Unterhaltsam jedoch schon. Einige wurden bereits in Skandinavien veröffentlicht.

Marklund – „Silvesternacht“ aus dem schwedischen von Anne Bubenzer und Dagmar Lendt. Originaltitel „Näst sista dagegen på året.

Dahl – „Die fliegende Mumie“ aus dem Schwedischen von Ursel Allenstein. Originaltitel „Mumien flyger“ (Buch: „Mord under julgranen“).

Flygt – „Vor der Pause“ aus dem Schwedischen von Katrin Frey, Originaltitel „Före paus“ (Buch: „Mord under julgranen“).

Edwardson – „Als der Schnee fiel“ aus dem Schwedischen von Angelika Kutsch, Originaltitel „När snön föll“  (Buch: „Mord under julgranen“).

Eriksson – „Weihnachtsüberraschung“ aus dem Schwedischen von Wibke Kuhn, Originaltitel „Julstök“ (Buch: „Mord i juletid“).

Tursten – „Mittwintermord“ aus dem Schwedischen von Lotta Rüegger, Originaltitel „Kallt Mord“ (Buch: Midvintermord och andra kriminalnoveller“).

Nilsson – „Würdest du für mich sterben?“ aus dem Schwedischen von Katrin Frey, Originaltitel „Vill du dö för mig?“ (Buch: „Mord under julgranen“).

Davidsen – „Eine Weihnachtskarte aus der Vergangenheit“ Aus dem Dänischen von Gabriele Haefs.

Blom – „Engel im Schnee“ aus dem Schwedischen von Wibke Kuhn, Originaltitel „Snöängel“ (Buch: Midvintermord och andra kriminalnoveller“).

Frimansson – „Das Rote“ aus dem Schwedischen von Lotta Rüegger und Holger Wolandt, Originaltitel: „Det röda“ (Buch: „Mord under julgranen“).

Marklund – „Der Holzdieb“ aus dem Schwedischen von Susanne Dahmann.

Gleich im Vorwort, geht Marklund auf Weihnachten und die damit verbundenen Traditionen ein, auf die Erwartungen und zwangsläufig folgenden Enttäuschungen. Darauf, dass sie am liebsten in sonnige Gefilde oder eben einfach von daheim weg dem ganzen Trubel entflieht. Überaus nachvollziehbar, zumindest so, wie sie alles schildert.

Danach fängt der Lesegenuss langsam an, es dauert etwas, bis die erste Leiche auftaucht. Jede der Geschichten ist in sich abgeschlossen, sie können querbeet oder nacheinander gelesen werden. Da löst eine Kommissarin einen Fall, bei dem auffällig viele Kinder plötzlich Verletzungen aufweisen. In einer anderen Geschichte kommt jemand in arge Bedrängnis, weil aus einem ihm überlassenen Sack Blut tropft. Ungewöhnlich starke Schneefälle pferchen ein streitendes Geschwisterpaar zusammen. Ein Holzdieb lässt einen alten Mann quasi Amok laufen. Nicht immer kommen Tote in den Geschichten vor, aber wenn sie fehlen, fehlen sie gar nicht wirklich. Wenn sie dann doch auftauchen, könnte man fast erschrecken, da man nicht mehr mit ihnen gerechnet hat.

Fazit:  Wer Skandinavienkrimis mag, kommt mit diesem Buch nicht zu kurz und hält kurzweilige Unterhaltung in Händen.

Copyright © 2010 by Antje Jürgens (AJ)

Stroud, Jonathan: Bartimäus – Der Ring des Salomo

Filed under: Abenteuer,Fantasy, Horror, SciFi,Jugendbuch,Roman — Ati @ 09:49

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Bartimäus – Der Ring des Salomo

von Jonathan Stroud

 

Titel der englischen Originalausgabe: Bartimaeus – The Ring of Solomo

cbj, München

ISBN 978-3-570-13967-7

Fantasy, Jugendbuch

1. Auflage 2010

aus dem Englischen von Katharina Orgaß und Gerald Jung

Umschlaggestaltung Klaus Renner

Hardcover, 480 Seiten

€ 18,99 [D]

www.cbj-verlag.de

www.jonathanstroud.com

 

Zum Autor

 

Der in Bedford/England geborene und bei London lebende Jonathan Stroud schreibt bereits seit 33 Jahren Geschichten, hat also seine Vorliebe dafür bereits mit sieben Jahren entdeckt. Nachdem er Jahre später zunächst als Lektor für Kindersachbücher tätig war, beschloss er nicht nur seine eigenen Kinderbücher zu veröffentlichen. Er wollte sich auch fortan ganz dem Schreiben widmen. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

 

Zum Buch

 

„Bartimäus – Der Ring des Salomo“ ist eigentlich die Entstehungsgeschichte zu den bereits veröffentlichten Bänden der Bartimäus-Trilogie. Ein in sich abgeschlossenes Buch, in dem es um einen gewitzten, stets zu Streichen aufgelegten Dschinn geht, der immer wieder wider Willen von Magiern heraufbeschworen wird. Man kann es völlig unabhängig von der Trilogie lesen.

 

Gleich zu Beginn folgt eine Liste der Hauptpersonen, eine Karte mit den Ländern Israel, Saba und deren Umgebung zum Handlungszeitpunkt. Nach dem eigentlichen Schluss der Geschichte kommen noch Anmerkungen zu Zauberei und Geistern. Und nach Erwähnung der Trilogie ein kleines Kapitel, von dem ich ausgehe, dass es sich um ein Kapitel des ersten Bandes der Trilogie handelt – die ich leider noch nicht gelesen habe.

 

Doch zum Inhalt. Bartimäus ist ein Dschinn. Ein Wesen, das seinem Meister alle Wünsche erfüllen muss. Sein Herr ist Magier am Hofe König Salomos 959 v. Chr. in Jerusalem. Salomo wiederum, Hüter eines Ringes, der ihm unendliche Macht und Reichtum verleiht, scheint sich alle umliegenden Königreiche untertan machen zu wollen. Er schreckt nicht davor zurück, den Geist des Ringes heraufzubeschwören, um seine Macht zu erhalten und sein Gefolge gefügig zu halten.

 

Als Salomo das Königreich Saba bedroht, schickt die Königin eine ihrer Wächterinnen nach Jerusalem. Diese soll den König töten und den Ring nach Saba bringen. Asmira, die Wächterin macht sich sofort auf den Weg und trifft dabei auf Bartimäus und seinen Herrn. Mit ihrer Hilfe gelangt sie schneller als erwartet in den Palast Salomos.

 

Doch dort stellt sich heraus, dass nicht alles so ist, wie es scheint. Ihr blinder Gehorsam gegenüber ihrer eigenen Königin ist plötzlich infrage gestellt, als sie mit Bartimäus Hilfe in den Besitz des Ringes zu kommen versucht. Ist Salomo ein tyrannischer Machthaber oder gehen hinter seinem Rücken Dinge vor, die er nicht weiß? Herrscht er oder wird er beherrscht? Sie und der Dschinn müssen einige Schwierigkeiten meistern und um ihr Leben kämpfen.

 

Meine Meinung

 

Ich würde das Buch in die Kategorie All-Age (zumindest ab 14 aufwärts) einsortieren und wurde von der ersten bis zur letzten Seite gut unterhalten. Stroud hat mich in eine fantastische Welt aus Zauberern, Kobolden, Dämonen und Menschen eintauchen lassen. Der Schauplatz ist größtenteils im antiken Jerusalem, wobei Zeit und Ort vermutlich auch hätten beliebig ausgetauscht werden können, denn es ist gewissermaßen eine ganz eigene Welt, in die man sich beim Lesen begibt. Am Ende kommt wie gesagt vermutlich der Auftakt der Trilogie. Jedenfalls landet der Dschinn in der modernen Zeit bei einem Jungen in London.

 

Doch soweit ist es anfangs noch nicht. Bösartige und gewalttätige Dschinns werden beschrieben, die immer bereit sind auf ihren Herrn zu stürzen und diesen zu töten, sobald dieser die kleinste Schwäche zeigt. Und ihre Sehnsucht nach Freiheit, die genau genommen nie erfüllt wird, denn jeder der ihren Namen kennt, kann sie heraufbeschwören und sie müssen ihm bedingungslos gehorchen oder werden bestraft. Bartimäus ist ein bereits uralter Dschinn, sarkastisch und humorvoll und trotz seiner Hinweise auf seinen Appetit kommt er liebenswert herüber. Er glaubt an das Gute im Menschen, als er auf Asmira trifft, und wird gewissermaßen belohnt. Sie schafft es nicht nur, den Bann, der ihn an seinen bisherigen Herrn bindet, zu brechen (an der Stelle habe ich mich köstlich amüsiert, wer die Gelegenheit hat einen Blick auf die Seiten 276-280 zu werfen, weiß vielleicht warum). Sie verspricht ihm auch die Freiheit, sobald er ihr geholfen hat, den Ring zu bekommen. Asmira wiederum würde alles für ihre Königin tun, sogar ihr eigenes Leben opfern. Blind gehorcht sie jedem Befehl, bis sie zu begreifen beginnt, dass Gehorsam vielleicht nicht alles ist und es zwischen Schwarz und Weiß viele Grautöne gibt.

 

Stroud lässt zum einen Bartimäus selbst zu Wort kommen, zum anderen wird die Geschichte von einem Beobachter erzählt. Was mich anfangs etwas störte, waren die Fußnoten, die keiner eigentlichen Erklärung dienen, sondern genau genommen teilweise recht biestig-eloquente Gedanken des Dschinns sind. Doch das war wie gesagt nur anfangs, was vielleicht wiederum am äußerst lebendigen Stil und modernen Sprachgebrauch des Autors liegen könnte. Damit führt er einen leicht verständlich in die Handlung ein, wobei er gleichzeitig von Anfang an Spannung aufbaut. Seine Ideen sind durchdacht, nichts wirkt langatmig. Die Beschreibung seiner Figuren, wie auch ihrer Erlebnisse ist detailliert.

 

Fazit

 

Das Buch hat eindeutig nicht nur für Jugendliche Unterhaltungswert. Mich hat es auf die bereits 2006/2007/2008 erschienene Trilogie mehr als neugierig gemacht. Auf einer Skala von 1 – 5 bekommt „Bartimäus – Der Ring des Salomo“ die volle Punktzahl, weil einfach alles stimmt.

 

Copyright © 2010 Antje Jürgens

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