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6. März 2013

COHN, RACHEL: BETA (Ananda-Serie Band 01)

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Originaltitel: Ananda Series 1- Beta
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Bernadette Ott
cbt
ISBN-13:
9783570161647
ISBN-10:
3570161641
Jugendbuch SciFi/Dystopie (ab 13 Jahren)
1. Auflage 02/2013
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 416 Seiten
Neupreis [D] 17,99 €

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Nach etlichen Sachbüchern möchte ich mich heute wieder einem Roman zuwenden -dem dystopisch angehauchten Jugendroman Beta von Rachel Cohn, der den Auftakt der Ananda-Serie darstellt. Wie viele Bücher es genau werden, weiß ich derzeit noch nicht, allerdings habe ich irgendwo etwas von vier Büchern gelesen. Die 1968 in Maryland geborene Rachel Cohn verfasst normalerweise zusammen mit David Levithan warmherzige Erzählungen für Jugendliche und wurde diesbezüglich etwa für Nick & Norah – Soundtrack einer Nacht für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Mit der 2012 erschienenen Originalausgabe von Beta geht sie also in eine ganz andere Richtung.

Ananda kannte ich bisher aus dem Sanskrit. Es bedeutet übersetzt etwa die Abwesenheit von Unglück. Im Umkehrschluss also Glück. Das lässt mich für Elysia hoffen. Die kommt nämlich als Teenager-Klon zur Welt, noch dazu in einer Beta-Ausführung. Glück ist also nicht unbedingt für sie vorherbestimmt. Dennoch geht es ihr anfangs auch nicht schlecht. Kurz nach ihrer Geburt wird sie, obwohl sie eine ungetestete Beta-Version ist, verkauft. Sie muss in einer traumhaften paradiesisch-perfekten Inselkulisse zwar nicht im eigentlichen Sinn arbeiten, aber als  Gesellschafterin ihrer Mutter und Gespielin ihrer Geschwister dienen und gefallen.

Dass die Realität anders aussieht, merken neben Elysia auch Cohns LeserInnen schnell. Bereits der erste Satz (auf den ich normalerweise wenig gebe) – Sie will mich kaufen – zog mich in seinen Bann. Und die Autorin schaffte es durch das ganze Buch hindurch, meine dadurch erwachte Neugier aufrecht zu halten. Mit ihrem Verkauf steht Elysia über den niederen Dienstboten-, Handwerker- oder sonstigen Arbeiterklonen. Dennoch ist sie weit weniger wert als ein Mensch.

Das Ganze spielt in der Zukunft auf der Erde, die allerdings trotz einiger Ähnlichkeiten ein wenig verändert ist. Eine große Flut und Wasserkriege haben ihr Antlitz verwandelt, die Technik ist (man sieht es bereits an den Klonen) weit fortgeschritten. Die Menschen sind teils genetisch optimiert und haben Cyborg-Eigenschaften – einen Relay-Screen unter der Haut des Unterarms, der telekommunikativen Zwecken dient und Smartphones, Tablets und Konsorten ersetzt. Da die Klone sehr menschlich wirken, werden sie durch Tätowierungen an der Schläfe und fuchsiafarbene Augen gekennzeichnet, darüber hinaus wird ihnen ein Ortungs- und Datenchip eingepflanzt.

Das Cover (das von cbt zeigt ein anderes Gesicht als das amerikanische Original, ist ansonsten jedoch gleich) passt also sehr gut, deutet es doch in seiner sanft wirkenden Ausführung auf die durch Manipulation entstandenen paradiesisch-schönen Eindrücke hin, die einem im Buch erwarten, und lässt durch den direkten Blick doch anklingen, dass Elysia nicht so seelenlos ist, wie sie sein soll.

Demesne, der Haupthandlungsort im ersten Band der Ananda-Serie, ist eine Insel. Die Luft wird mit speziellen Filtern gereinigt, das Meer darum herum ist verändert und wirkt wie ein Jungbrunnen. Sogar Haie sind so modifiziert, dass man sie als Streicheltiere benutzen kann. Auch die dort lebenden Menschen sind auf den ersten Blick perfekt, immerhin sorgt das Meerwasser dafür, dass sich Alterserscheinungen oder Folgen von Fehlernährung etwas abmildern lassen. Immenser Reichtum hat dieses Inselparadies geschaffen. Es gibt noch ein paar kleinere Atolle um Demesne, bevor die raue Wirklichkeit in Form eines unberechenbaren Meeres beginnt. Doch sieht man von kleineren Abstechern auf besagte Atolle ab, wird die übrige Welt außerhalb Demesnes in Beta nur erwähnt.

Irgendwo habe ich einmal gelesen, dass das Paradies zu existieren aufhört, wenn Menschen es betreten. Und das wird in Beta vollumfänglich bestätigt. Die Menschen, die nach Demesne kommen, sind reich. Alle anderen haben dort eigentlich nichts zu suchen. Die wenigen menschlichen Diener, die anfangs in das Ferienparadies mitgebracht wurden, erlagen bald der perfekten Schönheit der Insel. Das daraus entstehende Dolce-far-niente-Verlangen war den reichen Grundstücksbesitzern ein Dorn im Auge, weshalb sie auf die Erschaffung und den Erwerb von Klonen auswichen. Mit diesen können sie nach eigenem Gutdünken verfahren und sie straffrei töten, wenn es ihnen in den Sinn kommt. Defekte Klone müssen auf eine Krankenstation, wo sie vor ihrer Eliminierung noch maßlos gequält werden. Ein Defekt wäre etwa eine eigene Meinung, Aufbegehren. Das weiß Elysia allerdings noch nicht, als sie gleich eingangs ein erschreckendes Erlebnis auf der Krankenstation hat, die unmittelbar neben ihrer Geburtsabteilung liegt.

Das Paradies hat also einen hohen Preis. Unwillkürlich kommt die bedrückende Frage auf, wo das menschliche Grundmaterial für die Klone herkommt. Ob alle Verstorbenen eines natürlichen oder eines überraschenden Unfalltodes gestorben sind. Oder ob Menschen gezielt ausgesucht und ausgeschaltet wurden, weil sie vielleicht gut aussahen, jemandem im Weg waren oder als Andersdenkende gefährlich werden konnten. Oder weil sie arm sind. Manche verkaufen ihre Körper auch, damit das Überleben ihrer Familie gesichert ist.

Vordergründig geht es um das Erkennen Elysias. Dass Fehler und Schwächen von Klonen anders bewertet werden, als bei Menschen. Dass wenn zwei das Gleiche tun, es noch lange nicht dasselbe ist. Dass ständig ein tödliches Damoklesschwert über den Klonen schwebt. Aber auch, dass andere Klone und sogar Menschen an dem auf der Insel vorherrschenden Prinzip zweifeln und dagegen ankämpfen. Ausgelöst wird dies durch Erinnerungen ihrer First – also des Teenagers, der zuvor im Grunde genommen sterben musste, damit sie einen Körper hat. Etwas was es gar nicht geben dürfte also, denn Erinnerungen sind genauso wie Gefühle unmöglich. Ein Klon hat ohne nachzudenken oder zu werten das zu tun, was von ihm verlangt wird und sonst nichts.

Genau wie in Spielbergs AI – Künstliche Intelligenz aus dem Jahr 2001 wird die Geschichte aus der Sicht des Klons erzählt. Das geschieht jedoch nicht melodramatisch verkitscht. Im Buch kommt Elysia selbst zu Wort. Und so erfahren Cohns LeserInnen quasi aus erster Hand, was schief laufen kann und welche emotionalen Folgen es für einen Klon hat, der erkennt, dass er ganz offensichtlich defekt ist und trotzdem überleben möchte. Und damit noch nicht einmal alleine ist.

Die Autorin gestaltet die noch unproblematische Zeit nach Elysias Geburt interessant und humorvoll. Das Entdecken der Insel genauso wie das Ausbauen der auf ihrem Chip vorprogrammierten aber sehr beschränkten Wissensdatenbank. Schnörkellos geht die Autorin darauf ein, dass ein Klon keine Gefühle haben darf, seinem Besitzer gegenüber jedoch solche durchaus durch Gestik, Mimik und Worte auszudrücken lernen muss. Eine klitzekleine Schwäche gibt es dabei. Der war in diversen Szenen eingangs enthalten. Da ihre Wissensdatenbank zu diesem Zeitpunkt quasi nur Grundlegendes beinhaltet hat, wirkten manche ihrer Ansichten nicht unbedingt falsch, aber auch nicht ganz richtig und irgendwie vorgegriffen. Das lässt sich nicht allein mit Elysias Andersartigkeit erklären. Und auch später gemachte Ausführungen zu hormonellen Veränderungen und ihren Folgen wirken nicht durchweg schlüssig. Allerdings hilft der leicht lesbare Schreibstil über diese kleinen Schwächen hinweg. Auch die kurz gehaltenen Kapitel sorgten dafür, dass ich förmlich durch die Seiten flog.

Nicht alle Charaktere, die mir darin begegneten, waren liebenswert. Eigentlich sympathische Figuren wurden plötzlich unberechenbar. Durch Elysia lernte ich kaltherzige und scheinbar allmächtige HerrenHHhmenschen und verzweifelte, macht- aber nicht zwingend mutlose Klone kennen. Unerbittliche Eltern, aber auch solche, die alles für ihr Kind tun wollten und sich dafür sogar selbst betrogen. Jugendliche, die der perfekten Langeweile auf Demesne entkommen wollten. Kinder, die in ihrer Gefühlswelt keinen Unterschied zwischen Klonen und Menschen machten. Figuren also, die menschlich-authentisch wirken und mit real anmutenden Problemen kämpfen. Egoismus, Ehebruch, Missbrauch, Drogenkonsum, Notwehr und Mord, unerwiderte Gefühle,  schmerzhafte Verluste und scheinbar aussichtsloser Widerstand sind nur einige davon. Dennoch spielt Gewalt, obwohl sie latent in allerlei Variationen durchschimmert, eine untergeordnete Rolle in Cohns Roman. Elysia, die anfangs in ihrer Lernphase noch zerbrechlich und naiv wirkt, lernt schnell dazu. Und noch bevor der erste Band zu Ende ist, trifft sie aus Verzweiflung eine Entscheidung, die sie in Lebensgefahr bringt.

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Beta als Figur und als Roman ist nicht vollkommen perfekt. Manchmal agieren die Figuren nicht ganz nachvollziehbar, manches war vorhersehbar. Die überraschende Wende am Schluss erschwert aber die Wartezeit auf den Folgeband. Insgesamt hebt sich Cohns Auftaktband für mich eindeutig aus der Masse sonstiger Dystopien heraus. Ähnlich wie Sara Grant in ihrem Roman Neva lenkt Cohn den Blick auf kritische Probleme einer respektlosen Gesellschaft, die in ihrem Egoismus die Achtung vor Individuellem verloren hat. Ihr Roman wühlt auf, mehr als andere futuristische Dystopien, und macht nachdenklich. Dabei kommen überraschende Wendungen und auch ein dezenter Humor (der durch Elysias unschuldiges Nichtwissen entsteht) nicht zu kurz. Der Roman wird nicht durch eine reißerische, absolut entmutigende oder temporeiche Handlung getragen. Er erschüttert vielmehr durch beängstigende Andeutungen und fesselt durch eine dichte Atmosphäre. Nicht nur das jugendliche Zielpublikum, sondern auch deutlich ältere LeserInnen wie mich. Trotz kleinerer Schwächen möchte ich deshalb fünf von fünf Punkten dafür vergeben.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

19. Februar 2013

ROTH, VERONICA:DIE BESTIMMUNG – TÖDLICHE WAHRHEIT

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Originaltitel: Insurgent
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Petra Koob-Pawis
cbt Verlag
ISBN-13: 9783570161562
ISBN-10:
3570161560
Dystopie, Jugendbuch ab 14 Jahren
1. Auflage 12/2012
Hardcover mit Schutzumschlag, 512 Seiten
Neupreis [D] 17,99 €

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Autorenblog englisch
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Mit gerade 20 Jahren und während ihres Studiums in kreativem Schreiben verfasste die Autorin ihren 2011 erschienenen Debütroman Divergent. Dieser befand sich zum einen mehrere Wochen auf der Bestsellerliste der New York Times und die Filmrechte sind bereits verkauft. Zum anderen wurde eine deutsche Übersetzung von cbt 2012 unter dem Titel Die Bestimmung veröffentlicht. Roths Debüt stellt den Auftakt einer Trilogie dar, deren zweiter Teil Insurgent in deutscher Übersetzung unter dem Titel Die Bestimmung – Tödliche Wahrheit ebenfalls von cbt noch im gleichen Jahr herausgegeben wurde. Der dritte Teil soll Ende 2013 folgen.

Es empfiehlt sich, den ersten Band der dystopischen Trilogie zu lesen, bevor man sich an den Zweiten macht, denn die Bände sind nicht in sich abgeschlossen.

Die Geschichte wird von der Hauptfigur im Präsens erzählt. Diese heißt Tris, ist 16 und steht in Roths Debütroman vor einer schwierigen Entscheidung. Wie alle in ihrem Alter muss sie über ihre Zukunft entscheiden. In ihrer Welt gibt es insgesamt fünf Fraktionen, eine davon muss sie als ihre künftige Familie wählen. Da gibt es die Selbstlosen (Altruan), die Freimütigen (Candor), die Wissenden (Ken), die Friedfertigen (Amite) und die furchtlosen (Ferox). Wer die Wahl hat, hat die Qual, zumindest, wenn wie in Tris‘ Fall der Bestimmungstest, der bei der Entscheidung helfen soll, kein eindeutiges Ergebnis erbringt. Tris trägt mehrere gegensätzliche Begabungen in sich, gehört zu den Unbestimmten und gilt dadurch als Gefahr für die Gemeinschaft. Bisher hat sie bei den Altruan gelebt, jetzt schließt sie sich den Ferox an. Eine fatale Entscheidung, denn dabei gerät sie in einen Konflikt, der neben ihrem eigenen Leben auch das all derer bedroht, die ihr etwas bedeuten. Unabhängig von allem geht es auch um die Beziehung zwischen Tris und dem jungen Tobias. Das ist der Inhalt des Auftaktromans der Trilogie von Veronica Roth.

Die Bestimmung – Tödliche Wahrheit schließt unmittelbar an den ersten Teil an. Der endet mit einem Angriff der Wissenden, die mit ferngesteuerten Furchtlosen versuchten, die Altruan zu vernichten. Dabei kommen ihre Eltern ums Leben, weshalb Tris sich nicht wirklich darüber freuen kann, dass sie es gemeinsam mit ihrem Bruder, ihrem Freund und wenigen weiteren Überlebenden zu den Friedfertigen geschafft hat. Die Erleichterung darüber wird auch getrübt, weil sie während des vorangegangenen Angriffs einen Freund erschießen musste, der unter dem Einfluss der Ken stand. Hinzu kommt, dass sie nicht lange bei den Amite bleiben können. Zu dicht sind ihnen ihre Verfolger bereits auf den Fersen und zwischen den Fraktionen herrscht Krieg. Die bisher funktionierende Gesellschaft zerbricht Stück für Stück.

Wer schnelle Entwicklungen der Handlung erwartet, sollte die Hände davon lassen. Eine dichte Atmosphäre geht oft zulasten des Tempos. Auch wenn man der Autorin keine wortmalerische Detailverliebtheit unterstellen kann, ist ihr eine solche Atmosphäre aber gelungen. Bezüglich der Charaktere ist positiv zu erwähnen, dass verschiedene Figuren in beiden bis jetzt erschienenen Bänden aufgetaucht sind. Über ihre Sympathie lässt sich streiten. Allerdings muss man Romanfiguren ja nicht zwingend mögen, um sie interessant zu finden. Roths Figuren haben Fehler und Macken. Niemand ist perfekt, mancher suspekt und mehr als einer egoistisch. LeserInnen können sich über sie und mit ihnen ärgern, zeitweise mit ihnen mitfiebern, -hoffen oder auch -leiden.

Der Dystopie geschuldet offenbart sich Tris innerlich zerrissen. Schuldgefühle, Rachegedanken, Zorn und Zukunftsängste beherrschen sie. Dabei passen Erinnerungen teilweise nicht zu dem, was sie jetzt erlebt. Sicherheit scheint es nicht mehr zu geben. Gut und Böse offenbaren sich als willkürliche Definition. Misstrauen macht sich breit, vertrauen fällt schwer. Gleichzeitig möchte Tris aber auch ihre Schuld begleichen, indem sie die Unbestimmten rettet. Dafür ist sie sogar bereit, sich selbst zu opfern und sich von Tobias zu trennen, nachdem sie sich gerade ihre Liebe gestanden haben. Dafür ist sie sogar willens, sich zum Schein mit dem Feind zu verbünden.

Negativ fiel mir auf, dass Tris im zweiten Buch zusehends an Sympathiepunkten verlor. Ihre Handlungen sind nicht immer nachvollziehbar, oft wirken sie übereilt. Obwohl sie die Gefahr fürchtet, sucht sie sie geradezu. Viel zu oft zeigt sie sich zickig-egoistisch und voller Todessehnsucht. Tobias spürt, dass ihm Tris entgleitet. Die beiden streiten sich in einem fort oder verschweigen sich etwas, dennoch verzeiht er ihr unzählige Male. Beide wirken manchmal kaltblütig-kalkulierend, dann wieder so voll blindem Aktionismus, dass es fast weh tut. Die ausführliche Beschreibung von innerer Zerrissenheit und Schuldgefühlen sorgt neben Tris‘s polarisierenden und ihrem stellenweisen erschreckenden, naiv-dummen Verhalten zudem über weite Strecken des zweiten Bands für Längen, obwohl sie grundsätzlich gut in die Geschichte passt. Darüber tröstet der flüssig-lockere Schreibstil nur bedingt hinweg.

Einen wirklich dicken Minuspunkt gibt es jedoch für die Brutalität, wird doch viel zu häufig um sich geschlagen und/oder aus allen Rohren geschossen. Die Eliminierung Andersdenkender ist ein blutiger Haupthandlungsbestandteil. Gewalt gab es auch schon im ersten Band. Doch fiel sie mir in Die Bestimmung – Tödliche Wahrheit vermehrt auf, weil die Figuren darin zeitgleich emotional distanziert dargestellt werden. Die Art und Weise, wie sie gefühllos-kaltblütig über das Geschehen hinweggehen, kann man am ehesten als abgestumpft bezeichnen. Letzteres ist zwar durchaus aufgrund des Geschehens nachvollziehbar. Doch abgesehen davon, dass diese Abstumpfung zeitgleich manch überzogen wirkendem, irrationalen Ausbruch gegenübersteht, übertrug sie sich auch auf mich als Leserin. Gewalt, Trauer und Verlust können Menschen verändern. Die Veränderung bei Tris ging mir persönlich zu weit.

Kampfszenen können dramatisch und temporeich sein und davon gibt es einige im Buch. Allerdings wirken sie im zweiten Band genau wie das Hin und Her zwischen Tris und Tobias eher negativ auf den Spannungsbogen. Es gibt Endzeitgeschichten, die weniger Gewalt beinhalten und dennoch packender sind. Roths Geschichte ist nicht wirklich langweilig, doch fehlt etwas. Die Bestimmung – Tödliche Wahrheit wirkt, wie viele zweite Bände einer Trilogie, manchmal wie bloßes Füllmaterial, da sich die Handlung nicht signifikant weiterentwickelt. Erst gegen Ende nimmt das Erzähltempo wieder an Fahrt auf und es tut sich etwas.

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Wie schon im ersten Band ist das Ende des Buches nicht das Ende der Geschichte. Geheimnisse und Rätsel wurden gelüftet, doch bleiben Fragen offen und bieten Platz für Spekulationen, verwirren teilweise aber auch. Bleibt zu hoffen, dass Roth mit dem dritten Band der Trilogie wieder an den besser gelungenen ersten Band heranreicht. Die Bestimmung – Tödliche Wahrheit hat meine Erwartungen nicht erfüllt, weshalb ich nur zwei von fünf Punkten dafür vergeben möchte.

Obwohl ich den inhaltlichen Grundgedanken durchaus spannend finde, kann ich diesen für mich nicht fesselnd mit den jugendlichen Charakteren in Einklang bringen. Grundsätzlich halte ich die Altersfreigabe für verfehlt. Warum? Dystopien sind zwar nicht für eine fröhliche Grundidee bekannt, doch muss Krieg, Brutalität und Tod in dieser Form und einem solchen Ausmaß bei der anvisierten Zielgruppe wirklich sein? Nach der Lektüre der ersten beiden Bände ebenso wie nach einem Blick auf die begeistert-positiven Reaktionen frage ich mich unwillkürlich, wie verroht unsere Gesellschaft sein muss, wenn eine derartig gestaltete Ideenumsetzung in Jugendbüchern eine solche Begeisterung auslöst. Aus dem Grund werde ich die Trilogie niemandem aus meinem Bekannten und Verwandtenkreis als Jugendbuch empfehlen.

 

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

4. Februar 2013

BARTSCH, CARINA: KIRSCHROTER SOMMER & TÜRKISGRÜNER WINTER

Filed under: Belletristik,Buch- & Sammelreihe,Jugendbuch,Liebe — Schlagwörter: , , , , — Ati @ 19:14

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rororo
ISBN-13: 9783499227912/ISBN-13: 9783499227912
ISBN-10: 3499227916/ISBN-10: 3499227843
Belletristik, Jugendbuch
1. Auflagen 01/2013
Taschenbuch
512 Seiten/464 Seiten
[D] je 9,99 €


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Dass ich beide Bände in eine Buchbesprechung hereinnehme, liegt darin begründet, dass sie meiner Ansicht nach zusammen besprochen werden müssen (warum folgt weiter hinten). Eventuell verrate ich dadurch allerdings zu viel. Deshalb sollten diejenigen, die vollkommen unbelastet an die gesamte Geschichte herangehen wollen, NICHT WEITERLESEN.

Worte … Worte können vieles. Sie können uns beispielsweise verwirren oder zum Lachen bringen, zum Nachdenken anregen, etwas infrage stellen. Sie können auch Aufmerksamkeit erregen, uns verletzen oder verändern.

Mit ihren Worten erregte Carina Bartsch eindeutig Aufmerksamkeit. Nach zahlreichen Absagen brachte sie 2011 ihr Romandebüt Kirschroter Sommer als Kindle im Schandtaten-Verlag selbst heraus. Dass es sich gelohnt hat, zeigen die Verkaufszahlen. Kirschroter Sommer erreichte Platz 1 der Kindle-Bestsellerliste für Liebesromane, stand zeitweise in den Top20 der Kindle-Jahresbestseller 2012 und platzierte sich auch vor den Kindle-Bänden 2 und 3 der stark beworbenen Fifty-Shades-of-Grey-Reihe. Dieser Erfolg rief die Agentur Erzählperspektive auf den Plan, die Bartschs Debüt auf der Buchmesse 2012 präsentierte. Daraufhin meldeten sich mehrere Verlage und Rowohlt brachte nicht lange danach zum ersten Mal in seiner Verlagsgeschichte das Werk eines e-book-self-publishers in gedruckter Form auf den Markt. Auch der Folgeband Türkisgrüner Winter wird dort verlegt. Beide Bände in einer ersten Auflage von 30.000 Stück. Der Traum eines Autors.

Weniger traumhaft ist das, was Emely widerfährt. Worte haben sie verletzt und verändert. Das alles liegt zu Beginn von Kirschroter Sommer bereits sieben Jahre zurück. Auswirkungen auf das Leben der 22jährigen Studentin haben die Worte des nur wenig älteren Elyas, ihrer ersten und bisher einzigen Liebe, jedoch nach wie vor. Selbstbewusstsein ist das, was andere haben. Beziehungen auch. Dennoch hat sie ihn nie vergessen. Als sie sich nach dem Umzug ihrer besten Freundin/Elyas Schwester wiedersehen, flammen alle negativen Gefühle wieder in ihr auf. Elyas scheint nicht zu bemerken, dass er ihr auf die Nerven fällt, und drängt geradezu penetrant in ihr Leben. Obwohl er anscheinend jede Frau haben kann, erweckt er bei Emely den Eindruck sie unbedingt als weitere Kerbe in seinem Bettpfosten verewigen zu wollen. Während sie versucht, sich Elyas vom Leib zu halten, lernt sie zeitgleich den sanften und scheinbar schüchternen Lucca im Internet kennen. Bald darauf hat sie ein Problem. Lucca scheint ein Traummann zu sein, dem sie alles anvertrauen kann. Fatalerweise zeigt jedoch auch Elyas steter-Tropfen-höhlt-den-Stein-Methode und seine Hilfsbereitschaft (etwa nach einem schweren Unfall ihrer Eltern) bei ihr Wirkung und sie verliebt sich erneut in ihn.

Türkisgrüner Winter setzt die begonnene Geschichte unmittelbar fort. Das Wechselbad der Gefühle vertieft sich für Emely, weil sich Lucca und Elyas fast zeitgleich zurückzuziehen beginnen. Da sie Lucca noch nie persönlich getroffen hat, beschließt Emely sich während einer Hallowen-Party wenigstens an Elyas‘ Fersen zu heften und ihn zur Rede zu stellen. Die beiden verbringen sogar die Nacht miteinander. Allerdings nur, weil Emely sturzbetrunken ist und Elyas sie nicht einfach ihrem Schicksal überlassen möchte. In der Folgezeit kommen sie und Elyas sich trotzdem wieder näher. Doch gerade, als sie auf Wolke sieben schwebt, erfährt sie etwas, was sie abrupt auf den Boden der Tatsachen zurückbefördert. Ihre Befürchtung erneut von Elyas verletzt zu werden, scheint sich zu bewahrheiten. Das Gefühl abermals von ihm verraten worden zu sein, lässt sie zu ihren zwischenzeitlich wieder genesenen Eltern flüchten und damit vor der Gefahr weglaufen, Elyas versehentlich zu begegnen. Ihren Gefühlen kann sie jedoch nicht ausweichen. Als sie Elyas anlässlich der Weihnachtsfeiertage überraschend wiedersieht, kommt es erneut zum Streit und alles scheint verloren.

Gleich vorab, damit keine Missverständnisse aufkommen: Bereits das erste Buch hat mich nicht vom Hocker gerissen, aber auch nicht völlig gelangweilt. Dass ich beide Bücher gelesen habe, liegt zum einen in meiner Neugier (was kann Bartsch, was andere nicht können/womit hat sie es geschafft) begründet. Zum anderen aber auch daran, dass die Autorin (trotz diverser Schwachstellen und obwohl ich alterstechnisch eindeutig über dem Zielpublikum liege) die Frage nach dem Ausgang der Geschichte in mir wachgehalten hat. Wie und womit, weiß ich offen gestanden bis heute nicht. Doch es lag weder darin begründet, dass ich unvollendete Geschichten einfach nicht mag, noch darin eine Leseempfehlung (oder Argumente dagegen) für meine Nichten und die Töchter von Bekannten und Freunden finden zu wollen. Tatsächlich kann man mit Kirschroter Sommer und Türkisgrüner Winter einfach abschalten (es macht nichts aus, wenn man versehentlich ein Kapitel überspringt). Die Beschreibung der Figuren polarisiert, was durchaus nicht jedem Autor gelingt. Ich habe zwar nicht mitgefiebert, das eine oder andere Mal jedoch gedanklich jemanden durchgeschüttelt. Der Schreibstil sorgt diverse Male für hochgezogene Mundwinkel. Und auch wenn mich das eine oder andere daran gestört hat (siehe unten), lassen sich beide Bücher sehr leicht und in einem Rutsch durchlesen. Faktisch kann man die Bücher 13-14jährigen Mädchen beruhigt in die Hand geben.

Die Geschichte spielt größtenteils in Berlin und wird von Emely selbst erzählt. Obwohl sie, wie die anderen Figuren, über 20 ist, wirkt Emely nicht sonderlich erwachsen – weshalb ich das Buch eindeutig als Jugendbuch einstufen möchte. Die Covergestaltung beider Bücher trägt ebenso wie die einfach gehaltene Sprache zu dieser Einschätzung bei, wobei mir Emelys Wortwahl an mehreren Stellen nicht sonderlich gut gefallen hat (auch hierauf gehe ich nachher noch einmal ein). Ich war gedanklich schon kurz davor eine Strichliste für das Kribbeln, die Gänsehaut, den einseitig verzogenen Mundwinkel oder ähnliches anzulegen, so häufig wurden bestimmte Worte/Redewendungen benutzt. Positiv anmerken möchte ich allerdings, dass es zwar um eine Beziehungsgeschichte geht, Sexszenen jedoch komplett außen vor bleiben (was gut zum Jugendbuchcharakter passt). Lediglich ein paar Küsse und tiefe Blicke gibt es – Gänsehaut und Kribbeln sind diesbezüglich aber allenfalls von Bartsch benutzte Worte und kein Lesefeeling. Auch die Handlung selbst ist relativ eng begrenzt, dreht sie sich doch größtenteils um Emelys Empfinden. Überraschende Wendungen gibt es nicht. Nicht nur durch die Erzählperspektive begründete Vorhersehbarkeiten, auch stetige Wiederholungen sorgen für gewisse Längen. Und man stolpert von einem Klischee ins nächste. Eine wirkliche Entwicklung macht weder die Geschichte noch einer der Charaktere auf den immerhin fast 1.000 Seiten durch. Genau das habe ich jedoch fatalerweise erwartet, nachdem ich vor den beiden Büchern etwas über die Autorin gelesen habe, die mit Kirschroter Sommer und Türkisgrüner Winter ihren LeserInnen nahebringen will, warum Emely und Elyas füreinander bestimmt sind.

Während mir der Großteil der Figuren um Emely mehr oder weniger einnehmend vorkam, tat ich mich mit der in Ich-Form erzählenden Hauptfigur von Anfang des ersten bis fast Ende des zweiten Bandes extrem schwer. Dabei wirkt Emely zwar unreif, aber wie alle anderen durchaus echt. Sie stellt sich stellenweise verkrampft, größtenteils zornig und unbeherrscht vor. Sympathisch war sie mir überaus selten. Diese Momente beschränkten sich vorwiegend auf ihren E-Mail-Verkehr mit Lucca. Bartsch verwendet, wie etliche andere Autoren derzeit auch, sowohl Kurznachrichten als auch E-Mail als festen Bestandteil des Geschehens.

Dass Emely nach der Sache vor sieben Jahren vermutlich nicht einmal weiß, wie man Selbstbewusstsein schreibt, ist die eine Sache. Das hätte mich nicht gestört und wirkt auch in der dargestellten Form gar nicht so glaubwürdig. Tatsächlich habe ich oft genug erlebt, welch fatale Folgen wenige Worte haben können. Was mich jedoch regelrecht abgestoßen hat, war neben ihrem Verhalten ihre Ausdrucksweise. Diese wirkt keineswegs gekünstelt oder falsch, doch sie beißt sich die allermeiste Zeit schlicht und ergreifend mit meinem Verständnis der Ausdrucksweise einer Studentin der Literaturwissenschaft, für die (Seite 33) Literatur mit einem magischen Zauber belegt ist, der sie mit all seiner Kraft gefangen hält. Irgendwie gehe ich davon aus, dass jemand, der gerne und viel liest, eine andere Wortwahl hat. Vielleicht liegt es auch einfach daran, dass Worte wie Miststück, Idiot, Blödmann genauso wenig zu meinem gängigen Tagesvokabular gehören, wie ich sie in dieser Fülle aus dem Mund anderer hören oder lesen möchte. Klingt weltfremd, ich weiß. Aber ich finde, dass wir eine herrliche Sprache haben, mit der wir Missfallen und negative Gefühle auch ohne derbe Wortwahl und verbale Entgleisungen zum Ausdruck bringen können. Emely benutzt die Worte außerhalb ihrer Mails jedenfalls gerne und überaus häufig, nicht nur gedanklich und nicht nur im Bezug auf Elyas. Und dafür, dass sie mit Sex nichts am Hut hat, dreht sich ihr Denken sehr viel darum. Egal ob es um die Bedürfnisse ihrer in ihren Augen zu unersättliche Mitbewohnerin Eva oder um die Baggerversuche von Elyas geht (wobei der Bagger da in meinen Augen manchmal eher einem Teelöffelchen gleicht).

Während ich neben dem verständnisvollen Lucca auch den von Emely als überheblich-arroganten, stets baggernden, ekelhaft beschriebenen Elyas fast durchgehend nett fand (allein für die Bad-Szene nach der Halloween-Party hat er etliche Sympathiepunkte bekommen), kam mir Emely selbst wie ein beleidigt-zickiger, hormongeschüttelter Teenager der schlimmsten Sorte vor. ICH scheint bei ihr von vorne bis hinten groß geschrieben zu sein. Ihre mit Füßen getretene, ach so unsterblich-unvergessene Liebe zu Elyas besteht (logischerweise größtenteils bereits durch die Erzählperspektive begründet) neben der unerschöpflichen Auflistung all seiner Fehler, seiner berechnenden Manipulationen und der stetigen Erwähnung ihrer durch ihn verursachten emotionalen Verletzungen vorwiegend daraus, ihn mies zu behandeln, damit sie sich besser fühlt. Da sie anderen nicht zuhören will, gehört Verzeihen eindeutig nicht dazu. Vergessen schon gar nicht. Kompromisse und Liebe scheinen bei ihr unvereinbar zu sein und überhaupt wirkt Emely in ihrem Egoismus eher oberflächlich verliebt (was wiederum zu dem Jugendbuchcharakter passt). Sie tut sich selbst am meisten leid. Dabei verschließt sie sich vor der Tatsache, dass ihre boshaften Erwiderungen auf eigentlich ganz harmlose Bemerkungen seinerseits ebenfalls verletzen können. Emily geht aus nichtigen Gründen in die Luft, schlägt verbal blind um sich und lediglich Elyas Ausdauer und Geduld ist es zu verdanken, dass sich die beiden näher kommen. Seinem abschätzig von ihr beurteilten großen Ego verdankt sie es im Grunde genommen, dass er ihre Sticheleien und Provokationen aushält. Er läuft ihr nach wie manch hungriger Esel seiner Möhre und ihre bissig-biestige Art und Weise (die nicht biestig-eloquent, sondern einfach eingeschnappt wirkt) sorgt dabei lediglich für schief verzogene Mundwinkel bei ihm, Grinsen und Amüsiertheit.

Ihre passiv-abweisende Angriffshaltung gibt Emely eigentlich erst auf, als Elyas seinerseits die Segel streicht. Nicht einmal als er am Ende des zweiten Bandes gleich über zwei Kapitel hinweg seine Motive und sein geplantes Handeln erläutert, kommt dieser jahrelang gehegte Abwehrmechanismus wieder hervor, dabei entspricht Elyas Geständnis genau dem, was sie ihm permanent unterstellt und er genauso vehement abgestritten hat. Ein weiteres Mal wird auf dem alles entscheidenden Missverständnis herumgeritten. Die eigentliche Motivation für die Hartnäckigkeit von Elyas wirkt dabei jedoch relativ unglaubwürdig. Neue Erkenntnisse gewinnen Bartschs LeserInnen zudem nicht. Denn im Grunde kann man das alles schon viele, viele Seiten vorher und nicht nur zwischen den Zeilen aus der Geschichte herauslesen. Immerhin kommt es bereits recht schnell zu einer, durch einen Joint (so langsam aber sicher frage ich mich, wie ich ohne so was überhaupt 45 werden konnte) initiierten, entspannten Phase und damit verbunden zu einer Aussprache bezüglich der alles verursachenden Worte. Die Versöhnung scheint bereits da so nahe, die perfekte Beziehung auch. Immerhin haben beide so viele Gemeinsamkeiten, dass es fast schon unheimlich ist.

Aber wie gesagt, sie scheint nur nahe, denn da gibt es ja Emelys ach so große Verletztheit und ihre Angst erneut dem bitterbösen, berechnend-manipulativen und selbstsüchtigen Elyas zum Opfer zu fallen. Für einen Schritt nach vorne macht Emely also munter meist gleich drei zurück, weshalb ich auch beide Bücher in einer Besprechung vorstellen möchte. Dieser Eiertanz ist nämlich die gesamte Handlung beider Bücher. Darin gehen der Selbstmordversuch einer gemeinsamen Freundin bzw. Bekannten, das Liebesglück von Alex und Sebastian, die anstehende Hochzeit von Andy und Sophie, der schwere Verkehrsunfall von Emelys Eltern und noch etliche andere Dinge (nicht in der Reihenfolge) ebenso gnadenlos unter wie die Intention der Autorin. Elyas kann tun und machen, was er will. Vermutlich könnte er die Sterne vom Himmel holen, es hätte keinen Sinn. Es wird nicht klar, warum die beiden füreinander bestimmt sind – mir jedenfalls nicht.

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Vermutlich wäre es besser gewesen, beide Bücher auf eines zusammenzukürzen und dieses auch noch auf etwa 300 Seiten zu beschränken. Denn mehr gibt die Handlung im Grunde nicht her. Wer Wert auf eine sich entwickelnde Handlung und Gefühle (außerhalb von Verletztheit und Wut) legt, sollte auf alle Fälle die Finger von beiden Büchern lassen. Wer jedoch einfach etwas zum Abschalten sucht, ist damit durchaus gut bedient. Unabhängig davon: Die 14jährige Tochter einer Bekannten war von beiden Büchern hellauf begeistert. Mich selbst hat die Geschichte von Emely und Elyas jedoch nicht entflammt, stellt sie sich doch zu einseitig und oberflächlich dar. Tödlich gelangweilt hat sie mich aber auch nicht. Dennoch überwiegen die Schwachstellen, weshalb ich beiden Büchern nur drei von fünf Punkten geben möchte.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

26. Januar 2013

SPINDLER, CHRISTINE: MOND AUS GLAS

Filed under: Belletristik,Jugendbuch,Liebe,Roman,Tod/Trauer — Ati @ 15:17

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Renate Götz Verlag
ISBN-13: 9783902625205
ISBN-10: 3902625201
Belletristik
Ausgabe 12/2010
Broschiert, 196 Seiten
[D] 17,41 €

Verlagsseite
Autorenseite

 

Der Preis mit 17,41 € ist etwas ungewöhnlich. Aber das ist das im Zuge eines Adventsgewinnspiels zu mir gekommene Buch zum Nachdenken und Staunen für Jugendliche und Erwachsene von Christine Spindler auch. Und zwar im durchweg positiven Sinn.

Die 1960 in Backnang geborene und in Auenwald lebende Autorin hat bereits mehr als 40 Bücher geschrieben. Aus ihrer Feder stammen vorwiegend Kinderbücher und Krimis. Teils veröffentlichte sie diese unter ihrem richtigen Namen. Dazu zählen etwa die deutsch-englischen Lernschmöker von Langenscheidt Love Takes Centre Stage – Bühne frei für die Liebe oder Love Takes a Detour – Liebe auf Umwegen. Andere Veröffentlichungen erfolgten teils unter dem Kurznamen Chris Spindler, ihrem Pseudonym Tina Zang oder (als Co-Autorin) dem Sammelpseudonym Kris Benedikt. Bereits 2007 kam im Sieben-Verlag ihr Buch Winterleuchten auf den Buchmarkt. Mond aus Glas ist eine inhaltlich teilweise überarbeitete Auflage davon.

Das Cover zeigt ein junges, gleichermaßen traurig wie verloren wirkendes Mädchen an einem Gewässer, über dem der Vollmond steht. Die Inhaltsangabe erklärt gleich eingangs ihren Gesichtsausdruck, ist doch die Zwillingsschwester der mittlerweile 16jährigen Luna zwei Jahre zuvor nach einer Tumoroperation gestorben. Der Verlust und die Trauer drohen die Familie zu zerbrechen. Abgesehen davon entdeckt Luna Veränderungen an sich, die sie sich nicht erklären kann. Doch im Buch geht es nicht nur um sie. Auch Finn steckt gerade in einer schwierigen Phase. Seine Eltern haben sich kürzlich getrennt und er muss mit seiner kleinen Schwester und seiner Mutter in einer fremden Stadt einen Neuanfang wagen. Das gestaltet sich vor allem deshalb etwas schwierig, weil der gerade 18jährige Finn als Bluter von seiner Mutter ein Leben lang in Watte gepackt, verhätschelt und isoliert worden ist. Dabei hat auch er Fähigkeiten, die ihn von anderen unterscheiden. Luna und Finn lernen sich kennen, erkennen, wie einzigartig sie sind, und verlieben sich ineinander.

Wer jetzt denkt, eine einfache Liebesgeschichte in Händen zu halten, irrt allerdings. Denn Spindlers Geschichte ist weitaus mehr und wird von weiteren Charakteren beseelt. Zwar verweist die Inhaltsaufgabe auf Luna und Finn, doch erweisen sich Spindlers übrige Figuren als ebenso wichtig. Egal ob es sich um Finns altkluge, kleine Schwester Motte handelt, die viel lieber bei ihrem Vater leben würde aber nicht darf. Oder um seine überbesorgte Mutter Marianne, die neben einem Alkoholproblem auch mehr als ein Geheimnis hat, oder Finns Vater Rainer, der es mit der Treue nicht so ernst genommen hat – zwischen beiden sind die Fronten verhärtet. Auch Lunas Mutter Vera, die Luna vernachlässigt, und nur durch die Erkenntnis, dass Stella einem karrieresüchtigen, gewissenlosen Arzt zum Opfer gefallen sein könnte, aus ihrer Depression gerissen wird, spielt keine unbedeutende Nebenrolle. Ebenso wenig ihr Mann, Lunas Vater Urban, der sich in seiner Trauer von Vera alleine gelassen fühlt. Die Ehe der beiden ist erstarrt, droht wie gesagt zu zerbrechen. Da ist aber auch Lunas Tante Evi mit einer leichten geistigen Behinderung, die sich nicht verstellen kann und die ebenso auf die Familie angewiesen ist, wie diese auf sie. Sogar Lunas Schulrektor, zwei Lehrer oder die Freundin von Vera sind nicht einfach nur nebenbei erwähnte, nebensächliche Füllfiguren.

Alle sind wundervoll beschrieben, wirken authentisch (trotz der Erwähnung und damit Komprimierung aller in einem Roman) und mehr oder weniger liebenswert. Keiner davon wirkt wirklich alt oder jung, überaus erwachsen oder absolut kindlich. Exzentrisch verschroben sind sie alle. Jeder hat Fehler und Schwächen. Niemand ist perfekt, auch die verstorbene Stella nicht. Genau dadurch wirken sie herrlich lebendig und man kann sich in alle hervorragend hineinversetzen. Von Beginn an leidet man mit ihnen, lacht mit ihnen, fiebert mit ihnen, wundert sich mit ihnen, hofft mit ihnen. Und wünscht ihnen, dass die Geschichte trotz der tragischen Momente gut ausgeht.

In jedem Kapitel gibt es gleich mehrere Erzählstränge. Die Verknüpfung mehrerer gleichberechtigter Handlungsfäden und Charaktere beinhaltet für viele Autoren ungeahnte Stolperfallen und allzu häufig bleibt neben dem Lesefluss auch der Lesespaß auf der Strecke. In Mond aus Glas wird beides jedoch Stück für Stück unaufgeregt emphatisch in einer wundervollen gleichsam feinsinnigen wie bildhaften Sprache von der Autorin miteinander verwoben.

Aufkommende Fragen finden sukzessive ihre Antworten. Diese wühlen auf, geht es doch, abgesehen von dem von Spindler verarbeiteten fantastisch-märchenhaften Element um grundsätzliche Dinge, die jeden von uns betreffen. Tod und Trauer stehen der ersten Liebe ebenso gegenüber wie der, die schon seit Jahren existiert. Ein Wust von Emotionen findet in Mond aus Glas Raum. Anklagen und Schuldgefühle, Wut, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Aber auch Freude, Verzeihen und Zuversicht. Es geht um Loslassen und Festhalten. Um das Am-Boden-Sein und darum, wieder aufzustehen. Um neue Blickwinkel und damit verbundene Einsichten. Jedes der 31 Kapitel ist eingangs übrigens mit einem Gedicht versehen, welches die Emotionen im Buch zusätzlich widerspiegelt.

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Ein absolut empfehlenswertes, berührendes und nachdenklich machendes  Buch für Jung und Alt. Eine genauso märchenhafte wie echt wirkende Geschichte, die zu Tränen rührt, aufwühlt und zum Lachen animiert. Eine Geschichte, der ich fünf von fünf Punkten geben möchte und die ich garantiert mehr als einmal lesen und verschenken werde.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

11. Januar 2013

FORMAN, GAYLE: LOVESONG

Filed under: Belletristik,Jugendbuch,Roman — Ati @ 14:44

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Originaltitel: Where she went
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Bettina Spangler
blanvalet
ISBN-13: 9783442379422
ISBN-10: 3442379423
Jugendbuch
1. Auflage 06/2011
Taschenbuch mit Klappenbroschur, 272 Seiten
[D] 12,99

Verlagsseite
Autorenseite (englisch)

 

If I stay, Where she went, Sister in sanity, You can’t get there from here sind Bücher aus der Feder der 1975 geborenen, in New York lebenden amerikanischen Autorin Gayle Forman. Sie war als Journalistin für Magazine wie Seventeen, Details, Jane und Glamour aber auch Elle und Cosmopolitan tätig, bevor sie sich dem Schreiben von Kinder- und Jugendbüchern widmete. Ihre mehrfach mit Preisen ausgezeichneten Bücher sind in verschiedene Sprachen übersetzt.

Eines der gerade genannten Bücher, genauer If I stay (deutscher Titel Wenn ich bleibe, erschienen bei blanvalet) hat mich zu Tränen gerührt, obwohl ich allgemein absolut unsentimental eingeschätzt werde und zudem weit über der Altersgrenze der damit anvisierten Leserschaft liege. Es ging darin um die gerade erst erwachsen werdende Mia. Was als fröhlicher Tagesausflug beginnt, endet für sie in einer Katastrophe. Ihr kleiner Bruder und ihre Eltern werden bei einem Verkehrsunfall tödlich verletzt, sie selbst überlebt schwer verletzt und ringt im Koma liegend mit dem Tod. Dennoch bekommt sie mit, wer sich alles um sie bemüht und sie steht vor der Entscheidung ihrer Familie zu folgen oder um ihr Leben und ihre Zukunft zu kämpfen. Eine der Personen, die bei ihrer Entscheidung eine wichtige Rolle spielt, ist ihr Freund Adam.

Mit Lovesong halte ich die deutsche Übersetzung des Folgeromans dazu in Händen. Laut Inhaltsangabe handelt es sich dabei um ein unvergessliches Buch über eine unvergessene Liebe (…) Eine große Liebesgeschichte zweier Menschen, die gegensätzlicher nicht sein können und sich doch brauchen, um vollständig zu sein. (Zitat Verlagsseite)

Das dunkel gehaltene Cover zeigt als Motiv ein junges Paar, das Kopf an Kopf auf dem Rücken auf einer Art Steg liegt. Der Mann trägt einen Kopfhörer und hat die Augen geschlossen, die Frau sieht einen an. Zusammen mit dem ersten Satz (Zitat: Jeden Morgen wache ich auf und sage mir: Nur ein weiterer Tag, nichts als ein Zeitraum von vierundzwanzig Stunden, den ich bewältigen muss.) war ich in Erinnerung an den eben erwähnten und bereits gelesenen Roman der Autorin sofort Feuer und Flamme.

Lovesong spielt einige Jahre nach Wenn ich bleibe. Wie man der Inhaltsangabe entnehmen kann, ist Adam ein gefeierter Rockstar und Mia eine erfolgreiche Cellistin geworden. Die Welt steht ihnen also offen, doch die Wege der beiden haben sich getrennt. Adam wird mit der von Mia initiierten Trennung nicht fertig, droht daran zu zerbrechen. Eines Tages befinden sich beide zufällig in der gleichen Stadt. Mia gibt ein Konzert, welches Adam aufsucht, um sie wenigstens heimlich zu sehen. Danach kommt es zu einem ungeplanten Treffen, einem Gespräch, einer Versöhnung. Wird damit alles gut?

Der Inhalt beider Bücher gehört zwar irgendwie zusammen, allerdings könnten sie nicht unterschiedlicher sein.

Die Fortsetzung ist aus der Sicht Adams geschrieben. Er erzählt aus der Gegenwart heraus und erinnert sich an das, was war. Adam zeigt sich dabei wütend, weil Mia ihn aus ihrem Leben ausgeschlossen hat. Diese Wut verarbeitet er in seinen Texten. Forman lässt ihre LeserInnen daran teilhaben, denn jedes Kapitel der Gegenwart beginnt mit einem kleinen Bruchstück eines Songtextes. Die Texte kommen beim Publikum an. Adam auch, seine weiblichen Fans himmeln ihn an. Doch er ist ein seelisches Wrack. Er offenbart sich depressiv, melancholisch und sensibel, in seiner Sensibilität allerdings auch sehr auf sich bezogen. So hat er eine neue Beziehung, die jedoch darunter leidet, dass er Mia nicht vergessen kann. Er zeigt sich innerlich zerrissen, was sich aber in gewisser Weise nur absolut schlüssig offenbart, wenn man das Vorgängerbuch gelesen hat. Grundsätzlich ist dies aber kein Muss.

Abgesehen von der Perspektive an sich hat sich auch der Schreibstil grundlegend geändert. Das passt zwar perfekt zu den erzählenden Figuren (im ersten Buch Mia, die sich eher sanft, fast poetisch und vor allem hoffnungsvoll bei mir einprägte; im zweiten Buch wie bereits erwähnt Adam, der stellenweise derb unvermittelt und vorwiegend depressiv zu Wort kommt). Die Autorin hat genau durch diesen Perspektiv- und Stilwechsel sicher herausgearbeitet, wie unterschiedlich die beiden Hauptfiguren sind. Gleichzeitig schafft sie in mit beiden Büchern, ihre LeserInnen zu polarisieren. Ihre Figuren wirken dabei glaubwürdig, Handlungs- und Denkweisen kann man größtenteils gut nachvollziehen.

Doch während ich mit Mia und Adam im ersten Buch mitfiebern konnte, stießen sie mich im zweiten Buch eher ab, kamen mir zudem vollkommen fremd vor. Natürlich war der Fokus auf Adam in Wenn ich bleibe eher oberflächlich. Doch in Lovesong konnte er durch sein Denken und Verhalten wenig Sympathiepunkte bei mir erringen. Und auch Mia verlor durch ihr Verhalten und dessen Auswirkungen auf Adam erschreckend an positiver Kraft. Dabei bewirkt Formans Schreibstil, dass Mia eigentlich eher im Hintergrund schwebt und vorwiegend in den Rückblicken wenig schmeichelhaft in Erscheinung tritt. Gleichzeitig konnte ich nicht wirklich in die Fortsetzung der Geschichte eintauchen. Ich fühlte mich eher wie eine distanzierte Beobachterin. Vielleicht, weil speziell die Rückblicke im Zusammenhang mit dem Wissen um den Status quo einfach präsentiert und weniger erzählt auf mich wirkten und mir wenig Möglichkeiten für Gedankenspielereien boten.

Entgegen des zweiten Zitatteils der Inhaltsangabe auf der Verlagsseite geht es also gar nicht wirklich um eine Liebegeschichte. Titel und Covermotiv der gebundenen Ausgabe von Wenn ich bleibe haben in meinen Augen damals absolut gepasst. Bei Lovesong finde ich beides eher unglücklich gewählt, haben sie doch zusammen mit dem eben erwähnten Zitatteil eindeutig falsche Erwartungen an den Buchinhalt bei mir geweckt. Der erste Zitatteil stimmt zumindest irgendwie, denn Lovesong handelt natürlich von Gefühlen. Überaus stringent verfolgt die Autorin im Buch Verletztheit, Zorn, Trauer, Angst und die Erinnerung an die gescheiterte Beziehung zwischen Adam und Mia. Während Wenn ich bleibe voller Hoffnung war, droht in Lovesong jegliche Hoffnung in Depressivität unterzugehen.

Recht bald entstand beim Lesen der Eindruck einer gewissen Gezwungenheit, die sich speziell am Ende noch verstärkte. Die Fortführung der Geschichte scheint lediglich dem Erhalt der Figuren zu dienen. Was eigentlich erfrischend wirken könnte (der wirklich sehr gut herausgearbeitete Gegensatz von Adam und Mia), sorgt nicht nur dafür, dass beide Figuren sympathiearm fremd wirken, sondern entbehrt bedauerlicherweise auch an Spannung.

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Gayle Forman hat zwei völlig gegensätzliche Bücher geschrieben. Leider empfinde ich die Fortsetzung des Romans als nicht gelungen, obwohl die Grundidee an sich gar nicht so schlecht und bestimmte Dinge (innere Zerrissenheit von Adam, Gegensatz der Figuren, u. ä.) zudem sehr gut herausgearbeitet sind. Die Punkte, die ich für die Geschichte vergeben möchte, sind eher der handwerklichen Gestaltung als dem wirklichen Inhalt geschuldet. Der mehr oder weniger offen gehaltene Schluss von Wenn ich bleibe setzte damals mein Gedankenkarussell in Gang, wie es mit den beiden weitergegangen sein könnte. Vermutlich wurde genau das Adam und Mia bei der Lektüre von Lovesong zum Verhängnis. Und der Schluss von Lovesong beendet die Geschichte dann zudem wieder nicht wirklich und hinterlässt in seiner Beschaffenheit ein eindeutig unbefriedigendes Gesamtgefühl. Insgesamt möchte ich deshalb nur drei von fünf Punkten vergeben.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

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