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17. Mai 2013

DRAGNIĆ, NATAŠA: IMMER WIEDER DAS MEER

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Immer wieder das Meer von Natasa Dragnic
Verlag: Deutsche Verlags-Anstalt
ISBN-13. 97834210458293
ISBN-10: 3421045828
Genre: Belletristik, Gegenwartsliteratur
Ausgabe: 2. Auflage 04/2013
gebundene Ausgabe, 368 Seiten
Neupreis [D]: 19,99 €

 

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Nataša Dragnić Foto © Mirko Waltermann

Nataša Dragnić
Foto © Mirko Waltermann

Ein Blick auf die Homepage der Autorin verrät: Sie wollte schon immer Schauspielerin, Schriftstellerin oder Lehrerin werden. Wirft man einen zweiten Blick in ihren Lebenslauf, offenbart sich, dass die 1965 in Split/Kroatien geborene Nataša Dragnić ihre Wünsche für die Zukunft vollumfänglich in die Tat umgesetzt hat. Sie hat ein Diplom in Germanistik und Romanistik, spricht fünf Sprachen, arbeitete als Reiseleiterin und absolvierte eine Diplomatenausbildung. Darüber hinaus war sie aber auch als Lehrerin tätig (etwa an Fachschule für Touristik in Zagreb). Seit 1994 lebt sie in Erlangen und arbeitet als freiberufliche Sprach- und Literaturdozentin, Dolmetscherin und Übersetzerin. Zudem schlüpfte sie in verschieden Theaterproduktionen unter anderem in die Rollen der Klytämnestra, Nike oder Caesonia. Und als Autorin ist sie nicht nur dank ihrer Kurzgeschichten, sondern spätestens seit ihrem Debütroman Jeder Tag jede Stunde ein Begriff.

Wer dringend knisternde Spannung sucht, sollte die Finger ebenso wie diejenigen von Immer wieder das Meer lassen, die stets Lesequickies bevorzugen. Die Leichtigkeit, die das Covermotiv suggeriert, findet man im Buch nicht wieder. Mit ihrem zweiten Roman präsentiert die Autorin kein Buch für nebenbei. Dazu passiert in ihrem Roman zwar nichts absolut Spektakuläres; insgesamt jedoch zu viel über zu viele Jahre und das Ganze in einigen Zeitsprüngen, die etwas Konzentration erfordern.

Dragnić rollt dabei die Geschichte quasi vom Ende her auf und stellt ihren LeserInnen eine Familie vor, in der sich drei sehr verschiedene Schwestern in ein und denselben Mann verlieben. Alle drei fangen etwas mit ihm an, eine von ihnen heiratet ihn. Der Roman ist gespickt mit Rückblenden auf das Leben der drei Schwestern. Teils auf das aller, teils getrennt. Neben den eifersuchtsbedingten Querelen bleiben zahlreiche familiäre Schicksalsschläge nicht aus. Krankheit und Alter spielen eine Rolle und machen deutlich, dass es um mehr als problematische partnerschaftliche Beziehungen geht. Die Familie schweißt alle zusammen, egal was geschieht.

Das Buch hat eine sehr schwermütige Grundstimmung, geht es doch in weiten Teilen nicht nur um die Sehnsucht und Suche nach der großen Liebe und darum, dass bestehende Gefühle nicht gelebt werden dürfen oder sukzessive ersticken. Dragnić lässt ihren Figuren nicht nur herbe Enttäuschungen erleben, sondern auch einige Schicksalsschläge einstecken. Verluste sind omnipräsent. Das fällt besonders auf, weil bestimmte Figuren aufgrund der Zeitsprünge und Perspektivwechsel quasi zwei Mal gehen. Das kann bisweilen für Verwirrung sorgen.

Liegt es daran, dass jedem für sich zu vieles widerfährt? Ich weiß es nicht und kann den Finger nicht wirklich darauf legen. Doch durchweg alle Charaktere wirkten in ihrer Darstellung nicht immer authentisch auf mich. Hinzu kommt, dass besonders Allesandro bei mir aufgrund seines Verhaltens nicht mit Sympathie punkten konnte. Sieht man von seiner Begeisterung für die Kunst und ihre Geschichte ab, wirkt er eher leidenschaftslos und zu passiv. Was ich jedoch sehr gelungen fand, war die innere Zerrissenheit der Schwestern. Diese wird durch den Schreibstil der Autorin, der in weiten Teilen von kurzen Sätzen geprägt ist, sehr deutlich. Doch obwohl die Autorin auf gelungene Art ein breites Spektrum an Gefühlen transportiert, birgt der Roman einige Längen, die durch aus Perspektivwechseln und Zeitsprüngen resultierenden Wiederholungen entstehen. Diese Längen wiederum werden teilweise aufgefangen durch die Zeitformen, die die Autorin für ihren Roman gewählt hat. Ein Teil wird in der Gegenwart von der Schwester erzählt, die Allesandro gleich eingangs heiratet, die Rückblenden in der Vergangenheit und aus verschiedenen Perspektiven.

Fazit: 04aPerlenpunkte

Obwohl einiges fast zu geballt wirkt, was den Charakteren in Dragnićs Roman widerfährt, wirkt die Geschichte insgesamt nicht völlig aus der Luft gegriffen. Ein Roman über Familie, Glück, Kompromisse und Liebe, aber auch über Egoismus, Verzweiflung, Wut und Trauer. Leise, unaufgeregt, bewegend, nachdenklich machend. Insgesamt möchte ich vier von fünf Punkten dafür vergeben.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

 

11. Mai 2013

HAUPTMANN, GABY: ICH LIEBE DICH, ABER NICHT HEUTE

Filed under: Belletristik,Roman — Schlagwörter: , , , , , — Ati @ 18:15

377_Hauptmann_IchLiebeDichAberNichtHeutePiper Taschenbuch Verlag
ISBN-13: 9783492303132
ISBN-10: 3492303137
Genre: Belletristik
Ausgabe: 04/2013
Taschenbuch, 320 Seiten
Neupreis [D]: 9,99 €

 

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Gaby Hauptmann © Dieter Wehrle

Gaby Hauptmann
© Dieter Wehrle

Vor ihrer Tätigkeit als Autorin und Journalistin war die 1957 in Trossingen geborene Gaby Hauptmann Chefredakteurin eines privaten Radiosenders und arbeitete bei verschiedenen Fernsehsendern als Produzentin, Regisseurin und Moderatorin. Aus ihrer Feder stammen über 20 Frauenromane, die in mehrere Sprachen übersetzt verlegt und teils verfilmt wurden. Dazu gehören unter anderem Die Meute der Erben, Hengstparade oder auch Suche impotenten Mann fürs Leben. Mit Alexa – die Amazone, dem 1994 erschienenen Debütroman, wandte sich Gaby Hauptmann an ein jugendliches Publikum. An die gleiche Zielgruppe richtet sich auch ihre mittlerweile neun Bände umfassende Buchreihe Kaya – frei und stark.

Doch zurück zum gerade vor mir liegenden Buch. Auf das kam ich dank diverser Pressemeldungen. Loveletter meinte „Ein kurzweiliger Frauenroman.“; die Neue Westfälische urteilte „Schon nach wenigen Seiten fühlt sich die Hauptfigur wie eine alte Freundin an.“ Das klang so gut, dass ich mich nach längerer Pause wieder einmal für einen Hauptmann-Roman entschied.

Obwohl ich keinen der bisher gelesenen Hauptmann-Romane als tiefschürfende, emotional geladene Lektüre bezeichnen möchte, haben mich alle auf entspannende Art unterhalten. Einen krassen Kontrast dazu bot mir jedoch Ich liebe dich, aber nicht heute. Und im Bezug auf die Zitate eben: Das Buch zählt weder zu den kurzweiligsten Romanen, die ich in letzter Zeit gelesen habe, noch konnte ich mich mit der weiblichen Hauptfigur anfreunden. Stattdessen spukte mir beim Lesen unweigerlich das Wort Torschlusspanik durch den Kopf. Und mir kam die Redewendung in den Sinn: Wenn es dem Esel zu wohl wird, geht er aufs Eis.

Genau das macht Liane, besagte Hauptfigur, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird, offenbar. Zumindest im übertragenen Sinn. Obwohl sie nicht mehr die Jüngste ist, ist sie noch weit entfernt davon, zum alten Eisen zu gehören. Gut aussehend, beruflich erfolgreich, privat ein gern gesehener Gast bei ihren Freunden. Doch weil ihr in ihrer Beziehung mit Marius ein wenig das Kribbeln abhandengekommen ist, beschließt sie etwas dagegen zu unternehmen.

Setzt sie auf mehr Spontanität und Romantik? Einen Liebesurlaub? Kauft sie Reizwäsche? Denkt sie sich Rollenspielchen aus? Nein, obwohl Hauptmann ihre Liane durchaus (und im Bezug auf die Autorin völlig überraschend für mich) recht klar beschriebene Sex-Abenteuer etwa in einem Güterwaggon erleben lässt, gestaltet sich deren Versuch, die Beziehung zu retten etwas anders.

Marius und Liane sollen sich andere Partner suchen, sich verlieben und sich gegenseitig davon berichten. Wirklich betrügen können sie sich so nicht. Soweit so gut. Wer es braucht, kann damit womöglich tatsächlich glücklich werden. Auch wenn die Idee an sich natürlich den Stolperstein birgt, dass derjenige, der sich verliebt, das womöglich ernsthaft tut und gar nicht in die alte Beziehung zurück will. Es gibt einen weiteren Erzählstrang, in dem Liane durch einen dummen Zufall ins Visier skrupelloser Verbrecher gerät. Doch keine Angst, die Autorin hat nicht das Genre gewechselt – der Fokus liegt auf Lianes Versuch, mehr Prickeln in ihr eingefahrenes Leben zu bekommen.

Bedauerlicherweise kam bei keinem Erzählstrang wirkliche Spannung oder Lesespaß auf. Auch die gerade erwähnten Sex-Abenteuer sind nicht so prickelnd beschrieben, dass sie mich zu einem schnelleren Umblättern animierten. Insgesamt erscheint der gesamte Roman sehr distanziert. Wirkliche Gefühle konnte ich weder bei Liane noch bei Marius, der recht rasch auf Lianes Plan eingeht, entdecken. Positiv zu erwähnen ist jedoch, dass Liane mit ihren anfänglichen Beweggründen nicht völlig aus der Luft gegriffen wirkt. Auch ihre Idee dürften reale Paare schon vorgelebt haben. Doch greifbarer macht das Hauptmanns Hauptfigur nicht. Zu den übrigen Beteiligten ist zu sagen, dass sie samt und sonders eher unscheinbar bleiben, sind sie doch allenfalls schmückendes oder seitenfüllendes Beiwerk für Lianes Egotripp. Emotionen kann man durch die Art der Beschreibung als LeserIn nicht miterleben und bleibt außen vor. Ich weiß zwar, dass die Hauptfigur vom Bodensee nach England, von dort ganz spontan nach Italien und zurück an den See, kurz nach Ibiza und wieder zurück an den See flattert, doch mitgerissen hat sie mich nicht. Zu trocken gestaltete sich in diesem Zusammenhang manchmal auch die Beschreibung der Handlungsorte.

Der zweite Erzählstrang könnte spannend sein, wirkt aber im Hinblick auf Lianes Verhalten schlicht unglaubwürdig. Gerät sie in Panik? Das sollte man angesichts der Ereignisse annehmen. Doch bei Liane hält die Panik gerade mal so lange vor, bis sie sich daran erinnert, dass sie doch eigentlich etwas erleben möchte. Ihre amourösen Abenteuer scheinen nicht nur wichtiger als ihre Arbeit oder ihre Beziehung zu sein, ihr Leben an sich nimmt in etwa den gleichen Stellenwert ein.

Die Intention hinter der Aktion – Leben in die leicht abgestandene Beziehung von Liane und Marius zu bringen – erscheint verwaschen. Hauptmanns Beschreibungen lassen Liane wie jemanden wirken, der einfach nichts mit sich anzufangen weiß. Der Angst hat etwas zu verpassen, ohne wirklich verzweifelt darüber zu sein. Und angesichts der Retourkutsche von Marius sollte man annehmen, dass es da mehr zu schreiben gäbe. Allerdings beschreibt die Autorin die Segeltour eingangs wesentlich ausführlicher, als das klärende Gespräch zwischen Liane und ihrem Partner, bevor sie das Ende rosarot angehaucht ausklingen lässt.

Fazit: 02aPerlenpunkte

Lebendige, spritzige Dialoge hätten die eine oder andere Länge übertünchen können, doch die habe ich in dem Buch meist vergeblich gesucht. Wesentlich öfter fand ich zähe Überlegungen, Plattitüden und leicht pseudo-philosophische Schwafeleien. Ein Buch, in dem sich blasse Charaktere in der seicht vor sich hinplätschernden Handlung eher treiben lassen als agieren. Irgendwie hatte ich meine anderen Hauptmann-Romane unterhaltsamer und peppiger in Erinnerung. Ausgerechnet die interessanteren Passagen werden zu oberflächlich abgehandelt, sodass der Roman keinen bleibenden Eindruck bei mir hinterlässt. Deshalb gibt es nur ganz schwache zwei von fünf Punkten für Ich liebe dich, aber nicht heute.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

5. Mai 2013

GRANT, CECILIA: EIN UNSITTLICHES ANGEBOT

8871_1A_LYX_UNSITTLICHES_ANGEBOT.IND8Originaltitel: A lady awakened
übersetzt von Kirsten Middeke
Verlag: Egmont LYX
ISBN-13: 9783802588716
ISBN-10: 3802588711
Genre: historischer Liebesroman
Ausgabe: 1. Auflage 04/2013
Taschenbuch, 416 Seiten
Neupreis [D]: 9,99 €

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Cecilia Grant © privat

Cecilia Grant © privat

Wieder einmal einen Debütroman halte ich mit Ein unsittliches Angebot in Händen. Er stammt von Cecilia Grant, die mittlerweile bereits drei Romane (Genre Historical Romance) veröffentlicht hat, von denen jedoch derzeit nur einer ins Deutsche übersetzt verlegt wurde. Die Autorin, die Englisch studiert hat, lebt nach eigenen Angaben mit ihrem ebenfalls schreibenden Ehemann, zwei Bücherwürmern und (literarisch eher unbeleckt) Katze und Hund im Nordwesten Nordamerikas. Das kann somit von Washington bis Kalifornien alles und sowohl in den Vereinigten Staaten als auch Kanada, an der pazifischen Küste oder auch sehr weit im Landesinneren sein.

Doch zurück zu ihrem Roman, der den Auftakt der Cecilia-Grant-Reihe bei Egmont-LYX darstellt. Die Fortsetzung (Das Versprechen der Kurtisane) ist bereits für Oktober angekündigt. Die Handlung wird sich dann allerdings nicht mehr um die in Ein unsittliches Angebot vorkommenden Hauptfiguren drehen. Ob sie noch Erwähnung finden? Wer weiß. Sicher ist schon jetzt, dass sie genauso ungewöhnlich sein dürften, wie Martha und Theo.

Denn mit Grant bietet der Egmont LYX Verlag eine weitere Autorin auf, die mit nicht ganz so konventionellen Figuren und genretypischen Klischees aufwartet, wie LeserInnen historischer Liebesromane es hierzulande gewöhnt sind. Aktuell geht es um die erst 21jährige, frisch verwitwete Martha Russells. Der trotz des Altersunterschiedes überraschende Tod ihres Ehemannes stellt sie vor ein Problem. Ohne Erben steht sie mit nahezu nichts da, denn die beweglichen wie unbeweglichen Besitztümer, einschließlich ihrer Mitgift, gehen größtenteils an ihren Schwager. Der ist den Dienstboten im Haus nur allzu gut bekannt und nicht nur bei Martha löst seine bevorstehende Ankunft Beklemmung aus. Statt sich brav in das sich daraus für sie ergebende Los zu fügen, beschließt Martha zu einem nicht ganz ehrlichen Mittel zu greifen. Da sie nicht in guter Hoffnung ist, muss sie es schnellstmöglich werden. Und so ist sie bereit, dem wegen seiner Eskapaden in London auf den Landsitz seiner Familie verbannten Bonvivant Theophilus Mirkwood, Geld gegen seinen hoffentlich fruchtbaren Samen zu bieten.

Schon damit dürfte klar sein, dass Martha nicht zu den naiv-hilflosen Weibchen gehört, die dieses Genre für gewöhnlich zieren. Einerseits wirkt sie steif, spießig und verklemmt. Andererseits zeigt sie sich kämpferisch, fast besessen. So stolz, dass sie lieber Probleme in Kauf nimmt, als klein beizugeben. Sie hat keine schwärmerisch-romantischen Wünsche, denn die Ehe mit ihrem verstorbenen Mann hat ihr die gründlich ausgetrieben, sofern sie überhaupt je vorhanden waren. Entsprechend sachlich, ja fast lieblos gestalten sich die Treffen mit Theo, obwohl dieser durchaus bereit ist, mehr  daraus zu machen. Mehr als einmal verpasst ihm Martha einen emotionalen Dämpfer und stellt seine Verführungskünste auf eine harte Probe. Die Beschreibung der heimlichen Treffen wirkt manchmal etwas unbeholfen, aber nicht unwirklich. Gerade durch das Weglassen romantischer Details, Zärtlichkeiten oder durch die  nüchternen Gedanken Marthas wird der Zeitdruck und das Dilemma deutlich, in dem sie steckt. Unmerklich und in kleinen Details merkt man, dass Gefühle ins Spiel kommen, die die Affäre jedoch nicht kitschig verkomplizieren.

Genau dadurch wirkt dieser Handlungsstrang nachvollziehbar echt. Romantik hätte hier unpassend weich gezeichnet gewirkt. Und so sollte, jeder der Wert darauf legt, eindeutig die Finger von Grants Debüt lassen. Andererseits: Obwohl ich eigentlich etwas gänzlich anderes erwartet hatte, war ich von dem Roman keineswegs enttäuscht. Vielmehr wurde ich angenehm überrascht.

Nebenbei gibt es jedoch auch noch einen zweiten Handlungsstrang, der Marthas Alltag umfasst. Modern im Denken will sie manchmal fast zu verbissen die Welt verbessern. Praktisch und nüchtern stellt sie sich ihrem Problem ebenso wie ihrem Alltag. In dem sie bemüht darum ist, die Lebensbedingungen der kleinen Leute zu verbessern; sie zu bilden und den Wunsch nach Veränderung in ihnen erwachen zu lassen. Damit infiziert sie Zug um Zug auch Theo, der dann beginnt, sein bisheriges Leben infrage stellen.

Fazit: 04aPerlenpunkte

Grants Schreibstil ist sprachlich der damaligen Zeit angemessen. Obwohl manches (Marthas Reformwillen betreffend) fast zu modern wirkt, entstand durch die bildhaften Beschreibungen ein Sittengemälde vor meinem inneren Auge, mit authentisch wirkenden Handlungsorten und nachvollziehbar agierenden, glaubwürdigen Figuren. Sehr schnell tauchte ich in die Geschichte ein. Ein Manko sind kleinere Längen, doch die fallen nicht allzu sehr ins Gewicht und Ein unsittliches Angebot lässt sich leicht lesen. Ein unterhaltsames und gelungenes Debüt, dem ich vier von fünf Punkten geben möchte. Die untypische Darstellung der beiden Hauptfiguren weckt bei mir die Lust auf weitere Romane der Autorin.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

4. Mai 2013

SCHEUNEMANN, FRAUKE: HOCHZEITSKÜSSE

Filed under: Belletristik,Roman — Schlagwörter: , , , , — Ati @ 17:30

377_Scheunemann_HochzeitskuesseVerlag: Page & Turner
ISBN-13: 9783442203925
ISBN-10: 3442203929
Genre: Belletristik, Liebesromane
Serie: kein Serientitel, 4. Band um und mit Dackel Herkules
Ausgabe: 04/2013
Taschenbuch, 288 Seiten
Neupreis [D]: 14,99 €

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Frauke Scheunemann © MelanieDreysse

Frauke Scheunemann © MelanieDreysse

Der 2010 veröffentlichte Roman Dackelblick war der erste Soloroman der Autorin, Journalistin und promovierten Juristin Frauke Scheunemann. Die vierfache Mutter ist die Schwester von Wiebke Lorenz. Beide zusammen veröffentlichen auch unter dem Pseudonym Anne Hertz. Nach seinem Debüt und den Folgebänden Katzenjammer und Welpenalarm tritt in Hochzeitsküsse das charmant-niedliche und männliche Wesen mit dem Dackelblick bereits zum vierten (und vorläufig letzten) Mal und die 1969 in Düsseldorf geborene Autorin wieder als Solistin in Aktion.

In den vorherigen Bänden der Reihe um den vierbeinigen Frauenversteher landete der für die Jagdhundzucht ungeeignete Dackel Herkules zunächst im Tierheim, woraus Caro ihn rettete. Doch Caros damaliger Freund hasste Hunde und war auch sonst in den Augen des krummbeinigen Vierbeiners recht unsympathisch. Zusammen mit dem Kater Herr Beck gelang es Herkules, Thomas zu vertreiben. Allerdings weinte sich Caro die Augen nach ihm, weshalb ein neuer Mann her musste. Was nicht ganz einfach war, denn die Geschmäcker von Herkules und Caro lagen nicht gerade auf einer Wellenlänge. Dennoch schaffte es der einfallsreiche Dackel, sein Frauchen mit dem Tierarzt zu verkuppeln. Doch bald schon tauchte die Ex von Marc für Probleme und Herkules verliebte sich zusätzlich in eine Hündin. Die war zwei Köpfe größer als er und übersah ihn geflissentlich trotz seiner glühenden Verehrung. Und sobald Caro und Marc sich reproduzierten, war mit dem kleinen Henry weiterer Ärger vorprogrammiert. Dackelherzen sind groß und Henry passt da zwar durchaus rein. Doch als sich Herkules beispielsweise als Retter in der Not bei einer vollen Windel übte, stieß er bei seinem Frauchen auf kein allzu großes Verständnis.

Auch in Hochzeitsküsse macht sich Dackel Herkules, wie in den vorherigen Bänden, seine eigenen, durchaus ernsten aber nicht immer allzu ernst zu nehmenden Gedanken zu dem Geschehen um ihn herum. Dieses Mal wollen sein Frauchen Caro und Marc heiraten. Als wären die beiden mit dem Baby, Caros Wunsch wieder arbeiten zu gehen und dem Alltag im Allgemeinen nicht genug gestresst, droht auch die von ihnen gewünschte Feier im intimen Kreis dem pompösen Planungswillen von Caros Schwiegermutter zum Opfer zu fallen. Während Herkules wieder einmal auf seine Art versucht, seinem Frauchen aus der Patsche zu helfen, kämpft er nach wie vor mit den Schmetterlingen in seinem Bauch. Allerdings kommt er der von ihm angebeteten Hündin Cherie nicht wirklich näher und die oberschlauen Ratschläge des Katers Herr Beck helfen auch nicht weiter. Abgesehen davon ist er mit seinem Liebeskummer nicht alleine. Doch Herkules wäre nicht Herkules würde er nicht dafür sorgen, dass sich alles zum Guten wendet.

Wie gehabt erfahren die LeserInnen alles aus Herkules Sicht und dürfen an seinen Gedankengängen ebenso teilhaben wie an seinen analytischen Gesprächen mit dem Kater Herr Beck. Beide sind erneut stellenweise sehr vermenschlicht und gleichzeitig auf ihre tierische Art niedlich bis süß.

Wenn ich eine Buchreihe beginne, möchte ich sie auch fertiglesen. Und da macht Scheunemanns charmant-pfiffiger und eigenwilliger Dackel keine Ausnahme. Allerdings: So niedlich ich Herkules auch im vierten Buch finde, bin ich dennoch froh, den vorläufig letzten Band in Händen zu halten.

Warum? Es ist gut möglich, dass ich in letzter Zeit zu viele Scheunemann- und/oder Hertz-Romane gelesen (aber nicht besprochen) habe und momentan einfach von deren Schreibstil übersättigt bin. So etwas passiert mir manchmal. Tatsächlich ließ mich die einfach gehaltene, lockere und frische Sprache ebenso wie die recht banale Handlung in raschem Erzähltempo auch dieses Mal schnell durch die Seiten fliegen. Sie bot also wie gehabt und durchaus entspannende Unterhaltung. Wortwitz und Schlagfertigkeit halfen mir dabei über kleinere Längen hinweg. Doch obwohl etliche Passagen für hochgezogene Mundwinkel oder Lacher sorgten, wirkten andere fast zu klamaukartig, um wirklich witzig zu sein. Passierte etwas Neues? Nicht wirklich, auch wenn sich einige Dinge geändert haben (die anstehende Hochzeit, während im Band davor beispielsweise das Baby kam).

Fazit:03aPerlenpunkte

Insgesamt erschien mir der vierte Band etwas abgeflacht. Dennoch ist der Roman ein netter Lesequickie mit einem niedlichen Hauptcharakter. Der allein kann aber nicht alles herausreißen, weshalb dieses Mal der Funke irgendwie nicht so richtig auf mich übersprang. Und so gibt es nur drei von fünf Punkten für Scheunemanns Hochzeitsküsse.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

3. Mai 2013

BOTTLINGER, ANDREA: AETERNUM

349_Bottlinger_Aeternum Verlag: Knaur Taschenbuch
ISBN-13: 9783426511794
ISBN-10: 3426511797
Fantasy
Ausgabe 04/2013
Taschenbuch, 576 Seiten
Neupreis [D] 12,99 €

 

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Habe ich schon einmal erwähnt, dass ich mich mit Büchern schwer tue, in denen Engel vorkommen? Egal ob es sich beispielsweise um die Fallen-Angels-Reihe von J. R. Ward, Angelus von Danielle Trussoni oder auch Becca Fitzgeralds Engel-der-Nacht-Reihe handelte – irgendwann (meist recht bald) fand ich etliche Kritikpunkte, die mir den Lesespaß vermasselten. Dessen ungeachtet versuche ich mich immer wieder daran und so landete Aeternum denn auch prompt auf meinem SuB.

Andrea Bottlinger © privat

Andrea Bottlinger
© privat

Die 1985 in Karlsruhe geborene Andrea Bottlinger fühlt sich nach eigenen Angaben im Fantasybereich am wohlsten. Sie war bzw. ist freie Mitarbeiterin der Zeitschriften SpaceView, Geek und Nautilus und interviewte in der Vergangenheit Autoren für Verlage wie cbt und Piper. Bottlinger, die neben Ägyptologie auch Komparatistik und Buchwissenschaften studiert hat, lebt heute in Heilbronn. Sie gibt Schreibkurse, arbeitet als Lektorin, verfasst Buchbesprechungen und veröffentlichte mit Aeternum ihren Debütroman.

In dem öffnet sich ohne Vorwarnung mitten in Berlin ein riesiger Krater, der bis tief in den Untergrund der Hauptstadt reicht. Niemand kann sich erklären, wie er zustande kam und niemand kann abschätzen, was damit zusammenhängend noch alles passieren kann. Denn natürlichen Ursprungs ist dieses Ereignis nicht. Doch nicht nur die Menschheit versucht herauszufinden, was es damit auf sich hat. Auch miteinander verfeindete Dämonen und Engel tun ihr Möglichstes. Zu diesem Zweck wählen sie je einen Abgesandten, der der Sache sprichwörtlich auf den Grund gehen soll. Schon bald begeben sich der gefallene Engel Jul und die einem Dämon als Magierin dienende Amanda in die Tiefen, während weiter oben alles eskaliert.

Wie gesagt, meist vergeht mir die Leselust bei Büchern mit Engeln recht schnell. Ich lese zwar weiter, aber ich kam bisher nie in Versuchung die Bücher wärmstens weiterzuempfehlen oder Ähnliches. Oft kommt es mir so vor, als ob die Autoren nicht so recht wissen, in welche Richtung sie jetzt eigentlich wollen. Bei Bottlingers Debütroman ging es mir nicht so. Ich habe auch hier etwas gefunden, das mich stört. Aber: Aeternum nahm mich von Anfang an und bis zum Schluss gefangen.

Wer streng gläubig ist, wird womöglich ein Problem mit der Idee haben, die sich nach und nach (allerdings temporeich) herauskristallisiert, sie womöglich geradezu blasphemisch finden. Denn abgesehen davon, dass Bottlinger, wie andere Autoren auch, Engel nicht automatisch gut und Dämonen nicht per se schlecht beschreibt, geht sie sogar soweit, dass ihre weibliche Hauptfigur sich an jemanden heranwagen muss, der eigentlich außerhalb menschlicher Reichweite ist. Denn Gott selbst (und damit geradezu symbiotisch auch der Teufel) haben mit den ungewöhnlichen Vorfällen zu tun. Ihretwegen droht die Welt, wie wir sie kennen, unterzugehen. Ihretwegen kommt es zu einem blutigen und tödlichen Kampf zwischen den Dämonen und Engeln. Und für die wiederum sind die menschlichen Opfer lediglich verschmerzbare Kollateralschäden.

Illustrativ detailliert wurde die Hintergrundatmosphäre von Bottlinger geschaffen. Berlin – auch wenn es sich täglich zu verändern scheint – erschien klar vor meinem inneren Auge. Und das, obwohl ein großer Teil der Geschichte unterirdisch spielt.

Hinzu kommen gut herausgearbeitete und (für mich auch) überraschend echt wirkende Charaktere mit einigen Stärken aber genauso vielen Schwächen und Fehlern. Das tröstet darüber hinweg, dass Bottlinger sich bei der Beschreibung einiger Figuren an bekannten Bildern orientiert. Die großen, hell gekleideten, weißblonden Engel erfüllen ihre Aufgabe mit himmlischer Konsequenz und ihren Flammenschwertern. Die Dämonen wiederum wirken in ihrer wirklichen Gestalt abschreckend hässlich und Frucht einflößend, gierig und vordergründig berechnend und falsch und wenden Magie an.

Doch halt: Ganz so einfach ist es nicht. Bottlinger erzählt nicht einfach nur eine neue Variante von Gut gegen Böse, bei der es natürlich nur einen Gewinner geben kann. An der Stelle – das Cover finde ich mehr als passend. Die sich berührenden Umrisse der zwei geflügelten Gestalten wirken in ihrer Ausarbeitung doch als Einheit. Genau wie Gott und der Teufel, Gut und Böse, Licht und Dunkel, Engel und Dämonen, Gebot und Tabu, Glaube und Wissen, Macht und Ohnmacht. Sie könnten augenscheinlich alleine für sich bestehen, benötigen aber den anderen, um wirklich zu wirken. Eine Trennung? Unmöglich.

Und schon bald wurde mir klar, dass Amanda und Jul zwar vordergründig um die Rettung der menschlichen Welt kämpfen, die zwischen den verfeindeten Fraktionen einfach zerrieben zu werden droht. Tatsächlich aber geht es um Begreifen und Einsicht, um Erkenntnis. Um Fühlen und Mitgefühl. Über den eigenen Schatten zu springen. Freundschaft und Vertrauen zuzulassen. Toleranz und eigenständiges Denken und darum, Konsequenzen aus diesen Überlegungen zu ziehen, weil eigentlich alle in einem Boot sitzen, das in einer Katastrophe zu sinken droht.

Das alles ist in eine Geschichte gepackt, in der sich die beiden Hauptfiguren Amanda und Jul näherkommen, obwohl sie sich anfangs gar nicht ausstehen können. Einfach, weil jeder seine eigene Motivation hat, sein eigenes Ziel verfolgt. Während Amanda ihren Bruder retten möchte, will Jul seine Flügel zurück, die ihm vor langer Zeit genommen wurden. Wer allerdings auf eine richtige Liebesgeschichte hofft, kann sich diese Hoffnung gleich wieder abschminken. Dazu werden die beiden viel zu häufig in blutige Kampfszenen verwickelt, die ich in ihrer Fülle und Ausführlichkeit tatsächlich als Manko dieses Romans betrachte. Allerdings ist dieses Manko nicht so groß, dass es mir den Lesespaß an Aeternum verdorben hat. Und die Geschichte zwischen den beiden fügt sich harmonisch in das gesamte Geschehen ein.

Der Lesespaß blieb mir mit Sicherheit auch erhalten, weil mir der Schreibstil von Bottlinger gefallen hat. Sie wechselt fließend die Perspektiven, lässt ihre LeserInnen aus Amandas Sicht am Geschehen teilhaben, dann wieder aus der von Jul. Die Autorin webt die Schöpfungsgeschichte aus der Sicht eines Engels ein und (für mich) recht schlüssig eine Überlegung für gesellschaftlich-religösen Umbrüche in der jüngeren Vergangenheit. Bottlinger lässt ihren fantastischen Roman auf Mythen monotheistischer Religionen fußen, überfrachtet die Geschichte jedoch nicht damit.

Fazit:  04aPerlenpunkte

Mythen und Realität sind hier geschickt mit fantastischen Elementen verwoben und zu einem ebenso spannenden wie faszinierenden Debütroman verarbeitet worden. Das bietet gleichermaßen Unterhaltung wie Anreize zum Nachdenken und Raum für Fantasie. Für die erwähnten Kampfszenen gibt es einen kleinen Punktabzug, da sie mir persönlich zu viel waren und für kleinere Längen sorgten. Dennoch bleibt zu hoffen, dass die Autorin bald – in welcher Form auch immer – nachlegt. Ich möchte für Aeternum vier von fünf Punkten vergeben.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

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