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22. Oktober 2010

Walden, Veronika: Aufschrei der Seele

Filed under: Erfahrungen/Biografien,Fach- & Sachbuch — Ati @ 16:24

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Veronika Walden

Aufschrei der Seele

 

Medu-Verlag

ISBN 978-3-941955-07-3

Erfahrungen

Originalausgabe 2010

Umschlaggestaltung Daniela Tannebaum (Verlag)

Softcover, 169 Seiten

€ 14,95[D]

 

Zum Buch:

 

Über die Autorin vorweg etwas zu sagen ist unnötig, denn das Buch ist nicht nur von ihr, sondern es handelt auch von der 1946 geborenen und im Norden Deutschlands lebenden Veronika Walden. Genauer gesagt ist es ein Rückblick auf 25 Jahre Krankheit. Eine der Krankheiten, über die man gewöhnlich nicht einfach so laut spricht. Ein Erfahrungsbericht über das Funktionieren einer Frau, die neben Wahnvorstellungen und Depressionen Todessehnsucht verspürte und Wege aus ihrer Krankheit gesucht und teilweise gefunden hat.

 

Waldens Leben könnte Anfang der 1980er Jahre – von außen betrachtet – nicht schöner sein. Verheiratet, eine Tochter, ein schönes Zuhause in ihrer Traumwohnung mit nigelnagelneuer Einbauküche. Gut es gab immer mal wieder finanzielle Engpässe, weshalb sie schon kurz nach der Geburt ihrer Tochter Vanessa eine Arbeit suchen musste, um zum Familienunterhalt beizutragen. Dennoch, eigentlich scheint alles perfekt – und bis zu ihrem 35. Geburtstag hätte sie die Frage nach ihrem Befinden so beantwortet: Ich bin zufrieden mit meinem Leben und es geht mir gut. Ich liebe meinen Mann und meine Tochter über alles. Wir sind eine glückliche Familie.

 

Nur drei Jahre später haben sich massive Versagensängste in ihr Leben geschlichen und körperliche Beschwerden wie Schmerzen und Herzrhythmusstörungen oder Magen-Darm-Probleme dazugesellt. Beschwerden, auf die Ärzte ratlos reagieren, denn körperliche Ursachen liegen nicht vor. Lange Zeit versucht sie ihren Zustand nach außen so gut es geht zu verbergen, nicht ahnend, wie viel ihr persönliches Umfeld tatsächlich davon mitbekommt. Als eine Nachbarin in eine Nervenklinik eingewiesen wird bzw. diese ihr hinterher in ihrer Verzweiflung selbst erzählt, dass sie Mordfantasien gegen Walden hegt, ist plötzlich nichts mehr wie zuvor.

 

Abgesehen davon, dass die Ängste sich immer mehr verdichten – seltsamerweise nicht vor der Nachbarin mit den Mordfantasien – will sie selbst bisweilen am liebsten ihren Mann töten. Etwas, was für sie nicht nur unaussprechlich, sondern eigentlich auch unvorstellbar ist, denn Harmonie geht ihr über alles. Sogar über sich selbst.

 

Walden sucht Hilfe und findet sie auf einigen Umwegen bei einer Psychotherapeutin. Zwar muss sie die Behandlung selbst bezahlen, dafür stimmt die Chemie zwischen Patientin und Therapeutin und viele Erinnerungen und Dinge, die für Walden bislang nicht erkennbar waren, brechen sich ihre Bahn. Ihre Schuldgefühle bezüglich des Selbstmordes ihrer Mutter, nach dem sie wie selbstverständlich als gerade 17jährige die Versorgung ihres Vaters übernimmt, bis dieser wieder heiratet. Ihre Rolle als Hausmädchen und Kindermädchen im Haushalt ihrer Schwester aus der sie übergangslos in die Rolle der Ehefrau und Mutter schlüpft. Ein Mann, der eifersüchtig über sie wacht. Eine Ehe, in der der Mann das Geld heimbringt und seinen Hobbys frönt, während sie neben ihrer Arbeit den Haushalt ebenso wie die Finanzen führt, die Kindererziehung übernimmt und wenig eigene Interessen oder Freunde hat. Eine Ehe, die der ihrer Eltern sehr gleicht. Ihr eigener Hang zum Perfektionismus und zur Harmonie, der sie vieles schlucken lässt, bis es einfach nicht mehr geht und ihre Seele so laut um Hilfe zu rufen beginnt, dass sie es nicht mehr überhören kann.

 

Doch die Therapie ist langwierig und es fällt schwer bis fast unmöglich, ihre eigene Art, sich ständig zu überfordern, zu überwinden. Die Anforderungen, die das Familien- und Arbeitsleben an sie stellt, scheinen nahezu unvereinbar mit der Aufgabe, sich selbst zu finden. Erschwert wird das Ganze durch eine Waldens Krebserkrankung.

 

Der Glaube, diverse Therapien, und ihr eigener Wille zur Veränderung helfen, dennoch muss sie erkennen, dass es ein immerwährender Kampf sein wird und der Rückfall in alte Verhaltensmuster immer wieder passieren kann. Dass Vorwürfe alleine nicht richtig sind, dass ihr eigenes Verhalten die hauptsächliche, gar alleinige Ursache für ihren Zustand ist.

 

Ihre Ehe übersteht diese fast ein viertel Jahrhundert andauernde Belastungsprobe. Allerdings nur mehr oder weniger gut. Ihr Mann und sie driften auseinander, wobei nie eine wirkliche innere Verbundenheit zwischen ihnen bestand. Es fehlt die gemeinsame Sprache, die Themen, die wichtig sind, drohen immer wieder totgeschwiegen zu werden. Ihre zwischenzeitlich erwachsene Tochter heiratet, wird Mutter, und – ohne aktiv viel dagegen tun zu können – scheint sich abzuzeichnen, dass sich ihre Geschichte und die ihrer Mutter wiederholt.

 

Dennoch hat Walden den Mut nicht aufgegeben und kann heute mit ihrer Erkrankung umgehen.

 

Fazit:

 

Walden hat nicht nur den Mut gefunden, Hilfe zu suchen und den schmerzhaften, schwierigen Weg einer Therapie zu gehen. Sie ist darüber hinaus mit ihrer Erkrankung an die Öffentlichkeit gegangen und spricht klar und verständlich alles an. Denn auch wenn sie nicht allein ist, so wird diese Thematik heute noch trotz einiger Veränderungen mehr oder weniger wort- und/oder verständnislos übergangen.

 

Als ich zu lesen begann, kam mir automatisch der Satz „Die Angst ist für die Seele ebenso wichtig wie das Bad für den Körper.“ in den Sinn. Angst kann das Leben umkrempeln. Positiv, wenn man lernt, mit ihr umzugehen. Sie macht auf Dinge aufmerksam, die wir bereinigen müssen. Waldens Buch – in dem im Übrigen überraschenderweise genau der Satz vorkommt – ist ein Beweis, dass es funktioniert. Ein Buch, das auch anderen Mut machen könnte und deshalb empfehlenswert. Ich wünsche der Autorin von ganzem Herzen, dass ihr restlicher Weg sich mehr und mehr ebnet.

 

Copyright © 2010 Antje Jürgens (AJ)

21. Oktober 2010

Morris, Sally Ann: Geister küsst man nicht

Filed under: Fantasy, Horror, SciFi,Roman — Ati @ 10:37

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Geister küsst man nicht

von Sally Ann Morris

 

Titel der englischen Originalausgabe „Trick or Treat“

Rowohlt Verlag

ISBN 978-3-499-25518-2

Roman

Deutsche Erstausgabe 2010

aus dem englischen von Sabine Maier-Längsfeld

Umschlaggestaltung any.way Hannah Krause

Taschenbuch, 352 Seiten

€ 8,95 [D]

 

www.rororo.de

 

 

Zur Autorin:

 

Auszug aus der Verlagsseite: Sally Anne Morris lehrte über zehn Jahre Psychologie, bevor sie mit dem Schreiben begann. Ihr Studium finanzierte sie mit Hilfsarbeiten als Kurierfahrerin, Erntehelferin und Kellnerin. Früher mochte sie laute Musik, Motorräder und Mode aus den 50ern. Heute lebt sie mit einem ehemaligen Rockmusiker und ihren zwei Kindern in London. Die Vorliebe für Kleider aus den 50ern ist geblieben. (Weitere infos unter www.sallyannemorris.com)

 

Zum Buch/Meine Meinung:

 

Die Inhaltsangabe gibt schon mal gut wieder, worum es in dem Buch geht.  Wenngleich man Lucy nicht unbedingt unterstellen kann, ein Liebesleben zu haben. Es sei denn, man zählt einen gut aussehenden Arbeitskollegen dazu, der sich lediglich aufgrund einer Wette mit ihr einlässt. Was sie aber hat, ist ein SBF (schwuler bester Freund, in den sie quasi verliebt ist) und eine leicht durchgeknallte aber schöne und erfolgreiche beste Freundin, die schon mal die Rechnung für das Dreigespann übernimmt, wenn die anderen beiden wieder einmal pleite sind. Alle drei sind Singles, mehr oder weniger glücklich darüber, um die Dreißig und damit am Scheideweg. Das Ganze spielt in England, wobei der Schauplatz der Geschichte sich auch überall auf der Welt befinden könnte. Lucys Mutter ist eine reichlich durchgeknallte Esoterikerin, mit der Lucy eigentlich so gar nichts am Hut hat. Sie selbst ist bei ihrer Großmutter aufgewachsen und sehnt sich nach einem normalen Leben mit gesichertem Einkommen und einem Mann an ihrer Seite. Also eins der Bücher, die es schon zuhauf gibt.

 

Spaß hat die Lektüre trotzdem gemacht. Der Schreibstil der Autorin ist flüssig, leicht und spritzig. Es gab Passagen, bei denen ich reichlich verwirrte Blicke aus meiner mehr oder weniger unmittelbaren Umgebung geerntet habe, weil ich angesichts dessen, was ich gerade gelesen hatte, einfach loskichern musste. Mit „Geister küsst man nicht“ hat man definitiv ein Buch zum Entspannen in der Hand. Wobei ich anmerken muss, dass nicht alles so spritzig leicht rüberkommt, wie die Inhaltsangabe es andeutet. Dies trifft auf den ersten Teil des Buches zu, als Lucy und Jonathan aufeinander aufmerksam werden und er sich, wie Falschgeld, in ihr Leben drängt. Der Wechsel in den nicht so unbeschwerten Teil geht recht sprunghaft und ist auch nur kurz, bevor alles wieder in einer entspannenden Leichtigkeit endet.

 

Nach dem überraschenden Auftauchen des Geistes kann Lucy ihre Freunde ebenso wenig wie sich selbst davon überzeugen, dass alles mit rechten Dingen zugeht und ihre Psyche ihr wegen Dauerbelastung lediglich einen unschönen Streich spielt. Spätestens als Gegenstände durch ihre Wohnung fliegen, karren Jojo und Nigel die mittlerweile recht verzweifelte Lucy zu ihrer Mutter, weil sie sich am ehesten Rat von dieser erhoffen. Die bringt allerdings nur insofern etwas Licht ins Dunkel, als sie Lucy von einem Ritual erzählt, dass anlässlich ihrer Geburt für sie abgehalten wurde und in dem sie quasi für eine besondere Gabe gesegnet wurde. Lucy sieht nicht nur im Erwachsenenalter Geister. Sie hatte schon in ihrer Kindheit einen unsichtbaren Freund, tat ihn allerdings ab einem gewissen Alter als Fantasiegestalt ab. Jetzt scheint ihre Gabe wieder hervorzubrechen. Der frisch verstorbene Geist Jonathan will eigentlich nur eines von ihr, dass sie seiner trauernden Verlobten eine Nachricht überbringt. Doch das ist gar nicht so einfach. Erstens, weil Lucy und Jonathan sich erst einmal aneinander gewöhnen müssen. Zweitens, weil Jonathans Kräfte schwinden, je öfter er sich ihr zeigt. Doch das erfahren die beiden erst nach und nach.

 

Und während Lucy noch versucht, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen und nach Möglichkeiten strebt, ihre „Gabe“ zu nutzen, bekommt sie nicht mit, wie sich das Leben ihrer Freunde drastisch zu verändern beginnt. Im Laufe der Geschichte kommt Lucy mit einer Gesellschaft in Verbindung, die sich der „Erforschung anormaler Phänomene“ verschrieben hat. Da kommt dann ein leichter Gruseltouch hinzu, denn die Mitglieder der Gesellschaft beschwören mit Lucy etwas herauf, das nicht ganz so nett wie Jonathan ist und ihr Leben in Gefahr bringt. Jonathan wiederum organisiert Leidensgenossen aus seiner neuen Welt, die Lucy helfend zur Seite eilen und plötzlich hat sie nicht nur einen Geist, sondern gleich sieben an ihrer Seite und für alle soll sie Botschaften überbringen. Eine Aufgabe, die sich stellenweise sehr leicht und stellenweise fast unmöglich zu gestalten scheint. Simon, eines der Mitglieder der Gesellschaft, unterstützt sie bei ihrer Aufgabe. Lucy und er kommen sich dabei näher und gerade, als sich herauszukristallisieren beginnt, dass Lucy vielleicht doch ein Liebesleben hat, erfährt sie etwas über ihn, das ihr den Boden unter den Füßen wegzieht. Fast zeitgleich bekommt sie von den Nöten ihrer Freunde etwas mit und die bis dahin wohl wichtigste Bezugsperson in ihrem Leben stirbt. Reichlich viel Aufregung also, über die sie ihren Hauptgeist Jonathan fast vergisst.

 

Fazit:

 

Man könnte sagen, „Geister küsst man nicht“ ist ein bisschen Ghostwisperer auf englisch. Wobei Lucys Geister weder halb zerfallen durch die Gegend laufen noch mit Schockeffekten auf sich aufmerksam machen müssen. Vielmehr stellen sie sich schön in Reih und Glied, wie man es vom typischen Engländer eben zu erwarten scheint. Der Teil, in dem Lucy ihre Geister bzw. Aufgaben nach und nach abarbeitet, hat genau genommen gut zur gesamten Geschichte gepasst und hätte vermutlich dennoch nicht wirklich gefehlt, wäre er beiseitegelassen worden. Deshalb gibt es auf einer Werteskala (von 1 bis 5) nicht die volle Punktzahl. Stattdessen würde ich, weil der Roman sehr kurzweilig war, 4 Punkte vergeben.

 

Für die freundliche Überlassung des Rezensionsexemplares möchte ich mich beim Rowohlt Taschenbuch Verlag herzlich bedanken.

 

Copyright © 2010 Antje Jürgens (AJ)

Weitzel & Sailer – Gute Frage, nächste Frage

Filed under: Fach- & Sachbuch,Jugendbuch,Wissen — Ati @ 10:34

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Gute Frage, nächste Frage – Willi gibt schlaue Antworten auf clevere Fragen

Von und mit Willi Weitzel und Florian Sailer

 

Ullstein Taschenbuch

ISBN: 978-3-548-37351-5

Genre: Sachbuch, Kinder, Wissen

Umschlaggestaltung HildenDesign, München

Originalausgabe 2010

Paperback, 267 Seiten

€ 7,95 [D]

 

www.ullstein-taschenbuch.de

 

Zum Autorenteam

 

Das Duo Weitzel/Sailer hat bereits bei dem Film „Willi und die Wunder dieser Welt“ zusammengearbeitet. Wer den Film kennt, kann nachvollziehen, warum auch das gleich im Anschluss besprochene Buch lesens- und empfehlenswert ist.

 

Willi Weitzel wurde 1972 in Stadtallendorf geboren und begann nach seinem Studium für den Bayrischen Rundfunk als Kinderreporter tätig zu werden. Die Sendung „Willi wills wissen“, ausgestrahlt in der ARD, wurde bereits mehrfach ausgezeichnet und für seinen Film „Willi und die Welt der Wunder“, der 2009 in die Kinos kam, erhielt er den Adolf-Grimme-Preis (siehe auch www.williweitzel.com).

 

Der Autor und Journalist Florian Sailer lebt in München. Er ist Mitarbeiter der Redaktion „Willi wills wissen“ und arbeitete auch, wie bereits erwähnt, an dem mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten Kinofilm mit.

 

Zum Buch/Meine Meinung

 

Wer mit Kindern zu tun hat, weiß, dass die allermeisten ein schier unerschöpfliches Fragenpotenzial haben. Ihr Wissensdurst, gepaart mit einer noch gesunden Neugier, geht viel weiter als der von Erwachsenen und hat mich schon manches Mal hart schlucken lassen und das Bedürfnis geweckt, schnell noch mal die Schulbank zu drücken. Denn mit einer schnellen Antwort ist es meistens nicht getan. Kinder denken unkompliziert und stellen unkomplizierte, aber sehr gute und kluge Fragen. Jedenfalls so lange, bis sie es sich abgewöhnen, weil sie eventuell öfter die Antwort „das ist aber eine dumme Frage“ bekommen, als dass ihr Wissensdurst gestillt wird. Und das dann nicht, weil es eine dumme Frage ist (die gibt es ja bekanntlich nicht), sondern weil viele einfach die Antwort nicht kennen.

 

Viele Fragen kann man selbst gut beantworten, aber wie gesagt nicht alle. Wie gut, dass es Willi gibt. Den Mann, der denkt, das echte Reporter nie ganz erwachsen werden dürfen und auch niemals aufhören dürfen, wissensdurstig zu bleiben. Was sich übrigens meiner Meinung nach für jeden Menschen gehört.

 

Im Buch „Gute Frage, nächste Frage“ kommen Kinder und ihr schier unerschöpflicher Wissensdurst zu Wort. Fragen über ganz Alltägliches, über Tiere, über Menschen. Wissen Sie, warum Giftschlangen sich nicht selbst vergiften? Oder wieso unsere Finger alle unterschiedlich lang sind? Oder haben Sie sich schon mal gefragt, zu welchem Land ein Kind gehört, das in einem fliegenden Flugzeug zur Welt kommt? Warum es in Flugzeugen Schwimmwesten aber keine Fallschirme gibt? Fragen über Fragen und auf alle findet Willi in Zusammenarbeit mit etlichen Experten und seinem Team passende, detaillierte Antworten. Und übersetzt sie so, dass sowohl Erwachsenen als auch Kinder sie verstehen, ohne irritiert nachfragen zu müssen. Auf die typische Art und Weise, wie Willi alles erklärt.

 

Fazit:

 

Gute Frage, nächste Frage ist eins der Bücher, dass ich sehr gerne weiterempfehle. Es eignet sich zum Vorlesen ebenso wie für Kinder, die selbst lesen. Auf einer Werteskala von 1 – 5 möchte ich diesem Buch eine 5+ geben und werde garantiert auch in Zukunft öfter einen Blick hineinwerfen. Vielleicht habe ich ja dann öfter passende Antworten auf kluge Fragen eines Kindes, über die ein Erwachsener gar nicht mehr nachdenkt.

 

Copyright © 2010 Antje Jürgens (AJ)

 

Freise, Charlotte: Die Seelenfotografin

Filed under: Belletristik,Fantasy, Horror, SciFi,Historisch,Roman — Ati @ 10:34

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Rowohlt Verlag
ISBN 978-3-499-25512-0
Historischer Roman
Originalausgabe 2010
Umschlaggestaltung any.way Sarah Heiß
Taschenbuch, 320 Seiten
€ 8,95 [D]

Verlagsseite

Autorenseite

 

Die bereits unter dem Namen Karla Schmidt tätige Autorin Charlotte Freise wurde 1974 in Göttingen geboren. Sie studierte Kultur-, Theater- und Filmwissenschaften. Im Jahr 2009 erhielt sie den Deutschen Science-Fiction-Preis für die beste Kurzgeschichte. Die Autorin lebt zusammen mit ihrem Mann und zwei Töchtern in Berlin. Der Umstand, dass im März 2010 bereits ein Psychothriller unter ihrem richtigen Namen Karla Schmidt veröffentlicht wurde, hat die Autorin dazu gebracht, ihren ersten historischen Roman „Die Selenfotografin“ unter einem Pseudonym zu veröffentlichen. (Weitere Infos unter www.karla-schmidt.de.)

Die Inhaltsangabe verspricht einen Ausflug ins historische Berlin mit einem Hauch Fantasy. Die Zeilen darüber (Ein Mann ohne Vergangenheit. Ein Mädchen ohne Zukunft. Eine Liebe, die nicht sein darf.) klingen gut; sind jedoch nach Lektüre des Buches ein klitzekleiner Widerspruch in sich. Denn natürlich hat der Mann eine Vergangenheit. Und genau genommen hat die Protagonistin auch eine Zukunft; wenngleich die anders aussieht, als man sich das anfangs vorstellt. Was stimmig war und blieb, ist die Liebe, die nicht sein darf.

Denn Isabel ist Teil von Ruvens Vergangenheit, an die er sich jedoch fast den ganzen Roman hindurch nicht erinnert. Seine früheste Erinnerung beginnt im Waisenhaus, in dem er ein zwar ein hilfsbedürftiges, elternloses Kind war, aber eben auch nur ein hungriges Maul, das sich schon früh sein tägliches Brot durch harte Arbeit verdienen musste. Während diverse Mädchen von der Leiterin des Heims als „Modelle“ zum Wanderfotografen Bing geschickt werden, verkauft sie Ruven an ihn, damit er ihm zur Hand geht. Viele Jahre zieht er mit Bing umher und absolviert quasi eine Lehre. Doch er lernt nicht nur die Kunst des Fotografierens. Er sieht viel Gewalt. Bing verachtet Frauen, misshandelt, missbraucht und/oder fotografiert sie – Aktfotografien, die etwas zensiert, als wissenschaftliches Anschauungsmaterial verkauft werden.

Als sich Ruven eine Chance bietet, neu anzufangen, greift er zu. Sprichwörtlich. Er stiehlt seinem Chef eine Fotoausrüstung und folgt dem Ruf eines Arztes, der ihm eine Festanstellung verspricht. Ruven soll fortan, psychisch Kranke vor und nach ihrer Behandlung ablichten. Mit dem ebenfalls gestohlenen Geld mietet er sich ein Zimmer bei der alleinstehenden Elfie und ihrem Sohn. Dieses Zimmer wiederum befindet sich im selben Haus, in dem Isabel wohnt. Sie ist eine der Patientinnen, die Ruven fotografieren soll. Isabel interessiert sich nicht nur fürs Fotografieren, sie ist fasziniert von der Art der Fotos, die Ruven bis dahin angefertigt hat. Denn Peter, der Sohn seiner Zimmerwirtin, ist nicht nur mit Isabel befreundet und bringt sie zu den Behandlungsterminen in die Klinik (wo er auf Ruven trifft und mit zu sich nach Hause nimmt, als er feststellt, dass es ihm nicht gut geht). Er ist ferner in den Wagen von Bing eingebrochen und hat die dabei gestohlenen Fotos teilweise Isabel gezeigt. Und – bei diesem Einbruch wurde er von Ruven ertappt, der sich gerade mit seinem eigenen Diebesgut davonstehlen wollte.

Alles scheint gut zu werden. Zwischen Ruven und Elfie bahnen sich zarte Bande an, die Arbeit in der Klinik sichert ihm ein geregeltes Einkommen. Er denkt daran, eine Familie zu gründen. Doch eine ihm unerklärliche Faszination für Isabel, die er nur wenige Male gesehen hat, hindert ihn daran, Elfie einen Antrag zu machen. Er überlegt, die ihm zunehmend an die Nieren gehende Arbeit in der Klinik aufzugeben und ein eigenes Fotoatelier zu eröffnen. Letztlich verdankt er das Atelier Isabel, die ihm nicht nur eine von ihr entwickelte Formel für ein neues, revolutionäres Verfahren übergibt, sondern auch an der Erfindung der Seelenplatte arbeitet, von der sie ihn ebenfalls zu überzeugen versucht.

Die Charaktere sind klar gezeichnet. Ruven – ein junger Mann, will weiterkommen, das Elend und die Gewalt hinter sich lassen, und begeht dafür sogar eine Straftat; und wird schneller von seiner Vergangenheit eingeholt, als ihm lieb ist. Peter – ein Teenager, der aufgrund der Armut keine Kindheit und Jugend hat, sich aber immer irgendwie durchmogelt. Seine Mutter Elfie – hilfsbereit, aufopferungsvoll, immer fröhlich, höflich, und desillusioniert. Anna – die Tante, die Isabel versorgt, nachdem ihre Familie bei einem Unglück ums Leben kam, alt und krank. Isabel – ein junges Mädchen, wissbegierig, gebildet, vertrauensvoll unschuldig und berechnend manipulativ, verzweifelt und doch lebenslustig. Der Arzt – pflichtbewusst, fortschrittlich …

Doch wie weit darf dieser Fortschritt gehen? Seine Versuche gereichen Frankenstein zur Ehre. Er experimentiert mit Toten. Was in Ruven den Wunsch weckt, zu kündigen. Der Arzt strebt danach, diese Versuche auch am lebenden Objekt zu probieren. Als Isabel erfährt, wie Ruvens und ihre Vergangenheit zusammenhängen, erleidet sie einen Zusammenbruch und wird zum geeigneten Versuchsobjekt für den Arzt. Und die Seelenplatte zum einzigen Versuch, Isabel zu retten.

Die Autorin hat durch Wortwahl und Schreibstil eine Kulisse für die Geschichte geschaffen, die den Leser wie einen Voyeur auf die damalige Zeit blicken lässt. Er sieht die unschönen Seiten eines Daseins in Not und Elend. Bis auf wenige Ausnahmen scheint nichts dieses Leben dort wirklich lebenswert zu machen. Und doch gibt es sie. Gestohlene Momente des Glücks, die Hoffnung und so etwas wie Zufriedenheit in den Charakteren der Geschichte wecken.

Die Grundidee ist gut und die gesamte Geschichte an sich ist nicht ohne Spannung. Ob die Story allerdings wirklich packend ist, steht auf einem anderen Blatt. Zum einen sind die Charaktere zwar klar, aber etwas flach gezeichnet. Zum anderen schrammt man aber größtenteils an Erpressung, sexuellem Missbrauch, medizinischem Wahnsinn oder auch dem tagtäglichen Kampf ums Überleben genauso vorbei wie an der eigentlichen Liebesgeschichte zwischen den beiden Protagonisten. Man blickt neugierig darauf, taucht aber nicht richtig ein. Die Geschichte liest sich zwar flüssig, aber nicht reißend. Außerdem – das Buch ist in vier Teile gegliedert – erscheint der letzte Teil schneller und flüchtiger erzählt.

Dennoch kann ich nicht sagen, dass mir das Buch nicht gefallen hat. Wie gesagt, die Idee ist gut. Die Beschreibung der damaligen Lebensumstände oder etwa der Behandlungen auch – größtenteils eine bloße Draufsicht, aber das stört nicht völlig. Ich empfand das sogar fast detaillierter beschrieben als das, was in der Inhaltsangabe angekündigt war. Mir persönlich fehlte der tiefere Einblick in die eigentliche Liebesgeschichte. Und auch mehr zu der Seelenplatte an sich und den damit verbundenen Aspekten. Allerdings: Das Ende ist mehr oder weniger offen. Vielleicht gibt es ja irgendwann einen zweiten Teil, in dem ich dann auf meine Kosten komme. Auf einer Werteskala (von 1 – 5) würde ich deshalb 3,75 Punkte für „Die Seelenfotografin“ Isabel vergeben; die übrigens eigentlich gar nicht selbst fotografiert. Mir persönlich hätte der ursprünglich angedachte Titel „Isabels Schöpfung“ besser gefallen.

Für die freundliche Überlassung des Rezensionsexemplares möchte ich mich beim Rowohlt Taschenbuch Verlag herzlich bedanken.

Copyright © 2010 Antje Jürgens (AJ)

Meyer, Stephenie: Seelen

Filed under: Fantasy, Horror, SciFi,Jugendbuch — Ati @ 10:33

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Seelen

Von Stephenie Meyer

 

Titel der amerikanischen Originalausgabe „The Host“

Carlsen Verlag GmbH

ISBN: 978-3-551-58190-7

Science Fiction/Fantasy, Jugendbücher

Deutsche Erstausgabe 2008

Aus dem amerikanischen von Katharina Diestelmeier

Gebundene Ausgabe, 864 Seiten

€ 24,90 [D]

 

Zur Autorin

 

Die 1973 in Connecticut geborene Jugendbuchautorin wuchs in Arizona auf und lebt auch heute noch dort. Meyer ist verheiratet und hat drei Söhne. Bereits ihr erster Roman wurde zum internationalen Bestseller. Die Geschichte um Bella und Edward war wohl auch in den Biss-Folgebänden einer der Faktoren für den weltweiten Hype auf Vampirgeschichten. Sie erhielt mehrere Auszeichnungen dafür. Meyer wird als Thronfolgerin von J.K.Rowlings gehandelt. Zu Recht oder nicht mag dahingestellt sein. Aber: Meyer hat knapp sieben Millionen Bücher verkauft und mit vier Titeln vier Mal die amerikanischen Bestsellerlisten erobert. (Autorenhomepage www.stepheniemeyer.com)

 

Zum Buch

 

Zitat der Inhaltsangabe:

 

Planet Erde, irgendwann in der Zukunft. Fast die gesamte Menschheit ist von sogenannten Seelen besetzt. Diese nisten sich in die menschlichen Körper ein und übernehmen sie vollständig – nur wenige Menschen leisten noch Widerstand und überleben in den Bergen, Wüsten und Wäldern. Eine von ihnen ist Melanie. Als sie schließlich doch gefasst wird, wehrt sie sich mit aller Kraft dagegen, aus ihrem Körper verdrängt zu werden und teilt ihn fortan notgedrungen mit der Seele Wanda. Verzweifelt kämpft sie darum, ihren Geliebten Jared wiederzufinden, der sich mit anderen Rebellen in der Wüste versteckt hält – und im Bann von Melanies leidenschaftlichen Gefühlen und Erinnerungen sehnt sich auch Wanda mehr und mehr nach Jared, den sie nie getroffen hat. Bis sie sich in Ian verliebt … Der ungewöhnliche Kampf zweier Frauen, die sich einen Körper teilen müssen, eine hinreißende Liebesgeschichte und die wohl erste Dreiecksgeschichte mit nur zwei Körpern.

 

Meine Meinung

Diese Inhaltsangabe gibt schon mal sehr gut das wieder, was in 864 Seiten ausführlicher verpackt ist. Das Cover mit dem kleinen Hologramm ist schlicht, wirkt aber gut.

Den ersten Romanen der Autorin bin ich lange aus dem Weg gegangen. Nachdem ich einige Leseproben des ersten Biss-Bandes gelesen hatte, war ich etwas erstaunt über den Hype, den die Bücher auslösten. Aber da Geschmäcker verschieden sind, fand ich das nicht weiter tragisch. Als meine Nichten sich jedoch für die Biss-Reihe zu interessieren begannen, habe ich dann alle vier Bände gelesen und war – beim vierten Band definitiv – der Meinung, dass das nichts für 12 oder 13jährige Mädchen ist. Als besagte Nichten jetzt Interesse an „Seelen“ bekundeten, machte ich mich deshalb sofort ans Lesen des Buches. Immerhin erinnerte mich die kurze Inhaltsangabe doch sehr stark an einen Film und mir kam augenblicklich Donald Sutherlands Lockenkopf mit aufgerissenem Mund und das schweineartige Gequieke daraus in den Sinn.

Gleich vorab. „Seelen“ und die „Biss“-Reihe sind (glücklicherweise) unterschiedlich. Man erkennt Meyer hinter beiden Geschichten, aber in „Seelen“ hat mich so gut wie alles von und um Wanderer bzw. Melanie mehr angesprochen, als irgendetwas der im seltenen Sonnenlicht glitzernden Vampire aus Forks.

Die Grundidee zu Seelen ist ja wie gesagt nicht neu, etwas daran erinnerte mich an den Film „Die Körperfresser kommen“. Allerdings setzte Meyer sie wesentlich jugendfreundlicher um. Obwohl ich stellenweise Passagen fand, die mir überflüssig vorkamen und die m. E. durchaus gestrichen hätten werden können, hätte ich andererseits am Ende der Geschichte gerne mehr Seiten gehabt. Meyers „Seelen“ lesen sich trotz der eben erwähnten etwas schwächeren Passagen und ein, zwei kleineren Ungereimtheiten sehr flüssig. Ihr Schreibstil hat mich recht schnell in diesen Roman eintauchen lassen. Besonders gefallen hat mir der Anfang, als Wanderer in Melanies wieder zusammengeflickten Körper transplantiert wird und sie sich gezwungenermaßen, mit mehr oder weniger Schwierigkeiten, aneinander gewöhnen, weil Melanie sich nicht so einfach aus ihrem Körper verdrängen lassen möchte.

Gefühlvolle Passagen – die eine ganze Bandbreite an Emotionen beinhalten – lassen den Leser an Wanderers eigentlich unerträglichen Zustand teilhaben. Obwohl sie im Grunde unmöglich sympathisch sein kann, weil sie Melanies Körper wider deren Willen besetzt (ebenso wie Millionen anderer Seelen das tun), kommt man nicht umhin, Mitgefühl mit ihr zu empfinden. Genau wie mit Melanie, die sich mehr und mehr ihren Körper zurückerobert. Und dann mit beiden. Weil die eine immer bei der anderen ist. Weil neue Gefühle und gefühlte Erinnerungen ebenso geteilt werden wie Berührungen. Was der einen gefällt, stört die andere und doch weiß jede von ihnen, dass alles ohne die andere nicht machbar wäre. Vielleicht klingt es etwas seltsam, aber beim Lesen hatte ich immer wieder das Bild von siamesischen Zwillingen vor Augen. Untrennbar verbunden und doch eigenständig, mit eigenen Ängsten, Wünschen und Hoffnungen.

Während der Aufenthalt Wanderer, die sich nach einiger Zeit Wanda nennt, vor Augen führt, wie falsch das Verhalten der Seelen ist, lernen die „unbeseelten“ Menschen von ihr, wie brutal sie selbst sich gegenüber „beseelten“ Menschen und den darin enthaltenen Seelen verhalten. Ein Lernprozess setzt ein, der dazu führt, dass Wanderer sich bei aller Zugehörigkeit immer einsamer fühlt.

In einige Kritiken habe ich gelesen, dass Wanderer bzw. Melanie und die beiden Männer um sie herum ein sehr konservatives Männer-Frauen-Bild zeichnen. Dann, dass wenig Spannung und keine Romantik im Buch sind. Es gibt tatsächlich keine großen Crash-Boom-Bang-Effekte. Fehlen sie? Ich denke nicht, schon gar nicht in einem Jugendbuch. Und was die Romantik betrifft – nun ja, die hätte ich persönlich etwas unpassend empfunden, angesichts der Lebensumstände der noch nicht „beseelten“ freien Menschen, bei denen Wanderer bzw. Melanie Unterschlupf gefunden haben. Außerdem wird ja schon in der Inhaltsangabe auf eine Liebesgeschichte verwiesen. Und dass eine an sich friedliebende, wenn auch Körper okupierende Seele nicht ständig Amok läuft, wenn sie in einem fremden Körper steckt, war für mich auch von vornherein relativ klar. Dass Wanderer Menschen retten will, als sie erkennt, wie falsch das Verhalten der Seelen ist, ist eine logisch nachvollziehbare Schlussfolgerung. Umso mehr hat mir das bereits erwähnte, größtenteils emphatisch und gefühlvoll beschriebene Gefühlsdilemma gefallen in dem Wanderer/Wanda und Melanie sich befinden. Was mir etwas weniger gefallen hat, war der Schluss. Der passte zwar genau genommen auch zur Geschichte und zum Jugendbuch. Dennoch erschien er mir persönlich etwas zu schöngefärbt.

Fazit

Ich werde das Buch noch mal lesen – falls es tatsächlich eine Fortsetzung gibt, werde ich auch die weiterverfolgen. Und ich kann „Seelen“ getrost meinen Nichten überlassen – zumindest denen die älter als 14 sind …

Copyright © 2010 Antje Jürgens (AJ)

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