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21. Oktober 2010

Rayburn, Tricia: Im Zauber der Sirenen

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Im Zauber der Sirenen

von Tricia Rayburn

 

Originaltitel: Siren
aus dem amerikanischen von Ulrike Nolte
Ullstein Taschenbuch
ISBN 978-3-548-28284-8
Fantasy-Roman
Deutsche Erstausgabe 2010
Taschenbuch, 368 Seiten
€ 8,95 [D]

 

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Zur Autorin:

 

Die auf Long-Island lebende Tricia Rayburn hat bereits mehrere Kinder- und Jugendbücher veröffentlicht und wagt sich mit „Im Zauber der Sirenen“ ins Fantasygenre. 

 

Zum Buch:

 

Die Protagonistin des Buches ist die 17jährige Vanessa, deren heile Welt von heute auf morgen aus den Fugen gerät, als ihre Schwester anscheinend Selbstmord begeht. Eine Schwester zu der sie immer aufgesehen und die sie immer beschützt hat. Eine Schwester, die so etwas wie ein Rettungsanker für das junge, von Ängsten geplagte und überaus sensible Mädchen war. Doch das ist nicht das Einzige, womit Vanessa fertig werden muss. Sie stellt darüber hinaus fest, dass ihre Schwester Justine das eine oder andere Geheimnis hütete. Und Vanessa muss sich damit abfinden, dass ihre tote Schwester mit ihr spricht.

 

Ein Grund mehr, herauszufinden, was genau passiert ist. Deshalb macht sich Vanessa ohne ihre Eltern an den Ort auf, an dem das Unglück geschehen ist. Ihre Familie besitzt ganz in der Nähe ein Ferienhaus. Und Caleb, einer der Carmichael-Brüder, mit denen sie seit Jahren die Ferien verbringen, wohnt direkt nebenan. Caleb, von dem sie vermutet, dass er bis zum Schluss mit Justine zusammen war. Umso schockierter ist sie, als sie von seinem Bruder Simon erfahren muss, dass Caleb nicht nur untergetaucht ist, sondern ebenfalls das eine oder andere Geheimnis hat.

 

Zusammen mit Simon, für den sie mehr und mehr zu empfinden beginnt und der ihr in etwa den Halt gibt, den Justin ihr bisher gegeben hat, begibt sich Vanessa auf Spurensuche. Da die Sache sie nicht schlafen lässt, beginnt sie nebenher in einem Restaurant zu arbeiten. Die Besitzerfamilie umgibt ein Geheimnis, das sich nach und nach offenbart und das nicht nur mit Justines Tod zu tun hat. Die meldet sich immer öfter aus dem Jenseits bei Vanessa; warnt sie, rät ihr Caleb zu suchen, gibt Tipps, wo sie suchen kann. Und Simon scheint durch dieses Geheimnis genauso in Gefahr zu geraten, wie Caleb.

 

Abgesehen von Justines „Selbstmord“ kommt es zu unerklärlichen Wetterphänomenen. Stürme brechen über Winter Harbour herein, während die übrige Küste in strahlendem Sonnenschein liegt, die Flut kommt unnatürlich schnell. Und es gibt weitere mysteriöse Todesfälle. Die Toten sind ausnahmslos Männer, junge und alte. Alle scheinen im Wasser und mit einem Lachen im Gesicht gestorben zu sein. Vanessa und Simon stoßen nach und nach auf eine Geschichte, die so unglaublich erscheint, dass sie sie erst weit von sich weisen. Meerjungfrauen gibt es doch nur in Mythen und Legenden, oder nicht? Und doch scheint sich etwas zu wiederholen, was bereits Jahre zuvor geschah. Etwas, das auch unmittelbar mit Vanessa selbst zu tun hat.

 

Meine Meinung:

 

Rayburn pflegt einen flüssigen leichten und klaren Schreibstil, der es älteren Lesern locker ermöglicht sich durch den anfänglich etwas spannungslosen Start der Geschichte zu lesen. Die zu Beginn zwar klar, aber leicht flach und amerikanisch-teenager-typisch gezeichneten Charaktere gewinnen im Verlauf der Geschichte an Tiefe. Die Geschichte selbst steigert sich ebenfalls. Dennoch erscheint vieles vorhersehbar, weil an diversen Stellen Hinweise auftauchen, die sofort die Lösung verraten. Andere Passagen wiederum erscheinen wie Lückenfüller und hätten wesentlich gekürzt werden können oder aber deutlich ausgebaut werden müssen.

 

Fazit:

 

Alles in allem empfand ich das in sich abgeschlossene Buch nicht schlecht. Mir gefällt vor allem Rayburns Schreibstil und das Grundthema an sich. Der Meerjungfrauenmythos wird nicht romantisch verklärt. Auf einer Skala von 1 – 5 würde ich 4 Punkte vergeben. Da es der Auftakt einer Buchreihe sein soll, erklärt sich vielleicht auch die eine oder andere eben angesprochene fehlende Sache oder Ungereimtheit. Sollten sich die Folgebände so fortsetzen, wie der Teil des ersten Buches, in dem Caleb wieder auftaucht und die Geschichte an Fahrt aufnimmt, lohnt es sich diese weiterzuverfolgen. Für jüngere Leser ist das Buch deshalb zu empfehlen, weil es eine gelungene Alternative zu anderen derzeit auf dem Markt befindlichen Geschichten ist.

 

Für die freundliche Überlassung des Rezensionsexemplares möchte ich mich beim Ullstein Taschenbuch Verlag herzlich bedanken.

 

Copyright © 2010 Antje Jürgens (AJ)


 


Janke, Stefan: Hellassurvival

Filed under: Erfahrungen/Biografien — Ati @ 10:30

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BoD – Books on Demand, Norderstedt
ISBN 978-3-8370-3648-0
Reiseerzählung
Deutsche Erstausgabe 09/2009
Paperback, 308 Seiten

€ 19,95 [D]

 

Stefan Jahnke, 1967 geboren, wuchs in Dresden auf. Nach Schlosserlehre und Militärdienst folgte ein abgeschlossenes Maschinenbaustudium an der TU Dresden. Die Tätigkeit in einer Werbeagentur in London ging in Anstellungen in der Verlagsbranche über, was wiederum von der Leitung und Beteiligung an einer Bildungseinrichtung oder leitenden Forschungs- und Entwicklungsaufgaben bei einem der größten Reprografen Deutschlands abgelöst wurde. Jahnke ist verheiratet und lebt zusammen mit seiner Frau und zwei Kindern wieder in Dresden und Radebeul. Er ist Mitbegründer des Autorenvereins Kristallfeder. (Autorenhomepage www.stefan-jahnke.de)

Zitat der Inhaltsangabe

1992.  – Im ehemaligen Jugoslawien führen Kroaten, Serben und Bosniaken einen verheerenden Bürgerkrieg mit Massenmord und Vertreibung. Genau in jenem Gebiet, das als Transferland für Griechenlandurlauber bekannt und beliebt ist.

Da auf der Ausweichroute über Bari in Italien schon das Chaos bei der Abfertigung herrscht, schickt ein Ostdeutsches Reiseunternehmen den nagelneuen Bus mit einer Reisegruppe aus Dresden über die klassische Route, nahe an den Kampfgebieten vorbei und mitten durch Serbien, ins Land der Götter.

Die Reisenden wollen auf diese erste große Reise nach der Wende nicht verzichten, spüren aber, dass selbst Fahrer Matthias nicht nur vor der weiten und unbekannten Route Angst hat.

Die Fahrt beginnt und bald schon stehen Männer mit entsicherten Kalaschnikows im Bus, die ihre Pässe einsammeln und sie an der Weiterfahrt hindern. Flüchtlingstrecks blockieren die Autobahn und in der Nacht sehen die verängstigten Reisenden die Lichter vom Angriff auf den Flughafen Sarajewo.

Werden die Dresdner Griechenland erreichen, die antiken Stätten sehen und jemals nach Deutschland zurückkehren?

Spannender Bericht einer wahren Reise mitten durch den Krieg.

Ich muss ja gestehen, ich habe mich mit diesem Buch anfangs etwas schwer getan. Urlaub und An- bzw. Abreise durch Kriegsgebiet beim sofort erkennbaren Schreibstil Jahnkes schienen für mich zunächst nicht zusammenzupassen. Die Leichtigkeit, mit der das Buch beginnt, passte für mein Dafürhalten nicht unbedingt zur Inhaltsangabe. Wohl aber zu dem etwa genau so großen Anteil an Erzählungen über die Zeit in Griechenland selbst.

Gleich zu Beginn schafft es Jahnke die Sehnsucht zum Ausdruck zu bringen, die letztlich zu dieser Reise geführt hat. Bereits in der Schule hinterließ Griechenland einen bleibenden Eindruck bei ihm und weckte den damals unerfüllbar scheinenden Wunsch, dieses Land einmal zu bereisen. Eingedenk des Rates seiner Mutter, dass man Träume leben muss, legte er Griechenland trotz aller (Reise-)Beschränkungen der DDR deshalb gedanklich nicht ad acta, sondern trug möglichst alle Informationen zusammen, die er finden konnte.

Diese Sehnsucht wiederum führt dem Leser vor Augen, dass es erst knapp 20 Jahre her ist, dass es nicht für jeden von uns so einfach war, Freiheit zu genießen; dass wir sie oft als viel zu große Selbstverständlichkeit hinnehmen, ohne sie wirklich zu würdigen. Er erinnert an die Reiseflutwelle, die damals von den neuen Bundesländern über die plötzlich erreichbaren Urlauborte und –länder schwappte. Denn 1989 geschah das eigentlich Undenkbare. Mit dem Fall der Mauer und kurz darauf der Wiedervereinigung Deutschlands war es quasi auch möglich, eine neue Welt zu entdecken. Eine Welt, von der man zwar wusste, die aber hinter einem Schleier fast unerreichbar verborgen blieb. Jedenfalls rückte sein Traum von heute auf morgen in greifbare Nähe. 1992, mitten in seinem Studium, wurde er schließlich wahr. Er buchte zusammen mit seiner Mutter eine 11tägige Reise. Etwa drei Tage waren für die Hin- und Rückreise mit dem Bus eingeplant. Blieben 8 Tage, um zumindest einen Bruchteil von dem zu sehen, wovon er schon seit Jahren träumte.

17 Jahre nach der Erfüllung seines Traums schreibt Jahnke Hellassurvival. Die Aufzeichnungen aus einer Art Tagebuch seiner Mutter sind Bestandteil seiner Reiseerzählung. Zusammen mit seinen eigenen Erinnerungen entführt Jahnke den Leser in ein Griechenland, das man wie vieles aus der damaligen Zeit nicht mehr ganz so wiederfindet. Auch bei uns hat sich seither einiges verändert, was nur allzuleicht in Vergessenheit gerät.

Doch der Traum hat einen kleinen Albtraumfaktor, der Jahnke und seine Mitreisenden schnell an Zeiten erinnert, die doch eigentlich längst abgehakt scheinen. Mit Überfahren der jugoslawischen Grenze, das trotz des damals bereits ausgebrochenen Krieges als „sicher“ gilt, sehen sie als erstes in eine Kalaschnikow. Zermürbende Kontrollen, und der eine oder andere Zwischenfall sorgen dafür, dass die Reisenden einen Tag mehr für die Fahrt nach Griechenland brauchen.

Doch sie kommen an und die Aufregung, endlich dort zu sein, lässt die Aufregung der Anreise schnell verblassen. Augenzwinkernd erzählt er von der Schönheit des Landes, des antiken Erbes, Touristenattraktionen. Was er dort erlebt hat, sieht Jahnke recht realistisch und nicht verklärt. Neben geschichtlichen Details beschreibt der Autor auch nachvollziehbar den schnell aufbrandenden Nationalstolz der Griechen, ihre Vorliebe für Dramatik und zaubert auch dabei, dem einen oder anderen Leser ein Lächeln ins Gesicht.

Doch spätestens bei der Rückfahrt wird klar, dass der Krieg nur einen Katzensprung entfernt ist. Vor allem, weil die Reisenden jetzt nicht den Informationsstand haben, den sie in Deutschland hatten. Sie fahren ins Kriegsgebiet, ohne zu wissen, was in der Zwischenzeit geschehen ist.

Während die erste Grenze noch problemlos überquert wird, gibt es schon bald Probleme. Ein an und für sich glimpflich verlaufendes Aufeinandertreffen von Reisenden und Flüchtlingen führt ihnen nicht nur vor Augen, wie menschenverachtend Flüchtlinge dort behandelt werden. Es sorgt auch dafür, dass einer der Reisenden bald darauf aus dem Bus geholt wird, weil er etwas gebräunter aussieht als in seinem noch gültigen DDR-Pass und als Kroate durchgehen könnte.

Jahnke erzählt genauso wie von allem anderen davon und genau das machte mir persönlich deutlich, wie sorglos von den damaligen Reiseveranstaltern wie auch von den Reisenden selbst mit dem Thema Krieg und ihrem Leben umgegangen wurde. Denn obwohl alle im Vorfeld davon wussten, wurde diese Route gewählt bzw. die Reise gebucht, weil sie billig war und damit Jahnkes seinen Traum schneller erfüllte, weil sie möglich war. Jahnke macht deutlich, dass Krieg für alle etwas Greifbares und gleichzeitig Irreales war, bis sie schließlich direkt damit konfrontiert wurden. Genau so, wie es für uns alle wäre. Wir erleben Dinge wie Kriege, Überfälle, etc. auf dem Bildschirm in vermeintlich sicherer Entfernung und denken, dass uns doch irgendjemand richtig warnen muss, wenn es gefährlich wird und dass die Politik es lösen wird. Dass das nicht so einfach ist, umfasst Jahnke ebenfalls sehr klar in seinem Epilog, indem er nochmals den Krieg im ehemaligen Jugoslawien und die politische wie menschliche Ohnmacht der Welt zusammenfasst.

Fazit: Glück und Leid liegen genau wie Träume und Albträume sehr eng beieinander. Das zeigt Jahnkes „Hellassurvival“ deutlich. Aber auch, was für ein lang anhaltendes, wundervolles Gefühl es sein kann, wenn lang gehegte, fast unmögliche Wünsche sich erfüllen.

Copyright © 2010 Antje Jürgens (AJ)

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