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10. März 2011

Laurie, Victoria: Abby Cooper – Detektivin mit 7. Sinn

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Victoria Laurie
Abby Cooper – Detektivin mit 7. Sinn

Originaltitel Psychic Eye
aus dem amerikanischen übersetzt von Angela Koonen
Lyx
ISBN 978-3802582837
ISBN 3802582837
Roman
Dt. Erstausgabe 2010
Taschenbuch, 317 Seiten
[D] 9,95 €

 

Verlagsseite

Autorenseite

 

Zur Autorin

 

Bevor die Autorin Victoria Laurie 2003 mit dem Schreiben der ersten Novelle um Abby Cooper begann, war sie, wie ihre Hauptfigur, selbst bereits jahrelang als Medium tätig. Damals kam es ihr noch nicht in den Sinn, dass sich das Schreiben zu einer Vollzeittätigkeit entwickeln könnte. Zwischenzeitlich wurden 12 Romane (darunter auch die Serie über die Geisterjägerin M. J. Holliday) veröffentlicht und in andere Sprachen übersetzt. Laurie erarbeitete sich einen Platz in den Bestsellerlisten der New York Times. Der Auftaktroman um Abby Cooper erschien bereits 2004 in den Staaten. Seit 2010 ist er als deutsche Taschenbuchausgabe erhältlich. Der Folgeband soll im Juni 2011 erscheinen. Obwohl sie selbst mittlerweile nicht mehr als Medium tätig ist, findet sie Sensitivsein cool, was sich eindeutig in ihren Büchern niederschlägt.

 

Zum Buch / Meine Meinung

 

Das im Comicstil aufgemachte Cover erinnert ein wenig an die Bücher von Michelle Rowen, was mich sofort an entspannende Wochenendlektüre denken ließ. Die Inhaltsangabe tat ein übrigens.

 

Während anfangs noch genau das eintrat, was ich beim ersten Augenschein des Buches dachte (Chick-Lit ohne Tiefgang), wurde ich relativ schnell überrascht. Die in einem Vorort von Detroit in der Gegenwart spielende Geschichte beginnt, wie viele Auftaktromane, etwas schleppend, was daran liegt, dass einfach bestimmte Details eingebracht werden müssen und nicht weiter schlimm ist. Auch Abby, die die Geschichte in der Ich-Form erzählt, zeigt sich anfangs etwas durchscheinend.

 

Dennoch: Es handelt sich zwar um eine leichte, überaus entspannende Lektüre. Der Auftaktroman der Detektivin mit siebtem Sinn ist jedoch noch ein wenig mehr. Zwar stellt sich Cooper zunächst tatsächlich als sehr oberflächlich dar und verschwendet mehr Zeit und Gedanken an ihre Garderobe und ein Blind Date als an ihre Kunden und die Geister, mit denen sie in Kontakt steht. Ihre Tätigkeit als Medium wird auch eher von den mehr oder weniger vorhandenen Lebenskrisen ihrer Kunden als von wirklich spannenden Momenten geprägt. Das ändert sich jedoch spätestens dann, als eine ihrer Kundinnen ums Leben kommt. Die wollte kurz vor ihrem Tod nochmals zu ihr, was Abby aber abgelehnt hat. Prinzipiell will sie mit ihren Kunden nie mehr als zwei Sitzungen pro Jahr abhalten, damit die nicht abhängig von ihr werden.

 

Abgesehen davon, dass sie mit Toten kommunizieren kann, zeigt Abby sich schlagfertig bis zickig, witzig (nervt aber bisweilen), ist unzufrieden mit sich selbst und voller Zweifel, selbstironisch und auch noch chaotisch. Da sie trotz ihrer Andersartigkeit jedoch mit beiden Beinen fest im Leben steht, sich um andere kümmert und mehrere Prinzipien hat, an die sie sich streng hält, kommt sie sehr liebenswürdig herüber. Teilweise wirkt sie, obwohl sie bereits über 30 ist, jung und unerfahren. Aber vor allem wirkt sie normal, auch wenn zu ihrer Normalität schon mal gehört, dass sie einem Blind Date Details einer Entführung verraten kann, an der sie gar nicht beteiligt ist.

 

Dass ihr Gegenüber Dutch Rivers Polizist ist, weiß sie zu diesem Zeitpunkt nicht, aber ihre Eingebungen führen zu der Aufklärung des Falls. Dummerweise ist Dutch auch Ermittler in dem Fall der ermordeten Klientin – und heißes erstes Date hin oder her, da diese einen Mitschnitt der letzten Sitzung bei sich hatte, reißt der Kontakt mit ihm nicht ab. Obwohl er so gar nichts von übersinnlichen Fähigkeiten hält und Abby nicht so recht traut, kommen die beiden immer wieder zusammen und es entwickelt sich eine zaghafte Liebesgeschichte. Dutch – Abby lässt sich sehr ausführlich über ihn aus – ist ein Traum von einem Mann. Auch er wirkt liebenswürdig und real und geht seinem Beruf mit Inbrunst nach. Auch er ist schlagfertig, was zu amüsanten Dialogen und mehr als einer komischen Situation führt. Sein Humor, seine Charakterfestigkeit steht Abby in nichts nach. Der Verlauf ihrer Beziehung ist interessant und macht Lust auf mehr. Kein Wunder, die beiden Figuren kabbeln sich, sie sind vielschichtig, sie entwickeln sich zunehmend und wirken genau dadurch lebensnah und echt.

 

Die Geschichte zwischen den beiden steht jedoch eindeutig nicht im Vordergrund. Wer auf erotische Szenen hofft, wird vielleicht enttäuscht. Gefehlt haben sie allerdings nicht, dazu ist der Handlungsverlauf viel zu kurzweilig und gleichzeitig spannend. Denn Abby kann auch im Fall der toten Kundin ihren Mund nicht halten und möchte – aus Schuldgefühlen heraus – ihre Fähigkeiten bei der Suche nach deren Mörder einbringen. Was sie mehr als einmal in Schwierigkeiten bringt, weil die grausame Realität nicht nur sie immer wieder einholt. Dieser Fall ist keine blasse Nebenhandlung, sondern geschickt und ausgewogen verwoben mit der sich anbahnenden Beziehung von Abby und Dutch.

 

Was mir auch sehr gut gefallen hat, war der Umstand, dass die Autorin ihr Medium nicht im Stil von Ghostwisperer und ähnlich hinlänglich bekannten Serien arbeiten lässt. Es gibt keine zerfallenden, entstellten Leichen, die unbedingt etwas loswerden müssen und damit pausenlos für Schockeffekte und Albträume sorgen. Der gesamte Handlungsverlauf (ob paranormal oder normal) ist gut durchdacht und schlüssig. Die Spannungsbogen gekonnt geschlagen. Zusammen mit dem überaus flüssig zu lesenden Schreibstil konnte ich schnell in die Geschichte eintauchen und das Buch war an einem Abend ausgelesen.

Es ist nichts bahnbrechend Neues. Das muss es aber auch nicht sein, wenn die Umsetzung so gut gelungen ist wie in diesem Fall.

 

Fazit

 

Der erste Band der Abby-Cooper-Reihe (Psychic Eye) macht eindeutig Lust auf mehr. Es ist eine gelungene Mischung aus Übersinnlichem und Realität mit einem klitzekleinen Hauch Chick-Lit. Amüsant und entspannend bekommt das Buch fünf von fünf Punkten von mir.

 

Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

 

7. März 2011

Moning, Karen Marie: Gefangene der Dunkelheit

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Karen Marie Moning
Gefangene der Dunkelheit

Originaltitel Dreamfever
aus dem Amerikanischen übersetzt von Ursula Walther
Ullstein Taschenbuch
ISBN 978-3548280844
ISBN 3548280846
Fantasy, Chick-Lit
Dt. Erstausgabe 2010
Umschlaggestaltung Hilden Design, München
Taschenbuch, 544 Seiten
[D] 8,95 €

Verlagsseite
Autorenseite

 

Zur Autorin

 

Mit ihren 12 Romanen (der Highländer- und Fever-Serie) landete die 1964 in Ohio geborene Karen Moning nicht nur in den Bestsellerlisten von New York Times und Publishers Weekly. Ihre Romane werden, in 21 Sprachen übersetzt, weltweit vertrieben. Vor ihrem Erfolg als Bestsellerautorin war die studierte Juristin im Versicherungsrecht und Schiedsgerichtsbereich tätig. Heute verbringt sie ihre Zeit zwischen den Bergen von Georgia und den Stränden von Florida und schreibt oder arbeitet beispielsweise an einer Grafiknovelle mit. Ihr bevorzugtes Genre ist Fantasy.

Zum Buch

 

Bei der Covergestaltung setzt der Verlag auf Altbewährtes. Eine junge Frau, die sich an einen Mann lehnt, dessen Gesicht nicht zu sehen ist, weil er mit dem Rücken zum Betrachter steht. Beide in einer Halle mit gotischen (Fenster-)Bögen. Alles grünlich angehaucht auf schwarzem Untergrund. Die rote Schrift mit dem Titel „Gefangene der Dunkelheit“ hebt sich davon genauso viel oder wenig ab, wie auf der Buchrückseite der Kommentar der Chicago Tribune „Dunkle, gefährliche Erotik – einfach verführerisch!“. Ein wirklicher Bezug zu einer der Figuren lässt sich damit nicht herstellen.

 

Auch im vierten Band der fünfteiligen Fever-Serie geht es um MacKayla Lane, die noch immer gegen das Böse kämpft. Was sagt die Inhaltsangabe?

 

Sie können mich nicht brechen. Ich werde nicht vergehen. Ich bin stark. Und ich werde niemals gehen, bevor ich nicht bekommen habe, wofür ich hergekommen bin ….

 

Die junge Seherin MacKayla Lane, die sich in Dublin auf der Suche nach dem Mörder ihrer Schwester befindet, gerät in die Hände des gefährlichen Lord Master. Doch bevor der Herrscher über das Reich der Dunkelheit und seine Geschöpfe sie vollends in seinen Bann schlagen kann, wird Mac von ihren Freunden Dani und Barrons gerettet. Vorerst in Sicherheit, erfährt sie, dass sich während ihrer Gefangenschaft Schreckliches ereignet hat: Die Barriere zwischen der Welt der Menschen und der der dunklen Mächte ist gefallen – und Macs Eltern sind in die Hände des Lord Master gefallen. Kann Mac sie retten und die Unseelie in die Unterwelt zurückdrängen?

 

Diesen Teil erzählt uns wie gehabt Mac, allerdings bekommt sie anfangs Unterstützung von Dani, einer jugendlich-pubertären Sidhe-Seherin, die ebenfalls einige Passagen erzählt. Dies geschieht in der Zeit, in der Mac eine Pri-ya ist (was eine auf ihr Verlangen konzentrierte Nymphomanin hoch zehn ist). Teilweise erzählen sie rückblickend, teilweise aktuell das Geschehen in einem Prolog und 37 Kapiteln (gegliedert in drei Teile), bevor das Buch mit einem Wort der Autorin sowie dem Glossar (Auszug aus Macs Tagebuch) endet. Nein halt, es gibt da noch dieses Rezepte aus Dublin zur Zubereitung von Unseelie-Fleisch. Nun ja …

 

Meine Meinung

 

Obwohl mehrere Monate seit Erscheinen des dritten Teils vergangen sind, knüpft der vierte Roman übergangslos an das vorherige Geschehen an. Da keiner der vorigen Bände wirklich abgeschlossen ist, bietet es sich an, zunächst die Vorgängerbände zu lesen, wenn man sich an diesen vierten Band der Fever-Reihe machen will. Ansonsten könnte es schwierig sein, sich durch die Vielzahl an Figuren durchzufinden. Während die ersten Teile der Serie durchaus in den Bereich Urban Fantasy gehören, hat sich das Geschehen im vierten Teil in eine reine Fantasiewelt verlagert.

 

MacKayla hat inzwischen einige Fähigkeiten dazugewonnen und auch ihr Dummchen-Image abgelegt, verliert aber gleichzeitig wieder etwas von der Stärke, die sie im dritten Band dazugewonnen hat. Noch immer ist sie auf der Suche nach dem Sinsar Dubh. Dem Buch, das die Welt retten kann und das sie als Einzige fühlen kann, weshalb logischerweise Gute wie Böse hinter ihr her sind. Dublin hat sich verändert, es ist zunehmend finsterer geworden. Mehr und mehr verlagert sich die Geschichte in die Welt der Feen.

 

Wirklich greifen kann ich es nicht, aber etwas hat sich am Schreibstil verändert. Irgendwie erinnert mich Monings Roman stellenweise an einen kürzlich gelesenen von Marjorie M. Liu – weniger inhaltlich, eher was Wortwahl und Satzstellung betrifft. Noch immer ist er flüssig und leicht zu lesen, trotz der vielen Begriffe, die einen umschwirren, aber auch nach drei Teilen nur bedingt gebräuchlich sind.

 

Auch im vierten Band um MacKayla Lane geschieht wieder ungeheuer viel. Gleichzeitig kommt man aber keinen Schritt weiter. Magie nimmt einen größeren Anteil als in den bisherigen Bänden ein. Es kommen wieder einige Figuren dazu. Die im Kampf gegen die Unseelie kämpfenden Sidhe-Seherinnen Mac und Dani müssen einige Rückschläge einstecken und gleichzeitig gegen die ihren kämpfen, denn von denen bekommen sie nicht die Unterstützung, die man logischerweise erwarten würde. Im Gegensatz zu anderen Fantasiebüchern, wo dies meist eher anfangs geschieht, erfährt Mac dieses Mal von einer Prophezeiung, die sie und ihre Schwester betrifft. Immer wieder folgen Andeutungen, dass noch weitaus mehr in ihr steckt.

 

Barrons bleibt auch in diesem Teil undurchsichtig, gewinnt jedoch zunehmend. Nicht nur, weil er MacKayla aus ihrem Pri-ya-Dasein rettet, indem er ihr u. a. die Erinnerungen zurückgibt. (Man könnte auch sagen, er handelt nach einer Art homöopathischem Grundsatz: Gleiches mit Gleichem heilen.) Das wird erschöpfend in den ersten Kapiteln beschrieben. Hier kommt es zwar auch zu der Annäherung zwischen Barrons und MacKayla, worauf man ja schon seit dem ersten Band wartet. Allerdings könnte dies zu diesem Zeitpunkt aufgrund der Vorgeschichte der Mehrfachvergewaltigung auf manchen eher störend wirken. Der Umgang mit der schwierigen Thematik Vergewaltigung wird zwar durch die Verlagerung ins Fantasygenre abstrahiert, dabei jedoch zu oberflächlich gehandhabt. MacKayla geht letztlich so schnell zu ihrer neuen Tagesordnung über, dass die eingehenden ersten Kapitel unglaubwürdig wirken.

 

Leider weiß man übrigens auch am Ende des vierten Bandes, trotz einiger neu dazu gekommener Informationen nicht, was oder wer Barrons wirklich ist. Nicht einmal Mac (wie man dem Glossar-/Tagebuch am Ende entnehmen kann. Diesbezüglich bleibt zu hoffen, dass die Autorin noch zu einer schlüssigen Erklärung im letzten bereits angekündigten Teil der Fever-Reihe kommt.

 

Moning führt die Leser in gewohnter Art nur stückchenweise weiter, lässt ihre Figuren mal mit-, mal gegeneinander kämpfen. Lässt auch in diesem Band die einen gut, die anderen böse und wieder andere irgendwo zwischendrin sein, hat aber das etwas Klischeehafte des ersten Bandes größtenteils abgelegt.

 

Fazit

 

Obwohl etliche Antworten geliefert werden, führen diese nur zu neuen Fragen und auch im vorletzten Teil der Serie bleibt einfach ALLES offen. Dennoch: Der Wechsel von Urban Fantasy zu Fantasy hat mich besser unterhalten, als die anderen Bände, weshalb ich vier von fünf Sternen vergeben möchte und gespannt auf den Folgeband warte. Da die englischsprachige Taschenbuchausgabe in Deutschland erst im August 2011 auf den Markt kommen soll, ist Geduld angesagt – die Übersetzung dürfte noch um einiges länger dauern.

 

Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

28. Februar 2011

Pfister, Burkhard: Gilgamesch, Graphic Novel

Filed under: Buch- & Sammelreihe,Grafiknovelle — Ati @ 15:57

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Burkhard Pfister
Gilgamesch – Graphic Novel

Projekte Verlag Cornelius
ISBN 978-3862372300
ISBN 3862372308
Graphic Novel
1. Auflage 2010
Gestaltung & Layout Haymach & Pfister
Textbearbeitung Ursula Broicher
Hardcover, 358 Seiten
[D] 29,50 Euro

 

Verlagsseite

Buchseite

 

Zum Autor

 

Wobei man ja hier nicht unbedingt von einem Autoren sprechen kann … Burkhard Pfister, der 1949 in Meiningen geboren und in Baden-Württemberg aufgewachsen ist, hat Malerei studiert. Er reist sehr gerne, weshalb er beispielsweise 1978 ein Jahr im Orient war, oder eine einjährige Radtour durch Jugoslawien, Griechenland und die Türkei absolvierte. Diese Reisen dürften Einfluss auf seine über 30jährige Tätigkeit als freier Maler, Grafiker und Kunsttischler haben.

 

Im Jahr 2005 begann er mit seiner Arbeit an einer Grafiknovelle des ältesten, erhaltenen Textes der Weltliteratur. In Zusammenarbeit mit der Grafikerin Kerstin Heymach entstanden so nach und nach 12 Einzelbände oder vielmehr Tafeln des Gilgamesch-Epos. Die Historikerin Ursula Broicher bearbeitete die Texte des Epos neu.

 

Zum Buch / Meine Meinung

 

Was verrät der Buchrücken?

 

Das Gilgamesch-Epos, der älteste erhaltene Text der Weltliteratur, ist die Geschichte des sagenhaften Königs der Stadt Uruk in Mesopotamien, heute Irak.

 

Damals von Schreibern in Keilschrift auf Tontafeln geschrieben, jetzt von Burkhard Pfister in über 200 Zeichnungen zu einer Graphic Novel verarbeitet, hat sie über vier Jahrtausende nichts von ihrer Faszination verloren.

 

 

Genau genommen bin ich ja weder Comicfan noch mag ich Grafiknovellen besonders. Aber ich interessiere mich für die Sumerer und das Epos. Da es sehr umfangreich ist, konnte ich mir nicht so recht vorstellen, wie so etwas in eine Grafiknovelle verpackt werden kann. Insoweit konnte ich nicht widerstehen und jetzt liegt die Gesamtausgabe von Pfisters Werk vor mir.

 

Gleich vorab. Für sein Geld bekommt man nicht nur die kundenfreundliche – weil kostengünstigere – Zusammenfassung der einzelnen Tafeln, auch die handwerkliche Verarbeitung seitens des Verlages stimmt. Mit den 358 Seiten im A4-Hardcoverformat hält man ein solide gebundenes Buch in Händen, dessen Seiten von einem matt-schwarz-weiß gehaltenen Buchdeckel geschützt werden. Das Buch wiegt so viel, dass man es besser vor sich ablegt und nicht in Händen hält. Der soliden Verarbeitung sei Dank, hält das Buch das ohne Weiteres aus.

 

Zum Inhalt des der Novelle zugrunde liegenden Epos möchte ich nur anmerken, dass es sich um einen Schöpfungs- und Heldenmythos aus vorchristlicher Zeit handelt, in den Pfister und seine Mitstreiter jedoch Gegenwartsbezüge eingearbeitet haben.

 

Der von Broicher überarbeitete Text in den Sprechblasen lässt sich den Bildern gut zuordnen. Gleichwohl gibt es einen Unterschied, zu dem, was ich sonst so kenne – die Sprechblasen machen eigentlich nur einen kleinen Teil aus. Den größeren Teil nimmt ein Begleittext ein, der die einzelnen Bilder verbindet. Die Historikerin bedient sich dabei eines veraltet anmuteten Satzbaus, den man im heutigen Sprachgebrauch nicht mehr benutzt, der jedoch gut passt. Er wirkt manchmal etwas umständlich, manchmal poetisch. Auf den Seiten 356 und 357 geht sie auf das Epos selbst ein und führt nochmals auf, worum es darin geht.

 

Auf den ersten Blick hatte Pfisters Umsetzung des Epos etwas seltsam Starres für mich. Ich habe es zunächst darauf geschoben, dass ich mich normalerweise nicht für so etwas interessiere. Ein Bekannter, der Comics und Mangas mag, hat die Novelle fast noch schneller als ich aus den Händen gelegt, weshalb ich nach dem Warum gefragt habe. Er antwortete, dass zu wenig Bewegung darin sei. Ferner störte ihn der stetige Wechsel der Anzahl der Grafiken (mal mehrere kleinere auf einer Seite, dann ein- oder auch doppelseitige) und die Grafiken in ihrer Ausführung sprächen ihn nicht an. Alles in allem käme keine Spannung in ihm auf.

 

Nach diesem Gespräch habe ich mich ein weiteres Mal über die Grafiknovelle hergemacht. Bei diesem zweiten Versuch wurde mir das eine oder andere klar. Unter anderem, dass die Grafiknovelle kein Objekt für die Masse sein, dafür aber Sammler anziehen dürfte.

 

Was mich etwas enttäuschte, ist der Umstand, dass nur acht Seiten der Grafiknovelle farblich gestaltet sind. Die Restlichen zeigen sich, wie der Umschlag, monochrom oder genauer gesagt in verschieden Grauschattierungen und/oder schwarz und weiß. Auf ihnen werden durchgehend abwechselnd mehrere aufeinanderfolgende, ganz- oder auch doppelseitige Bilder abgebildet. Die Bilder sind künstlerisch gut umgesetzt, wirken in sich aber wie bereits erwähnt etwas bewegungslos.

 

Pfister spielt mit den Techniken, er schraffiert, wischt, malt, teils separiert, teils kombiniert. Lichteinfall, Perspektive und Schatten verleihen nahezu alle Bilder Plastizität und Tiefe. Die teils nur grob umrissenen Hintergründe haben mich stellenweise etwas gestört, passen jedoch größtenteils. Teilweise setzt Pfister auf sehr harte Übergänge, dann fließt alles wiederum harmonisch zusammen. Teils gibt es grobe Schraffuren, dann wiederum klar ausgearbeitete Details (auch bei den Hintergründen). Bildgewaltige, schmückende Ausarbeitungen wechseln sich mit allenfalls grob zu bezeichnenden Skizzierungen ab. Zusätzlich kommt das Spiel mit der Zeit hinzu, dass Pfister bewusst gewählt hat. Antikes und Modernes stehen sich teils direkt gegenüber, teils wechseln sie sich ab. Antike Gewänder gegen moderne Kleidung, Bauhelme und Arbeitsschuhe auf einer Baustelle, eine belebte Straßenkreuzung gegen ein Relief eines Streitwagens, alte Paläste gegen moderne Skylines. Teils latent, teils ganz offenkundig dargestellt. Jetzt stellt sich natürlich die Frage, was so etwas in einem jahrtausendealten Epos zu suchen hat. Doch – da stimme ich Pfister zu – vieles daraus lässt sich auf die Gegenwart übertragen. Ob es denn tatsächlich sein muss, das so darzustellen, bleibt der Entscheidung des Künstlers und der seines Publikums überlassen. Wirklich störend empfand ich es nicht.

 

Fazit:

 

Alles in allem würde ich die Grafiknovelle weniger als mit Sprechblasen versehene Bilder bezeichnen, sondern eher als illustrierten Text bezeichnen. Und diese Illustration finde ich – wenn auch erst auf einen zweiten Blick – durch die experimentelle Umsetzung durchaus gelungen.

 

Gilgamesch ist nicht unbedingt etwas für reine Comic- und Mangafans. Wer sich jedoch für künstlerische Illustrationen, die Geschichte oder Sammelbildbände interessiert, kommt hier durchaus auf seine Kosten.

 

02_pfister_gilgamenschtafel6.jpgWas die ebenfalls erhältlichen Einzelbände betrifft: Auch diese sind handwerklich sehr gut gemacht und ebenso stabil gebunden, wie der Gesamtband. Die einzelnen „Tafeln“ kosten 18,50 Euro, Insgesamt gibt es die Tafeln 0 bis 11. Die vor mir liegende sechste Tafel (ISBN 978-3866347083), in der es um „Der Zorn der Ischtar – Der Himmelsstier“ geht, ist ebenfalls monochrom gehalten. Allerdings nicht in schwarz-weiß, sondern sepiafarben.

 

 

Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

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