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11. Juni 2012

Amber, Elizabeth: Satyr-Reihe

Filed under: Erotik,Fantasy, Horror, SciFi,Roman — Ati @ 18:56

Elizabeth Amber

Knaur

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Der Kuss des Satyrs

Originaltitel:  Nicholas  – The Lords of Satyr

ISBN: 978-3426501535

ISBN: 3426501538

Erotischer Fantasy-Roman

Taschenbuch, 416 Seiten

[D] 7,99 €

EVT März 2009


 

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Die Nacht des Satyrs

Originaltitel: Raine

ISBN: 978-3426506967

ISBN: 3426506963

Erotischer Fantasy-Roman

Taschenbuch, 416 Seiten

[D] 8,99 €

EVT Juni 2010

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Die Braut des Satyrs

Originaltitel: Lyon

ISBN: 978-3426506974

ISBN: 3426506971

Erotischer Fantasy-Roman

Taschenbuch 384 Seiten

[D] 8,95 €

EVT Juli 2010

 

Verlagsseite

Autorenseite

 

 

Laut Verlagsseite ist Elizabeth Amber das Pseudonym einer amerikanischen Autorin, die sich unter diesem Namen zum ersten Mal in den Bereich Romantic Fantasy vorwagte. Wer mehr zu ihr wissen möchte, findet noch die eine oder andere Info auf ihrer (englischsprachigen) Autorenseite www.elizabethamber.com.

 

Ihre Satyr-Reihe erfreut sich, wenn man diverse Lesermeinungen im Internet so durchsieht, einer durchaus begeisterten Leserschaft. Andere hingegen sind weniger bezaubert davon.

 

Bislang sind drei Bände erschienen, der vierte soll 2012 folgen. Grundsätzlich geht es um mystische Wesen – Satyrn – die als Winzer recht erfolgreich mehr oder weniger unerkannt unter bzw. neben den Menschen leben. Doch ihre Weinberge sind bedroht, die Reblaus (von der Autorin ein paar Jahre von ihrem tatsächlichen historisch belegten Ausbreiten verlegt) droht nicht nur in ganz Europa, sondern auch bei ihnen alles zu vernichten. Ihre Ländereien bergen zudem das Portal zur Anderwelt, die immer mal wieder in die Erdwelt zu dringen und diese zu vernichten droht. Die guten Vertreter der Mystik kommen (nicht nur in Gestalt der Satyrn) auch vor. Einer – ein Feenkönig – hat etwa neunzehn Jahre zuvor drei Menschenfrauen geschwängert. Die mittlerweile nahezu erwachsenen Frauen leben als Mischlinge – ohne zu wissen, was sie wirklich sind – bei den Menschen, teils bei Verwandten, teils im Waisenhaus aufgewachsen. Alle haben ein Geheimnis, das sie unbedingt wahren müssen, das aber mit zunehmenden Alter gelebt werden will, bzw. das ein „böser“ Dritter als Druckmittel im Rahmen einer Erpressung benutzt. Alle drei sind unglücklich, da wo sie sind, sehen keine wirkliche Zukunft für sich, fühlen sich einsam. Der mittlerweile sterbende Elfenkönig schreibt an die Satyr-Brüder, damit sie sich auf die Suche nach den drei Frauen machen und sich nach Auffinden mit ihnen vermählen sollen, um ihnen den Schutz zu gewähren, den sie brauchen. Denn böse Anderwelt-Wesen möchten die drei Frauen, um mit ihren übernatürlichen Kräften …. – hier stockt die Grundidee, denn so genau wird gar nicht klar, warum und weshalb ausgerechnet diese drei Frauen so ungewöhnlich mächtig sein sollen, dass sie das Interesse der Anderweltwesen wirklich zwangsläufig erregen oder wie genau der Schutz aussehen soll. Später folgt die Andeutung, dass der Schutz durch die Satyrn darin besteht, dass die Frauen nach ihrer Verbindung mit jeweils einem von ihnen quasi unsichtbar für die Anderweltwesen werden. Doch genau genommen ist das, was in vielen Kapiteln gut hätte erzählt werden können, lediglich in wenigen Sätzen die Vorlage für die Inhaltsangaben. Was nicht angesprochen wird (allerdings in der einen oder anderen Bewertung zutage kommt) ist die Aneinandereihung von Sexszenen, die die tatsächliche Handlung darstellt. Lediglich die anhaltenden Erpressungen bzw. die Erpresser sind, im Rahmen dieser Aneinanderreihung, etwas mehr ausgeführt.

 

Lange Rede, kurzer Sinn, Ambers Reihe ist was für Liebhaber eines bestimmten Genres. Obwohl ich selbst der einen oder anderen erotischen Szene durchaus nicht abgeneigt bin, habe ich die Reihe nach einem Gespräch mit meiner Nichte und einem weiteren mit einer Bekannten bereits im Vorfeld gedanklich ad acta gelegt. Dennoch kam einer der Bände als Gewinn eines Rätsels zu mir, einer als Geschenk (bitte so etwas nie mehr!) und der dritte im Rahmen eines Buchwanderpakets – alle etwa zur gleichen Zeit. Da ich grundsätzlich alles lese, was buchartig verpackt auf meinem Lesetisch landet, habe ich mich also irgendwann an die Reihe gewagt. Nachdem ich 2010 mein erstes Buch von allen in meinem ganzen Leben entnervt nach wenigen Seiten und entsetztem Querlesen unvollendet beiseitelegte (genauer gesagt landete „Feuchtgebiete“ von Charlotte Roche, obwohl es ebenfalls ein Geschenk war, postwendend im Mülleimer), gesellten sich aus der Satyr-Reihe gleich zwei weitere Bände zu der Liste-der-nicht-fertig-gelesenen-Bücher dazu. Ich scheiterte ebenfalls nach wenigen Seiten und Querlesen, bei den Bänden um Nick und Raine. Lediglich der Band um Lyon brachte mich dazu, ihn lustlos zu Ende zu lesen. Leider kann ich mich den positiven Meinungen über diese Reihe absolut nicht anschließen. Zwar stimme ich zu, dass es um mystische Wesen geht (Satyre, Elfen, etc.). Doch beim Rest ….

 

Fangen wir mit der Beschreibung der Handlungsorte und der Zeit (erste Hälfte 19. Jahrhundert) an. Doch ja, da ist das eine oder andere interessante Detail Rom, Paris, Venedig oder auch die Toskana betreffend. Doch Art und Weise, in der diese Details beschrieben werden, lassen das Interesse schnell erlahmen, wirken sie doch passagenweise trocken wie in einem Geschichtsvortrag.

Die Figuren? Ja, man kann sie sich vorstellen, trotz ihrer Eindimensionalität. Sie sind nach gut und böse getrennt – wobei gut und böse wie überall einfach eine willkürliche menschliche Beurteilung ist. Wirklich auffallend – und für mich störend – ist das gezeichnete Männer- und Frauenbild. Demnach sind alle Männer außer den Satyrn brutal, korrupt und intolerant, wie die Satyrn eher sexsüchtig und wie etwa der Ziehvater von Jane oder der Bischoff aus „Die Braut des Satys“ zudem noch weichlich-weinerlich. Dominant sind sie trotz eventueller Loser-Tendenzen gegenüber den Frauen jedoch alle – vor allem Jane, Jordan und Juliette gegenüber. Die sind trotz der Umgebung in der sie sich befinden einfach rein und unschuldig, bergen aber wie gesagt ein Geheimnis. Die übrigen weiblichen Wesen sind … Moment … außer lüstern und unersättlich ist mir nichts im Gedächtnis geblieben.

 

Was mich zum Thema Erotik bringt, die in manchen Bewertungen so positiv herausgestellt wurde. Zugegebenermaßen, bei Erotik scheiden sich bekanntlich – wie bei vielem anderen – die Geister. Wer die Satyr-Reihe verfolgt, muss schon einiges für sexuelle Spielarten aufbringen. Genau genommen besteht die Reihe lediglich aus mehr oder weniger plumpen, dafür enervierend endlos aneinandergereihten Sexszenen. Und in denen gibt es auch noch den einen oder anderen Part, der wie ein Denkfehler oder schlampiges Lektorat anmutet. Doch wie gesagt, Erotik ist – genau wie Spannung – ein Thema, bei dem sich die Geister schon mal scheiden können. Speziell in dem Band in dem es um Raine geht, kommt jedoch hinzu, dass einige der Szenen abgesehen von zum Teil für Otto-Normal-Leser eher abstoßenden Praktiken auch noch vergleichsweise hölzern beschrieben sind. Ob das an der Übersetzung liegt? Keine Ahnung, jedenfalls könnte man fast meinen, dass dieser Band aus einer anderen Feder stammt. In allen drei Bänden finden sich zudem einige Passagen, die ein rasches Wiedererkennen ganzer Sätze bewirken. Seitenfüller? Der Verdacht drängt sich unweigerlich auf.

 

Wer jedoch auf dominante Männer steht (die einfach anscheinend deshalb männlich sind, weil sie entsprechend bestückt alles bespringen, das bei drei nicht auf den Bäumen ist), oder auf Frauen (die nicht nur entsprechend ihrer Zeit eine eher devote Rolle einnehmen), auf Gewalt (ein Wunder, dass die Menschheit überlebt hat), auf  Intrigen (die – nun ja – teils mehr als konstruiert wirken und genau wie die Reblausplage genommen auch hätten weggelassen werden können) und eine Grundidee, die – lediglich angedeutet –  in einem Wust von Sexszenen untergeht, der hat mit dieser Buchreihe sicher seine helle Freude. Zumindest, wenn er neben wenigen spielerischen Fessel- oder Rollenspielchen, ein wenig Oral-Sex, unzähligen „normalen“ Kopulationen von Analverkehr über Gruppensex und Inzest bis Züchtigung alles in Kauf nimmt. Diejenigen werden sich sicher auch darüber freuen, dass die Autorin flugs ihre Grundidee figurtechnisch betrachtet ausgebaut hat. Wo zuvor nur drei Satyrn in dieser Welt lebten (die die Geschichte anfangs quasi kompakt gehalten hätten, weil explizit erwähnt wird, dass es eben nur drei von ihnen gibt), gesellt sich im nächsten 2012 erscheinenden Buch flugs ein vierter dazu. Ich wage mir nicht vorzustellen, wie weit das noch ausgebaut werden kann. Laut ihrer Autorenseite sollen es zumindest sieben Lord-Satyrs werden….

 

Doch: Es gibt natürlich auch positives in den bis jetzt erschienenen Bänden. So fand ich beim Querlesen die Darstellung der Geburt eines kleinen Satyr-Babys recht niedlich (die Satyrn übernehmen die Erstversorgung und eine Schwangerschaft dauert nur 28 Tage). Oder auch, dass die Frauen nicht ganz so perfekt sind (ein Hermaphrodit dürfte für den einen oder anderen Mann natürlich ein Problem darstellen, nicht natürlich für einen omnipotenten und – entschuldigt den Ausdruck – dauergeilen Satyr). Und ich fand es auch recht nett, dass Jane (aus „Der Kuss des Satyrs“), mal eben vertrocknete Pflänzchen heilen oder Juliette (aus „Die Braut des Satyrs“) sich bei einer drohenden Vergewaltigung in Stein verwandeln kann. Die Satyrn verwandeln sich übrigens in der Vollmondnacht durch den „Ruf“, bekommen von der Hüfte abwärts Fell, einen zweiten Phallus und einen heilenden Sucher, wobei das Fell ganz nett, der zweite Phallus in meinen Augen reichlich unhygienisch und der Sucher eine praktische Idee war. Ach ja und Juliettes Art mit ihren Freiern umzugehen, war auch nicht die schlechteste (fantastisch empfängnisverhütend und vor allem konnte sie sich mit nichts anstecken). Oder der Arzt aus „Die Braut des Satyrs“ bekommt eine Strafe für das, was er während Juliettes Geburt getan hat (die man ihm gönnt, angesichts seines Verhaltens gegenüber Juliette an jedem ihrer folgenden Geburtstage) und der, der ihn bestraft findet zwar ein plötzliches Ende, das man ihm aber durchaus gönnt, obwohl er in der gesamten Geschichte zwar geradezu aufdringlich auftaucht und dennoch bis zum Schluss unscheinbar nichtssagend bleibt, weil er eben auch nur eine Figur ist, um die man eine Sexszene drapieren kann).

 

Doch die positiven Textstellen halten sich eindeutig in Grenzen, und unterstreichen zudem die hilflose …. tut mir leid, mir fällt kein anderes Wort ein …. Einfältigkeit der drei Mischlings-Frauen. Bei all ihren Fähigkeiten sind sie völlig hilflos, können sich nicht mal andeutungsweise gegen ihre Peiniger wehren und müssen sich letztlich durch einen übernatürlichen, allzeit bereiten Ich-schreib-es-lieber-nicht retten lassen. Doch obwohl sie so schrecklich mitleidheischend hilflos sind, schaffen sie, was andere zum Teil jüngere Mädchen niemals schaffen können. Sie bleiben bis zu ihrem Zusammentreffen mit den Satyrn jungfräulich unschuldig, was angesichts der beschriebenen Lebensweise und ihrem Umfeld mehr als unglaubwürdig wirkt.

 

Wie gesagt, die sinnlose Aneinanderreihung von Kopulationsszenen ist das eine, die Praktiken das andere. Stellenweise könnte man der Autorin fast eine Analfixierung unterstellen. So wird etwa in „Die Nacht des Satyrs“ recht enervierend gleich eingangs die Untersuchung Jordans (ich wusste gar nicht, dass das ein italienischer Name ist, denn Jordan wächst in Venedig auf) vor zahlendem Publikum und damit verbunden eine drohende Darmspülung vor einer Art medizinischem Fisting erklärt.

 

Quer durch alle Bände erfolgt der stete Hinweis, dass der wirksame Schutz der drei Frauen natürlich nur durch Sex, Sex, Sex – und was war es noch? – ach ja, wie konnte ich das nur vergessen: Sex aufgebaut und gehalten werden kann. Oder dass die armen Satyrn das Zeitliche segnen müssen, wenn sie ihrer Natur (ihr erinnert euch: alles was bei drei nicht auf den Bäumen ist…..) nicht freien Lauf lassen dürfen.

 

Fazit:

 

„Die Satyr-Brüder sind so sexy, wie man es sich nur wünschen kann.“ (Zitat Paranormal Romance Reviews abgedruckt auf „Die Braut des Satyrs“). Oder „Der beste erotische Liebesroman, den ich je gelesen habe“ (Zitat Paranormal Romance Reviews abgedruckt auf „Die Nacht des Satyrs“). Etwas ähnliches findet sich auch auf dem Auftaktroman „Der Kuss des Satyrs“.

 

Keinem dieser Zitate kann ich auch nur andeutungsweise zustimmen. Erotisch? Sexy? Beides sieht in meinen Augen anders aus. Quantität ist nicht gleichbedeutend mit Qualität. Liebesroman???? Hat Liebe immer mit Unterwerfung zu tun? Denn genau das machen ja die drei Halbfeen von vorne bis hinten. Spannung? Falls da tatsächlich Spannung enthalten ist, ist sie mir völlig entgangen. Hier hätte eine größere Betonung der Grundidee (zumindest der in den Inhaltsangaben angedeuteten) eindeutig Not getan. Empfehlenswert? Aus meiner Sicht eindeutig nein und zwar keiner der drei Bände.

 

Und doch … nachdem ich die drei Bände in meine Altpapiertonne befördert hatte, kam eine Freundin zu mir und wünschte sie sich als Geschenk für einen anstehenden Geburtstag. Ich habe jetzt tatsächlich zwei Bände bestellt und frage mich ernsthaft, ob mir danach die Freundschaft aufgekündigt wird, weil ich nicht ernsthafter davor gewarnt habe oder ob auch nur eines meiner bisherigen Buchgeschenke ernsthaft gefallen haben kann, wenn sie tatsächlich Gefallen an der Reihe findet….

 

Copyright © 06/2012  Antje Jürgens

16. Februar 2012

Marchetta, Melina: Winterlicht

Filed under: Fantasy, Horror, SciFi,Jugendbuch,Roman — Ati @ 18:53

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Melina Marchetta – Winterlicht

Originaltitel Finnikin of the Rock – aus dem australischen Englisch übersetzt von Petra Koob-Pawis und Franziska Jaekel

Ravensburger Buchverlag

ISBN 9783473353347

ISBN 3473353345

Jugendbuch, 14 – 16 Jahre

Fantasy

1. Auflage März 2011

Hardcover mit Schutzumschlag, 544 Seiten

[D] Preis 17,95 €

Verlagsseite

Autorenseite

 

Im März 1965 wurde die in Sydney lebende Autorin italienischer Abstammung geboren. Nachdem sie mit 15 Jahren von der Schule abging, gelangte sie auf einigen Umwegen an eine Schule zurück und unterrichtete 10 Jahre lang Geschichte und Englisch. Im Jahr 1992 erschien ihre erste Novelle, die einige Jahre später nach ihrem eigenen Drehbuch verfilmt wurde. Nachdem Marchetta während ihrer Tätigkeit als Lehrerin ihre zweite Novelle vollendete, gab sie ihre Lehrtätigkeit 2006 auf, um sich ganz dem Schreiben zu widmen. Bereits 2008 erschien dann die englische Originalausgabe (Finnikin of the Rock) der mir vorliegenden deutschen Hardcoverversion Winterlicht. Es handelt sich dabei um den Auftaktroman einer Jugendbuch-Fantasyreihe  mit dem Titel Lumatere Chronicles und es ist nur eines von weiteren Projekten der Autorin. Ihre Novellen wurden bislang in 17 Sprachen übersetzt und sie erhielt mehrere Preise und Auszeichnungen für ihre Arbeiten.

 

Optisch ist mir der Roman von Melina Marchetta sofort ins Auge gestochen. Ich liebe Hardcoverbücher, meist schon wegen der Umschläge. Im Fall von Winterlicht ist dieser in bläulich-schwarzen Tönen gehalten (hinten hell, vorne dunkel), und darüber hinaus noch vorne mit einer schwarz glänzenden Prägung mit silbrigen Lackglanzelementen versehen, die Eiskristallen oder Schneeflocken ähneln. Er zeigt ferner das Gesicht eines Mädchens und im Hintergrund Äste sowie einen zunehmenden Mond rechts und links von ihr. Das Motiv der Prägung findet sich übrigens auch im Inneren des Buches an den Kapitelanfängen wieder. Dort natürlich einfach grau gedruckt. Im Buch finden sich gleich anfangs auch zwei gezeichnete Landkarten.

 

Mit Winterlicht überrascht die Autorin ihre LeserInnen mit sehr realistischen Darstellungen, schneidet ethische Themen genauso an wie politische. Dadurch fällt es etwas aus dem Rahmen dessen, was ich erwartet habe. Die Idee dazu ist zugegebenermaßen nicht neu (ein verratenes, verfluchtes Land hofft auf Rettung, diese wird durch eine rätselhafte Prophezeiung in Aussicht gestellt). Doch das muss sie auch nicht sein, wenn die Umsetzung gut ist. Im Fall von Winterlicht finde ich die Geschichte über Freundschaft und Liebe, Hoffnung und Mut und von Zusammenhalt auch in Zeiten der Entwurzelung, der Trauer, des Verrats und des Leids gelungen.

 

Marchetta zeichnet ganz eigene Figuren und lässt diese einiges erleben. Wie bei vielen Fantasygeschichten dauert es auch bei Winterlicht, bevor man darin abtauchen kann und sich dort sicher zurechtfindet. Bevor die eigene Fantasie sich auf die der Autorin einstimmt sozusagen. Doch wenn das geschieht, dann fällt es schwer, das Buch beiseitezulegen und wieder in der Realität aufzutauchen.

 

Der Klappentext verrät, dass auf Lumatere eine dunkle Bedrohung liegt. Ein Fluch verhindert, dass man es einfach so betreten oder verlassen kann. Doch jeder Fluch lässt sich bekanntlich brechen. Finnikin (einer von vielen Flüchtlingen, die gerade noch so aus Lumatere herauskamen) etwa weiß, wie man speziell diesen Fluch brechen kann. Man muss den rechtmäßigen Thronerben zu seinem Thron verhelfen. Als er sich aufmacht, seine Aufgabe zu erfüllen, treffen er und sein Begleiter auf Evanjalin. Finnikin verliebt sich in sie, obwohl sie eigentlich dem neuen König versprochen ist. Mit ihr an seiner Seite versucht er, die Bedrohung für Lumatere abzuwenden.

 

Wie bereits erwähnt, zeichnet die Autorin ganz eigene Figuren. Sie erscheinen fragwürdig und unsympathisch oder genau gegenteilig. Immer jedoch authentisch und individuell. Man fühlt ihre Emotionen – Freude wie Hass, Ängste wie Stärken, Hoffnungslosigkeit wie Mut. Oder immer wieder die in einem Jahrzehnt gewachsene Sehnsucht, in die Heimat zurückzukehren, zu den eigenen Wurzeln. Bildhaft und facettiert führt Marchetta ihre LeserInnen in eine ganz eigene Welt (die der unseren vor vielen, vielen Jahren stellenweise vielleicht nicht ganz unähnlich ist, sofern man die fantastischen Elemente weglässt).

 

Was anfangs idyllisch wirkt, wird gleich darauf durch die Schilderung dessen zerstört, was mit der Königsfamilie und den Bewohnern Lumateres passiert. Das geschieht in wenigen Absätzen, recht grob umfasst. Aber man merkt den Bruch. Warum und weshalb es geschehen ist, stellt sich erst im Laufe der größtenteils aus Finnikins Sicht erzählten Geschichte und seiner Reise mit seinen Mitstreitern heraus. Es fehlen anfangs Informationen zu den darin erwähnten Ereignissen, Namen und Ländern. Doch diese offenbaren sich sukzessive und nach und nach zeichnet sich das Ausmaß des Leides von Lumatere und seinen Bewohnern beziehungsweise den Flüchtlingen ab. Obwohl Marchetta an schönen Erlebnissen und Gegebenheiten teilhaben lässt, verschont sie ihre Figuren und LeserInnen andererseits auch nicht vor weniger schönen und gewaltreichen Einblicken. Trotz überraschender Wendungen steuern die Figuren beharrlich ihre Ziele an.

 

Hierbei allerdings gibt es ein kleines Manko, denn die Autorin bemüht selbst für einen Fantasy-Roman etwas zu oft den guten alten Zufall, was die eine oder andere Szene konstruiert wirken lässt. Und wer vermutet, dass der Fokus auf der im Klappentext angedeuteten Liebesgeschichte liegt, liegt falsch. Sie bleibt genau das: eher angedeutet. Allerdings fehlt sie nicht unbedingt zwingend, da sie sich bei aller Knappheit nachvollziehbar und still entwickelt. Kapitelübergreifend gibt es leider trotz aller Bildhaftigkeit auch die eine oder andere Länge. Doch all das wird durch das sprachliche und erzählerische, lesenswerte Niveau der Geschichte überspielt, die etwas abseits des Mainstream-Geschmacks liegen dürfte.

 

Fazit:

 

Ich gebe zu, ich bin weit außerhalb der eigentlichen Zielgruppe, die der Ravensburger Buchverlag mit diesem Titel ansprechen möchte. Dennoch habe ich mich trotz der gerade erwähnten kleineren Schwächen mit Winterlicht gut unterhalten gefühlt. Und ich frage mich schon, wie Froi – einer der Figuren – sich im zweiten Teil der Chroniken von Lumatere weiterentwickelt. Deshalb möchte ich dem Roman vier von fünf Punkten geben.

 

Copyright © 2012 Antje Jürgens (AJ)

15. Februar 2012

St. Crow, Lili: Verraten

Filed under: Abenteuer,Fantasy, Horror, SciFi,Jugendbuch — Ati @ 17:52

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Lili St. Crow – Strange Angels 02:Verraten

Originaltitel Betrayals aus dem Englischen übersetzt von Sabine Schilasky

PAN

ISBN 9783426283462

ISBN 3426283468

Fantasy, Jungenbuch 12 – 15 Jahre

Deutsche Erstausgabe 2011

Umschlaggestaltung ZERO Werbeagentur, München

Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag, 384 Seiten

[D] Preis 16,99 €

Verlagsseite

Autorenseite 

 

Lili St. Crow – unter diesem Pseudonym veröffentlicht die 1976 in New Mexico geborene und z. T. im Vereinigten Königreich auf einer Militärbasis aufgewachsene Autorin Lilith Saintcrow Geschichten und Bücher für Jugendliche, während sie sich unter ihrem richtigen Namen an ein erwachsenes Publikum wendet. Ein weiteres Pseudonym ist Anna Beguine. Die heute mit einigen Katzen und ihrer Familie in Vancouver lebende Autorin bevorzugt dabei die Genres Paranormale Romance oder Urban Fantasy.

 

Die Covergestaltung des zweiten Bandes der Strange-Angels-Reihe ist gelungen und passt in seiner samtig wirkenden Ausführung exakt zum ersten Teil, der – nebenbei erwähnt – zuerst gelesen werden sollte, bevor man in Dru’s Geschichte in Verraten eintaucht.

 

Übergangslos setzt die Autorin an die in Verflucht erzählten Ereignisse an. Diverse Rückblicke erleichtern zudem das Eintauchen in die Geschichte. Ein flüssiger Schreibstil und die Umgangssprache lassen auch jetzt die Figuren lebensecht, wenn auch das eine oder andere Mal etwas blass, und die Atmosphäre düster wirken. Gleichzeitig schafft St. Crow es, die fantastischen Elemente glaubwürdig mit der Realität zu verweben.

 

Auf ihrer Flucht, die Dru zusammen mit Graves in eine Schule für übernatürliche Wesen (Werwölfe und Vampire) führt, zeigt diese sich zorniger als im ersten Teil der Geschichte. Nicht nur weil Graves, der durch einen Angriff mittlerweile selbst zum Werwolf wurde, dort eher angenommen wird als sie selbst. Auch weil sie mit ihrer heranreifenden Bestimmung nicht so ohne Weiteres zurechtkommt. Abgesehen davon ist da noch Christophe, der Vampir, der für Verwirrung bei ihr sorgt. Und ganz unabhängig davon, ist ihr Versteck nicht so sicher, wie es sein sollte. Graves, der im ersten Teil bereits sehr zuverlässig und loyal, aber eher noch schüchtern daherkam, mausert sich mehr und mehr und beschützt sie so gut es geht. Doch im Lauf der Geschichte wird klar, dass Dru nach wie vor in Gefahr ist und weiter fliehen muss.

 

Das Ganze gestaltet sich anfangs eher zäh. Nahezu die Hälfte des zweiten Bandes beleuchtet Dru’s inneren Zwiespalt. Kämpfe, wie im ersten Teil, habe ich allerdings dennoch nicht zwingend vermisst. Während Graves sich in Richtung Alphatier entwickelt (wobei er auch in diesem Band wieder sehr erwachsen wirkt), zieht Dru sich erst einmal zurück. Während ihm etwas beigebracht wird, wird sie oftmals vor den Kopf gestoßen und mit seltsamen Andeutungen oder Schweigen abgespeist. Sie tritt sehr lange auf der Stelle, stellt sich wie ein bockiger Teenager an. Gleichzeitig wird genau dadurch ihre Vereinsamung und Verstörung hervorgehoben, was mich letztlich dazu bewogen hat, an der Geschichte dranzubleiben. Auch der seltsam diffus dargestellte, mehrfach um Vertrauen bittende und lange Zeit untergetauchte Christophe trägt nicht unbedingt dazu bei, die Spannung zu erhöhen. Neu hinzukommende Figuren ebenso wenig. Und wie im ersten Teil, kommt es auch im zweiten Band zu gewissen Längen durch Wiederholungen. Im Grunde genommen geschieht also anfangs im Gegensatz zu Verraten sehr wenig, was wohl zum größten Teil an Dru’s Passivität liegt. Doch irgendwann berappelt sich nicht nur die Autorin, sondern auch Dru und es kommt etwas mehr Tempo in die Geschichte.

 

Dru muss sich ihren Ängsten und ihrer ungewissen Zukunft stellen. Und wie bereits im ersten Teil, geht die Autorin nicht sehr zartfühlend mit ihr um. Wenn Dru leidet, dann richtig. Sie springt nicht auf wie die Stehaufmännchen anderer Geschichten, wenn sie einsteckt. Sie ist kein porentief sauberes, durchgestyltes Püppchen mit Nahkampfausbildung. Sie ist, bei allem was sie erlebt, ein unsicheres, normales Mädchen, das schon mal bewusstlos zusammenklappt und dem der Rotz übers Gesicht läuft. Und das an einem Ort, an dem sie so gut wie niemandem trauen kann und zu einer Zeit, in der sie sich gleich von zwei männlichen Figuren angezogen fühlt, die beide die Führungsrolle übernehmen wollen.

 

Fazit:

 

St. Crow spinnt den eigentlichen Handlungsfaden in dem 384 Seiten starken Buch also nicht unbedingt sehr viel weiter. Dru befindet sich zu Anfang und Ende auf der Flucht. Über ihr Geheimnis wird der Leser von ihr nicht unbedingt weiter informiert, weil sie selbst im Grunde nicht viel weiß. Dennoch versorgt die Autorin ihre LeserInnen in der aus Dru’s Sicht erzählten Geschichte mit weiteren Hintergrundinformationen. Sie lässt Dru’s Mitstreiter und Gegenspieler heranreifen, mal mehr mal weniger sympathisch. Sie beantwortet offene Punkte aus dem Auftaktroman und legt neue Fährten aus. Damit endet dann Verraten genauso offen wie Verflucht und macht Lust auf den Folgeband. Obwohl die Geschichte anfangs des zweiten Teils wesentlich an Tempo verloren hat und dieser nicht unbedingt viel im Bezug auf das Ende der Geschichte preisgegeben hat, bin ich auf den dritten Band gespannt und gebe der Geschichte 4 von 5 Punkten.

 

Copyright © 2012 by Antje Jürgens (AJ)

21. Januar 2012

Von Aster, Christian: Armageddon TV

Filed under: Dystopie/Endzeit,Fantasy, Horror, SciFi,Roman — Ati @ 14:17

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Christian von Aster: Armageddon TV

periplaneta
ISBN13:
9783940767721
ISBN10:
3940767727
Science-Fiction, Dystopie
2. Auflage 03/2011
Taschenbuch, 216 Seiten
[D] 13,00 €

Verlagsseite
Autorenseite

Ein Blick auf seine Homepage verrät, dass sich der 1973 geborene Autor Christian von Aster als Genregrenzensaboteur und Wortartisten und in gewisser Weise auch als trotzig beschreibt. Von Aster studierte Germanistik und Kunst, schreibt Drehbücher (ohne Hoffnung auf die filmische Umsetzung hierzulande, aber es gibt ja auch die Bühne), Kurzgeschichten, Erzählungen und Romane. Nebenbei führt er auch schon mal Regie bei Hörspielen oder Kurzfilmen. Letztere wurden genau wie diverse Kurzgeschichten bereits mit Preisen bedacht. Seine Lesungen sind wegen ihrer Inszenierungen nicht nur Anhängern der Fantasy- oder Gothic-Szene ein Begriff.

 

Mein SuB, der seit 2011 irgendwie mit Hefeteig verwandt zu sein scheint, wenn ich die Ausmaße bedenke, die er mittlerweile angenommen hat, unterteilt sich in verschiedenen Kategorien. Die eine beinhaltet Bücher, die nur kurz darauf abgelegt und dann gelesen werden. Eine zweite solche, die quasi auf den richtigen Lesetag warten, weil sie mich nicht 100%ig ansprechen. In der dritten landen dann jene, die ich über mehrere Tage verteilt lesen muss, weil eventuelle Schockmomente und Gewaltszenen oder bisweilen ermüdende Erklärungen zu sehr ausufern. Es gibt noch eine vierte, die Bücher beinhaltet, die ich unbedingt noch einmal lesen muss. Dann gibt es noch jene Bücher, die es irgendwie schaffen, sich aus all diesen Bereichen meines SuBs herauszumogeln, hin und her zu wandern, oder – schlimmer noch – womöglich hinter den SuB und damit das Regal rutschen.

 

Eins dieser Bücher ist Armageddon TV von Christian van Aster, dessen zweite überarbeitete Auflage bereits im März 2011 von periplaneta herausgegeben wurde (die Originalausgabe erschien bereits 2004 im Eigenverlag). Ich kann mich noch dunkel erinnern, dass es sich anfangs in der zweiten oder dritten Kategorie befand. Jedenfalls habe ich es gestern zufällig wiederentdeckt und siehe da, es war der richtige Lesetag dafür.

 

Bevor ich damit angefangen konnte, sprach mich jemand auf meinen in seinen Augen abartig hohen Bücherkonsum an. Ich habe etwas in der Art erwidert, dass ich kein Fernsehgerät besitze, worauf ich zu hören bekam, dass das ja noch abartiger sei. Meine Erwiderung, dass angesichts des Fernsehprogramms quer durch alle Sender die Frage nach eventuellen Abartigkeiten vielleicht neu überdacht werden müsse, wurde achselzuckend abgetan.

 

Auch ohne Fernseher kann man sich bedauerlicherweise Sendungen nicht gänzlich verschließen, die davon leben, andere lächerlich zu machen oder sie zu absonderlich anmutenden Taten anzustacheln. Ich war völlig geschockt, als ich mitbekommen habe, wer sich für so ‚hochgeistige‘ Sendeformate wie Big Brother oder das Dschungel-Camp  oder diverse Casting-Dauerbrenner begeistert. Kein Wunder, dass Kinder und jugendliche heutzutage in Gruppen über (in ihren Augen) Schwächere herfallen, lernen sie in solchen Sendungen doch schon recht früh, wie angebliche Vorbilder sich Aasgeier-ähnlich verhalten und um der Einschaltquoten willen auf dafür prädestinierte Opfer einhacken. Wo das Selbstwertgefühl herkommen soll, wenn sie so mitbekommen, wie sehr manche Leute bereit sind, sich für wenige Momente im Rampenlicht zu erniedrigen, ist mir schleierhaft. Viele Erwachsene sind auch nicht besser und zwar nicht nur, weil sie die teils mehr als ätzenden Bemerkungen mancher 5-Minuten-Berühmtheiten oder Jury-Mitglieder cool finden, auch weil sie mit teils infantiler Begeisterung nacheifern, was sie sehen oder hören. Ich gebe gerne zu, dass meiner Lesewut nicht nur hochgeistige Literatur oder wissenschaftliche Abhandlungen zum Opfer fallen, aber ich lese lieber auch noch den trivialsten Heftroman und lasse mich notfalls auch als abartig titulieren, bevor ich mir so etwas antue.

 

Warum ich das schreibe? Nun, in Armageddon TV geht es nicht um Außerirdische, wie der eine oder andere jetzt vielleicht angesichts des Genres vermutet. Die Geschichte spielt ganz normal hier auf der Erde, handelt von ganz normalen Menschen (meiner Ansicht zwar nicht unbedingt geistig normal, sondern einfach der Spezies Mensch angehörend). Und irgendwie von dem, was ich gerade erwähnt habe. Von Aster bietet seinen LeserInnen eine Lektüre, die pechschwarz satirisch für Schluckbeschwerden sorgt. Einen dystopischen Einblick in eine Fernsehlandschaft, die die oben erwähnten Sendeformate noch weiter pervertiert.

 

Überaus gewinnbringend vermarktet das Medienimperium POE-Network eine Sendung, für die sie Sportler anwirbt. Klingt jetzt erst mal harmlos, ist es jedoch nicht. Neben dem Imperium selbst, verdienen sich Pharmaindustrie und Marketingunternehmen eine goldene Nase, nicht zu vergessen die Rüstungsindustrie. Ihre Produkte werden publikumswirksam bei Wettkämpfen eingesetzt, in der die Sportler eigentlich nur die gegnerische Fahne erobern müssen. Da dabei jedoch nicht mit Platzpatronen geschossen wird und sogar Panzer zum Einsatz kommen, werden die Zuschauer blutig unterhalten und Verluste kühl mit einkalkuliert. Moral war gestern, heute kann man bei Armageddon TV Chips knabbernd vom Sofa aus verfolgen, wie die um ihr Überleben kämpfenden Sportidole weggeputzt werden.

 

Und ähnlich wie bei Unfällen, werden die Blicke unwillkürlich auf bestimmte Dinge gelenkt. Man fühlt sich geschockt, angewidert (etwa vom Sendeformat im Buch) und gleichzeitig ist alles so schrecklich, dass man kaum wegsehen geschweige denn nicht weiterlesen kann.

 

Fazit:

 

Bleibt zu hoffen, dass die bitterböse, medienkritische Vision des Autors nicht irgendwann Nachahmer findet. Wirkliche Unterhaltung sieht irgendwie anders aus. Denn auch wenn van Aster alles gleichermaßen zielsicher, bitterböse und überspitzt darstellt, zeigt die Realität, dass wir grundsätzlich gar nicht so weit entfernt davon sind. Während ich las, dachte ich beständig an die vorab genannten Sendungen, in denen nicht nur von Senderseite um der der Einschaltquote willen, sondern auch von Teilnehmerseite um des Geldes willen so vieles getan wird, was der gesunde Menschenverstand nicht begreifen will. Die Manipulationsfähigkeit mancher Leute trägt sich nur, wenn andere sich manipulieren lassen. Beide Seiten beleuchtet von Aster in seinem dystopischen Roman, mal lenkt er den Fokus auf die Sportler, mal auf die Strippenzieher hinter den Kulissen. Dabei hält er die vordergründig brutalen Beschreibungen der blutigen Wettkämpfe auf einem relativ erträglichen Maß. Er streut Intrigen und Machtspielchen ein, steuert auf den Schlusskampf im Armageddon Dome zu. Das alles nicht unbedingt in einem rasanten Tempo, aber trotzdem schockierend. Ich möchte Armageddon TV vier von fünf Punkten geben und kann es allen ans Herz legen, die Geschichten mögen, die sich etwas abseits des Mainstream-Geschmacks tummeln.

 

Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)


2. Mai 2011

St. Crow, Lili: Strange Angels 01 – Verflucht

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Lili St. Crow

Strange Angels 01: Verflucht


Originaltitel Strange Angels
aus dem Englischen übersetzt von Sabine Schilasky
PAN
ISBN 9783426283455
ISBN 342628345X
Fantasy, Jungenbuch 12 – 15 Jahre
Deutsche Erstausgabe 2011
Umschlaggestaltung ZERO Werbeagentur, München
Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag, 384 Seiten
[D] Preis 16,99 €

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Lili St. Crow – unter diesem Pseudonym veröffentlicht die 1976 in New Mexico geborene und z. T. im Vereinigten Königreich auf einer Militärbasis aufgewachsene Autorin Lilith Saintcrow Geschichten und Bücher für Jugendliche, während sie sich unter ihrem richtigen Namen an ein erwachsenes Publikum wendet. Ein weiteres Pseudonym ist Anna Beguine. Die heute mit einigen Katzen und ihrer Familie in Vancouver lebende Autorin bevorzugt dabei die Genres Paranormale Romance oder Urban Fantasy.

 

Die Liste ihrer Veröffentlichungen deutet darauf hin, dass sie nicht nur seit ihrem 10. Lebensjahr gerne schreibt, sondern geradezu süchtig danach zu sein scheint. Neben der frei zugänglichen Onlineserie „Selene“, erschienen seit 2004 auch mehrere Novellen und Buchreihen der Autorin unter einem der drei oben genannten Namen.

 

2004 – 2008: Watcher-Serie, 5 Bände

2005:              Society-Serie, 2 Bände

2005 – 2008: Dante-Valentine-Serie, 5 Bände

2007:              Smoke, Mirror, Steelflower

2009:              The Demon’s Librarian

2008 – 2011: Jill-Kismet-Serie, 6 Bände

 

Wer „Selene“ verfolgt oder verfolgt hat, wird vielleicht die eine oder andere Figur aus der Dante-Valentine-Reihe wiedererkennen. Dante Valentine? Jill Kismet? Richtig, diese beiden Reihen kennen Fans des Genres aus den von LYX für den deutschen Buchmarkt übersetzten Bänden. Und dank PAN wird auch die anvisierte jugendliche Zielgruppe hierzulande etwas mit dem Namen St. Crow anfangen können. Der Verlag brachte im April 2011 den gleichnamigen Auftaktroman der bislang fünfteiligen Serie Strange Angels unter dem Titel „Verflucht“ in die Buchläden.

 

Wie bei den übrigen Büchern des Verlags kann man auch bei „Verflucht“ zunächst bereits zur Covergestaltung gratulieren. Der dunkle, matt gehaltene Umschlag zeigt ein schlafendes Mädchen, wirkt durch die Drucktechnik fast samtig, fasst sich griffig an. Die weiße Schrift des Titels leuchtet förmlich ins Auge, obwohl sie gleichzeitig etwas verschwommen und dadurch unwirklich wirkt. Und damit einen Bezug zum Buchinhalt bekommt.

 

Im Buch selbst geht es um die 16jährige Dru, die – vorübergehend – in den Dakotas lebt. Die Geschichte spielt über einen Zeitraum von einigen Tagen im Winter. Der eben erwähnte Bezug zum Buchcover zeigt sich darin, dass Dru visionsartige Träume erlebt.

 

Neben Dru geht es aber auch um Zombies und Dämonen, Vampire und Gestaltwandler. Die kennt der Teenager nicht nur aus Büchern und Filmen, sondern weiß schon von klein auf, dass sie zur Realität gehören, auch wenn die meisten Menschen nichts davon mitbekommen. Ihre Mutter ist vor Jahren gestorben. Ihre Großmutter, die sie daraufhin großgezogen hat, lebt auch nicht mehr. Einzig ihr Vater ist ihr geblieben, der Dinge jagt, die für gewöhnlich ohne nachzudenken ins Reich der Mythen und Gruselgeschichten sortiert werden. Jedenfalls, bis er eines Tages auf jemanden trifft, der ihn tötet und seiner Tochter als Zombie auf den Hals hetzt. Und er ist nicht der Einzige, der auf Dru angesetzt wird, denn in ihr schlummert ein Geheimnis. Sie selbst hat keine Ahnung, worum es dabei geht, ihr Widersacher jedoch offenbar schon, weshalb ihr gar nichts anderes übrig bleibt, als sich zu wehren.

 

Sollten hier Buffy und Konsorten in leicht variierter Form à la Supernatural wiederauferstehen?

 

Steckt in der Geschichte nur ein weiterer Teenager, der unwahrscheinlich zäh, widerspenstig und nicht totzukriegen ist? Der seinen Daseinszweck allein im Killen von Monstern und nebenbei im Anschmachten eines übernatürlichen Wesens sieht? Der schlaflose Nächte en masse erlebt, horrormäßige Gestalten einfach so im Kickboxstil vernichtet und das Erlebte auch noch problemlos wegsteckt? Ein Teenie, der cool damit umgeht, dass er den zum Zombie mutierten eigenen Vater töten muss, um zu überleben?

 

Glücklicherweise wird man in „Verflucht“ davon verschont. Dru ist trotz ihres Wissens um die Anderen ein völlig normales Mädchen, das – zumindest im Auftaktroman – keine übermäßig übernatürlichen Kräfte in sich bündelt. Sie kann sich wehren, sie kann mit Waffen umgehen, doch sie ist keine Heldin, die über allem steht und nebenbei stets noch perfekt gestylt ist. Sie ist ein junges Mädchen, das neben den ganz normalen Problemen wie Schule und Erwachsenwerden auch damit kämpfen muss, mit den ständigen Ortswechseln zu leben, die das Leben mit ihrem Vater und seinen Aufträgen so mit sich bringt. Keine gute Voraussetzung um Freundschaften zu schließen. Dru ist trotzig und in gewisser Weise zornig. Wenn man alle auf Abstand hält, fällt das Abschiednehmen gar nicht erst schwer. Einsam – so stellt sich Dru dar. Dru muss schreien und weinen, ist verzweifelt und ängstlich. Eben eher eine Gejagte als eine Jägerin.

 

Trotzdem schreckt sie einen Jungen nicht ab: Graves, ebenfalls ein Außenseiter, der sich nach und nach als ein Junge herausstellt, der ohne festen Wohnsitz auch niemanden hat, der sich um ihn kümmert, spricht sie an. Und als kurz darauf Dru’s kleine Welt durch den doppelten Tod ihres Vaters zusammenbricht, ist er es, der ihr hilft. Er bietet ihr neben einem Unterschlupf eine Schulter zum Anlehnen, obwohl er nicht einmal andeutungsweise ahnt, worauf er sich da einlässt. Er fragt nicht viel, sondern handelt. Er schreckt nicht vor dem zurück, was ihn da überrollt, sondern stellt sich dem Ganzen – ebenfalls nicht cool und abgeklärt, sondern eher wie jemand, der nach dem Prinzip mitgehangen-mitgefangen lebt. Was hier ins Auge fällt, ist, dass Graves, ganz unauffällig eine erwachsene und erzieherische Rolle einnimmt, indem er Dru auf „wichtige“ Dinge im „normalen“ Leben verweist und sie animieren möchte, sich daran zu halten. Was in vergleichbaren Romanen oftmals von Erwachsenen ausgeht und dadurch bisweilen eher ermüdend-belehrend als motivierend wirkt, stellt sich im Hinblick auf seine Person durchaus überlegt und schlüssig dar.

 

Wer zwischen Graves und Dru eine Liebesgeschichte vermutet, wird enttäuscht. Dafür gibt es zunächst eine Geschichte über eine sich anbahnende Freundschaft und Vertrauen, über Werte, Perspektiven und Ziele. Alles andere wäre fehl am Platz, zu heftig ist das, was die beiden erleben. Bereits anfangs der von Dru erzählten und von ihren Gedanken durchsetzten Geschichte wird klar, dass die Autorin nicht sehr zartfühlend mit ihnen umgeht. Die Leser werden nicht von gut aussehenden Blutsaugern und scheinbar unwiderstehlichen Werwölfen an-, sondern von zerfallenden Zombies und beißwütigen Gestaltwandlern ins Geschehen gezogen. Dru und Graves machen gezwungenermaßen das, was zum Überleben notwendig ist, sind dabei aber verletzlich und auch durchaus wehrlos. Beide Charaktere wirken mit ihren Schwächen und in ihrer Hilflosigkeit bei allem was sie tun lebensecht. Flüssig verwebt die Autorin die fantastischen Elemente mit dem realen Hintergrund zu einer Atmosphäre, die den Leser schnell einhüllt, auch Erwachsene hin und wieder schlucken lässt, jedoch nicht nur platt auf blutrünstigen Horror abzielt. Gegen Ende von „Verflucht“ bekommen die beiden Hilfe durch den nach Apfelkuchen duftenden Blutsauger Christope, der eine nicht gleich einfach und klar zu definierende Rolle spielt.

 

Ein kleines Manko ist, das Dru’s Gedanken, die als kursiver Text dargestellt werden, sich häufen. Was einerseits gut zu ihrer inneren Zerrissenheit passt, stört andererseits in seiner Häufigkeit. Durch Wiederholungen bestimmter Dinge entwickeln sich zusätzlich Längen. Zumindest Letztere werden jedoch meist schnell von spannungsreichen Momenten abgelöst und gehen in dem grundsätzlich flüssigen Schreibstil fast unter.

 

Ein weiteres Manko stellt die von der Autorin gewählte Erzählform dar. Man sieht alles aus Dru’s Sicht, kann so nur ihrem Fokus folgen und verschiedenen Zusammenhänge nicht ohne Weiteres erkennen. Obwohl letztendlich alles verwoben wird, sucht man manchmal den roten Faden. Ein Perspektivwechsel hätte hier gut getan, obwohl der Leser an sich in diesem Buch mit einer Fülle an Informationen versorgt wird. Sie ergeben sich aus Rückblicken auf Dru’s bisheriges Leben, aus Träumen, Andeutungen, Ahnungen; was alles in allem für einen trotz allem gelungenen Auftakt der Strange-Angels-Reihe sorgt. Das nachvollziehbare Verhalten der lebensecht wirkenden Hauptfiguren tut ein Übriges.

 

Letztlich wird bereits mit diesem ersten Band klar, dass die Bücher der Reihe vermutlich nicht in sich abgeschlossen und separat lesbar sind. Das Ende von „Verflucht“ ist völlig offen. So wird weder das Geheimnis um Dru gelüftet, noch die Rolle des eben erwähnten Blutsaugers ganz klar. So ist ungeklärt, was aus Graves wird oder wer wirklich hinter dem Mord an Dru‘s Vater steckt. Dieses Ende kann jedoch bei allen Fragen schwer als Cliffhanger bezeichnet werden.

 

Fazit

 

Die fehlenden Antworten macht Lust auf die im Herbst erscheinende Fortsetzung „Verraten“, zumal bereits jetzt erkennbar scheint, dass die Geschichte sich steigert. Die kleinen Schwächen sorgen dennoch für einen Punkteabzug, weshalb ich nur vier Punkte von fünf Punkten vergeben möchte. Zudem habe ich bei der Altersfreigabe ab 12 Jahre Bedenken, da die Zombiepassagen doch sehr anschaulich beschrieben sind.

 

Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

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