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9. November 2010

Sands, Lynsay: Vampire sind die beste Medizin

Filed under: Fantasy, Horror, SciFi — Ati @ 02:04

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Vampire sind die beste Medizin

von Lynsay Sands

 

Originaltitel: Vampires Interrupted

Lyx

ISBN 978-3802583735

Romantic-Fantasy, Vampire

Dt. Erstausgabe 2010

Aus dem Amerikanischen von Ralph Sander

Taschenbuch, 364 Seiten

€ 9,95 [D]

 

http://www.egmont-lyx.de

http://www.lynsaysands.net

 

 

Zur Autorin

 

Die in der kanadischen Provinz Ontario geborene Autorin Lynsay Sands studierte Psychologie. Ihr erster Roman wurde nach Beendigung ihres Studiums veröffentlicht. Sie verfasste mehrere zeitgenössische und historische Romane und liest selbst gerne Horror- oder Liebesromane. Ihre Serie über die Familie Argeneau ist einer der erfolgreichsten Vampirserien der USA und erfreut sich auch bei uns großer Beliebtheit. Die Autorin lebt und arbeitet heute im Norden Englands.

 

Zum Buch

 

Für alle, die noch nie etwas von Sands oder den Argeneaus gelesen oder gehört haben sollten: Mit einem an Philipps oder McAlister erinnernden und doch auch ganz eigenen Schreibstil hat die Autorin die Welt einer Vampirfamilie geschaffen, die (zumindest teilweise) in Atlantis geboren wurde und durch nanotechnologische, medizinische Fortschritte vor dem Untergang dieser mystischen Welt zu (Fast-)Unsterblichen wurden. Zum Überleben brauchen sie Blut. Sie können sich durch Geburten vermehren und sie können Menschen durch Bisse wandeln. Doch die Vampire von Sands entsprechen dem modernen Vampirtyp. Was bedeutet, dass sie ihre Opfer nicht töten und Sonnenlicht ihnen zwar nicht unbedingt gut tut, sie aber auch nicht in Rauch aufgehen lässt. Sie gehen normalen Berufen nach, leben unter und teilweise mit Menschen, und haben im Laufe der Zeit die eine oder andere Eigenart angenommen und/oder (emotionale) Verletzung davon getragen. Die Vampire dürfen nur einen Menschen in ihrem Leben wandeln, wenn sie sich nicht von vornherein mit einem anderen Vampir zusammentun. Aufgrund ihrer langen Lebensdauer ist eine genaue Wahl des Partners sehr wichtig, allerdings gibt es eine Eigenheit unter Menschen wie Vampiren, die quasi von selbst für den richtigen Partner sorgt. Jedenfalls für denjenigen, der die Ausdauer besitzt, auf den richtigen zu warten. Die Überzeugung der Autorin, dass etwas Humor in allen Lebenslagen hilft, kommt in der Serie zum Tragen. Denn neben der Fantasy-Romance-Thematik kommen humorige Szenen nicht zu kurz.

 

Marguerite Argeneau, die kuppelfreudige Mutter/Tante/demnächst-Oma der Argeneau-Familie, will eigentlich nur alle glücklich sehen. Nachdem sie in den vorangegangenen acht Bänden der Vampirserie für die Anbahnung der Beziehungen der einzelnen Familienmitglieder gesorgt hat, schwimmt sie sich 75 Jahre nach dem Tod ihres Mannes aus ihrer 700jährigen katastrophalen Ehe auch selbst langsam frei.

 

Der neunte Band Vampire sind die beste Medizin ist ihr gewidmet. Sie arbeitet als Detektivin und ihr Job führt sie nach England, wo sie die Mutter eines Vampirs ausfindig machen soll. Dessen Vater sträubt sich allerdings mit aller Macht dagegen. Die Frau, auf die Marguerite und ihr Partner angesetzt sind, wollte vor mehreren Jahrhunderten genau den Sohn töten lassen, der sie jetzt suchen lässt. Zwischen Julius (dem Vater ihres Auftraggebers) und ihr funkt es quasi sofort, denn beide merken, dass sie besagte Eigenheit besitzen, die sie zum Seelengefährten des anderen machen könnte. Allerdings gestehen sie sich das erst einmal nicht ein und der Umstand, dass beide reichlich eingerostet sind, was zwischenmenschliche bzw. zwischenvampirische Beziehungen betrifft, reizt bisweilen zum Lachen. Die angeblich verschollene Mutter ist eigentlich zum Greifen nah und behindert gleichzeitig in gewisser Weise eine Annäherung der beiden. Es kommt zu einigen Verwicklungen und jemand trachtet Marguerite nach dem Leben. Ein Umstand, der Julius dazu bringt, sich auf ihre Seite zu schlagen und ihr dabei zu helfen, Licht in die vertrackte Familiengeschichte zu bringen. Und sie ganz nebenbei und wirklich für sich zu beginnen.

 

Meine Meinung:

 

Wie auch die übrigen Bände lässt sich die Geschichte Marguerites, obwohl alle miteinander verwoben sind, völlig für sich lesen. Auch hier wird auf die Lebensgefährtenthematik eingegangen und die Entstehungsgeschichte der Vampire mit wenigen Worten umrissen. Vielleicht liegt es daran, dass ich es in den vorangegangenen Büchern bereits zu oft gelesen habe. Doch obwohl es, liest man Marguerites Geschichte separiert, sicher ganz praktisch ist, alles nochmals in Vampire sind die beste Medizin nachlesen zu können, störte mich die Sache mit den Lebensgefährten dieses Mal etwas.

 

Abgesehen davon führt die Autorin ihre Leser aber gewohnt kurzweilig an Marguerites Seite durch die Geschichte und lässt sie an dem Dilemma teilhaben, das sich aus einer Ehe mit jemandem ergibt, der einen völlig kontrollieren kann. Selbst wenn man über 700 Jahre alt ist, können sich da enorme Minderwertigkeitskomplexe halten, die in eine neue Beziehung hineinspielen. Vor allem, wenn sich herausstellt, dass besagter Ehemann sogar über den Tod hinaus noch Macht auf sie auszuüben scheint und womöglich gar nicht tot ist. Oder auch an Julius Problemen, die sich aus seinem Wissen um die Mutter seines Sohnes ergeben, als er feststellt, dass damals nicht alles so war, wie es den Anschein hatte. Dass diese Mutter eher Opfer als Täterin war. Und er sie weder vergessen kann noch wirklich will.

 

Sands Vampire sind nach wie vor trotz ihrer körperlichen Besonderheiten menschlich. Machen Fehler oder begehen Dummheiten. Sie müssen nicht gegen etwas übernatürlich Böses kämpfen oder abgehobene Abenteuer bestehen. Vielmehr quälen sie sich mit den gleichen Problemen herum wie wir. Eifersüchteleien, Neid, Missachtung bis hin zu Hass. Ansonsten machen Marguerite und Julius einfach das, was Vampire in Fantasy-Romance-Romanen tun: Sie verlieben sich und müssen auf dem Weg zum Happy End einige Unwägbarkeiten meistern.

 

Die Lösung des Rätsels kommt etwas zu kurz und war bereits beim ersten Gespräch zwischen Marguerite und der Person, die sie töten will, für mich vorhersehbar. Dieser Teil hätte mehr ausgebaut werden können, lässt er doch den Teil der Geschichte, der für Spannung sorgen sollte, zu flach ausklingen.

 

Fazit:

 

Fortsetzung mit kleinen Schwächen. Dank Sands Schreibstil jedoch gewohnt lustig und kurzweilig. Ein Buch zum Entspannen. Da die Reihe noch ein paar Bände weitergehen soll (zumindest die amerikanischen Originalausgaben, in Deutsch ist bislang nur ein Folgeband für nächstes Jahr angekündigt) bleibt die Hoffnung, dass die Autorin wieder die Spritzigkeit und Spannung der ersten Bände erreicht.

 

Copyright © 2010 by Antje Jürgens

1. November 2010

Zehm, Carsten: Die Chroniken der Reisenden – Staubkristall

Filed under: Abenteuer,Fantasy, Horror, SciFi,Jugendbuch — Ati @ 11:55

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Carsten Zehm
Die Chroniken der Reisenden – Staubkristall

ACABUS Verlag Hamburg
ISBN 978-3941404045
Fantasyroman
Originalausgabe 2010
Umschlaggestaltung grafikdesign-silvia.de
Taschenbuch 232 Seiten
€ 14,90 [D]

Verlagsseite www.abacus-verlag.de

Autorenseite www.carsten-zehm.de und www.chroniken-der-reisenden.de

 

Zum Autor

 

Der 1962 in Erfurt geborene Berufsschullehrer und Autor stellt mit „Die Chroniken der Reisenden – Staubkristall“ seinen ersten Roman vor. Die Idee zu der in diesem Buch erwähnten „Schwelle“ kam ihm bereits in seiner Jugend. Doch obwohl er sich schon immer gerne dem Fantasygenre (mit Ausflügen zu Märchen, Krimis und Horror) widmete, schrieb er lange Zeit nur Kurzgeschichten. Viele davon wurden ab 2004 in diversen Anthologien oder der Tagespresse veröffentlicht. 2009 erschien sein erstes Kinderbuch.

 

Zum Buch/Meine Meinung

 

Was, wenn unsere Erde nur eine Erscheinungsform von vielen ist, nur eine Ebene von scheinbar unendlich vielen Parallelwelten? Was, wenn diese Welten durch ein System miteinander verbunden sind?

Es ist die ‚Schwelle’, welche Reisende auswählt und diese auf andere Ebenen der Erde schickt, weil sie dort eine Aufgabe zu erfüllen haben.
Ihre Abenteuer sind festgehalten in den ‚Chroniken der Reisenden‘.

Nach diesen vielversprechend klingenden Worten habe ich mich neugierig an den 232 Seiten starken Roman gemacht – und ihn in einem Rutsch durchgelesen. Und ich bin sicher, dass es vielen Lesern ebenso gehen wird.

 

Warum? Eigentlich ist die Idee nichts grundsätzlich Neues. Es geht um die bekannte Erzählung von Zerstörung und Vertreibung aus dem Paradies, und dem Versuch es wieder zurückzugewinnen. Es gibt eine uralte Prophezeiung, die Möglichkeit zwischen Welten zu wandeln, die zur nah und doch unerreichbar scheinenden Lösung des Problems führt. Menschen gelangen in eine andere Welt und müssen eine nahezu unlösbare Aufgabe erfüllen, um diese Welt zu retten, bevor sie wieder in ihre eigene zurückdürfen. Etwas Altbekanntes also, das aber so wie von Zehm beschrieben zu einem kurzweiligen und packenden Lesegenuss wird.

 

Wer in diese Fantasywelt – wie auf der Buchrückseite beschrieben, eine parallele Ebene der Erde, in der die Uhren etwas anders gehen und fremdartige Pflanzen und Wesen existieren, aber durch die gleich aussehenden Gestirne eben doch ein Bezug zu unserer Welt da ist – eintaucht, bekommt sehr klar gezeichnete Figuren zu sehen. Der Leser der Chroniken wird in ein wunderschön gewobenes Geflecht aus Abenteuer, Liebe, Hoffnung und Verzweiflung geführt. Läuft durch die herrlichen Beschreibungen von Figuren und Landschaften quasi neben dem Protagonistenpärchen her und lacht oder leidet mit ihnen.

 

Auf ihrer Hochzeitsreise, zu der sich Karen nur widerstrebend überreden lässt, weil es sich nicht um einen von ihr favorisierten Pauschalurlaub, sondern um eine Trekkingtour in Deutschland handelt, geraten die beiden in unvorhergesehene Schwierigkeiten. Einer inneren Stimme folgend, macht sich Mihai auf, einen alten Stollen zu erkunden und als Karen ihm zunächst besorgt, dann eher leicht wütend folgt, muss sie mit Entsetzen feststellen, dass ihr Mann gerade durch einen Felsen vor ihren Augen verschwindet. Ohne groß nachzudenken, greift auch sie in diesen Stein, wagt einen Schritt nach vorne, dann noch einen und landet plötzlich, genau wie Mihai vor ihr, in der anderen Ebene. Ein Zurück gibt es nicht.

 

Das junge Paar – ganz Mensch – denkt sich zuerst irgendwo sicher Hilfe finden zu können. Wer geht schon bei genauerem Nachdenken einfach so durch Felswände, nachdem eine Stimme ihn gerufen hat? Es darf einfach nicht sein, was nicht sein kann. Sie marschieren los, in der Hoffnung eine Straße, Ansiedlung, Menschen zu finden. Doch bei einer Rast beginnt Mihai, genauer hinzusehen. Ihm fallen Merkwürdigkeiten an den Insekten auf. Es gibt keine größeren Tiere. Der Wald ist eigentümlich rötlich gefärbt, worauf der Verdacht in ihm erwacht, dass sie durch einen dummen Zufall auf einem atomaren Testgelände gelandet sind. Als sie kurz darauf Geräusche hören, die auf Funkgeräte schließen lassen und Gestalten sehen, die den Wald durchstreifen, versuchen sie so unsichtbar wie möglich zu bleiben, denn die Gestalten scheinen bewaffnet. Und bevor sie noch richtig begreifen, dass sie riesige aufrecht gehende Echsen vor sich haben, werden sie schon von diesen gefangen genommen und nicht sehr sanft, aber überaus neugierig betrachtet. Die Geräusche kamen nicht aus Funkgeräten, sondern direkt von den sich unterhaltenden Echsen. Es scheint keine Möglichkeit der Verständigung zu geben. Bis sie nach einigen Problemen in die Siedlung der Echsen kommen und durch einen sogenannten Hüter und dessen Nachfolgerin, die ihre Sprache sprechen, die eine oder andere Unklarheit ausgeräumt werden kann bzw. erst neu entsteht. Denn obwohl die Echsen schon mit Reisenden der Ebenen in Kontakt gekommen sind, ist ihnen noch nie jemand begegnet, der völlig unvorbereitet, zu zweit und vor allem ohne ihr Wissen in der Echsenebene gelandet ist. Die Echsen bemerkten, dass jemand eintraf, haben aber genau wie die Menschen keinen Plan, was diese genau machen sollen.

 

Doch sehr schnell kristallisiert sich heraus, dass sie den Staubkristall – eine uralte Waffe – zurückholen müssen, der kurz zuvor aus dem Dorf gestohlen wurde. Eine ebenso alte Prophezeiung sagt voraus, dass nach der Zerstörung der Echsenebene auch andere Ebenen der Erde vom Schattenherrn (dem Dieb des Kristalls) und dem von ihm geschaffenen Wesen erobert werden. Bereits jetzt scheint die Sonne nur noch durch einen grauen Schleier hindurch, raubt den Echsen zunehmend Kraft und zerstört sukzessive die Ebene der Echsen samt ihren Bewohnern.

 

Die beiden machen sich also auf, ihre Mission zu erfüllen. Begleitet von Echsen, die ihnen alle nicht feindlich, sondern freundschaftlich gesonnen sind. Echsen, die geistig hoch entwickelt sind, obwohl sie andererseits wie in der Steinzeit leben. Die, obwohl man es nicht einfach so sieht, tief empfinden und Moralvorstellungen haben. Echsen, die ihr eigenes Leben opfern, um das ihre zu retten. Denn Karen zieht wieder und wieder Kreaturen an, die ansonsten nie auf den Gedanken kämen, die Echsen anzugreifen. Auch die Pflanzen scheinen sich letztlich gegen sie verschworen zu haben.

 

Die Reise und Aufgabe der Menschen und ihrer Echsenfreunde ist lang und beschwerlich und wird immer schwieriger, weil die Kraft der Echsen mit dem immer weniger werdenden Sonnenlicht zusehends schwindet. Weil Verletzte und Tote zu beklagen sind. Zuletzt müssen Karen und Mihai alleine weiterziehen und gegen den Schattenherrn kämpfen. Ein Kampf, der einen hohen Preis fordert. Ein Kampf, der von vornherein eher für Karen als für den „gerufenen“ Mihai gedacht war? Zumal der Schattenherr ein besonderes Interesse an Mihai hat.

 

Besonders gefallen hat mir, dass Zehm seine „Menschen“ menschlich kämpfen ließ. Genau wie die Echsen. Diese Geschichte kommt ohne Zaubersprüche aus. Es werden keine Feuerbälle wie so oft geschleudert. Es gibt keine wirbelnden Lichtschwerter. Mit Pfeil und Bogen, Messern und vor allem Köpfchen müssen sich Karen und Mihai und ihre Freunde verteidigen und angreifen. Ihre tierischen oder pflanzlichen Widersacher, die unter dem Einfluss des Schattenherrn stehen, werden nicht einfach als böse klassifiziert. Die Unterhaltungen zwischen Hüter und Menschen weisen die Eigenheiten auf, die eben auftauchen, wenn unterschiedliche Menschen bzw. Sprachen aufeinandertreffen und nur einer davon beide Sprachen kann. Es gibt kleinere Probleme, obwohl man im Großen und Ganzen miteinander reden kann. Karen und Mihai werden nicht zu übernatürlichen Helden stilisiert. Zehm lockert ihre Unterhaltungen mit kleinen Wortgefechten und Spitzfindigkeiten auf, die ich in kaum einem anderen Roman jemals auch nur angedeutet so gelesen habe und die die beiden einfach nur menschlich machen. Zu jemandem, der direkt neben uns leben könnte. Lässt sie lebendige Unterhaltungen führen, die teilweise vielleicht sogar an eigene Gespräche erinnern. Sie Erzieherin, er Lehrer. Sie Tochter einer Alkoholikerin, er ehemals selbst am Abgrund des Drogensumpfs. Genau das ist es übrigens, was die beiden zusammenschweißt und Kraft für das zu absolvierende Abenteuer gibt.

 

Fazit

 

Der Schreibstil Zehms, seine spannende Umsetzung einer an sich nicht unbekannten Idee: Für diese Geschichte würde ich auf einer Skala von 1 – 5 Punkten die volle Punktzahl vergeben. Es herrscht eine gesunde Ausgewogenheit zwischen Kampfszenen, dem Herantasten der unterschiedlichen Figuren untereinander, der Beziehung zwischen Mihai und Karen. Nichts wird irgendwo kopflastig oder zäh. Eine lebendige Geschichte, die sowohl für Jugendliche wie auch Erwachsene lesenswert ist.

 

Der letzte Satz im Buch macht Hoffnung auf eine Fortsetzung dieser, in meinen Augen empfehlenswerten, Fantasiegeschichte.

 

Copyright © 2010 by Antje Jürgens

 

23. Oktober 2010

Stroud, Jonathan: Bartimäus – Der Ring des Salomo

Filed under: Abenteuer,Fantasy, Horror, SciFi,Jugendbuch,Roman — Ati @ 09:49

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Bartimäus – Der Ring des Salomo

von Jonathan Stroud

 

Titel der englischen Originalausgabe: Bartimaeus – The Ring of Solomo

cbj, München

ISBN 978-3-570-13967-7

Fantasy, Jugendbuch

1. Auflage 2010

aus dem Englischen von Katharina Orgaß und Gerald Jung

Umschlaggestaltung Klaus Renner

Hardcover, 480 Seiten

€ 18,99 [D]

www.cbj-verlag.de

www.jonathanstroud.com

 

Zum Autor

 

Der in Bedford/England geborene und bei London lebende Jonathan Stroud schreibt bereits seit 33 Jahren Geschichten, hat also seine Vorliebe dafür bereits mit sieben Jahren entdeckt. Nachdem er Jahre später zunächst als Lektor für Kindersachbücher tätig war, beschloss er nicht nur seine eigenen Kinderbücher zu veröffentlichen. Er wollte sich auch fortan ganz dem Schreiben widmen. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

 

Zum Buch

 

„Bartimäus – Der Ring des Salomo“ ist eigentlich die Entstehungsgeschichte zu den bereits veröffentlichten Bänden der Bartimäus-Trilogie. Ein in sich abgeschlossenes Buch, in dem es um einen gewitzten, stets zu Streichen aufgelegten Dschinn geht, der immer wieder wider Willen von Magiern heraufbeschworen wird. Man kann es völlig unabhängig von der Trilogie lesen.

 

Gleich zu Beginn folgt eine Liste der Hauptpersonen, eine Karte mit den Ländern Israel, Saba und deren Umgebung zum Handlungszeitpunkt. Nach dem eigentlichen Schluss der Geschichte kommen noch Anmerkungen zu Zauberei und Geistern. Und nach Erwähnung der Trilogie ein kleines Kapitel, von dem ich ausgehe, dass es sich um ein Kapitel des ersten Bandes der Trilogie handelt – die ich leider noch nicht gelesen habe.

 

Doch zum Inhalt. Bartimäus ist ein Dschinn. Ein Wesen, das seinem Meister alle Wünsche erfüllen muss. Sein Herr ist Magier am Hofe König Salomos 959 v. Chr. in Jerusalem. Salomo wiederum, Hüter eines Ringes, der ihm unendliche Macht und Reichtum verleiht, scheint sich alle umliegenden Königreiche untertan machen zu wollen. Er schreckt nicht davor zurück, den Geist des Ringes heraufzubeschwören, um seine Macht zu erhalten und sein Gefolge gefügig zu halten.

 

Als Salomo das Königreich Saba bedroht, schickt die Königin eine ihrer Wächterinnen nach Jerusalem. Diese soll den König töten und den Ring nach Saba bringen. Asmira, die Wächterin macht sich sofort auf den Weg und trifft dabei auf Bartimäus und seinen Herrn. Mit ihrer Hilfe gelangt sie schneller als erwartet in den Palast Salomos.

 

Doch dort stellt sich heraus, dass nicht alles so ist, wie es scheint. Ihr blinder Gehorsam gegenüber ihrer eigenen Königin ist plötzlich infrage gestellt, als sie mit Bartimäus Hilfe in den Besitz des Ringes zu kommen versucht. Ist Salomo ein tyrannischer Machthaber oder gehen hinter seinem Rücken Dinge vor, die er nicht weiß? Herrscht er oder wird er beherrscht? Sie und der Dschinn müssen einige Schwierigkeiten meistern und um ihr Leben kämpfen.

 

Meine Meinung

 

Ich würde das Buch in die Kategorie All-Age (zumindest ab 14 aufwärts) einsortieren und wurde von der ersten bis zur letzten Seite gut unterhalten. Stroud hat mich in eine fantastische Welt aus Zauberern, Kobolden, Dämonen und Menschen eintauchen lassen. Der Schauplatz ist größtenteils im antiken Jerusalem, wobei Zeit und Ort vermutlich auch hätten beliebig ausgetauscht werden können, denn es ist gewissermaßen eine ganz eigene Welt, in die man sich beim Lesen begibt. Am Ende kommt wie gesagt vermutlich der Auftakt der Trilogie. Jedenfalls landet der Dschinn in der modernen Zeit bei einem Jungen in London.

 

Doch soweit ist es anfangs noch nicht. Bösartige und gewalttätige Dschinns werden beschrieben, die immer bereit sind auf ihren Herrn zu stürzen und diesen zu töten, sobald dieser die kleinste Schwäche zeigt. Und ihre Sehnsucht nach Freiheit, die genau genommen nie erfüllt wird, denn jeder der ihren Namen kennt, kann sie heraufbeschwören und sie müssen ihm bedingungslos gehorchen oder werden bestraft. Bartimäus ist ein bereits uralter Dschinn, sarkastisch und humorvoll und trotz seiner Hinweise auf seinen Appetit kommt er liebenswert herüber. Er glaubt an das Gute im Menschen, als er auf Asmira trifft, und wird gewissermaßen belohnt. Sie schafft es nicht nur, den Bann, der ihn an seinen bisherigen Herrn bindet, zu brechen (an der Stelle habe ich mich köstlich amüsiert, wer die Gelegenheit hat einen Blick auf die Seiten 276-280 zu werfen, weiß vielleicht warum). Sie verspricht ihm auch die Freiheit, sobald er ihr geholfen hat, den Ring zu bekommen. Asmira wiederum würde alles für ihre Königin tun, sogar ihr eigenes Leben opfern. Blind gehorcht sie jedem Befehl, bis sie zu begreifen beginnt, dass Gehorsam vielleicht nicht alles ist und es zwischen Schwarz und Weiß viele Grautöne gibt.

 

Stroud lässt zum einen Bartimäus selbst zu Wort kommen, zum anderen wird die Geschichte von einem Beobachter erzählt. Was mich anfangs etwas störte, waren die Fußnoten, die keiner eigentlichen Erklärung dienen, sondern genau genommen teilweise recht biestig-eloquente Gedanken des Dschinns sind. Doch das war wie gesagt nur anfangs, was vielleicht wiederum am äußerst lebendigen Stil und modernen Sprachgebrauch des Autors liegen könnte. Damit führt er einen leicht verständlich in die Handlung ein, wobei er gleichzeitig von Anfang an Spannung aufbaut. Seine Ideen sind durchdacht, nichts wirkt langatmig. Die Beschreibung seiner Figuren, wie auch ihrer Erlebnisse ist detailliert.

 

Fazit

 

Das Buch hat eindeutig nicht nur für Jugendliche Unterhaltungswert. Mich hat es auf die bereits 2006/2007/2008 erschienene Trilogie mehr als neugierig gemacht. Auf einer Skala von 1 – 5 bekommt „Bartimäus – Der Ring des Salomo“ die volle Punktzahl, weil einfach alles stimmt.

 

Copyright © 2010 Antje Jürgens

21. Oktober 2010

Morris, Sally Ann: Geister küsst man nicht

Filed under: Fantasy, Horror, SciFi,Roman — Ati @ 10:37

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Geister küsst man nicht

von Sally Ann Morris

 

Titel der englischen Originalausgabe „Trick or Treat“

Rowohlt Verlag

ISBN 978-3-499-25518-2

Roman

Deutsche Erstausgabe 2010

aus dem englischen von Sabine Maier-Längsfeld

Umschlaggestaltung any.way Hannah Krause

Taschenbuch, 352 Seiten

€ 8,95 [D]

 

www.rororo.de

 

 

Zur Autorin:

 

Auszug aus der Verlagsseite: Sally Anne Morris lehrte über zehn Jahre Psychologie, bevor sie mit dem Schreiben begann. Ihr Studium finanzierte sie mit Hilfsarbeiten als Kurierfahrerin, Erntehelferin und Kellnerin. Früher mochte sie laute Musik, Motorräder und Mode aus den 50ern. Heute lebt sie mit einem ehemaligen Rockmusiker und ihren zwei Kindern in London. Die Vorliebe für Kleider aus den 50ern ist geblieben. (Weitere infos unter www.sallyannemorris.com)

 

Zum Buch/Meine Meinung:

 

Die Inhaltsangabe gibt schon mal gut wieder, worum es in dem Buch geht.  Wenngleich man Lucy nicht unbedingt unterstellen kann, ein Liebesleben zu haben. Es sei denn, man zählt einen gut aussehenden Arbeitskollegen dazu, der sich lediglich aufgrund einer Wette mit ihr einlässt. Was sie aber hat, ist ein SBF (schwuler bester Freund, in den sie quasi verliebt ist) und eine leicht durchgeknallte aber schöne und erfolgreiche beste Freundin, die schon mal die Rechnung für das Dreigespann übernimmt, wenn die anderen beiden wieder einmal pleite sind. Alle drei sind Singles, mehr oder weniger glücklich darüber, um die Dreißig und damit am Scheideweg. Das Ganze spielt in England, wobei der Schauplatz der Geschichte sich auch überall auf der Welt befinden könnte. Lucys Mutter ist eine reichlich durchgeknallte Esoterikerin, mit der Lucy eigentlich so gar nichts am Hut hat. Sie selbst ist bei ihrer Großmutter aufgewachsen und sehnt sich nach einem normalen Leben mit gesichertem Einkommen und einem Mann an ihrer Seite. Also eins der Bücher, die es schon zuhauf gibt.

 

Spaß hat die Lektüre trotzdem gemacht. Der Schreibstil der Autorin ist flüssig, leicht und spritzig. Es gab Passagen, bei denen ich reichlich verwirrte Blicke aus meiner mehr oder weniger unmittelbaren Umgebung geerntet habe, weil ich angesichts dessen, was ich gerade gelesen hatte, einfach loskichern musste. Mit „Geister küsst man nicht“ hat man definitiv ein Buch zum Entspannen in der Hand. Wobei ich anmerken muss, dass nicht alles so spritzig leicht rüberkommt, wie die Inhaltsangabe es andeutet. Dies trifft auf den ersten Teil des Buches zu, als Lucy und Jonathan aufeinander aufmerksam werden und er sich, wie Falschgeld, in ihr Leben drängt. Der Wechsel in den nicht so unbeschwerten Teil geht recht sprunghaft und ist auch nur kurz, bevor alles wieder in einer entspannenden Leichtigkeit endet.

 

Nach dem überraschenden Auftauchen des Geistes kann Lucy ihre Freunde ebenso wenig wie sich selbst davon überzeugen, dass alles mit rechten Dingen zugeht und ihre Psyche ihr wegen Dauerbelastung lediglich einen unschönen Streich spielt. Spätestens als Gegenstände durch ihre Wohnung fliegen, karren Jojo und Nigel die mittlerweile recht verzweifelte Lucy zu ihrer Mutter, weil sie sich am ehesten Rat von dieser erhoffen. Die bringt allerdings nur insofern etwas Licht ins Dunkel, als sie Lucy von einem Ritual erzählt, dass anlässlich ihrer Geburt für sie abgehalten wurde und in dem sie quasi für eine besondere Gabe gesegnet wurde. Lucy sieht nicht nur im Erwachsenenalter Geister. Sie hatte schon in ihrer Kindheit einen unsichtbaren Freund, tat ihn allerdings ab einem gewissen Alter als Fantasiegestalt ab. Jetzt scheint ihre Gabe wieder hervorzubrechen. Der frisch verstorbene Geist Jonathan will eigentlich nur eines von ihr, dass sie seiner trauernden Verlobten eine Nachricht überbringt. Doch das ist gar nicht so einfach. Erstens, weil Lucy und Jonathan sich erst einmal aneinander gewöhnen müssen. Zweitens, weil Jonathans Kräfte schwinden, je öfter er sich ihr zeigt. Doch das erfahren die beiden erst nach und nach.

 

Und während Lucy noch versucht, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen und nach Möglichkeiten strebt, ihre „Gabe“ zu nutzen, bekommt sie nicht mit, wie sich das Leben ihrer Freunde drastisch zu verändern beginnt. Im Laufe der Geschichte kommt Lucy mit einer Gesellschaft in Verbindung, die sich der „Erforschung anormaler Phänomene“ verschrieben hat. Da kommt dann ein leichter Gruseltouch hinzu, denn die Mitglieder der Gesellschaft beschwören mit Lucy etwas herauf, das nicht ganz so nett wie Jonathan ist und ihr Leben in Gefahr bringt. Jonathan wiederum organisiert Leidensgenossen aus seiner neuen Welt, die Lucy helfend zur Seite eilen und plötzlich hat sie nicht nur einen Geist, sondern gleich sieben an ihrer Seite und für alle soll sie Botschaften überbringen. Eine Aufgabe, die sich stellenweise sehr leicht und stellenweise fast unmöglich zu gestalten scheint. Simon, eines der Mitglieder der Gesellschaft, unterstützt sie bei ihrer Aufgabe. Lucy und er kommen sich dabei näher und gerade, als sich herauszukristallisieren beginnt, dass Lucy vielleicht doch ein Liebesleben hat, erfährt sie etwas über ihn, das ihr den Boden unter den Füßen wegzieht. Fast zeitgleich bekommt sie von den Nöten ihrer Freunde etwas mit und die bis dahin wohl wichtigste Bezugsperson in ihrem Leben stirbt. Reichlich viel Aufregung also, über die sie ihren Hauptgeist Jonathan fast vergisst.

 

Fazit:

 

Man könnte sagen, „Geister küsst man nicht“ ist ein bisschen Ghostwisperer auf englisch. Wobei Lucys Geister weder halb zerfallen durch die Gegend laufen noch mit Schockeffekten auf sich aufmerksam machen müssen. Vielmehr stellen sie sich schön in Reih und Glied, wie man es vom typischen Engländer eben zu erwarten scheint. Der Teil, in dem Lucy ihre Geister bzw. Aufgaben nach und nach abarbeitet, hat genau genommen gut zur gesamten Geschichte gepasst und hätte vermutlich dennoch nicht wirklich gefehlt, wäre er beiseitegelassen worden. Deshalb gibt es auf einer Werteskala (von 1 bis 5) nicht die volle Punktzahl. Stattdessen würde ich, weil der Roman sehr kurzweilig war, 4 Punkte vergeben.

 

Für die freundliche Überlassung des Rezensionsexemplares möchte ich mich beim Rowohlt Taschenbuch Verlag herzlich bedanken.

 

Copyright © 2010 Antje Jürgens (AJ)

Freise, Charlotte: Die Seelenfotografin

Filed under: Belletristik,Fantasy, Horror, SciFi,Historisch,Roman — Ati @ 10:34

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Rowohlt Verlag
ISBN 978-3-499-25512-0
Historischer Roman
Originalausgabe 2010
Umschlaggestaltung any.way Sarah Heiß
Taschenbuch, 320 Seiten
€ 8,95 [D]

Verlagsseite

Autorenseite

 

Die bereits unter dem Namen Karla Schmidt tätige Autorin Charlotte Freise wurde 1974 in Göttingen geboren. Sie studierte Kultur-, Theater- und Filmwissenschaften. Im Jahr 2009 erhielt sie den Deutschen Science-Fiction-Preis für die beste Kurzgeschichte. Die Autorin lebt zusammen mit ihrem Mann und zwei Töchtern in Berlin. Der Umstand, dass im März 2010 bereits ein Psychothriller unter ihrem richtigen Namen Karla Schmidt veröffentlicht wurde, hat die Autorin dazu gebracht, ihren ersten historischen Roman „Die Selenfotografin“ unter einem Pseudonym zu veröffentlichen. (Weitere Infos unter www.karla-schmidt.de.)

Die Inhaltsangabe verspricht einen Ausflug ins historische Berlin mit einem Hauch Fantasy. Die Zeilen darüber (Ein Mann ohne Vergangenheit. Ein Mädchen ohne Zukunft. Eine Liebe, die nicht sein darf.) klingen gut; sind jedoch nach Lektüre des Buches ein klitzekleiner Widerspruch in sich. Denn natürlich hat der Mann eine Vergangenheit. Und genau genommen hat die Protagonistin auch eine Zukunft; wenngleich die anders aussieht, als man sich das anfangs vorstellt. Was stimmig war und blieb, ist die Liebe, die nicht sein darf.

Denn Isabel ist Teil von Ruvens Vergangenheit, an die er sich jedoch fast den ganzen Roman hindurch nicht erinnert. Seine früheste Erinnerung beginnt im Waisenhaus, in dem er ein zwar ein hilfsbedürftiges, elternloses Kind war, aber eben auch nur ein hungriges Maul, das sich schon früh sein tägliches Brot durch harte Arbeit verdienen musste. Während diverse Mädchen von der Leiterin des Heims als „Modelle“ zum Wanderfotografen Bing geschickt werden, verkauft sie Ruven an ihn, damit er ihm zur Hand geht. Viele Jahre zieht er mit Bing umher und absolviert quasi eine Lehre. Doch er lernt nicht nur die Kunst des Fotografierens. Er sieht viel Gewalt. Bing verachtet Frauen, misshandelt, missbraucht und/oder fotografiert sie – Aktfotografien, die etwas zensiert, als wissenschaftliches Anschauungsmaterial verkauft werden.

Als sich Ruven eine Chance bietet, neu anzufangen, greift er zu. Sprichwörtlich. Er stiehlt seinem Chef eine Fotoausrüstung und folgt dem Ruf eines Arztes, der ihm eine Festanstellung verspricht. Ruven soll fortan, psychisch Kranke vor und nach ihrer Behandlung ablichten. Mit dem ebenfalls gestohlenen Geld mietet er sich ein Zimmer bei der alleinstehenden Elfie und ihrem Sohn. Dieses Zimmer wiederum befindet sich im selben Haus, in dem Isabel wohnt. Sie ist eine der Patientinnen, die Ruven fotografieren soll. Isabel interessiert sich nicht nur fürs Fotografieren, sie ist fasziniert von der Art der Fotos, die Ruven bis dahin angefertigt hat. Denn Peter, der Sohn seiner Zimmerwirtin, ist nicht nur mit Isabel befreundet und bringt sie zu den Behandlungsterminen in die Klinik (wo er auf Ruven trifft und mit zu sich nach Hause nimmt, als er feststellt, dass es ihm nicht gut geht). Er ist ferner in den Wagen von Bing eingebrochen und hat die dabei gestohlenen Fotos teilweise Isabel gezeigt. Und – bei diesem Einbruch wurde er von Ruven ertappt, der sich gerade mit seinem eigenen Diebesgut davonstehlen wollte.

Alles scheint gut zu werden. Zwischen Ruven und Elfie bahnen sich zarte Bande an, die Arbeit in der Klinik sichert ihm ein geregeltes Einkommen. Er denkt daran, eine Familie zu gründen. Doch eine ihm unerklärliche Faszination für Isabel, die er nur wenige Male gesehen hat, hindert ihn daran, Elfie einen Antrag zu machen. Er überlegt, die ihm zunehmend an die Nieren gehende Arbeit in der Klinik aufzugeben und ein eigenes Fotoatelier zu eröffnen. Letztlich verdankt er das Atelier Isabel, die ihm nicht nur eine von ihr entwickelte Formel für ein neues, revolutionäres Verfahren übergibt, sondern auch an der Erfindung der Seelenplatte arbeitet, von der sie ihn ebenfalls zu überzeugen versucht.

Die Charaktere sind klar gezeichnet. Ruven – ein junger Mann, will weiterkommen, das Elend und die Gewalt hinter sich lassen, und begeht dafür sogar eine Straftat; und wird schneller von seiner Vergangenheit eingeholt, als ihm lieb ist. Peter – ein Teenager, der aufgrund der Armut keine Kindheit und Jugend hat, sich aber immer irgendwie durchmogelt. Seine Mutter Elfie – hilfsbereit, aufopferungsvoll, immer fröhlich, höflich, und desillusioniert. Anna – die Tante, die Isabel versorgt, nachdem ihre Familie bei einem Unglück ums Leben kam, alt und krank. Isabel – ein junges Mädchen, wissbegierig, gebildet, vertrauensvoll unschuldig und berechnend manipulativ, verzweifelt und doch lebenslustig. Der Arzt – pflichtbewusst, fortschrittlich …

Doch wie weit darf dieser Fortschritt gehen? Seine Versuche gereichen Frankenstein zur Ehre. Er experimentiert mit Toten. Was in Ruven den Wunsch weckt, zu kündigen. Der Arzt strebt danach, diese Versuche auch am lebenden Objekt zu probieren. Als Isabel erfährt, wie Ruvens und ihre Vergangenheit zusammenhängen, erleidet sie einen Zusammenbruch und wird zum geeigneten Versuchsobjekt für den Arzt. Und die Seelenplatte zum einzigen Versuch, Isabel zu retten.

Die Autorin hat durch Wortwahl und Schreibstil eine Kulisse für die Geschichte geschaffen, die den Leser wie einen Voyeur auf die damalige Zeit blicken lässt. Er sieht die unschönen Seiten eines Daseins in Not und Elend. Bis auf wenige Ausnahmen scheint nichts dieses Leben dort wirklich lebenswert zu machen. Und doch gibt es sie. Gestohlene Momente des Glücks, die Hoffnung und so etwas wie Zufriedenheit in den Charakteren der Geschichte wecken.

Die Grundidee ist gut und die gesamte Geschichte an sich ist nicht ohne Spannung. Ob die Story allerdings wirklich packend ist, steht auf einem anderen Blatt. Zum einen sind die Charaktere zwar klar, aber etwas flach gezeichnet. Zum anderen schrammt man aber größtenteils an Erpressung, sexuellem Missbrauch, medizinischem Wahnsinn oder auch dem tagtäglichen Kampf ums Überleben genauso vorbei wie an der eigentlichen Liebesgeschichte zwischen den beiden Protagonisten. Man blickt neugierig darauf, taucht aber nicht richtig ein. Die Geschichte liest sich zwar flüssig, aber nicht reißend. Außerdem – das Buch ist in vier Teile gegliedert – erscheint der letzte Teil schneller und flüchtiger erzählt.

Dennoch kann ich nicht sagen, dass mir das Buch nicht gefallen hat. Wie gesagt, die Idee ist gut. Die Beschreibung der damaligen Lebensumstände oder etwa der Behandlungen auch – größtenteils eine bloße Draufsicht, aber das stört nicht völlig. Ich empfand das sogar fast detaillierter beschrieben als das, was in der Inhaltsangabe angekündigt war. Mir persönlich fehlte der tiefere Einblick in die eigentliche Liebesgeschichte. Und auch mehr zu der Seelenplatte an sich und den damit verbundenen Aspekten. Allerdings: Das Ende ist mehr oder weniger offen. Vielleicht gibt es ja irgendwann einen zweiten Teil, in dem ich dann auf meine Kosten komme. Auf einer Werteskala (von 1 – 5) würde ich deshalb 3,75 Punkte für „Die Seelenfotografin“ Isabel vergeben; die übrigens eigentlich gar nicht selbst fotografiert. Mir persönlich hätte der ursprünglich angedachte Titel „Isabels Schöpfung“ besser gefallen.

Für die freundliche Überlassung des Rezensionsexemplares möchte ich mich beim Rowohlt Taschenbuch Verlag herzlich bedanken.

Copyright © 2010 Antje Jürgens (AJ)

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