Die Leselustige Ati's Rezi-Seite – Buchbesprechungen, Ankündigungen, etc.

2. Mai 2012

HERTZ, ANNE: SAHNEHÄUBCHEN

Filed under: Belletristik,Chick-Lit,Roman — Ati @ 15:24

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Knaur Taschenbuch Verlag
ISBN-13: 9783426638712
ISBN-10: 3426638711
Belletristik
Ausgabe 01/2011
Taschenbuch, 368 Seiten
[D] 8,99 €

Verlagsseite
Autorenseite

Im Januar 2006 wurde das Romandebüt von Anne Hertz mit dem Titel Glückskekse erfolgreich veröffentlicht. Nach zwei weiteren Büchern (Wunderkerzen und Sternschnuppen) erfuhr die Öffentlichkeit mit der Publikation von Trostpflaster, dass es sich bei Anne Hertz um das Pseudonym der Schwestern und Wahlhamburgerinnen Frauke Scheunemann und Wiebke Lorenz handelt. Die beiden kamen 1969 bzw. 1972 in Düsseldorf zur Welt und sind Journalistinnen. Die eine studierte Jura, die andere Anglistik. Die eine ist verheiratet, die andere nicht. Sie arbeiten nicht nur zusammen, sondern leben auch im selben Haus. Dass dies bekannt wurde, lag (wie man der Homepage entnehmen kann) daran, dass „Anne Hertz“ nach ihren Bucherfolgen immer mehr Interviewanfragen bekam und sie es irgendwann satt hatten, so zu tun, als ob sich dahinter eben nur eine Person verbirgt. Neben den vier vorgenannten sind noch drei Romane des Autorinnenduos bei Knaur erschienen. Zwischen Goldstück und Wunschkonzert wurde auch der vor mir liegende Roman Sahnehäubchen im Januar 2011 ins Verlagsprogramm aufgenommen. Für 2013 sind weitere angekündigt.  

Knaur hat Sahnehäubchen im Genre Romantik und Leidenschaft, Humor und Charme angesiedelt. Es soll laut Inhaltsangabe um eine PR-Agentin in den 30ern gehen. Nina ist aus Überzeugung Single, selbstbewusst und erfolgreich. Sie arbeitet in einer kleinen Agentur in Hamburg und muss sich auf Wunsch ihrer Chefin eines Volontärs annehmen. Tom ist etwa gleich alt, von Haus aus jedoch Sohn eines Verlegers. Besagter Verleger möchte das neue Buch des Texaners und Obermachos Dwaine vermarkten, ein Aufreißer-Ratgeber für notleidende Männer, der bezeichnenderweise den Titel „Ich kann sie alle haben“ trägt. In dem Zusammenhang soll Nina eine Reihe Lesungen mit dem Autor absolvieren. Bedauerlicherweise ist der Auftrag an das Volontariat von Tom gekoppelt, den Nina als total unsympathisch und vor allem nichtsnutzig einstuft. Außerdem kann sie Machos wie Dwaine sowieso nicht leiden. Allerdings gelingt es beiden Männern Nina näherzukommen und ihre Überzeugungen geraten ins Schwanken. 

Keine ganz neue Grundidee also, wenn sich eine toughe Single-Powerfrau plötzlich zwischen zwei Männern befindet. Doch im Grunde kommt es ja auf die Umsetzung an. Leider muss ich gestehen: Umgehauen hat mich Sahnehäubchen nicht. Zwar startet das Buch relativ lustig, doch dann plätschert es lange Zeit vor sich hin, bevor es am Schluss noch mal etwas zu überzogen rund geht. Das auf der Verlagsseite angegebene Genre passt grundsätzlich zur Grundidee, die Ausführung derselben hinkt allerdings hinterher.

Das beginnt bereits mit Nina, die mich nicht überzeugen konnte. Bei ihr muss man Selbstbewusstsein nicht zwingend mit Selbstsicherheit, Stolz oder Durchsetzungsvermögen übersetzen, kann es aber durchaus mit den Begriffen unzugänglich, anmaßend, zugeknöpft und überheblich versuchen. Sie offenbart sich zickig-schnippisch, übellaunig-unzufrieden zu den Leuten gehörend, die zum Lachen in den Keller gehen. Hertz‘ Hauptcharakter nervt einfach alles. Ihr Blick in die Welt wirkt sehr eingeschränkt und vor allem wenig positiv. Überzeugung im punkto Single sieht irgendwie anders aus. Die Art und Weise, mit der sie ihre Arbeit erledigt, wirft zudem unwillkürlich die Frage auf, wie sie sich so lange einigermaßen erfolgreich in der Branche halten konnte. Und obwohl sie ja eine moderne Frau darstellen will/soll, würde ich sie eher als passiv hinnehmend einstufen, die, abgesehen von ihrer Freiheit zu trinken, was sie wann auch immer möchte, mit teils konservativen Einstellungen behaftet ist. Dass sie sich so unsympathisch zeigt, erschwert die Vorstellung, dass sich da so etwas wie Romantik und gar Leidenschaft anbahnen könnte. Auch der Humor geht in der ganzen Zickigkeit Ninas geradezu unter.  

Das Autorinnenduo lässt Nina die Geschichte in Ich-Form erzählen. Genau wie alle anderen Erzählformen birgt natürlich auch diese die eine oder andere Tücke. Logischerweise bekommt man Verhaltens- und Denkweisen ebenso wie die Handlungen Dritter nur aus diesem Blickwinkel mit. Das erspart einerseits zwar meist eine zu große Vorhersehbarkeit. Andererseits kann dies jedoch auch dazu führen, dass Dritte nicht wirklich sympathisch wegkommen (wenn LeserInnen bereits die erzählende Figur nicht sympathisch ist) und andere Charaktere zudem unter Umständen auch nicht klar gezeichnet werden.

So empfand ich Dwaine eingangs einfach nur nervtötend. Warum er alleine durch ein Geständnis Nina gegenüber von dieser plötzlich attraktiv und charmant empfunden wird, konnte ich nicht ganz nachvollziehen. Auch Tom bleibt viel zu schemenhaft. Von anderen Nebencharakteren ganz zu schweigen. Überhaupt scheinen in Sahnehäubchen männliche Figuren weitaus mehr als ein plattes Klischee zu erfüllen. Und auch damit fragt man sich, wie so etwas wie Romantik und Leidenschaft aufkommen soll.

Was vom Grundgedanken her eine durchaus mehr als amüsante, romantisch ausgebaute und spannend gestaltete Note hätte haben können, weil es ja Dwaine (der es wohl einfach nicht lassen kann) und Tom (der ja eigentlich gar kein so übler Kerl ist) gibt – all das ist leider zwar angesichts des flüssigen Schreibstils lesbar, vom Aufbau her aber nicht allzu lesenswert gelungen. Es dauert eine ganze Weile und etliche Seiten, bis Hertz-LeserInnen dann eine etwas andere Nina kennenlernen.

Fazit: 02perlenpunkte.jpg

Es dauert fast die Hälfte des Buches, bis die Geschichte langsam an Fahrt aufnimmt. Ins Ende wird dann jedoch zu viel zu schnell und zu oberflächlich hineingepackt. Trotz durchaus witziger Sprüche fehlen spritzige Dialoge und wirklich sympathische Figuren. Romantik? Leidenschaft? Dezent ist in diesem Zusammenhang ein zu schwaches Wort. Der flüssige Schreibstil konnte es dann letztlich auch nicht mehr herausreißen. Vielleicht lag es an meiner Erwartung, einen amüsant-netten, flotten Lesequickie für die Badewanne in Händen zu halten, dass ich irgendwie enttäuscht war. Doch Sahnehäubchen konnte mich nicht überzeugen und hat mir zu viel Durchhaltevermögen abverlangt, um mehr als zwei von fünf Punkten zu erhalten.

Copyright ©, 2012 Antje Jürgens (AJ)

12. März 2012

Frankel, Valerie: Verhext und zugenäht

Filed under: Belletristik,Roman — Ati @ 14:23

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Valerie Frankel: Verhext und zugenäht
Originalausgabe: Hex and the single girl
aus dem amerikanischen übersetzt von Karolina Fell
Ullstein Buchverlage
ISBN 9783548267838
ISBN 3548267831
Belletristik, Liebeskomödie
Deutsche Erstausgabe Oktober 2007
Umschlaggestaltung Hilden Design, München
Taschenbuch, 368 Seiten
[D] Preis 7,95 €

 

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Ich gebe zu, ich brauche manchmal einfach einen. Einen Quickie, der mich in seiner Leichtigkeit und Schnelligkeit wieder aufmuntert. Nach einem stressigen Tag etwa, oder wenn ich Kopfweh habe oder der Schlaf einfach nicht kommen will, oder auch nach einem Buch oder Film, der mir nachgeht. Kürzlich war es wieder soweit. Nach einer Dokumentation über Schweinemastbetriebe, die mich zwei Nächte lang im Traum verfolgt hat, musste dringend einer her. Die Nachrichten zur Lage Europas und mit für mich seltsamen Ansichten mancher Politiker taten ein übriges. In mir schrie alles nach einem Quickie. Das musste nichts Neues sein, nichts wirklich Aufregendes. Ein Quickie eben. Ein schneller Griff ins entsprechende Regal bescherte mir einen solchen, verfasst von Valerie Frankel.

 

Das Cover (rothaarige Frau mit farblich nicht zum Buchinhalt passenden Augen, die über die Schulter sieht und lächelt, die Skyline einer Großstadt, ein Zauberstab mit Sternspitze) und der Name der Autorin zauberten ein Lächeln auf mein Gesicht. Die in Brooklyn lebende Frankel veröffentlicht nicht nur regelmäßig in verschiedenen Zeitschriften sondern hat auch bereits mehrere Romane und Sachbücher geschrieben. Bis auf zwei Ausnahmen nicht ins Deutsche übersetzt und nur bedingt erhältlich. Verhext und zugenäht ist eine der beiden Ausnahmen, Blondine ehrenhalber die andere – beide erschienen bei Ullstein. Frankels Schreibstil ist locker, leicht und die Themen in der Regel das, was ich gerade brauchte. Sofort fiel mir wieder etwas ein, was ich vom ersten Lesen noch im Gedächtnis hatte: Eine Szene, in der Emma (die Hauptfigur) geräuschvoll feucht geküsst wird, was sie gedanklich einen Vergleich mit einem glibberigen Rohrreiniger ziehen lässt.

 

Also Badewasser in die Wanne und mit einem wohligen Seufzer sowohl in selbige wie auch in die Geschichte eintauchen. Das geht im Fall von Verhext und zugenäht ganz fix. Die Geschichte spielt in der Gegenwart und handelt von Emma. Einer Hexe, die um die Butter auf ihren Brötchen und vor allem ihre Wohnung zu finanzieren, eine Art Partnervermittlung betreibt. Nicht mit Zaubertränken und ähnlichem, ihre Magie besteht darin, durch Berührungen Bilder zu vermitteln. Bilder ihrer Kundinnen, die sie deren Traumpartnern ins Gehirn pflanzt, in der Hoffnung, dass besagte Männer sich danach um ihre Kundinnen bemühen und sich verlieben – wobei das ganz allein Sache des Pärchens ist, denn Emma will diesen nur erleichtern, die erste Hürde in Sachen Beziehung zu nehmen. Bekanntlich hat alles zwei Seiten und so ist Emmas eigenes Liebesleben ein komplettes Desaster, die Männer sind ihr bisher, spätestens wenn es zur Sache ging, davon gelaufen, denn da wird durchaus berührt und wie die meisten von uns, verfügt auch Emma über ein lebhaftes Kopfkino.

 

Bis, tja bis sie William Dearborne begegnet. Der ist nicht nur ein gefeierter Künstler und Softwareentwickler sondern auch noch Junggeselle. Und er und Emma erleben aufgrund einer Verwechslung ihren sprichwörtlich heißesten Kuss, der dafür sorgt, dass der eine die andere nicht vergessen kann und umgekehrt. Das ist angesichts von Emmas Begabung ein zweifaches Dilemma, denn unabhängig von der Angst, ihn genauso zu vergraulen, wie alle anderen, ist er eigentlich auch der Mann, auf den sie ihre neueste Kundin angesetzt hat.

 

Obwohl es eine Liebeskomödie ist, dreht sich fortan nicht alles nur noch um den dennoch omnipräsenten William Dearborne. Dazu bleibt sein Charakter zu blass. Emma dagegen wird sehr gut dargestellt. Sie wirkt sympathisch, aufgeweckt, augenzwinkernd, selbstironisch. Die Nebencharaktere bestehend aus Freunden, Bekannten, Kunden und einem Halunken zeigen sich skurril, berechnend, ichbezogen, witzig, normal und überaus passend zu Emma. Emmas finanzielle Situation und die daraus resultierenden Folgen, ihre Verkupplungskünste, die Versuche ihre Freundin vor dem falschen Mann zu bewahren – all das findet neben der eigentlichen Liebesgeschichte noch Platz. Viele Gespräche drehen sich um Sex, ohne wirklich plump zu wirken. Ein Hauch Erotik, witzige Erwiderungen und/oder Wortspielereien und natürlich Emmas Versuche ihren neuesten Auftrag professionell zu erledigen, wofür sie nach dem ersten unerwarteten Zusammentreffen mit Dearborne ihre ganzen Verkleidungskünste aufwenden muss, um nicht aufzufallen – all das unterhält auf leichte, angenehme Art.

 

Das Tempo ist flott, was mich dann allerdings kurz bevor ich das Bad verließ, daran erinnerte, dass mir beim ersten Lesen das Ende des Romans nicht so gefallen hat. Ich war neugierig, wie ich es beim zweiten Lesen empfinden würde. Leider hat sich an meinem Urteil nichts geändert. Von der Thematik – wir wissen schließlich alle wie romantische Liebeskomödien ausgehen – hat es durchaus gepasst. Was mich letztlich gestört hat war, dass das Tempo extrem angezogen hat und die letzten Kapitel im Superschnelldurchlauf gestaltet sind. Das könnte an der Übersetzung liegen, oder an Streichungen oder einfach daran, dass die spritzig-witzige Grundidee ausging. Doch was auch immer es ist, es fehlt eindeutig etwas. Da hätte ein weiterer Lacheffekt gutgetan oder einfach eine größere Streichung. So bleibt das Ende etwas unbefriedigend, schmälert den Gesamteindruck im Großen und Ganzen jedoch nicht sehr.

 

Fazit:

 

Eine Geschichte um Magie und Liebe oder vielleicht auch die Magie der Liebe oder liebe Magie. Vor allem dass Emma zwar eine Hexe, aber gleichzeitig auch eine ganz normale junge Frau ist, hat mir gefallen. Verhext und zugenäht ist und bleibt ein Lesequickie für mich, der für mehrfache Lacher und hochgezogene Mundwinkel sorgt. Ein Buch, das man getrost kurz oder auch länger beiseitelegen und dann einfach weiterlesen kann. Eins das eintauchen lässt, in eine mehr oder weniger heile Buchwelt. Eins mit dem man abschalten kann. Eins für fast jede Gelegenheit also. Und damit bekommt es vier von fünf Punkten von mir.

 

Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

16. Februar 2012

Marchetta, Melina: Winterlicht

Filed under: Fantasy, Horror, SciFi,Jugendbuch,Roman — Ati @ 18:53

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Melina Marchetta – Winterlicht

Originaltitel Finnikin of the Rock – aus dem australischen Englisch übersetzt von Petra Koob-Pawis und Franziska Jaekel

Ravensburger Buchverlag

ISBN 9783473353347

ISBN 3473353345

Jugendbuch, 14 – 16 Jahre

Fantasy

1. Auflage März 2011

Hardcover mit Schutzumschlag, 544 Seiten

[D] Preis 17,95 €

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Im März 1965 wurde die in Sydney lebende Autorin italienischer Abstammung geboren. Nachdem sie mit 15 Jahren von der Schule abging, gelangte sie auf einigen Umwegen an eine Schule zurück und unterrichtete 10 Jahre lang Geschichte und Englisch. Im Jahr 1992 erschien ihre erste Novelle, die einige Jahre später nach ihrem eigenen Drehbuch verfilmt wurde. Nachdem Marchetta während ihrer Tätigkeit als Lehrerin ihre zweite Novelle vollendete, gab sie ihre Lehrtätigkeit 2006 auf, um sich ganz dem Schreiben zu widmen. Bereits 2008 erschien dann die englische Originalausgabe (Finnikin of the Rock) der mir vorliegenden deutschen Hardcoverversion Winterlicht. Es handelt sich dabei um den Auftaktroman einer Jugendbuch-Fantasyreihe  mit dem Titel Lumatere Chronicles und es ist nur eines von weiteren Projekten der Autorin. Ihre Novellen wurden bislang in 17 Sprachen übersetzt und sie erhielt mehrere Preise und Auszeichnungen für ihre Arbeiten.

 

Optisch ist mir der Roman von Melina Marchetta sofort ins Auge gestochen. Ich liebe Hardcoverbücher, meist schon wegen der Umschläge. Im Fall von Winterlicht ist dieser in bläulich-schwarzen Tönen gehalten (hinten hell, vorne dunkel), und darüber hinaus noch vorne mit einer schwarz glänzenden Prägung mit silbrigen Lackglanzelementen versehen, die Eiskristallen oder Schneeflocken ähneln. Er zeigt ferner das Gesicht eines Mädchens und im Hintergrund Äste sowie einen zunehmenden Mond rechts und links von ihr. Das Motiv der Prägung findet sich übrigens auch im Inneren des Buches an den Kapitelanfängen wieder. Dort natürlich einfach grau gedruckt. Im Buch finden sich gleich anfangs auch zwei gezeichnete Landkarten.

 

Mit Winterlicht überrascht die Autorin ihre LeserInnen mit sehr realistischen Darstellungen, schneidet ethische Themen genauso an wie politische. Dadurch fällt es etwas aus dem Rahmen dessen, was ich erwartet habe. Die Idee dazu ist zugegebenermaßen nicht neu (ein verratenes, verfluchtes Land hofft auf Rettung, diese wird durch eine rätselhafte Prophezeiung in Aussicht gestellt). Doch das muss sie auch nicht sein, wenn die Umsetzung gut ist. Im Fall von Winterlicht finde ich die Geschichte über Freundschaft und Liebe, Hoffnung und Mut und von Zusammenhalt auch in Zeiten der Entwurzelung, der Trauer, des Verrats und des Leids gelungen.

 

Marchetta zeichnet ganz eigene Figuren und lässt diese einiges erleben. Wie bei vielen Fantasygeschichten dauert es auch bei Winterlicht, bevor man darin abtauchen kann und sich dort sicher zurechtfindet. Bevor die eigene Fantasie sich auf die der Autorin einstimmt sozusagen. Doch wenn das geschieht, dann fällt es schwer, das Buch beiseitezulegen und wieder in der Realität aufzutauchen.

 

Der Klappentext verrät, dass auf Lumatere eine dunkle Bedrohung liegt. Ein Fluch verhindert, dass man es einfach so betreten oder verlassen kann. Doch jeder Fluch lässt sich bekanntlich brechen. Finnikin (einer von vielen Flüchtlingen, die gerade noch so aus Lumatere herauskamen) etwa weiß, wie man speziell diesen Fluch brechen kann. Man muss den rechtmäßigen Thronerben zu seinem Thron verhelfen. Als er sich aufmacht, seine Aufgabe zu erfüllen, treffen er und sein Begleiter auf Evanjalin. Finnikin verliebt sich in sie, obwohl sie eigentlich dem neuen König versprochen ist. Mit ihr an seiner Seite versucht er, die Bedrohung für Lumatere abzuwenden.

 

Wie bereits erwähnt, zeichnet die Autorin ganz eigene Figuren. Sie erscheinen fragwürdig und unsympathisch oder genau gegenteilig. Immer jedoch authentisch und individuell. Man fühlt ihre Emotionen – Freude wie Hass, Ängste wie Stärken, Hoffnungslosigkeit wie Mut. Oder immer wieder die in einem Jahrzehnt gewachsene Sehnsucht, in die Heimat zurückzukehren, zu den eigenen Wurzeln. Bildhaft und facettiert führt Marchetta ihre LeserInnen in eine ganz eigene Welt (die der unseren vor vielen, vielen Jahren stellenweise vielleicht nicht ganz unähnlich ist, sofern man die fantastischen Elemente weglässt).

 

Was anfangs idyllisch wirkt, wird gleich darauf durch die Schilderung dessen zerstört, was mit der Königsfamilie und den Bewohnern Lumateres passiert. Das geschieht in wenigen Absätzen, recht grob umfasst. Aber man merkt den Bruch. Warum und weshalb es geschehen ist, stellt sich erst im Laufe der größtenteils aus Finnikins Sicht erzählten Geschichte und seiner Reise mit seinen Mitstreitern heraus. Es fehlen anfangs Informationen zu den darin erwähnten Ereignissen, Namen und Ländern. Doch diese offenbaren sich sukzessive und nach und nach zeichnet sich das Ausmaß des Leides von Lumatere und seinen Bewohnern beziehungsweise den Flüchtlingen ab. Obwohl Marchetta an schönen Erlebnissen und Gegebenheiten teilhaben lässt, verschont sie ihre Figuren und LeserInnen andererseits auch nicht vor weniger schönen und gewaltreichen Einblicken. Trotz überraschender Wendungen steuern die Figuren beharrlich ihre Ziele an.

 

Hierbei allerdings gibt es ein kleines Manko, denn die Autorin bemüht selbst für einen Fantasy-Roman etwas zu oft den guten alten Zufall, was die eine oder andere Szene konstruiert wirken lässt. Und wer vermutet, dass der Fokus auf der im Klappentext angedeuteten Liebesgeschichte liegt, liegt falsch. Sie bleibt genau das: eher angedeutet. Allerdings fehlt sie nicht unbedingt zwingend, da sie sich bei aller Knappheit nachvollziehbar und still entwickelt. Kapitelübergreifend gibt es leider trotz aller Bildhaftigkeit auch die eine oder andere Länge. Doch all das wird durch das sprachliche und erzählerische, lesenswerte Niveau der Geschichte überspielt, die etwas abseits des Mainstream-Geschmacks liegen dürfte.

 

Fazit:

 

Ich gebe zu, ich bin weit außerhalb der eigentlichen Zielgruppe, die der Ravensburger Buchverlag mit diesem Titel ansprechen möchte. Dennoch habe ich mich trotz der gerade erwähnten kleineren Schwächen mit Winterlicht gut unterhalten gefühlt. Und ich frage mich schon, wie Froi – einer der Figuren – sich im zweiten Teil der Chroniken von Lumatere weiterentwickelt. Deshalb möchte ich dem Roman vier von fünf Punkten geben.

 

Copyright © 2012 Antje Jürgens (AJ)

Ahern, Cecelia: Zeit deines Lebens

Filed under: Roman — Ati @ 15:54

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Cecelia Ahern – Zeit deines Lebens

Originaltitel The Gift aus dem Englischen übersetzt von Christine Strüh

Fischer Taschenbuchverlag

ISBN 9783596183104

ISBN 3596183103

Belletristik

2. Auflage November 2010

Taschenbuch, 384 Seiten

[D] Preis 9,95 €

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Die 1981 geborene Tochter des ehemaligen irischen Ministerpräsidenten Ahern schrieb schon als Kind Geschichten. Nach Ihrem Studienabschluss in Journalismus und Medienkunde erschien 2004 der zwischenzeitlich in 15 Sprachen übersetzte Roman „P.S. Ich liebe dich“. Dass sie mit dem mit Hilary Swank und Gerald Butler verfilmten Roman keine Eintagsfliege geschaffen hat, beweisen ihre weiteren (Bestseller-)Romane, Theaterstücke und Drehbücher. Sie lebt in Dublin, ist verheiratet und hat eine Tochter.

 

Nach dem Erfolg mit „P.S. Ich liebe dich“ lag die Messlatte für Folgeromane natürlich entsprechend hoch. Und mit dem mir vorliegenden Titel, der 2009 als deutsche Erstausgabe zunächst beim Krüger Verlag erschien, löste Ahern tatsächlich nicht nur Begeisterungsstürme aus. Während ein Teil ihrer Leserschaft Zeit deines Lebens wunderbar anrührend und zum Träumen fand, beurteilte ihn der andere Teil als zu rührselig, zu langatmig und zu enttäuschend. Und genau wie das rot-braun gehaltene Cover mit gezeichneten Blüten, das sich von den mir sonst bekannten Buchcovern Aherns abhebt, ist auch der Inhalt nicht ganz so überzeugend bei mir angekommen, wie andere Romane der Autorin.

 

Die Inhaltsangabe hat mich trotzdem neugierig gemacht. Nicht zum ersten Mal beschäftigt sie sich darin mit dem Thema Tod und Verlust. In Zeit deines Lebens geht es um einen BWM – das ist kein Schreibfehler, denn damit ist keinesfalls die Automarke, sondern ein „Beschäftigter Wichtiger Mann“ gemeint. Lou hat für alles Mögliche Zeit, sofern es seine Karriere betrifft oder Personen, die damit in Verbindung stehen. Wenig bis gar keine Zeit erübrigt er dagegen für Eltern und Geschwister und vor allem auch nicht für seine eigene kleine Familie. Wie nah sie davor steht, zu zerbrechen, entgeht ihm vollkommen. Jedenfalls, bis er auf den Bettler Gabe trifft. Von diesem erhält er mit ein paar wundersamen Pillen auch ein wundervolles Geschenk: Zeit.

 

Gerade rechtzeitig zur Vorweihnachtszeit die zweite Auflage einer solchen Geschichte herauszubringen ist taktisch klug – denn es stößt LeserInnen inmitten der dadurch bedingten Hektik förmlich mit der Nase darauf, wie sinnvoll es ist, Prioritäten zu setzen. Sich Zeit zu nehmen. Allerdings habe ich das Buch erst lange danach gelesen.

 

Anfangs zieht sich die Geschichte etwas, doch schon bald kann man darin eintauchen. Eingebettet ist das Ganze in eine kleine Rahmengeschichte über das Opfer einer Scheidung. Über einen Jungen, der seinem Zorn Luft macht. Und von einem Polizisten der versucht ihm zu helfen, indem er ihm Lou’s Geschichte erzählt.

 

Lou stellt sich anfangs überaus unsympathisch, egoistisch und kalt dar, gewinnt aber dank der Pillen und der dadurch hervorgerufenen Veränderungen. Obwohl seine Familie eher im Hintergrund agiert, ist sie gut gezeichnet und liebenswert. Gabe, der sehr viel mehr als ein einfacher Bettler ist, ist ebenfalls realistisch beschrieben. Ahern schafft es, das in der Geschichte enthaltene fantastische Element glaubwürdig mit der Realität zu verweben.

 

Das Ende von Zeit deines Lebens ist zugleich traurig und hoffnungsvoll. Es zeichnet sich im Grunde schon sehr früh ab, wie alles ausgeht, doch das stört nicht unbedingt, denn die Art und Weise wie Ahern es gestaltet ist relativ gelungen. Relativ deshalb, weil sie hart an der Grenze zur Melodramatik vorbeischrammt; für manche sicher auch darüber hinaus schießt. Doch die Erzählung all dessen, was Lou anfangs ausmacht, ist trotz allem ein Fingerzeig auf unsere Gesellschaft, auf verschobene Werte und falsche Idole. Auf das Verlangen immer mehr zu erhalten und emotional zu verarmen. Auf etwas, das wir im Grunde alle wissen, aber gerne beiseiteschieben. Auf etwas also, das man ändern sollte. Dass man nur selbst ändern kann. Am besten schnellstmöglich – denn Zeit ist kostbar. Nicht weil sie Geld kostet, sondern weil sie uns nur begrenzt zur Verfügung steht.

 

Fazit

 

Eine berührende Geschichte, die sich nach anfänglichen Problemen sehr flüssig lesen lässt. Wenn man sich auf Lou und die übrigen Figuren einlässt, leidet man unweigerlich mit ihnen. Wie sehr, darüber mögen sich die Geister streiten. Die Geschichte wirkt moralisch aber nicht zwingend tadelnd. Sie kommt unaufgeregt und doch dramatisch daher. Vielleicht, weil sie – wenn man von Aherns märchenhaft fantastischem Detail absieht – doch jedem von uns passieren könnte.

 

Copyright © 2012 by Antje Jürgens (AJ)

15. Februar 2012

St. Crow, Lili: Verraten

Filed under: Abenteuer,Fantasy, Horror, SciFi,Jugendbuch — Ati @ 17:52

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Lili St. Crow – Strange Angels 02:Verraten

Originaltitel Betrayals aus dem Englischen übersetzt von Sabine Schilasky

PAN

ISBN 9783426283462

ISBN 3426283468

Fantasy, Jungenbuch 12 – 15 Jahre

Deutsche Erstausgabe 2011

Umschlaggestaltung ZERO Werbeagentur, München

Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag, 384 Seiten

[D] Preis 16,99 €

Verlagsseite

Autorenseite 

 

Lili St. Crow – unter diesem Pseudonym veröffentlicht die 1976 in New Mexico geborene und z. T. im Vereinigten Königreich auf einer Militärbasis aufgewachsene Autorin Lilith Saintcrow Geschichten und Bücher für Jugendliche, während sie sich unter ihrem richtigen Namen an ein erwachsenes Publikum wendet. Ein weiteres Pseudonym ist Anna Beguine. Die heute mit einigen Katzen und ihrer Familie in Vancouver lebende Autorin bevorzugt dabei die Genres Paranormale Romance oder Urban Fantasy.

 

Die Covergestaltung des zweiten Bandes der Strange-Angels-Reihe ist gelungen und passt in seiner samtig wirkenden Ausführung exakt zum ersten Teil, der – nebenbei erwähnt – zuerst gelesen werden sollte, bevor man in Dru’s Geschichte in Verraten eintaucht.

 

Übergangslos setzt die Autorin an die in Verflucht erzählten Ereignisse an. Diverse Rückblicke erleichtern zudem das Eintauchen in die Geschichte. Ein flüssiger Schreibstil und die Umgangssprache lassen auch jetzt die Figuren lebensecht, wenn auch das eine oder andere Mal etwas blass, und die Atmosphäre düster wirken. Gleichzeitig schafft St. Crow es, die fantastischen Elemente glaubwürdig mit der Realität zu verweben.

 

Auf ihrer Flucht, die Dru zusammen mit Graves in eine Schule für übernatürliche Wesen (Werwölfe und Vampire) führt, zeigt diese sich zorniger als im ersten Teil der Geschichte. Nicht nur weil Graves, der durch einen Angriff mittlerweile selbst zum Werwolf wurde, dort eher angenommen wird als sie selbst. Auch weil sie mit ihrer heranreifenden Bestimmung nicht so ohne Weiteres zurechtkommt. Abgesehen davon ist da noch Christophe, der Vampir, der für Verwirrung bei ihr sorgt. Und ganz unabhängig davon, ist ihr Versteck nicht so sicher, wie es sein sollte. Graves, der im ersten Teil bereits sehr zuverlässig und loyal, aber eher noch schüchtern daherkam, mausert sich mehr und mehr und beschützt sie so gut es geht. Doch im Lauf der Geschichte wird klar, dass Dru nach wie vor in Gefahr ist und weiter fliehen muss.

 

Das Ganze gestaltet sich anfangs eher zäh. Nahezu die Hälfte des zweiten Bandes beleuchtet Dru’s inneren Zwiespalt. Kämpfe, wie im ersten Teil, habe ich allerdings dennoch nicht zwingend vermisst. Während Graves sich in Richtung Alphatier entwickelt (wobei er auch in diesem Band wieder sehr erwachsen wirkt), zieht Dru sich erst einmal zurück. Während ihm etwas beigebracht wird, wird sie oftmals vor den Kopf gestoßen und mit seltsamen Andeutungen oder Schweigen abgespeist. Sie tritt sehr lange auf der Stelle, stellt sich wie ein bockiger Teenager an. Gleichzeitig wird genau dadurch ihre Vereinsamung und Verstörung hervorgehoben, was mich letztlich dazu bewogen hat, an der Geschichte dranzubleiben. Auch der seltsam diffus dargestellte, mehrfach um Vertrauen bittende und lange Zeit untergetauchte Christophe trägt nicht unbedingt dazu bei, die Spannung zu erhöhen. Neu hinzukommende Figuren ebenso wenig. Und wie im ersten Teil, kommt es auch im zweiten Band zu gewissen Längen durch Wiederholungen. Im Grunde genommen geschieht also anfangs im Gegensatz zu Verraten sehr wenig, was wohl zum größten Teil an Dru’s Passivität liegt. Doch irgendwann berappelt sich nicht nur die Autorin, sondern auch Dru und es kommt etwas mehr Tempo in die Geschichte.

 

Dru muss sich ihren Ängsten und ihrer ungewissen Zukunft stellen. Und wie bereits im ersten Teil, geht die Autorin nicht sehr zartfühlend mit ihr um. Wenn Dru leidet, dann richtig. Sie springt nicht auf wie die Stehaufmännchen anderer Geschichten, wenn sie einsteckt. Sie ist kein porentief sauberes, durchgestyltes Püppchen mit Nahkampfausbildung. Sie ist, bei allem was sie erlebt, ein unsicheres, normales Mädchen, das schon mal bewusstlos zusammenklappt und dem der Rotz übers Gesicht läuft. Und das an einem Ort, an dem sie so gut wie niemandem trauen kann und zu einer Zeit, in der sie sich gleich von zwei männlichen Figuren angezogen fühlt, die beide die Führungsrolle übernehmen wollen.

 

Fazit:

 

St. Crow spinnt den eigentlichen Handlungsfaden in dem 384 Seiten starken Buch also nicht unbedingt sehr viel weiter. Dru befindet sich zu Anfang und Ende auf der Flucht. Über ihr Geheimnis wird der Leser von ihr nicht unbedingt weiter informiert, weil sie selbst im Grunde nicht viel weiß. Dennoch versorgt die Autorin ihre LeserInnen in der aus Dru’s Sicht erzählten Geschichte mit weiteren Hintergrundinformationen. Sie lässt Dru’s Mitstreiter und Gegenspieler heranreifen, mal mehr mal weniger sympathisch. Sie beantwortet offene Punkte aus dem Auftaktroman und legt neue Fährten aus. Damit endet dann Verraten genauso offen wie Verflucht und macht Lust auf den Folgeband. Obwohl die Geschichte anfangs des zweiten Teils wesentlich an Tempo verloren hat und dieser nicht unbedingt viel im Bezug auf das Ende der Geschichte preisgegeben hat, bin ich auf den dritten Band gespannt und gebe der Geschichte 4 von 5 Punkten.

 

Copyright © 2012 by Antje Jürgens (AJ)

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