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12. Februar 2012

Kantelhardt, Sven R.: Die Chroniken des Mönchs – Abenteuer unter Heiden

Filed under: Historisch,Roman — Ati @ 12:31

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Sven R. Kantelhardt: Die Chroniken des Mönchs – Abenteuer unter Heiden
ACABUS Verlag
ISBN 9783941404984
ISBN 3941404989
Historischer Roman
Deutsche Erstausgabe Februar 2011
Umschlaggestaltung ACABUS Verlag
Taschenbuch, 270 Seiten
[D] Preis 13,90 €

Verlagsseite

Der AcabusVerlag hat mich schon mehrere Male mit einem lesenswerten amüsanten oder ernsthaften Buch überrascht und so schaue ich regelmäßig in sein Angebot hinein. Vor einiger Zeit landete dadurch der Debütroman von Sven R. Kantelhardt mit dem Titel Die Chroniken des Mönchs – Abenteuer unter Heiden auf meinem SuB.

Wofür das R. in seinem Namen steht, weiß ich nicht; aber Kantelhardt wurde 1976 in Gießen geboren. Er studierte Humanmedizin und Ökotrophologie, promovierte 2003 und arbeitet als Neurochirurg. Daneben reist er gerne, interessiert sich für Geschichte und verfasst Fachartikel in medizinischen Zeitschriften.

Die Chroniken des Mönchs – Abenteuer unter Heiden ist, wie bereits erwähnt, sein Debütroman. Die Covergestaltung ist Schwarz mit einem schmalen Streifen Grau, in das ein Ausschnitt eines handschriftlichen Skripts eingebettet scheint, wie es Mönche in ihren Skriptorien verfassten. Ferner zeigt es eine hölzerne Stele einer slawischen Gottheit, zu deren Fuße sich einige Knochen befinden. Damit passt sie schon mal zur Inhaltsangabe, die folgendes verrät.

Zitat:

Das Siedlungsgebiet Schleswig-Holstein im 9. Jahrhundert: Sachsen, Abodriten und Wikinger treffen aufeinander. Teilweise bereits christlich, teilweise noch heidnisch, stehen sich die Stämme meist feindlich gegenüber. Es ist eine Zeit der Umbrüche. Grausamkeiten, Kriege und Raubzüge sind an der Tagesordnung.

In seiner „Hamburgerischen Kirchengeschichte“ aus dem Jahr  1076 berichtet Adam von Bremen knapp von einem fast vergessenen Abenteuer. „…wo Burwido gegen einen Kämpen der Slawen einen Zweikampf bestand und denselben tötete. Zum Andenken daran ist auch an jene Stelle ein Stein gesetzt.“ Dieses Ereignis hat der Autor in eine lebendige Geschichte aus dem frühen Mittelalter eingebunden.

So schreibt der Mönch Wilfrith eine Chronik über die Ereignisse des Winters 880/881, eine Geschichte voller Abenteuer, Glauben und Zweifel, Kampf und Liebe. Von Hamburg aus bricht er mit einer Handvoll Gefährten auf und durchquert die Sümpfe, Wälder und Meere jenseits des limes saxoniae und des Danewerk, um seinen verschollenen Lehrer, den Missionar Dietrich, zu suchen. Doch die Reise führt weiter als Gedacht und die Zeit drängt, denn der nordelbischen Heimat droht eine unerwartete Gefahr ….

Gleich eingangs führt der Autor eine Liste der Hauptfiguren auf, die teils geschichtlich belegt sind. Es folgt ein Inhaltsverzeichnis und der Prolog bevor Kantelhardt seinen Mönch mit der eigentlichen Chronik in 16 Kapitel tätig werden, und das Buch mit einem Epilog, historischen sowie medizinischen Anmerkungen, einer Erklärung alter Maßeinheiten, Hinweisen zur Schreibweise der Ortsnamen und zwei Karten inklusive dazu passender Legende ausklingen lässt. Die einzelnen Kapitel beginnen jeweils mit einem großen, verzierten Initial und in den Kapiteln wiederum gibt es Unterteilungen nach einzelnen Personen, die nicht immer wirklich chronologisch sind.

Doch was erwartet den Leser in der Geschichte selbst? Keine Mainstreamgeschichte – das wird jedem sehr schnell klar. Ortsnamen, die ungewöhnlich klingen, etwa Hammaburg für Hamburg oder Starigard für das holsteinische Oldenburg. Und auch die eine oder andere Bezeichnung mag gewöhnungsbedürftig sein. Diese werden zwar sehr gut erklärt, doch genau das dürfte den einen oder anderen beim Eintauchen in die Geschichte oder im Lesefluss selbst stören. Die Erklärungen erfolgen nicht im zeitnahen Verlauf der Geschichte. Vielmehr befinden sie sich am Ende der betreffenden Kapitel. Wenn man – wie ich etwa – wissen will, was sie bedeuten, blättert man natürlich sofort hin und her. Und genau das stört dann in der Fülle, in der sie vorkommen. Zudem startet die Geschichte eher gemächlich und die Ausführlichkeit, mit der Kantelhardt manches beschreibt, stört die angekündigte Spannung.

Doch durchhalten lohnt durchaus, denn was einerseits die Spannung stört, vermittelt andererseits eine bedrückende Atmosphäre, zeichnet harte Lebensumstände  und anschauliche Ereignisse. Kantelhardt verzettelt sich bei seinen Beschreibungen nicht und er geht nicht sehr zartfühlend mit seinen Figuren um. Die Handlung spielt im tiefsten Winter, unter widrigen Wetterbedingungen, in Sümpfen und Wäldern. Doch das ist es nicht alleine. Denn um Dietrich zu suchen, müssen Wilfrith und seine Gefährten es auch mit Heiden aufnehmen, ohne auch nur andeutungsweise zu wissen, ob ihre Suche tatsächlich zum Erfolg führt oder ob der vermisste Lehrmeister noch lebt. Sie verlassen eine zwar harte aber doch halbwegs sichere Heimat und begeben sich unter Heiden in die Fremde.

Das schlicht gehaltene Cover spiegelt sich nicht nur die Inhaltsangabe, sie passt auch hervorragend zu der von Kantelhardt gewählten schlichten Sprache. Überflüssige Darstellungen seiner Figuren lässt er weg. Manche Dialoge wirken zugegebenermaßen flach. Doch die kurz gehaltene Erzählweise reflektiert das damalige Leben sehr gut. Seine in den Roman einfließenden Recherchen, die nicht immer im korrekten Kontext von ihm wiedergegeben werden (worauf er in seinen historischen Anmerkungen hinweist), lassen Die Chroniken des Mönchs – Abenteuer unter Heiden jedoch gleichfalls üppig ausfallen. Illustrativ wird die gefahrvolle und beschwerliche Suche beschrieben. Plausibel wirkt auch die Schilderung der Glaubenskonflikte oder die ungleichen Lebensanschauungen der Figuren. Missionieren bedeutete damals Lebensgefahr. Und diese Gefahr bekommt man trotz des stellenweise unterbrochenen oder durchhängenden Spannungsbogens durchaus gut vermittelt.

Fazit:

Keine ganz leichte Kost, kein Lesequickie. Kantelhardts Debütroman verlangt dem Leser etwas Durchhaltevermögen ab und gehört nicht zu den spannendsten Büchern die ich gelesen habe. Aber er ist nach heutigem Wissen um die damalige Zeit lebensnah und eindrücklich gestaltet, vermittelt einiges über das Leben im Mittelalter. Und irgendwann, ohne es zu merken, tauchte ich wider Erwarten darin ein. Deshalb möchte ich für Die Chroniken des Mönchs – Abenteuer unter Heiden drei von fünf Punkten vergeben.

Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

29. Januar 2012

Geisler, Bernd: Das Buch Deborah

Filed under: Krimi/Thriller,Roman — Ati @ 15:57

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Bernd Geisler: Das Buch Deborah
Gardez! Verlag
ISBN-13: 9783897962194
ISBN-10: 3897962195
Thriller
1. Auflage 10/2010
Taschenbuch, 302 Seiten
[D] 9,90


Verlagsseite
  
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Der 1950 in Herten geborene Bernd Geisler unterrichtet kreatives Schreiben und arbeitet als freier Autor und Journalist. Schriftstellerisch bewegt er sich im Genre Krimi/Thriller. 2005 wurde sein Der Geldwurm für den Deutschen-Kurzkrimi-Preis nominiert. Geislers 2010 veröffentlichter Roman Der geschmackvolle Tod ist nicht nur sein Debütroman, sondern auch der Auftakt einer Trilogie. Dem vor mir liegenden zweiten Band Das Buch Deborah soll der dritte Band mit dem Titel Spitze folgen.

 

Die Trilogie spielt in der Gegenwart. Hauptfiguren sind Kriminalkommissar Saupe und Deborah Goldmann, eine junge Frau, die gegen ihren Willen in das mordlastige Geschehen gezogen wird. Mit ihr mischt sich ein Hauch Mystery in die Geschichte, denn Deborah ist nicht ganz so gewöhnlich, wie man vielleicht glauben möchte. Sie kann das Ableben anderer im Voraus sehen. Es äußerst sich in einem Dröhnen in ihren Ohren, Schwindelgefühl und Blutstropfen auf der Stirn der betreffenden Person.

 

Im zweiten Band Das Buch Deborah möchte Deborah eigentlich nur einen Neuanfang in Bergisch Gladbach machen. Einen ruhigen, lebenswerten Auftakt. Dieser zweite Band bildet im Übrigen die eigentliche Vorgeschichte zu Band 1. Insoweit muss dieser nicht zwangsläufig vorab gelesen werden.

 

Im Zuge des Neuanfangs sucht die arbeitslose Brückeningenieurin auch eine neue Arbeitsstelle und eine Nachbarin möchte ihr bei der Suche helfen. Dazu kommt es allerdings nicht mehr, denn kurz darauf wird eben jene Nachbarin ermordet und zerstückelt. Deborah gerät prompt unter Mordverdacht, doch noch kann ihr niemand etwas beweisen und sie bleibt auf freiem Fuß.

 

Das ist allerdings noch längst nicht alles, was schief läuft. Deborah wird in ihrer Wohnung überfallen und muss nach einem Unfall ins Krankenhaus und gerät so ganz nebenbei in den Bannkreis einer obskuren Sekte, die in ihr so etwas wie eine Anführerin sieht. Dass die in Das Buch Deborah vorkommenden Ermordeten allesamt zu eben dieser Sekte gehören, trägt nicht gerade zu Deborahs Entlastung bei.

 

Das gezeichnete Cover mit seiner Hand, dem Buch und der gesichtslosen (statt Gesichtszügen findet sich dort eine Turmfassade) mit einem Kapuzenmantel verhüllten Gestalt, finde ich im übrigen gut gelungen. Es vermittelt allerdings nicht unbedingt den absolut stimmigen Hinweis auf den Buchinhalt.

 

Saupe versucht Deborah zu überführen, konzentriert sich völlig auf sie. Doch damit ist er bei Deborah an der falschen Adresse. Ihre innere Überzeugung sorgt dafür, dass sie sich trotz aller Vorkommnisse nicht völlig aus der Bahn werfen lässt; ihr Mundwerk dafür, dass sich ihre Versuche für Geislers LeserInnen kurzweilig gestalten. Sie bildet einen relativ sympathischen Gegenpol zu der eher miesepetrig und eigenwillig gestalteten männlichen Hauptfigur Saupe. Trotz der an und für sich brutalen Thematik sorgt Geisler für den einen oder anderen Lacher oder zumindest hochgezogenen Mundwinkel. Der Schnellhefter mit Deborahs Bewerbungsunterlagen begleitet beispielsweise die LeserInnen quer durch die Geschichte, Deborah denkt auch in der unmöglichsten Situation an ihn. Auf glaubhafte Art, denn wer schon einmal eine brenzlige Situation erlebt hat, wird vielleicht wissen, dass einem die seltsamsten Gedanken durch den Kopf schießen (das zuhause noch das Frühstücksgeschirr steht etwa, oder dass man ein Loch im Socken hat, weil man ja eigentlich nur kurz vor die Tür wollte und dachte, dass das mit dem Socken damit gerade noch geht).

 

Die Geschichte lässt sich leicht lesen. Geisler knüpft eine Szene an die andere, das Tempo ist relativ hoch. Das eigentlich grausame Geschehen kommt durch den, sagen wir mal, dunkel angehauchten Humor jedoch gar nicht so brutal heraus. Der Spannungsbogen wirkt manchmal allerdings etwas überdehnt. Das liegt auch daran, dass Deborah selbst ermittelt. Angesichts Saupes Verbohrtheit klingt das zwar zunächst durchaus logisch – irgendjemand muss sie ja entlasten. Doch wirklich schlüssig fand ich nicht alle Handlungsansätze und Überlegungen. Es geschieht einfach fast zu viel und vor allem zu schnell. Hier hätten ein paar Kapitel mehr oder der eine oder andere Ansatz weniger notgetan, um das Ganze ausführlicher zu gestalten.

 

Allerdings, wer den ersten Teil gelesen hat, wird sich daran erinnern, dass Deborah dort an Saupes Seite ermittelt. In ganz normalen Kriminalfällen, ohne Sektenhintergrund. Der im zweiten Band versuchte Neuanfang gelingt also letztlich doch, wenn auch anders als geplant.

 

Fazit:

 

Wer einen knallharten Thriller sucht, ist mit Das Buch Deborah eher schlechter bedient. Geisler spinnt eher scheinbar mühelos sein Garn als Erzähler für lange Winterabende, in denen es eben auch um Mord geht. Die sind deshalb allerdings noch lange nicht langweilig oder wenig lesenswert. Ich habe mich trotz der kleinen Schwächen gut und kurzweilig unterhalten gefühlt und möchte für Das Buch Deborah vier von fünf Punkten vergeben.

 

Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

21. Januar 2012

Von Aster, Christian: Armageddon TV

Filed under: Dystopie/Endzeit,Fantasy, Horror, SciFi,Roman — Ati @ 14:17

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Christian von Aster: Armageddon TV

periplaneta
ISBN13:
9783940767721
ISBN10:
3940767727
Science-Fiction, Dystopie
2. Auflage 03/2011
Taschenbuch, 216 Seiten
[D] 13,00 €

Verlagsseite
Autorenseite

Ein Blick auf seine Homepage verrät, dass sich der 1973 geborene Autor Christian von Aster als Genregrenzensaboteur und Wortartisten und in gewisser Weise auch als trotzig beschreibt. Von Aster studierte Germanistik und Kunst, schreibt Drehbücher (ohne Hoffnung auf die filmische Umsetzung hierzulande, aber es gibt ja auch die Bühne), Kurzgeschichten, Erzählungen und Romane. Nebenbei führt er auch schon mal Regie bei Hörspielen oder Kurzfilmen. Letztere wurden genau wie diverse Kurzgeschichten bereits mit Preisen bedacht. Seine Lesungen sind wegen ihrer Inszenierungen nicht nur Anhängern der Fantasy- oder Gothic-Szene ein Begriff.

 

Mein SuB, der seit 2011 irgendwie mit Hefeteig verwandt zu sein scheint, wenn ich die Ausmaße bedenke, die er mittlerweile angenommen hat, unterteilt sich in verschiedenen Kategorien. Die eine beinhaltet Bücher, die nur kurz darauf abgelegt und dann gelesen werden. Eine zweite solche, die quasi auf den richtigen Lesetag warten, weil sie mich nicht 100%ig ansprechen. In der dritten landen dann jene, die ich über mehrere Tage verteilt lesen muss, weil eventuelle Schockmomente und Gewaltszenen oder bisweilen ermüdende Erklärungen zu sehr ausufern. Es gibt noch eine vierte, die Bücher beinhaltet, die ich unbedingt noch einmal lesen muss. Dann gibt es noch jene Bücher, die es irgendwie schaffen, sich aus all diesen Bereichen meines SuBs herauszumogeln, hin und her zu wandern, oder – schlimmer noch – womöglich hinter den SuB und damit das Regal rutschen.

 

Eins dieser Bücher ist Armageddon TV von Christian van Aster, dessen zweite überarbeitete Auflage bereits im März 2011 von periplaneta herausgegeben wurde (die Originalausgabe erschien bereits 2004 im Eigenverlag). Ich kann mich noch dunkel erinnern, dass es sich anfangs in der zweiten oder dritten Kategorie befand. Jedenfalls habe ich es gestern zufällig wiederentdeckt und siehe da, es war der richtige Lesetag dafür.

 

Bevor ich damit angefangen konnte, sprach mich jemand auf meinen in seinen Augen abartig hohen Bücherkonsum an. Ich habe etwas in der Art erwidert, dass ich kein Fernsehgerät besitze, worauf ich zu hören bekam, dass das ja noch abartiger sei. Meine Erwiderung, dass angesichts des Fernsehprogramms quer durch alle Sender die Frage nach eventuellen Abartigkeiten vielleicht neu überdacht werden müsse, wurde achselzuckend abgetan.

 

Auch ohne Fernseher kann man sich bedauerlicherweise Sendungen nicht gänzlich verschließen, die davon leben, andere lächerlich zu machen oder sie zu absonderlich anmutenden Taten anzustacheln. Ich war völlig geschockt, als ich mitbekommen habe, wer sich für so ‚hochgeistige‘ Sendeformate wie Big Brother oder das Dschungel-Camp  oder diverse Casting-Dauerbrenner begeistert. Kein Wunder, dass Kinder und jugendliche heutzutage in Gruppen über (in ihren Augen) Schwächere herfallen, lernen sie in solchen Sendungen doch schon recht früh, wie angebliche Vorbilder sich Aasgeier-ähnlich verhalten und um der Einschaltquoten willen auf dafür prädestinierte Opfer einhacken. Wo das Selbstwertgefühl herkommen soll, wenn sie so mitbekommen, wie sehr manche Leute bereit sind, sich für wenige Momente im Rampenlicht zu erniedrigen, ist mir schleierhaft. Viele Erwachsene sind auch nicht besser und zwar nicht nur, weil sie die teils mehr als ätzenden Bemerkungen mancher 5-Minuten-Berühmtheiten oder Jury-Mitglieder cool finden, auch weil sie mit teils infantiler Begeisterung nacheifern, was sie sehen oder hören. Ich gebe gerne zu, dass meiner Lesewut nicht nur hochgeistige Literatur oder wissenschaftliche Abhandlungen zum Opfer fallen, aber ich lese lieber auch noch den trivialsten Heftroman und lasse mich notfalls auch als abartig titulieren, bevor ich mir so etwas antue.

 

Warum ich das schreibe? Nun, in Armageddon TV geht es nicht um Außerirdische, wie der eine oder andere jetzt vielleicht angesichts des Genres vermutet. Die Geschichte spielt ganz normal hier auf der Erde, handelt von ganz normalen Menschen (meiner Ansicht zwar nicht unbedingt geistig normal, sondern einfach der Spezies Mensch angehörend). Und irgendwie von dem, was ich gerade erwähnt habe. Von Aster bietet seinen LeserInnen eine Lektüre, die pechschwarz satirisch für Schluckbeschwerden sorgt. Einen dystopischen Einblick in eine Fernsehlandschaft, die die oben erwähnten Sendeformate noch weiter pervertiert.

 

Überaus gewinnbringend vermarktet das Medienimperium POE-Network eine Sendung, für die sie Sportler anwirbt. Klingt jetzt erst mal harmlos, ist es jedoch nicht. Neben dem Imperium selbst, verdienen sich Pharmaindustrie und Marketingunternehmen eine goldene Nase, nicht zu vergessen die Rüstungsindustrie. Ihre Produkte werden publikumswirksam bei Wettkämpfen eingesetzt, in der die Sportler eigentlich nur die gegnerische Fahne erobern müssen. Da dabei jedoch nicht mit Platzpatronen geschossen wird und sogar Panzer zum Einsatz kommen, werden die Zuschauer blutig unterhalten und Verluste kühl mit einkalkuliert. Moral war gestern, heute kann man bei Armageddon TV Chips knabbernd vom Sofa aus verfolgen, wie die um ihr Überleben kämpfenden Sportidole weggeputzt werden.

 

Und ähnlich wie bei Unfällen, werden die Blicke unwillkürlich auf bestimmte Dinge gelenkt. Man fühlt sich geschockt, angewidert (etwa vom Sendeformat im Buch) und gleichzeitig ist alles so schrecklich, dass man kaum wegsehen geschweige denn nicht weiterlesen kann.

 

Fazit:

 

Bleibt zu hoffen, dass die bitterböse, medienkritische Vision des Autors nicht irgendwann Nachahmer findet. Wirkliche Unterhaltung sieht irgendwie anders aus. Denn auch wenn van Aster alles gleichermaßen zielsicher, bitterböse und überspitzt darstellt, zeigt die Realität, dass wir grundsätzlich gar nicht so weit entfernt davon sind. Während ich las, dachte ich beständig an die vorab genannten Sendungen, in denen nicht nur von Senderseite um der der Einschaltquote willen, sondern auch von Teilnehmerseite um des Geldes willen so vieles getan wird, was der gesunde Menschenverstand nicht begreifen will. Die Manipulationsfähigkeit mancher Leute trägt sich nur, wenn andere sich manipulieren lassen. Beide Seiten beleuchtet von Aster in seinem dystopischen Roman, mal lenkt er den Fokus auf die Sportler, mal auf die Strippenzieher hinter den Kulissen. Dabei hält er die vordergründig brutalen Beschreibungen der blutigen Wettkämpfe auf einem relativ erträglichen Maß. Er streut Intrigen und Machtspielchen ein, steuert auf den Schlusskampf im Armageddon Dome zu. Das alles nicht unbedingt in einem rasanten Tempo, aber trotzdem schockierend. Ich möchte Armageddon TV vier von fünf Punkten geben und kann es allen ans Herz legen, die Geschichten mögen, die sich etwas abseits des Mainstream-Geschmacks tummeln.

 

Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)


8. Januar 2012

Donck, Carel: Nur noch ein einziges Mal

Filed under: Belletristik,Roman — Ati @ 11:34

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Carel Donck: Nur noch ein einziges Mal

 

Originaltitel De Nachtmoerder

aus dem Niederländischen übersetzt von Rosemarie Still
Knaur

ISBN 9783426505595

ISBN 3426505592

Belletristik

Deutsche Erstausgabe 2011

Umschlaggestaltung ZERO Werbeagentur, München

Taschenbuch, 205 Seiten

[D] Preis 8,99 €

Verlagsseite

Der 1946 geborene und in Amsterdam lebende Carel Donck war Kennern der Szene bisher eher durch Drehbücher für Film und Fernsehen ein Begriff. Mit seinem ersten Roman „Nur noch ein einziges Mal“ betritt er also quasi nicht nur Neuland, sondern wagt sich auch gleichzeitig an ein Thema heran, dass viele Menschen seit ewigen Zeiten beschäftigt und wohl auch noch einige Zeit beschäftigen wird.

 

Was passiert, wenn wir sterben? Mit denen die wir zurücklassen, aber auch mit uns? Lösen wir uns einfach auf, verpufft unsere Existenz ohne Nachhall? Oder betreten wir eine andere Ebene? Wenn ja, werden wir die, die wir zurücklassen wiedersehen? Wenn es mehr als unser irdisches Leben gibt, wäre es dann nicht wundervoll, wenn wir unsere Lieben wenigstens ab und an etwas lenken könnten? Oder würde es für zu viel Chaos sorgen? Aber beobachten wäre doch auch schon etwas, oder?

 

In Doncks Debütroman bekommt die Protagonistin Laura diese Chance. Als sie bei einem Unfall getötet wird, findet sie sich nach ihrem Wiedererwachen in einer Art Zwischenwelt wieder. Lange Flure, kleine Zimmerchen und riesige Säle in unendlicher Fortsetzung. Die Einrichtung im Gesamten eher spartanisch.

 

Wer jetzt glaubt, dass Laura als eine Art Engel oder in anderer Gestalt wieder auf die Erde darf, weil sie etwa zu früh gestorben ist, irrt. An ihrem Tod oder am Zeitpunkt ihres Todes besteht kein Zweifel. Und Doncks Vorstellung vom Jenseits ist dann nicht nur räumlich betrachtet ganz anders, als man es gemeinhin zu lesen bekommt.

 

Laura ist zum einen zunächst zum puren Zusehen verdammt. Erst nach einiger Zeit gelingt es ihr, über Träume Kontakt mit ihrem Sohn und später auch zu ihrer Tochter aufzunehmen. Bis dahin verfolgt sie in einem kleinen Zimmerchen, das ihr zugewiesen wird, geradezu süchtig, was die „Mitarbeiter“ der Zwischenwelt seit ihrem Tod akribisch aufgezeichnet haben. Doch sie kann auch live den Alltag ihrer zurückgebliebenen Familie am Bildschirm verfolgen. Sie kann beobachten, wie schwer sich ihr Sohn Mark mit ihrem Tod tut. Findet heraus, dass ihr Mann sie vor ihrem Tod betrogen hat und mittlerweile mit ihrer gemeinsamen Freundin lebt. Und weil mit dem Tod nicht alle Emotionen verpuffen, freut sich Laura zunächst einmal, als sie begreift, dass Silvia mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, bei dem Versuch von den Kindern akzeptiert zu werden. Spätestens als sie über die Träume Einfluss auf ihre Kinder nehmen kann, setzt Laura alles daran, Silvia das Leben so schwer wie möglich zu machen, ohne zunächst zu begreifen, was sie ihren Kindern damit antut.

 

Daneben gibt es aber auch noch Lauras Dasein in der Zwischenwelt. Donck zeichnet wie bereits erwähnt ein etwas anderes Bild. Es ist sehr still dort, obwohl ganze Säle voller Menschen sind. Monotonie bestimmt den Alltag. Keine bekannten Gesichter begegnen Laura, eine Unterhaltung ist nur den wenigsten möglich. Mit ihr spricht allenfalls der für sie zuständige Mitarbeiter der Zwischenwelt. Die Blicke der Menschen sind leer und niemand – außer einem Mädchen – scheint Laura wirklich wahrzunehmen. Sie fühlt sich einsam, verraten und ohnmächtig. Vor allem, nachdem ausgerechnet das eben erwähnte Mädchen ihr einen Ort zeigt, der in die Unendlichkeit zu führen scheint und sich dann fast unmittelbar danach zu diesem Ort aufmacht.

 

Doncks in Gegenwartsform geschriebener Debütroman lässt sich leicht lesen. Man taucht bereits anfangs in eine sehr dramatische und emotionsgeladene Atmosphäre ein. Die Wechsel zwischen den Erlebnissen in der Zwischenwelt und Lauras Beobachtungen ihrer Familie sind sehr fließend und überaus gut gelungen. Und obwohl Donck den Hauptteil der Geschichte von Laura selbst erzählen lässt und ihr Tod eindeutig das Hauptthema ist, bleibt dem Leser doch das nahezu zum Scheitern verurteilte Bemühen Silvias nicht verborgen, die verzweifelt versucht, den Kindern eine gute Mutter und dem Ehemann eine gute Frau zu sein. Ebenfalls sehr ausführlich geht Donck auf Lauras Sohn Mark ein, der sehr unter dem Tod seiner Mutter leidet. Die Elemente des Schmerzes und der Trauer werden sehr einfühlsam übertragen.

 

Ohne sich in ausführlichen Charakterbeschreibungen zu ergehen, schafft es Donck, die Welt der Lebenden und ihre Handlungsweise nachvollziehbar lebensecht darzustellen. Demgegenüber stehen die Figuren der Zwischenwelt, die zwar ebenfalls klar gezeichnet, aber durch ihr Verhalten eher vage verschwommen daherkommen und – bis auf das Mädchen –  keine große Rolle in dem Geschehen zu spielen scheinen.

 

Die eigentliche Grundthematik, die in vielen Büchern verkitscht herüberkommt, wird von dem niederländischen Autor rührend aber nicht rührselig dargestellt. Kleine dramatische Szenen reihen sich aneinander, ohne durch melodramatische Elemente verdorben zu werden. Donck lässt seine Leser an einem kurzweilig zu lesenden aber keinesfalls flüchtigen Entwicklungsprozess seiner Hauptfigur teilnehmen. Lässt ihn miterleben, wie Laura Akzeptanz und Abschied lernen muss. Aber auch Liebe erkennen kann und dass eine vermeintliche Feindin auch zu einer Verbündeten werden kann, wenn es um die Kinder geht. Dass die Figuren in der Zwischenwelt dann doch eine größere Rolle spielen, als zunächst angenommen, zeigt sich spätestens an Lauras Entwicklungsprozess gegen Ende des Buches.

 

Was zunächst tröstlich erscheint – nach dem Tod den Kontakt zu denen, die wir lieben, nicht völlig zu verlieren – offenbart sich in Doncks Version vom Leben danach als zunehmend trostloser, da er Laura größtenteils zur stillen und unsichtbaren Beobachterin verdammt.  Dennoch erlebt Laura Glücksmomente und das hebt – obwohl das Buch nicht fröhlich ist – die Grundstimmung deutlich. Dazu gehören die Begegnungen mit dem jungen Mädchen ebenso wie die Momente, in denen sie mit ihren Kindern Kontakt aufnehmen kann. Trotz des traurigen Schlusses fühlt man sich versöhnt und in gewisser Weise auch getröstet.

 

Fazit:

 

Doncks Debütroman fesselt unweigerlich. Er ist für mich kein Buch, dass man mal eben so nebenbei liest und dann einfach und schnell wieder vergisst. Zum einen, weil seine Vorstellung vom Leben danach etwas erschreckend trostloses beinhaltet. Zum anderen und vor allem aber, weil er emotional fesselt. Kein Mainstreambuch, aber eines, das man lesen sollte und für das ich fünf von fünf Punkten vergeben möchte.

 

Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

2. Mai 2011

St. Crow, Lili: Strange Angels 01 – Verflucht

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Lili St. Crow

Strange Angels 01: Verflucht


Originaltitel Strange Angels
aus dem Englischen übersetzt von Sabine Schilasky
PAN
ISBN 9783426283455
ISBN 342628345X
Fantasy, Jungenbuch 12 – 15 Jahre
Deutsche Erstausgabe 2011
Umschlaggestaltung ZERO Werbeagentur, München
Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag, 384 Seiten
[D] Preis 16,99 €

Verlagsseite

Autorenseite  

 

Lili St. Crow – unter diesem Pseudonym veröffentlicht die 1976 in New Mexico geborene und z. T. im Vereinigten Königreich auf einer Militärbasis aufgewachsene Autorin Lilith Saintcrow Geschichten und Bücher für Jugendliche, während sie sich unter ihrem richtigen Namen an ein erwachsenes Publikum wendet. Ein weiteres Pseudonym ist Anna Beguine. Die heute mit einigen Katzen und ihrer Familie in Vancouver lebende Autorin bevorzugt dabei die Genres Paranormale Romance oder Urban Fantasy.

 

Die Liste ihrer Veröffentlichungen deutet darauf hin, dass sie nicht nur seit ihrem 10. Lebensjahr gerne schreibt, sondern geradezu süchtig danach zu sein scheint. Neben der frei zugänglichen Onlineserie „Selene“, erschienen seit 2004 auch mehrere Novellen und Buchreihen der Autorin unter einem der drei oben genannten Namen.

 

2004 – 2008: Watcher-Serie, 5 Bände

2005:              Society-Serie, 2 Bände

2005 – 2008: Dante-Valentine-Serie, 5 Bände

2007:              Smoke, Mirror, Steelflower

2009:              The Demon’s Librarian

2008 – 2011: Jill-Kismet-Serie, 6 Bände

 

Wer „Selene“ verfolgt oder verfolgt hat, wird vielleicht die eine oder andere Figur aus der Dante-Valentine-Reihe wiedererkennen. Dante Valentine? Jill Kismet? Richtig, diese beiden Reihen kennen Fans des Genres aus den von LYX für den deutschen Buchmarkt übersetzten Bänden. Und dank PAN wird auch die anvisierte jugendliche Zielgruppe hierzulande etwas mit dem Namen St. Crow anfangen können. Der Verlag brachte im April 2011 den gleichnamigen Auftaktroman der bislang fünfteiligen Serie Strange Angels unter dem Titel „Verflucht“ in die Buchläden.

 

Wie bei den übrigen Büchern des Verlags kann man auch bei „Verflucht“ zunächst bereits zur Covergestaltung gratulieren. Der dunkle, matt gehaltene Umschlag zeigt ein schlafendes Mädchen, wirkt durch die Drucktechnik fast samtig, fasst sich griffig an. Die weiße Schrift des Titels leuchtet förmlich ins Auge, obwohl sie gleichzeitig etwas verschwommen und dadurch unwirklich wirkt. Und damit einen Bezug zum Buchinhalt bekommt.

 

Im Buch selbst geht es um die 16jährige Dru, die – vorübergehend – in den Dakotas lebt. Die Geschichte spielt über einen Zeitraum von einigen Tagen im Winter. Der eben erwähnte Bezug zum Buchcover zeigt sich darin, dass Dru visionsartige Träume erlebt.

 

Neben Dru geht es aber auch um Zombies und Dämonen, Vampire und Gestaltwandler. Die kennt der Teenager nicht nur aus Büchern und Filmen, sondern weiß schon von klein auf, dass sie zur Realität gehören, auch wenn die meisten Menschen nichts davon mitbekommen. Ihre Mutter ist vor Jahren gestorben. Ihre Großmutter, die sie daraufhin großgezogen hat, lebt auch nicht mehr. Einzig ihr Vater ist ihr geblieben, der Dinge jagt, die für gewöhnlich ohne nachzudenken ins Reich der Mythen und Gruselgeschichten sortiert werden. Jedenfalls, bis er eines Tages auf jemanden trifft, der ihn tötet und seiner Tochter als Zombie auf den Hals hetzt. Und er ist nicht der Einzige, der auf Dru angesetzt wird, denn in ihr schlummert ein Geheimnis. Sie selbst hat keine Ahnung, worum es dabei geht, ihr Widersacher jedoch offenbar schon, weshalb ihr gar nichts anderes übrig bleibt, als sich zu wehren.

 

Sollten hier Buffy und Konsorten in leicht variierter Form à la Supernatural wiederauferstehen?

 

Steckt in der Geschichte nur ein weiterer Teenager, der unwahrscheinlich zäh, widerspenstig und nicht totzukriegen ist? Der seinen Daseinszweck allein im Killen von Monstern und nebenbei im Anschmachten eines übernatürlichen Wesens sieht? Der schlaflose Nächte en masse erlebt, horrormäßige Gestalten einfach so im Kickboxstil vernichtet und das Erlebte auch noch problemlos wegsteckt? Ein Teenie, der cool damit umgeht, dass er den zum Zombie mutierten eigenen Vater töten muss, um zu überleben?

 

Glücklicherweise wird man in „Verflucht“ davon verschont. Dru ist trotz ihres Wissens um die Anderen ein völlig normales Mädchen, das – zumindest im Auftaktroman – keine übermäßig übernatürlichen Kräfte in sich bündelt. Sie kann sich wehren, sie kann mit Waffen umgehen, doch sie ist keine Heldin, die über allem steht und nebenbei stets noch perfekt gestylt ist. Sie ist ein junges Mädchen, das neben den ganz normalen Problemen wie Schule und Erwachsenwerden auch damit kämpfen muss, mit den ständigen Ortswechseln zu leben, die das Leben mit ihrem Vater und seinen Aufträgen so mit sich bringt. Keine gute Voraussetzung um Freundschaften zu schließen. Dru ist trotzig und in gewisser Weise zornig. Wenn man alle auf Abstand hält, fällt das Abschiednehmen gar nicht erst schwer. Einsam – so stellt sich Dru dar. Dru muss schreien und weinen, ist verzweifelt und ängstlich. Eben eher eine Gejagte als eine Jägerin.

 

Trotzdem schreckt sie einen Jungen nicht ab: Graves, ebenfalls ein Außenseiter, der sich nach und nach als ein Junge herausstellt, der ohne festen Wohnsitz auch niemanden hat, der sich um ihn kümmert, spricht sie an. Und als kurz darauf Dru’s kleine Welt durch den doppelten Tod ihres Vaters zusammenbricht, ist er es, der ihr hilft. Er bietet ihr neben einem Unterschlupf eine Schulter zum Anlehnen, obwohl er nicht einmal andeutungsweise ahnt, worauf er sich da einlässt. Er fragt nicht viel, sondern handelt. Er schreckt nicht vor dem zurück, was ihn da überrollt, sondern stellt sich dem Ganzen – ebenfalls nicht cool und abgeklärt, sondern eher wie jemand, der nach dem Prinzip mitgehangen-mitgefangen lebt. Was hier ins Auge fällt, ist, dass Graves, ganz unauffällig eine erwachsene und erzieherische Rolle einnimmt, indem er Dru auf „wichtige“ Dinge im „normalen“ Leben verweist und sie animieren möchte, sich daran zu halten. Was in vergleichbaren Romanen oftmals von Erwachsenen ausgeht und dadurch bisweilen eher ermüdend-belehrend als motivierend wirkt, stellt sich im Hinblick auf seine Person durchaus überlegt und schlüssig dar.

 

Wer zwischen Graves und Dru eine Liebesgeschichte vermutet, wird enttäuscht. Dafür gibt es zunächst eine Geschichte über eine sich anbahnende Freundschaft und Vertrauen, über Werte, Perspektiven und Ziele. Alles andere wäre fehl am Platz, zu heftig ist das, was die beiden erleben. Bereits anfangs der von Dru erzählten und von ihren Gedanken durchsetzten Geschichte wird klar, dass die Autorin nicht sehr zartfühlend mit ihnen umgeht. Die Leser werden nicht von gut aussehenden Blutsaugern und scheinbar unwiderstehlichen Werwölfen an-, sondern von zerfallenden Zombies und beißwütigen Gestaltwandlern ins Geschehen gezogen. Dru und Graves machen gezwungenermaßen das, was zum Überleben notwendig ist, sind dabei aber verletzlich und auch durchaus wehrlos. Beide Charaktere wirken mit ihren Schwächen und in ihrer Hilflosigkeit bei allem was sie tun lebensecht. Flüssig verwebt die Autorin die fantastischen Elemente mit dem realen Hintergrund zu einer Atmosphäre, die den Leser schnell einhüllt, auch Erwachsene hin und wieder schlucken lässt, jedoch nicht nur platt auf blutrünstigen Horror abzielt. Gegen Ende von „Verflucht“ bekommen die beiden Hilfe durch den nach Apfelkuchen duftenden Blutsauger Christope, der eine nicht gleich einfach und klar zu definierende Rolle spielt.

 

Ein kleines Manko ist, das Dru’s Gedanken, die als kursiver Text dargestellt werden, sich häufen. Was einerseits gut zu ihrer inneren Zerrissenheit passt, stört andererseits in seiner Häufigkeit. Durch Wiederholungen bestimmter Dinge entwickeln sich zusätzlich Längen. Zumindest Letztere werden jedoch meist schnell von spannungsreichen Momenten abgelöst und gehen in dem grundsätzlich flüssigen Schreibstil fast unter.

 

Ein weiteres Manko stellt die von der Autorin gewählte Erzählform dar. Man sieht alles aus Dru’s Sicht, kann so nur ihrem Fokus folgen und verschiedenen Zusammenhänge nicht ohne Weiteres erkennen. Obwohl letztendlich alles verwoben wird, sucht man manchmal den roten Faden. Ein Perspektivwechsel hätte hier gut getan, obwohl der Leser an sich in diesem Buch mit einer Fülle an Informationen versorgt wird. Sie ergeben sich aus Rückblicken auf Dru’s bisheriges Leben, aus Träumen, Andeutungen, Ahnungen; was alles in allem für einen trotz allem gelungenen Auftakt der Strange-Angels-Reihe sorgt. Das nachvollziehbare Verhalten der lebensecht wirkenden Hauptfiguren tut ein Übriges.

 

Letztlich wird bereits mit diesem ersten Band klar, dass die Bücher der Reihe vermutlich nicht in sich abgeschlossen und separat lesbar sind. Das Ende von „Verflucht“ ist völlig offen. So wird weder das Geheimnis um Dru gelüftet, noch die Rolle des eben erwähnten Blutsaugers ganz klar. So ist ungeklärt, was aus Graves wird oder wer wirklich hinter dem Mord an Dru‘s Vater steckt. Dieses Ende kann jedoch bei allen Fragen schwer als Cliffhanger bezeichnet werden.

 

Fazit

 

Die fehlenden Antworten macht Lust auf die im Herbst erscheinende Fortsetzung „Verraten“, zumal bereits jetzt erkennbar scheint, dass die Geschichte sich steigert. Die kleinen Schwächen sorgen dennoch für einen Punkteabzug, weshalb ich nur vier Punkte von fünf Punkten vergeben möchte. Zudem habe ich bei der Altersfreigabe ab 12 Jahre Bedenken, da die Zombiepassagen doch sehr anschaulich beschrieben sind.

 

Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

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