Die Leselustige Ati's Rezi-Seite – Buchbesprechungen, Ankündigungen, etc.

25. März 2011

Fleming, Sebastian: Die Kuppel des Himmels

Filed under: Belletristik,Historisch,Roman — Ati @ 15:15

084_fleming_diekuppeldeshimmels.jpg

Sebastian Fleming
Die Kuppel des Himmels

Bastei Lübbe
ISBN 9783404164905
ISBN 3404164903
Historischer Roman
Originalausgabe 2010
Umschlaggestaltung HildenDesign, München
Taschenbuch 672 Seiten
[D] 9,99 €

Verlagsseite

Zum Autor

 

Sebastian Fleming ist, genau wie Nicholas Lessing, eines der Pseudonyme, unter denen der Autor Klaus-Rüdiger Mai seine Romane auf den Markt bringt. Er stammt aus Sachsen-Anhalt, studierte in Halle Germanistik, Geschichte und Philosophie. Er ging zum Theater und schaffte es unter dem als Kommissar Ehrlicher bekannten Peter Sodann zum Dramaturgen. Seine Veröffentlichungen reichen von Sachbüchern, wie etwa der Biografie von Michail Gorbatschow oder auch der von Papst Benedikt XVI. – beide aus dem Jahr 2005 auch zu historischen Romanen. Diese erscheinen als Abgrenzung zu seinen Sachbüchern unter einem der beiden Pseudonyme. 2009 kam sein erster diesbezüglicher Roman, der sich mit der Varusschlacht am Teutoburger Wald neun Jahre nach Beginn der christlichen Zeitrechnung beschäftigt, auf den Markt. Doch Mai ist nicht nur der Buchwelt ein Begriff. Er war als Autor und Produzent beim Fernsehen tätig. Von ihm stammt etwa die Idee der Kindersendung Schloss Einstein oder er machte beispielsweise auch eine 3teilige Dokumentation über die Zeit der Inquisition. 2005 kehrte er dem Fernsehen jedoch den Rücken und wandte sich ganz dem Schreiben zu. Der Autor verbindet dabei Dichtung und Wahrheit, flicht gut recherchierte Ergebnisse in seine Sachbücher und Romane ein.

 

Zum Buch / Meine Meinung

 

Das Cover von Die Kuppel des Himmels gibt den ersten, recht genauen Hinweis, worum es im Buch geht. Es zeigt die Kuppel des Petersdoms und ein paar auffliegende Vögel, die genau wie der Name des Autors und der Titel des Buches glänzend und leicht erhaben gedruckt sind.

 

Fleming macht es einem anfangs etwas schwer, ihn ins Rom der Renaissance zu begleiten. Er lässt den Leser bereits in den ersten Kapiteln unzählige Figuren begegnen, ja führt quasi fast kaleidoskopartig ein. Alle sind an dem beteiligt, was seinen Lauf nimmt, weil der alte Petersdom zusehends verfällt und einer der damaligen Päpste, Julius II., den Auftrag für eine neue Basilika erteilt, in der er seine letzte Ruhe finden will. Diese Basilika soll gewaltiger werden, als alles, was jemals im Abendland erbaut wurde. Nicht nur, dass es im Rom des Abendländischen Schismas mit seiner geteilten Kirche und mehreren gewählten luxus- wie herrschsüchtigen Päpsten Gegner gibt, die den Bau um jeden Preis verhindern wollen. Der von Julius II. beauftragte Baumeister Bramante hat auch einen handwerklichen Konkurrenten, der ihm gefährlich werden kann: Michelangelo. Er ist jünger als Bramante und eigentlich nur Bildhauer, trotzdem fällt es schwer, ihn zu übersehen oder es wäre fatal, ihn zu unterschätzen. Sein Entwurf hat eine Kuppel, so weit wie der Himmel – womit der Buchtitel einen weiteren Hinweis liefert.

 

Wie gesagt, der Anfang ist etwas schwer, zieht sich und verwirrt. Doch wer durchhält, wird durchaus belohnt, denn die Geschichte gewinnt mit zunehmendem Verlauf. Der Autor versucht nicht zwingend, den über ein Jahrhundert währenden Dombau in seiner Geschichte in den Vordergrund zu stellen. Doch auch wenn die Geschehnisse um und mit Julius II., Bramante und Michelangelo den Großteil der Geschichte ausmachen (die es als Hauptakteure zu den vielen Nebenfiguren gibt, welche zusätzlich auf Nebenschauplätzen in Nebenhandlungen agieren) – sie sind nur Träger und Vermittler des roten Fadens zum eigentlichen Hauptcharakter: Der omnipräsenten Kuppel des neuen Petersdoms. Dies wird schon durch die in der Geschichte enthaltenen Zeitsprünge klar. Die Figuren hauchen dem an sich nicht lebendigen Bau nur so etwas wie Leben ein.

 

Das Handeln der trotz ihrer Vielfalt relativ klar gearbeiteten Figuren zeichnet ein gut nachvollziehbares Bild der damaligen Zeit. Intrigen, politischen Verwirr- und Ränkespiele, die Plünderung Roms, schemenhaften Geheimbünde, die Beschreibung des Handwerks und der mit dem Bau verbundenen Schwierigkeiten – alles trägt zu der atmosphärischen Dichte bei, die Fleming in seinem Roman webt. Die Seiten sind gefüllt mit vielen kleinen Handlungssträngen, die von ihm zu einem großen geflochten werden.

 

Fazit

 

Nicht ganz flüssig zu lesen, obwohl der Autor durchaus eine flüssige Sprache wählt. Kein Buch zur reinen Entspannung, da es viele Charaktere und Nebenschauplätze darin gibt. Wer sich für Geschichte interessiert, wird hier gut bedient, zumal Fleming die eine oder andere eher unbekannte Begebenheit wiedergibt. Alles in allem ein spannendes Buch, wenn man durchhält, für das ich vier von fünf Punkten vergeben möchte.

 

Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

Chance, Karen: Dämonisch verführt

Filed under: Belletristik,Fantasy, Horror, SciFi,Roman — Ati @ 11:48

082_chance_damonischverfuhrt.jpg

Karen Chance
Dämonisch verführt

Originaltitel: Midnight’s Daughter
aus dem Amerikanischen übersetzt von Andreas Brandhorst
Piper
ISBN 9783492291989
Fantasy
Deutsche Erstausgabe 2010
Umschlaggestaltung Guter Punkt, München
Taschenbuch, 400 Seiten
[D] 8,95 €

Verlagsseite
Autorenseite 

 

Wenn man ihren Lebenslauf so liest, könnte man die US-amerikanische Urban-Fantasy-Schriftstellerin Karen Chance fast als Nomadin betrachten – immerhin lebte und arbeitete die Autorin in der Vergangenheit auf drei Kontinenten (in den Staaten, Europa und Asien). Doch es zieht sie immer wieder in ihre Heimat Florida zurück. Aus ihrer Feder stammen neben vier bekannteren Beiträgen zu Anthologien auch die Cassie-Palmer-Reihe sowie die mit Dämonisch verführt beginnende Dorina-Basarab-Reihe.

 

Dorina ist eine Dhampirin – Vater Vampir, Mutter Mensch. Sie ist mit ihren 500 Jahren nicht mehr die Allerjüngste, aber vermutlich eine der ältesten Dhampire, die laut Karen Chance für ihr aufbrausendes Temperament und ihre berserkerhafte Wut bekannt sind, was sie nicht allzu lange leben lässt. Ihre Verwandtschaft ist illuster, zählt dazu doch ihr allseits berüchtigter und gefürchteter Onkel Dracula. Normalerweise geht Dorina den Vampiren aus dem Weg oder sie jagt sie als Kopfgeldjägerin schon mal gnadenlos, weil sie es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Menschheit vor den Dämonen zu schützen. Ihr Verhältnis zu ihrem Vater ist sehr gespalten, zumal er ein führende Position bei den Vampiren einnimmt.

 

Vampire und Dhampire sind in Chances neuer Reihe nicht die einzigen übernatürlichen Wesen. Es gibt auch Elfen und Trolle und noch eine Reihe anderer Kreaturen. Als ihre beste Freundin Claire eines Tages spurlos verschwindet, verbündet Dorina sich zähneknirschend mit den Vampiren, um deren Unterstützung bei der Suche nach Claire zu erhalten. Im Gegenzug soll sie den Vampiren wiederum helfen, ihren Onkel Dracula zur Strecke zu bringen, der zu bösartig für die Welt ist. Statt wie sonst alleine ihre Arbeit zu machen, bekommt sie den Vampir Louis-Cesar zur Seite gestellt. Der sorgt mit seinem guten Aussehen und seiner Art dafür, dass Dorina etwas anders über ihre Verwandtschaft zu denken beginnt und dafür, dass hin und wieder eine Horde Schmetterlinge in ihrem Bauch zu flattern beginnt.

 

Bücher dieser Art überschwemmen ja seit einiger Zeit den Markt. Bei einigen muss man den Kopf schütteln, weil sie oft nur aus einer Aneinanderreihung mehr oder weniger prickelnd-erotischer Szenen um ein paar Fänge herum bestehen, die kaum einen verfolgenswerten Handlungsfaden enthalten. Und nach Lektüre der Inhaltsangabe oder diverser Bewertungen könnte man fast versucht sein, Chances Auftaktroman in diese Schublade zu stecken. Doch damit täte man ihr Unrecht. Man kann ihren Auftaktroman zwar schwerlich als sonderlich tiefsinnig bezeichnen. Unterhaltend ist er jedoch allemal. Durch die Geschichte zieht sich ein roter Faden, der Jagden und Kämpfe rasant abwechselnd mit magischen Elementen und einem Hauch Romantik bzw. Erotik verbindet. Chance hält die Liaison zwischen dem etwas undurchsichtigen Louis-Cesar und der hin und wieder zickig wirkenden Dorina in einem ausgewogenen Verhältnis zum Rest der Geschichte.

 

All das ist, wie von Chance gewohnt, flüssig  und spielerisch leicht geschrieben, mit amüsanten, leicht prickelnden und spannenden Passagen. Blut fließt, es wird viel gekämpft – wobei sich die Beschreibung davon in einem erträglichen Rahmen hält. Übernimmt die Berserkerin in Dorina die Führung, ist sie quasi nicht bei Bewusstsein und kann – da sie die Geschichte erzählt – logischerweise nichts davon berichten.

 

Ein kleiner Minuspunkt ist, dass manche der Figuren etwas diffus bleiben und dass ein Anfreunden mit ihnen dem einen oder anderen zu Beginn vielleicht sogar  schwer fallen könnte. So ist Dorina kein hyperempfindliches Frauchen, sie vertritt eher die erst-zuschlagen-dann-fragen-Fraktion. Das ergibt sich natürlich logischerweise aus ihrem bisherigen Dasein, das sie ausgegrenzt und angefeindet verbracht hat und zeigt sich auch schon im Covermotiv, welches eine bewaffnete junge Frau in schwarzem, eng anliegendem Lederoutfit zeigt. Dessen ungeachtet kann die Zickigkeit, die sie dabei an den Tag legt fast nerven. Doch bald schon lernt der Leser, dass Langlebigkeit und Beinaheunsterblichkeit auch so ihre Tücken haben. Dass Vampire und Dhampire nicht unbedingt in glücklichen Familien leben und beide leiden, wenn man sie permanent missachtet oder verleugnet, wenn man ihre Angehörigen quält und tötet. Dass, egal wie tough sie wirken also jemand dahinter steckt, der durchaus verletzlich ist. Das gilt auch für Trolle, die treue Partner sein, und für Elfen, die jede beliebige Gestalt annehmen können. Und man lernt auch, dass eine verschwundene Freundin nicht immer das Schlimmste bedeuten muss.

 

Es gibt noch einen zweiten Minuspunkt, der die Auflösung von Dorinas und Mirceas (ihr Vater) Vergangenheit, ihr Verhältnis zueinander und damit im Besonderen den Tod ihrer Mutter betrifft. Dieser Teil der Geschichte wirkt im Vergleich zu den übrigen Handlungssträngen eher langweilig und etwas überhastet niedergeschrieben. Da er jedoch relativ kurz gehalten ist, fällt er gleichzeitig nicht weiter ins Gewicht und geht fast in dem rasant gehaltenen Auftaktroman der Dorina-Basarab-Reihe unter.

 

Fazit

 

Ein leicht zu lesender, amüsant-rasanter Auftakt zu einer neuen Reihe, mit der einen oder anderen bereits aus der Cassie-Palmer-Reihe bekannten Figur. Der Erzählstil ist ebenfalls wie in dieser Reihe gehalten. Trotz aller Ähnlichkeiten setzt Chance aber doch neu an. Dass es nur vier von fünf Punkten gibt, liegt an den eben erwähnten Schwachstellen, die die Ausarbeitung der Figuren und die Auflösung, bezüglich Mirceas und Dorinas Verhältnis zueinander, betreffen.

 

Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

23. März 2011

Crandall, Susan: Pitch Black – ohne Ausweg

Filed under: Buch- & Sammelreihe,Krimi/Thriller,Roman — Ati @ 19:34

082_crandall_pitchblack.jpg

Susan Crandall
Pitch Black – Ohne Ausweg


Originaltitel: Pitch Black
übersetzt von Katrin Mrugalla und Richard Betzenbichler
Lyx
ISBN 9783802583339
ISBN
3802583337
Krimi
Deutsche Erstausgabe 2011
Taschenbuch mit Klappenbroschuer, 395 Seiten
[D] 9,95 €

 

Verlagsseite
Autorenseite

Zum Buch / Meine Meinung

 

Bereits mit ihrem ersten Kriminalroman hat die in Indiana lebende Susan Crandall einen Preis – den RITA-Award – gewonnen. Seit 2004 sind zwei Einzeltitel und insgesamt sieben Titeln in den beiden Buchserien Pitch Black und Glens Crossing erschienen. Mit Pitch Black – Ohne Ausweg erscheint der Teil der gleichnamigen Serie in deutscher Sprache. Es handelt sich dabei um eine Geschichte über eine aufkeimende Liebe, Vertrauen, Freundschaft und Verbrechen. Im August soll der zweite Teil mit dem Titel Dark Red – Ewiges Versprechen folgen. Weitere Übersetzungen ihrer Romane sind beim Verlag in Vorbereitung.

 

Der als Romantic-Thrill eingestufte Roman deutet auf eine Liebesgeschichte mit etwas Mord hin. Doch wer Crandall verdächtigt, sich dafür einfach der üblichen Klischees zu bedienen, liegt falsch. Die Autorin zeichnet in ihrem Buch interessant vielschichtige, authentische Figuren in einer dicht gewobenen Kleinstadtatmosphäre der Gegenwart. Da gibt es die erfolgreiche und unabhängige Journalistin Maddie mit ihrem Adoptivsohn Ethan, der als Straßenkind gelebt und eine bewegte Vergangenheit hat. Da gibt es Gabe, den örtlichen Sheriff, Südstaatengentleman, gut aussehend – an dem sie genauso interessiert ist, wie er an ihr. Das sind die drei Hauptpersonen der Geschichte. Keine Figuren ohne Ecken und Kanten, aber lebendig mit Überzeugungen und liebenswerten Eigenschaften, die schneller als es gut für sie ist, von Crandall in etwas verwickelt werden, was man eher in Großstädten, nicht jedoch in der beschaulichen Südstaatengemeinde erwartet, in die Maddie mit Ethan gezogen ist.

 

Es gibt insgesamt vier Todesfälle in Pitch Black – Ohne Ausweg, wobei die erste Tote einige Zeit vor Maddies und Ethans Umzug stirbt und die zweite Leiche nur bedingt als Mordopfer deklariert werden kann. Das ist wenig später der Stiefvater von Ethans bestem bzw. einzigen Freund Jordan. Er war in der Gemeinde anerkannt und beliebt. Jordan hatte jedoch nicht nur im Allgemeinen vor vielem Angst, sondern anscheinend auch vor diesem Mann im Besonderen. Was als harmloser Campingausflug für Ethan, drei weitere Jungs und Jordans Stiefvater beginnt, endet mit einem Toten. Was zunächst wie ein Unfall aussieht, kristallisiert sich schnell als Gewaltverbrechen heraus. Die Ermittlungen kosten Gabe nicht nur Zeit, die ihm für die beginnende Beziehung zu Maddie fehlt. Anfangs stellte Maddie noch die Bedürfnisse ihres Adoptivsohnes über ihre eigenen, dann nehmen die Dinge einen Lauf, der nicht gerade beziehungsfördernd ist. Gabes Arbeit bringt Indizien zutage, die Ethan schwer belasten. Der Junge macht sich zusätzlich verdächtig, weil er etwas verschweigt. Auf diese Weise wird er aus seiner gerade erst gewonnenen Sicherheit gerissen. Auf diese Weise werden aber auch die zart eingestreuten Gefühle von Maddie und Gabe auf eine schwere Belastungsprobe gestellt, denn Maddie glaubt fest an Ethans Unschuld. Und bevor der erste Mord ganz geklärt ist, gibt es einen weiteren Toten. Wieder sieht es zunächst wie ein Unfall aus. Wieder deuten die Indizien auf Ethan. Der Tote war nicht nur auf dem Campingausflug dabei, er brüstete sich kurz zuvor in der Schule damit, alles gesehen zu haben.

 

Hinzu kommt, dass Maddie im Rahmen ihrer Tätigkeit als Journalistin einem Skandal auf der Spur ist, der ihr Leben in Gefahr bringt. Und es zeigt sich, dass das Leben in einer kleinen Gemeinde auch Nachteile hat. Fremde haben es dort nicht unbedingt leicht. Vorurteile keimen schnell. So wird Ethan seine größtenteils im dunklen liegende Vergangenheit genauso angelastet wie sein teilweise aufbrausendes Verhalten. Maddie wird eine gewisse Yankeearroganz unterstellt. Doch auch Gabe hat es nicht leicht. Zu schnell unterstellt ihm Maddie Gedanken, die er so nicht denkt und zusätzlich muss er sich fragen lassen, ob er wegen ihr eventuell nicht so objektiv ist, wie er sein sollte.

 

Geschickt verwoben spinnt Crandall ihre die Morde betreffenden Handlungsfäden, ohne die entstehende Beziehung zwischen Maddie und Gabe ganz außen vor zu lassen. Allerdings gerät sie dezent in den Hintergrund – was die Geschichte insgesamt überaus glaubwürdig macht. Gleichwohl werden Leser, die eine Liebesgeschichte mit etwas Mord erwarten, vielleicht enttäuscht. Doch es lohnt, sich, Pitch Black – Ohne Ausweg zu Ende zu lesen. Trotz kleinerer Vorhersehbarkeiten lässt Crandall ihren Lesern genügend Spielraum für eigene Interpretationen, spielt mit ihnen, regt zum Nachdenken an, bietet Lösungen. Und auch wenn sich sehr schnell herauskristallisiert, wer hinter den beiden Morden steckt, bleibt die eigentliche Motivation bis ziemlich zum Schluss offen. Man unterstellt statt dessen zwangsläufig einem der Opfer bestimmte Dinge. Crandall hat dabei einen gelungenen Spannungsbogen geschlagen.

 

Fazit

 

Das Buch macht Lust auf mehr, auch wenn die Geschichte um Maddie, Gabe und Ethan komplett abgeschlossen ist. Keine ganz schwere Kost, aber auch keine ganz oberflächliche Angelegenheit, für die ich vier von fünf Punkten vergeben möchte.

 

Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

King, Stephen: Das Mädchen

Filed under: Jugendbuch,Roman — Ati @ 15:49

081_king_dasmadchen.jpg

Stephen King
Das Mädchen

Originaltitel: The girl who loved Tom Gordon
übersetzt von Wulf Bergner
Pan
ISBN 9783426283561
ISBN 3426283565
Jugendbuch, 12 Jahre
Neuausgabe 2011
Umschlaggestaltung ZERO Werbeagentur, München
Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag, 304 Seiten
[D] 14,99 €

 

Verlagsseite

Autorenseite

 

Zum Buch / Meine Meinung

 

Die 1998 entstandene Geschichte wurde zuvor von anderen Verlagen (Schneekluth und Ullstein) veröffentlicht. Im Februar 2011 erschien sie ein weiteres Mal über den Pan-Verlag. Der grün gehaltene Buchumschlag der aktuellen Ausgabe zeigt einen kahlen Wald, das Motiv der Vorderseite ist mit einem Hologramm gleichermaßen schlicht wie schön gearbeitet. Es zeigt zusätzlich zu dem mehr oder weniger dunklen Wald (je nachdem wie man das Buch hält) ein junges Mädchen und ein gelbes Augenpaar, das auf das Mädchen starrt.

 

Das durch das Hologramm ebenfalls mal größer oder kleiner wirkende Mädchen und seine düstere Umgebung passen zum Inhalt und verdeutlichen bereits sehr gut, worum es in Kings Roman geht. Der 1947 geborene Autor ist ein Garant für Gänsehauteffekte. Über 400 Millionen verkaufter Bücher in mehr als 40 Sprachen zeigen, dass er nicht nur in seinem Heimatstaat Maine eine feste Größe des Horrorgenres ist. Allerdings richtete sich der größte Teil seiner Geschichten an ein eher erwachsenes Publikum. Wie passt ein Jugendbuch in das von ihm bevorzugte Genre?

 

Die Lektüre zeigt sehr bald, dass das überraschend gut geht. Denn King verlässt die größtenteils von ihm beschrittenen, bereits etwas ausgetretenen Horrorpfade und beschreibt den Überlebenskampf der realistisch gezeichneten neunjährigen Trisha, die sich bei einem Tagesausflug zu einem Teilstück des Appalachian Trail hoffnungslos im Wald verirrt. Die meiste Zeit ist der Fokus auf das Kind gerichtet, nur kurzzeitig ergeben sich minimale Perspektivwechsel auf die besorgte Familie. Obwohl Trisha mittels Gedanken und Selbstgesprächen zu Wort kommt, erzählt sie ihre Geschichte nicht selbst.

 

„Ich habe keine Angst. Überhaupt keine Angst. Der Wanderweg ist gleich dort vorn. Es ist wirklich ganz unmöglich, sich hier zu verlaufen ….“ Dass es das doch ist, merkt Trisha sehr schnell. Tagelang versucht sie verzweifelt aus dem Wald zu gelangen oder jemanden zu finden, der ihr dabei helfen kann. Für eine einfache Wanderung mag ihre Kleidung und Ausrüstung ausgereicht haben, für eine solche Situation genügt sie nicht. Zudem ist der für einen Tagesausflug bemessene Proviant viel zu schnell verbraucht. Der Wald bietet Nahrung – doch was ist giftig, was schadet mehr, als dass es ihr weiterhilft? Wespen fallen über sie her, Stechmücken fressen sie fast auf, sie verletzt sich, wird krank. Trotzdem läuft sie fast zu Tode erschöpft immer weiter. Trifft die eine oder andere fatale Entscheidung, entfernt sich mehr und mehr von den Suchtrupps.

 

Die Kraft dafür zieht sie unter anderem aus erdachten Gesprächen – mit sich selbst, ihrem Vater, ihrer Freundin, einem Baseballspieler, für den das Mädchen schwärmt. Ruft Erinnerungen wach, um sich von ihrer momentanen Situation abzulenken. Eine kleine Schwachstelle der Geschichte bietet hier Trishas Begeisterung für Baseball, was sowohl der Autor in die Geschichte, als auch der Verlag in die Buchgestaltung eingebaut hat. Die einzelnen Kapitel sind nicht nur in „Vor dem Spiel“, insgesamt Durchgänge (ein Spiel dauert je nach Liga 9 Innings) mit einzelnen Hälften, und „Nach dem Spiel“ unterteilt, was jeweils deutlich durch eine zwei-, bzw. ab dem vierten Durchgang, dreiseitige Wiederholung des Waldmotives vom Text abgegrenzt wird. King lässt sich auch über die Sportart an sich aus und für Laien können die betreffenden Textpassagen Längen beinhalten. Davon wird man aber schnell wieder abgelenkt. Etwa von Trishas Nächten mit ihrem Walkman, der ihr Kraft gibt und dabei hilft, nicht verrückt zu werden. Wenn die Angst zu groß wird, weil die Nacht zu dunkel und voll erschreckender Geräusche ist, flößen die Stimmen aus dem kleinen Gerät Zuversicht ein, geben zumindest etwas Halt durch ihre – im Normalfall – Selbstverständlichkeit. Nicht nur die Schilderung dieser Nächte mit der das Mädchen umgebenden Dunkelheit ist King überaus gut gelungen.

 

Denn was ein neunjähriges Stadtkind allein in einem unendlich wirkenden, nachts zappendusteren oder lediglich mondbeschienen, unwegsamen Wald erlebt oder was ihre überreizte Fantasie ihr vorspielt, ist natürlich weder normal noch eine Selbstverständlichkeit. Und was eigentlich recht simpel beginnt, wird – ganz King – weitergesponnen. Denn da gibt es natürlich noch etwas. Dieses Etwas wird nicht nur durch die gelblichen Augen im Covermotiv oder einen Hinweis in der Inhaltsangabe angedeutet. Schon bald merkt nicht nur Trisha, dass ihr etwas auf den Fersen ist, dem sie im Ernstfall nichts, aber auch gar nichts entgegenzusetzen hat.

 

Sehr früh wird dem Leser aus seiner sicheren Position heraus klar, um was genau es sich dabei handelt. Dennoch schafft King es, durch den ihm typischen Erzählstil die an sich schon beklemmende Grundsituation sukzessiv zu verschärfen. Wie gewohnt lässt er das Grauen in ruhigen Tönen anklingen. Jedoch nicht um es letztlich, wie von eingefleischten Fans vermutlich erwartet, in lautlosem Gebrüll lichterloh zu entfachen. Trotz der deutlichen Steigerung der Bedrohungssituation lässt er die Geschichte dadurch, dass er sein Hauptaugenmerk auf das Mädchen richtet, einsteigerfreundlich oder auch jugendbuchgerecht wachsen. Die Schilderung von Trishas Erlebnissen ist sensibel und lässt ihr Wechselbad an Gefühlen auch ohne übernatürlichen Horror überaus authentisch wirken. Die Gänsehaut wird weniger durch das ihr beständig folgende Wesen hervorgerufen, als durch die Phasen der Hoffnungslosigkeit, Angst und Verzweiflung, die sie durchlebt. Trauer und Wut werden abgelöst durch leichte Panik bis hin zur Existenzangst, die durch Hunger und Krankheit ausgelöste Halluzinationen noch verstärkt wird. Der ins scheinbare Nichts führende Weg voller Hindernisse und Probleme ist es, der für aufgestellte Nackenhärchen sorgt. Ein Weg, den viele von uns vermutlich ebenso naiv wie Trisha betreten, unter Umständen jedoch weitaus weniger gut bewältigen würden. Gekonnt und subtil konfrontiert der Autor seine Leserschaft mit Urängsten, die in uns allen stecken.

 

Auch wenn Das Mädchen sich vom Gros seiner Bücher unterscheidet, auch wenn man Grausigeres von ihm gewohnt ist und das avisierte Lesealter deutlich überschritten hat: Kings Erzählstil zieht einen dennoch durch das Buch. Man fühlt mit dem Kind, man leidet mit ihm, man möchte es in die Arme schließen und hofft auf einen guten Ausgang.

 

Fazit

 

Bis auf die erwähnten kleineren Längen, die durch die Ausführungen zum Thema Baseball für Laien und Nicht-Fans entstehen, ein spannendes Buch, das durchaus für die anvisierte Leser- bzw. Altersgruppe geeignet ist (entgegen meiner ursprünglichen Befürchtungen) und für das ich vier von fünf Punkten vergeben möchte.

 

Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

 

15. März 2011

Grant, Sara: Neva

Filed under: Dystopie/Endzeit,Jugendbuch,Roman — Ati @ 14:12

05_grant_neva.jpg

Sara Grant
Neva

Originaltitel: Dark Parties
aus dem Englischen übersetzt von Kerstin Winter Pan-Verlag
ISBN 978-3426283486
ISBN 3426283484
Jugendbuch, Dystopie
Deutsche Erstausgabe 2011
Umschlaggestaltung Zero Werbeagentur, München
Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag, 352 Seiten
[D] 16,99 €

Verlagsseite

 

Zur Autorin (Information der Verlagsseite)

 

Sara Grant wurde 1968 im amerikanischen Bundesstaat Indiana geboren, wo sie Journalistik und Psychologie studierte, bevor sie ihrem Mann nach London folgte; dort machte sie an der Universität den „Master in Creative and Life Writing“ und arbeitet seitdem bei einer Literaturagentur. Der Umzug nach England inspirierte sie zu ihrem ersten Roman: „Sowohl die USA als auch Großbritannien hadern mit Immigrationsthemen. Ich glaube daran, dass die Vielfalt uns stärker macht. Also stellte ich mir die Frage, was geschieht, wenn man Landesgrenzen schließt und sich vor fremden Menschen und fremden Gedanken abschottet. Mein Roman ist die Antwort darauf.“

 

Zum Buch

 

Der Schutzumschlag der deutschen Erstausgabe ist schlicht gehalten und dem Titel angepasst. Neva ist nicht nur der Name der Hauptfigur, er bedeutet Schneeflocke und solche finden sich auf dem Umschlag wieder. Sie sind genau wie der Titel glänzend aufgedruckt. Der Titel ist zusätzlich etwas erhaben abgebildet und bei Darüberstreichen deutlich fühlbar. Das Motiv zeigt das Profil eines jungen Mädchens auf grauem Grund, wobei die Haare sehr viel von ihrem Gesicht verdecken. Die Streifen, die sich ebenfalls auf dem Cover befinden und sich dort nicht nur durch den Titel ziehen, setzen sich im Inneren des Buches fort. Genau wie die Schneeflocken zieren sie beispielsweise die Kapitelanfänge. Alles in allem passt diese Gestaltung sehr gut zum Inhalt.

 

„Verliebt, verzweifelt, in größter Gefahr. Und verdammt mutig.

Die 16-jährige Neva hat es satt, keine Antworten auf Fragen zu bekommen, die sie nicht einmal laut stellen darf: Warum wird ihr Heimatland von einer undurchdringbaren Energiekuppel von der Außenwelt abgeschottet? Warum verschwinden immer wieder Menschen spurlos? Und was ist mit ihrer Großmutter geschehen, die eines Tages nicht mehr nach Hause kam? Gemeinsam mit ihrer besten Freundin Sanna beschließt Neva, Antworten zu verlangen und nicht mehr brav alle Gesetze und Regeln zu befolgen. Doch dabei verliebt sie sich nicht nur in den einen Jungen, der für sie tabu sein muss – sondern gerät auch in tödliche Gefahr …“

 

Meine Meinung

 

Das Buch kam mit der Post und eigentlich wollte ich nur einen kurzen Blick hineinwerfen – es wurde ein Lesenachmittag daraus.

 

Die Inhaltsangabe gibt erfreulicherweise ziemlich genau wieder, worum es grob betrachtet in dem Buch geht – was ja heutzutage nicht immer der Fall ist. Auch das Cover passt – für mein Dafürhalten wie bereits erwähnt, sehr gut zum Inhalt. Die das Gesicht größtenteils verdeckenden Haare, die Streifen, die das Bild oder die Schrift etwas verwischt aussehen lassen. Gleichzeitig ist das Mädchen farbig dargestellt. Beides entspricht den Handlungsfäden der Geschichte. Neva will sich ihre Individualität bewahren. Heimatland – ein von einer gigantischen Kuppel geschütztes eigentliches Hightechland Land in der Zukunft auf dem Weg in die Vergangenheit – verblasst dagegen zunehmend. Die Menschen ähneln sich immer mehr, weil ihr Genpool durch Inzucht eingeengt wird. Die Ressourcen werden knapp, alles wird und wurde zu Tode recycelt. Die Individualität geht in einem Einheitsbrei an Vorschriften, Wiederholungen und Aufarbeitungen zugrunde. Während Letzteres ebenso wie die Ressourcenknappheit nachvollziehbar wirkt, scheint die Sache mit der Inzucht anhand des Zeitraumes der Geschichte etwas übertrieben. So etwas dürfte sich in zwei, drei Generationen noch nicht so stark bemerkbar machen. Doch dieses Detail stört nicht wirklich, zumal nicht klar wird, wie viele Bewohner Heimatland je hatte oder wie groß es ist.

 

Wer das Buch aufschlägt, landet sofort mitten im Geschehen. Die Autorin schreibt keine seitenlange Einführung, man weiß sofort, worum es geht. Neva, mit ihren 16 Jahren gerade volljährig geworden, handelt zusammen mit einigen Freunden gegen Heimatland. Sie ist es, die die Geschichte in der Gegenwartsform erzählt. Der Leser sieht also alles nur mit ihren Augen und weiß nur von ihren Gedanken und Gefühlen bzw. ihrer Interpretation der Handlungen und Gedanken aller anderen. Obwohl sie gerade erst am Anfang ihres Erwachsenenlebens steht, scheint es aufgrund der Vorhersehbarkeit bereits beendet. Zukunft weckt keine Hoffnung in ihr, sie wirkt beängstigend. So beängstigend, dass sie sich auflehnt, beispielsweise in dem sie sich (wie viele andere auch) ein Merkmal aussucht, dass sie von anderen abhebt. In ihrem Fall ist es eine tätowierte Schneeflocke, im Fall ihrer Freunde eine Narbe, ein gemaltes Motiv oder Ähnliches. Der eine trägt es auffällig, der andere eher versteckt. Neva zum Beispiel macht Letzteres. Sie entstammt einer der Gründungsfamilien von Heimatland. Dieses wurde im Jahr 2051 von der Außenwelt abgeschottet, nachdem der Terror überhandnahm. Niemand weiß, was außerhalb von Heimatland noch existiert.

 

Heimatland erwartet von seinen jungen Bewohnern brav zur Vermehrung der auf lange Sicht aussterbenden Bevölkerung beizutragen und die Arbeit zu tun, die man ihnen zuweist. Heimatland erwartet blinden Gehorsam und keine Fragen. Doch statt zu tun, was Heimatland von ihnen erwartet, rebellieren Neva und ihre Mitstreiter. Das geschieht durch kleinere Aktionen, in denen die Öffnung von Heimatland gefordert wird genauso wie durch das Gelübde, dass sie sich gegenseitig abgelegt haben und demzufolge sie keine Kinder in die Welt setzen wollen. Doch Heimatland sieht alles und hört alles, hält seine Bewohner absichtlich unwissend, füttert sie mit falschen Informationen und setzt seine Vorstellungen skrupellos abseits vom Bewusstsein des Hauptteils der Bevölkerung um. Noch nicht einmal die Regierungsmitglieder, wie etwa Nevas Vater, ahnen geschweige denn wissen alles.

 

Was als vielleicht noch ganz gute Idee begann, ist innerhalb weniger Jahre bzw. Jahrzehnte zu etwas geworden, was sich mit den überall auf der Welt zu findenden Unrechtsregimen vergleichen lässt. Unwillkürlich werden Erinnerungen an die Zeit wach, als Deutschland noch zweigeteilt und der Ostblock noch abgeschottet war. An die Zeit, als der Wunsch nach Freiheit zu harten Strafen, Gefängnis, Zwangsarbeit oder gar dem Tod führen konnte. Ob man den Blick nach Kuba oder in Staaten lenkt, in denen fanatisch-religöse Vorschriften das Leben begrenzen und reglementieren, überall gab und gibt es Menschen, die den Wunsch daraus auszubrechen bitter bezahlen mussten oder noch immer müssen.

 

Grant ist es in ihrem flüssig geschriebenen und gut zu lesenden Roman gelungen, die Atmosphäre dicht und düster zu malen, ohne den eigentlich omnipräsenten Bedrohungsteil durch die Regierung überhandnehmen zu lassen. Wer eine absolut dystopische Beschreibung hierzu erwartet, wird vielleicht enttäuscht. Grants Roman dürfte zu den eher leiseren Vertretern dieses Genres gehören. Heimatland bleibt bei allem etwas verschwommen. Ein Widerspruch? Nicht wirklich. Die Autorin lässt sich nur bedingt über diese begrenzte Welt aus, geizt gewissermaßen mit Hintergrundwissen – was vielleicht daran liegt, dass Neva, und nicht die Protektosphäre, im Vordergrund steht. Doch auch sie und mit ihr alle Figuren werden eher skizziert als detailliert beschrieben. So zeigen sich Neva und ihre Freunde altersgerecht in ihrem Aktionismus, ihrer stellenweisen Unentschlossenheit oder Naivität. Sie wirken einfühlsam und sympathisch. Auch die erwähnten Erwachsenen agieren überaus überzeugend. Allen Figuren gemeinsam ist, dass sie nicht vorhersehbar sind. Wem man vertrauen kann und wer ein Verräter ist, offenbart sich nicht auf einen Blick. Und keiner hebt sich wirklich vom Einheitsgrau der Protektosphäre ab. Unglaubwürdig oder durchscheinend werden die Charaktere und der Handlungsort dadurch jedoch nicht. Gerade durch das Weglassen gewisser Details scheint die zunehmende Vereinheitlichung und das sich steigernde Verblassen der Individualität des Einzelnen betont zu werden. Die wachsende Resignation, die ansteigende Lähmung durch Angst, Aktionen und Reaktionen – all das wirkt authentisch.

 

Ohne Melodramatik beschreibt die Autorin Nevas Gefühlswelt, die den gleichen Raum wie die Bedrohungssituation einnimmt. Trotz, Rebellion, aufkeimende Verliebtheit in den Freund ihrer Freundin, damit verbundene Schuldgefühle. Die aufkeimende, eigentlich unmögliche Liebesgeschichte ist in ihrer Andeutung ebenfalls sehr gut in die Hoffnungslosigkeit der gesamten Geschichte verwoben. Sie drängt sich nicht in den Vordergrund. Die wenigen innigen Momente, die Grants Hauptcharakter mit Braydon erlebt, erscheinen sehr innig und wirken angesichts der Umgebung und der damit verbundenen Schuldgefühle kostbar. Obwohl sich Neva dagegen wehrt, kreuzen sich ihre Wege immer wieder mit denen von Braydon und Ethan, der Freund ihrer Kindertage, gerät ins Hintertreffen. Ein Ausweichen scheint aufgrund der räumlichen Begrenztheit unmöglich. Heimatland ist zwar tatsächlich ein größeres Land, doch die Menschen werden auf Anweisung der Regierung in wenigen Ballungsräumen zusammengedrängt.

 

Die Geschichte um Freundschaft, verliebt sein und Verrat, Trostlosigkeit und aufkeimende Hoffnung, Angst und Zuversicht, nimmt einen Verlauf, der es schwer macht, das Buch beiseitezulegen. Das Ende birgt Hoffnung und Hoffnungslosigkeit gleichermaßen in sich.

 

Fazit

 

Ein bedrückendes Buch, das sich nicht einfach nebenbei liest. Wenn der neue Trend im Jugendbuchbereich auch Dystopien mögen, so hätte ich doch in gewisser Weise Probleme, das Buch ohne Weiteres allen in der avisierten Altersgruppe zu empfehlen. Das liegt nicht daran, das Grant den Fokus auf Gewaltorgien oder ähnliches lenkt – das tut sie definitiv nicht. Doch das Buch ist – wie Dystopien eben sind – keine allzu leichte Kost und bekommt 5 von 5 Punkten.

 

Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

« Newer PostsOlder Posts »

Powered by WordPress