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10. November 2012

Dres. med. H. U. Hecker & Kay Liebchen: Aku-Taping

Filed under: Fach- & Sachbuch,Gesundheit/Behandlung — Ati @ 17:22

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TRIAS
ISBN13: 9783830468646
ISBN10: 3830468644
Fachbuch, Ratgeber Gesundheit
3. überarbeitete und erweiterte Auflage 2012
Softcover, 128 Seiten
[D] 19,99 €


Verlagsseite
 

Die Autoren, Dres. med. Hecker und Liebchen, beschäftigen sich beide mit Akupunktur. Hecker zudem mit Chinesischer Medizin, wozu er schon zahlreiche Publikationen in mehreren Sprachen veröffentlichte, mit Homöopathie und Naturheilverfahren. Liebchen befasst sich in seiner orthopädischen Praxis auch mit Osteopathie und. Eine besondere Form der Schmerzbehandlung stellt dabei sicher das von ihm und Hecker gemeinsam entwickelte Aku-Taping dar. Sowohl Hecker als auch Liebchen geben ihr Wissen nicht nur in Form von entsprechenden Fachbüchern, sondern auch in Seminaren weiter.  

Was ist der Unterschied zwischen Kinesio-Taping und Aku-Taping? Letzteres ist, wie man dem Buch Aku-Taping gleich nach Inhaltsverzeichnis und Vorwort entnehmen kann, eine Weiterentwicklung von Ersterem. Eine perfekte Ergänzung also zu dem zuvor besprochenen Buch Das Taping-Selbsthilfe-Buch von John Langendoen und Karin Sertel. Beide Bücher lassen LeserInnen an einem gelebten Erfahrungsschatz teilnehmen, der sowohl für Laien als auch für diejenigen interessant ist, die sich beruflich mit der Materie beschäftigten. Laien dürfte kein wirklicher Unterschied auffallen, orientieren sich doch beide Taping-Formen an Meridianverläufen und Akupunkturpunkten, verwenden dehnfähige Klebebänder in unterschiedlichen Farben und sind beide Erfolg versprechend bei gleichzeitig gemeinsamen Kontraindikationen. Es scheinen einfach verschiedene Begriffe zu sein und doch gibt es natürlich entsprechende Unterschiede. Praktischerweise sind beide Taping-Formen in ihren Grundzügen leicht auch von absoluten Laien lernbar, die sich dafür interessieren.

In Aku-Taping findet man fünfundzwanzig Basis-Tapes, die vom Aufbau her modernen kinesiologischen Tapes ähneln, und mit denen man erfolgreich gegen eine Reihe von Beschwerden und Schmerzen vorgehen kann. Der Grund, aus dem die Autoren sich auf diese Zahl beschränken, liegt darin, dass sie mit dem 128 Seiten umfassenden Buch allenfalls auch für Laien geeignetes Basiswissen vermitteln können. Und auch hier sollte man im übrigen mindestens zu zweit einen Blick in das Buch werfen und zwar aus genau denselben Gründen wie bei Das Taping-Selbsthilfe-Buch von John Langendoen und Karin Sertel. Es gibt einfach Bereiche, die man selbst nicht erreicht. 

Die Autoren bieten leicht verständliche, ausführliche Informationen zu dem Thema. Beschreiben, worum es sich bei Aku-Taping handelt, gehen auf Vor- und Nachteile ein, die Taping ratsam oder weniger ratsam scheinen lassen. Man erfährt wissenswerte Tipps und Hinweise über die Beschaffenheit und Farben der Bänder. Auch in Aku-Taping kommen Vorteile und Wirkweise von Cross-Taping nicht zu kurz. Und nach einer Rundreise durch den menschlichen Körper schließt der erste Teil des Buches ab.  

Nebenbei bemerkt, auch in diesem Buch ist die Gestaltung wie bei dem zuvor besprochenen Das Taping-Selbsthilfe-Buch gehalten. Ein ganzseitiges Foto und ein farbiges Trennblatt schaffen einen harmonischen Übergang vom einen zum anderen Teil.  

Nach fünfzig theoretischen Seiten gelangt man dann zum eher praktischen Anleitungsteil. In Aku-Taping findet man ebenfalls nützliche Tabellen zum Nachschlagen mit Beschwerdebildern von A – Z und die dazugehörigen Taping-Empfehlungen. Praktischerweise wird hier auch gleich der Verweis auf die entsprechende Anleitungsseite gegeben.  

Jede der fünfundzwanzig Anleitungen umfasst eine Doppelseite. Auf den geraden Seiten findet sich die schriftliche Anleitung, auf den Ungeraden dazu passende, durchnummerierte Fotos (je nach Erklärungsbedarf zwischen zwei und acht Stück, wobei eines immer das fertige Tape zeigt). Die schriftliche Anleitung teilt sich in einen Info-Bereich. In diesem wird angeführt, bei welchen Beschwerden das Tape angewendet wird, wie viele Streifen man benötigt und wo diese angebracht werden. Die Beschreibung ist hier sehr knapp gehalten, wird jedoch durch die Fotos so gut ergänzt, dass nicht wirklich etwas fehlt. Zudem beschreiben die Autoren das Anbringen direkt neben dem Infofeld etwas mehr, gehen dabei aber auch eine weitere wichtige und unterstützende Maßnahme ein: das Vordehnen des entsprechenden Anwendungsgebietes vor Anbringen des Tapes. Auf den Fotos sieht man übrigens auch, wie dieses auszusehen hat. 

Mit einem ganzseitigen Foto und dem farbigen Trennblatt geht es dann in den dritten Teil zum Cross-Taping. Die einzelnen Punkte werden beschrieben und fotografisch dargestellt, was das Anbringen der kleinen, hilfreichen Pflaster für Laien enorm erleichtern dürfte.  

Im Anhang findet man dann noch Hinweise für die Suche nach dem richtigen Therapeuten (falls man sich nicht persönlich an die Sache traut oder einfach niemanden hat, der einem notfalls helfen kann), Bezugsquellen für das benötigte Material und eine Schlussbemerkung. Denn selbst wenn man die Grundzüge von und mit Aku-Taping leicht lernen kann, gilt auch hier der kritische Blick, der vor Fehlern infolge falscher Anwendung oder Nichtbeachtung von Gegenanzeigen schützt. Man sollte sich immer vor Augen halten, was bei richtiger Anwendung gut hilft, kann bei falscher Anwendung nicht nur nicht helfen, sondern auch schaden.  

Fazit: Auch hier gilt natürlich, dass das Buch weder eine Diagnose noch – je nach Art und Dauer der Beschwerde – einen erfahrenen Behandler ersetzt. Aku-Taping ist für mich ein gelungenes und für Laien empfehlenswertes Praxisbuch. Die Autoren vermitteln ihr Wissen lebendig und nachvollziehbar. Aku-Taping stellt eine Bereicherung für meine Bibliothek dar, da ich damit mein Wissen auffrischen und etwas erweitern konnte und zudem ein kleines Nachschlagewerk habe, das es mir erleichtert, dieses Wissen anzuwenden. Also, wer interessiert ist, einfach kaufen und lesen. Und dann heißt es probieren, probieren, probieren. Und wer die Wirkung dieser Behandlung noch nicht kennt, wird gewiss eine mehr als positive und angenehme Überraschung erleben. 

Copyright © 2012 by Antje Jürgens (AJ)

Langendoen, John & Karin Sertel: Das Taping-Selbsthilfe-Buch mit DVD

Filed under: Fach- & Sachbuch,Gesundheit/Behandlung — Ati @ 16:59

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TRIAS
ISBN-13: 978-3830439035
ISBN-10: 3830439032
Fachbuch, Ratgeber
Flexcover, 250 Seiten mit DVD
[D] 29,99 €


Verlagsseite

Mein persönliches Schmerzempfinden ist so, dass ich nicht augenblicklich zu Schmerztabletten oder entsprechenden Salben greifen muss und will. Allerdings plagt mich um diese Jahreszeit seit einem (Mehrfach-)Bruch ein eklatant schmerzhaftes Ziehen im Bereich der Achillessehne, welches trotz entsprechender Bewegungstherapie und/oder Akupunktur nicht wirklich nachlässt. Doch es gibt ja noch andere Behandlungsmöglichkeiten. 2004 verfolgte mein Arzt, nachdem ich eine Operation kategorisch abgelehnt hatte, zähneknirschend den Behandlungsverlauf besagten Bruches. Er belächelte meinen Enthusiasmus, mit dem ich auf den Vorschlag meines Physiotherapeuten einging, der mich tapen wollte. Dessen Chef, Thomas Metzger (Inhaber der physiotherapeutischen Praxis medVital in Schwäbisch Gmünd), hatte sich nicht nur bereits früh mit dieser Behandlungsform beschäftigt, sondern auch bei meinem Therapeuten ausbildungstechnisch ganze Arbeit geleistet. Der Behandlungserfolg verblüffte nicht nur meinen Arzt, sondern auch alle anderen, die über mein pink- und/oder türkisfarben beklebtes Bein samt Fuß gelacht hatten. Heute sieht man die Leute querbeet bunt beklebt herumlaufen. Vom einfachen Schüler, über Büroangestellte und Arbeiter, bis hin zum Leistungssportler. Von der Nase bis zum kleinen Zeh.  

Die Wirkung hat mich damals so verblüfft, dass ich, sobald es mir möglich war, einen Kurs belegt habe. Wirklich angewandt habe ich das Gelernte danach selten. Und deshalb tut eine Auffrischung dringend not. Nicht nur wegen meiner aktuellen ziehenden Schmerzen, auch weil man damit verschiedene Beschwerden quasi einfach wegkleben kann, indem man sich an Meridianverläufen und Akupunkturpunkten orientiert. Ich bestellte mir also entsprechende Tapes und bald darauf lagen sie vor mir, in den schönsten, leuchtendsten Farben. Ein paar Zentimeter breit, einige Meter lang. Das eher langweilige Schwarz und Beige einzelner Rollen unterstrich den leuchtenden Pinkton, das klare Blau, das giftige Grün, das appetitliche Brombeer oder das satte Rot der anderen. Allein angesichts der Farbenpracht der Aku-Tapes, auch Kinesio-Tapes oder einfach Tapes genannt, vergisst man schon fast das Zwicken und Zwacken, das einen laut Pharma-Werbung mit zunehmendem Alter zu plagen hat.  

Damit die schönen bunten Tapes jedoch nicht einfach nur schön waren, sondern auch ihre volle Wirkung entfalten konnten, bekamen meine Bücherregale zusätzlich Zuwachs in Form von zwei Büchern aus dem Hause TRIAS. Eins davon war Das Taping-Selbsthilfe-Buch. In dem Gemeinschaftswerk von John Langendoen und seiner Frau Karin Sertel geht es um die Hilfe zur Selbsthilfe in Form von Taping. Die beiden Autoren sind unter anderem als Physiotherapeuten tätig und beide kamen 2002 erstmals mit kinesiologischem Taping in Kontakt. Langendoen wurde während der Fußball-WM durch die Behandler der koreanischen Nationalmannschaft damit infiziert, seine Frau wiederum von ihm. Zehn Jahre später wenden beide diese Behandlungsform nicht nur erfolgreich an, Langendoen unterrichtet sie darüber hinaus international in mehr als fünfzehn Ländern. 

Die beiden wissen also, wovon sie reden. In ihrem Das Taping-Selbsthilfe-Buch mit DVD lassen sie auch interessierte LeserInnen an ihrem Wissen teilhaben. Über 70 Anleitungen zum richtigen Anlegen von Tapes sollen nicht nur gegen Schmerzen grundsätzlich helfen, sondern auch bei über 160 Beschwerden (unter anderem etwa gegen Ödeme, Menstruations- oder Atemprobleme). Wobei sollen eindeutig die falsche Formulierung ist. Aus eigener Erfahrung weiß ich um die Wirksamkeit einer solchen Behandlung. 

Bevor man auf Seite 49 in zwei Tabellen jeweils von A bis Z etwas über Beschwerdebilder und die dafür geeigneten Tapes oder die in der Inhaltsangabe angekündigten 70 Tape-Anlagen, ihre Anwendungsgebiete und Kombinationsmöglichkeiten nachschlagen kann, sollte man sich durch die ausführlichen Informationen arbeiten.  

Die findet man im ersten Teil des Buches, von Inhaltsverzeichnis und Vorwort gut abgegrenzt durch ein ganzseitiges Foto und eine farbige Trennseite mit der Überschrift Was sie über Taping wissen sollten. Bereits die Lektüre dieser Informationen verweist auf das fundierte Wissen der Autoren. Hier erfährt man Grundsätzliches über die Einsatzmöglichkeiten und Kontraindikationen. Denn auch beim Taping gilt natürlich: Keine Wirkung ohne Gegenwirkung und so sollten beispielsweise Lernwillige mit Herzproblemen den Kontraindikationen Beachtung schenken, wenn sie ihren Lymphfluss anregen wollen, um im Do-it-yourself-Verfahren gegen Wassereinlagerungen vorzugehen. Beachtet man die Warnhinweise, hat man jedoch tatsächlich eine Behandlungsform ohne Nebenwirkungen für sich entdeckt (sofern man sie noch nicht persönlich kennt). Man erfährt etwas über die Wirkweise, die Funktion und die Entwicklungsgeschichte. Doch damit nicht genug. Das Autorenduo geht ebenso ausführlich auf die Materialien, die Herstellung, den Tragekomfort, vorherige Enthaarung, Tragedauer und Entfernung der Tapes ein. Oder auf die Wirkweise der Farben, wobei grundsätzlich fürs Tapen jede Farbe genutzt werden kann. Ab Seite 35 widmen sie sich der Vorbereitung der Tapes (etwa Abmessen und Zuschneiden), der Suche nach der Ausgangs- und Endstellung der Tapes oder geben Tipps zur Fehlervermeidung.  

Dann beginnt der zweite Buchteil, wieder gut abgegrenzt durch ein ganzseitiges Foto sowie eine farbige Trennseite mit der Überschrift Alle Tape-Anlagen von Kopf bis Fuß. Es wird auf sechs Basis-Tapes, elf Fuß- und Unterschenkel-Tapes, dreizehn Knie- und Oberschenkel-Tapes, siebzehn Brust-, Bauch- und Rücken-Tapes, sieben Hand- und Finger-Tapes, sieben Ellbogen- und Unterarm-Tapes, acht Schultergürtel-Tapes, sieben Halswirbelsäulen-Tapes und vier Tapes am Kopf bzw. im Gesicht eingegangen. Bei einem der Hüftgelenks-Tapes umfasst die Anleitung vier Seiten, ansonsten widmen sich je zwei Seiten einem Tape.  

Auf den geraden Seiten findet man dabei die schriftliche Anleitung, auf den ungeraden entsprechende Fotos. Die Anzahl dieser Fotos variiert je nach Anleitung zwischen drei und sieben Stück. Die Größeren zeigen dabei jeweils das fertige Tape. Die Kleineren, zum besseren Verständnis unten links nummeriert, den Aufbau. Der schriftliche Teil daneben ist fast rezeptartig aufgebaut. Nach der jeweiligen Bezeichnung des Tapes, und dem Hinweis, warum man es wo einsetzt, folgt eine kleine Einleitung. Dann kommt linksseitig quasi die Zutat (wie viele Tape-Streifen, welche Zuschnittsform, Anwendungsdauer, wie viel Zug auf das Tape gebracht werden darf), sowie mögliche Kombi-Tape-Bezeichnungen. Überaus praktisch empfinde ich hier die kleinen Zeichnungen zu den benötigten Tapes/Tape-Zuschnitten. Rechtsseitig folgt dann die ausführliche Anleitung, die durch die nachfolgenden Bilder lehrreich unterstützt wird.  

Ein weiteres ganzseitiges Foto sowie eine farbige Trennseite schaffen die Abgrenzung oder den Übergang zum dritten Buchteil. Wie die Autoren von Aku-Taping beschäftigen sich auch Langendoen und Sertel mit Sonderpunkten, gehen auf Gitter-Tapes und ihre Anwendung sowie deren unterstützende Wirkung ein. Man erfährt, dass die Gitter-Tapes auch durch andere kleinere Pflaster ersetzt werden können, bzw. durch welche. Sodann widmet sich das Autorenduo auf vierzehn Seiten den dafür in Frage kommenden Punkten. Wer bis jetzt noch nichts darüber wusste, kennt nach der Lektüre den einen oder anderen Meridian- und Akupunkturpunkt oder relevante Nervenstellen.  

Abschließend enthält Das Taping-Selbsthilfe-Buch mit DVD auch Hinweise auf Tapemarken, ihre Erhältlichkeit, auf Kurse oder Therapeuten und etwaige Kosten. Eine Danksagung, eine Schlussbemerkung und ein Stichwortverzeichnis rundet alles ab. 

Alles? Nicht ganz. Denn ganz am Schluss, schon auf dem hinteren Vorsatzpapier des Buches findet man nochmals eine kleine Fotoserie mit den Top Ten von Selbsthilfe-Tapes und direkt gegenüber natürlich die in einer kleinen Plastikhülle steckende DVD, auf der man eben diese Top-Ten-Tapes vorgeführt bekommt.  

Allerspätestens beim Ansehen der DVD wird klar, dass man zwar vielleicht nicht alle Tapes im Alleingang für sich selbst anlegen kann. Selbsthilfe bedeutet jedoch nicht automatisch, dass man alles immer selbst an sich machen muss oder kann. Helfende Hände sind manchmal durchaus nötig. Doch nicht immer müssen diese zu perfekt ausgebildetem Fachpersonal gehören. Wadenwickel oder Verbände können schließlich auch nicht nur Krankenschwestern anlegen. 

Fazit: Ein sehr gut gelungenes Lehr- und Praxisbuch, in dem fundiertes Wissen lebendig vermittelt wird. Einen Arzt ersetzt es natürlich nicht. Länger anhaltende und vor allem unklare Beschwerdebilder sollten zuvor fachmännisch abgeklärt werden. Dennoch hält man mit Das Taping-Selbsthilfe-Buch mit DVD eine wertvolle Hilfe zur Selbsthilfe in der Hand, die man mit Sorgfalt umsetzen sollte. Und wer einmal davon infiziert ist, wird vielleicht auch noch den einen oder anderen Kurs belegen. Notwendig ist das jedoch dank der bildhaften Darstellung wie auch anhand der leicht nachvollziehbaren Beschreibungen im Buch nicht zwingend. Das Buch zeigt, dass man die Grundzüge des Tapens relativ leicht lernen kann. In Das Taping-Selbsthilfe-Buch mit DVD wird gleichermaßen kompakt wie ausführlich elementares Wissen über diese Behandlungsform vermittelt, was das Buch nicht nur für Fachleute, sondern auch für interessierte Laien überaus aufschlussreich macht. Ein empfehlenswertes Buch und eine Bereicherung für mein Buchregal. Jetzt muss ich mir nur noch neue Tapes besorgen. Die sind nämlich schon alle aufgebraucht. Nicht nur weil ich mir durch das Tapen meines Unterschenkels und Fußes in Kombination mit Akupunktur selbst geholfen habe, sondern auch und vor allem weil mir die vielen Anleitungen so Spaß gemacht haben, dass ich mir alle möglichen Übungsopfer gesucht habe. Lesen allein hilft ja bekanntlich nicht, man muss üben, üben, üben. Und das geht mit diesem Lehr- und Praxisbuch sehr gut. 

Copyright © 2012 by Antje Jürgens (AJ)

9. November 2012

Karl, Werner: Danger Zone – Science Fiction Stories

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tredition
ISBN13: 9783842400917
ISBN10: 3842400918
Kurzgeschichten, Science Fiction
1. Auflage 2011
Taschenbuch, 188 Seiten
[D] 13,49 €

Verlagsseite

Autorenseite 

Obwohl ich an und für sich keinem Genre gänzlich abgeneigt bin, zählte und zählt Science Fiction nicht zu meinen Favoriten. Zu abgehoben sind mir viele der Geschichten, zu schleimig habe ich manchen Alien im Hinterkopf (warum das immer so zugehen muss, ist mir ein absolutes Rätsel). Von den für mich abstrus, weil nicht nachvollziehbar, wirkenden technischen Erklärungen, die man darin oft findet, ganz zu schweigen. 

Nichtsdestotrotz bin ich 2010 auf Werner Karl, den Verfasser der vor mir liegenden, in Buchform abgefassten Kurzgeschichten, gestoßen. Der in Nürnberg geborene Autor lebt heute in Bayern. Hauptberuflich in der Druckindustrie tätig, widmet er seine Freizeit seit fast einem Jahrzehnt der Liebe zum Schreiben. In seiner Funktion als Chefredakteur von buchrezicenter.de verfasst er Buchbesprechungen zu den Genres Fantasy und Science Fiction. Daneben schreibt er jedoch auch eigene Kurzgeschichten und Romane.  

Seine Liebe zu diesem Genre entstand in den 1970ern, als er sich die Folgen einer US-TV-Serie mit dem Namen „The Twilligt Zone“ im Fernsehen ansah. Die in Danger Zone – Science Fiction Stories enthaltenen Kurzgeschichten sind denn auch als Hommage an diese Serie zu sehen. Darauf wird sowohl im Vorwort als auch auf der Buchrückseite hingewiesen. Wie man dem Inhaltsverzeichnis entnehmen kann, enthält das Buch eine Auswahl von zwölf Geschichten, die in den Jahren 1997 bis 2010 entstanden sind. Vier von Ihnen wurden in SF-Fanzines (SOLAR-X bzw. SOLAR-TALES) veröffentlicht, ein Teil im Rahmen von Wettbewerben auf diversen Websites eingestellt. Drei von ihnen sind ausschließlich in Danger Zone – Science Fiction Stories zu lesen.  

Wer die Geschichten nicht mühsam im Netz zusammensuchen möchte, gleichzeitig aber keinen Wert auf ein gedrucktes Buch legt, kann die zwölf Geschichten auch in Form eines E-Books bei tredition erwerben (ISBN 9783868508048). 

Da ich um Sci-Fi jedoch im Allgemeinen einen Bogen mache, weil mir vor dem Kauf grundsätzlich entgeht, ob es sich um Hardcore-Sci-Fi handelt oder nicht, war mir keine der Geschichten bekannt, als der Autor mich im April 2010 fragte, ob ich nicht Interesse daran hätte, eine Illustration zu der einer oder anderen anzufertigen. Und da mein zweiter Vorname statt Kerstin eigentlich Neugier heißen müsste, vertiefte ich mich kurz darauf in die mir zu diesem Zweck überlassenen Leseproben. 

Gleich vorab: Ich wurde nicht enttäuscht. Angenehm überrascht trifft es da eher.

Die erste Geschichte handelt vom ersten Menschen. In Anlehnung an die Bibel tritt er quasi im Paradies auf. Doch davon handelt die Geschichte nur bedingt, widmet sie sich doch eher der Entstehung seines Bewusstseins auf dem Weg ins Leben. Und, wieder in Anlehnung an die Akzeptanz einer göttlichen Macht, geht das Buch auch zu Ende; mit einer Geschichte, um einen kosmischen Neubeginn, dem zunächst einmal die Zerstörung von Bestehendem zugrunde liegt. 

Dazwischen geht es in Danger Zone – Science Fiction Stories natürlich auch um Raumsoldaten und Weltraumschlachten. Glücklicherweise (für mich) ergeht sich der Autor dabei jedoch nicht in zu ausführlichen Beschreibungen futuristischer Technologie oder wissenschaftlicher Annahmen. Und erfreulicherweise (ebenfalls für mich) handelt auch nur der kleinste Teil der zwölf Geschichten speziell davon. 

In dem ewigen Kampf zwischen Gut und Böse lässt er seine Figuren, ob nun der Menschheit oder anderen Spezies angehörend, eher über diverse Dinge philosophieren. Man findet Geschichten über Neubeginn und Rettung. Solche, die von Ängsten und Hoffnungen handeln, von geschenkter Unsterblichkeit und übernatürlichen Fähigkeiten. Natürlich kommen Außerirdische vor, nur nicht unbedingt so, wie ich sie mir bisher vorgestellt hatte. Es ist eher wie bei dem Spruch, dass man im Ausland eben auch zum Ausländer wird. Es wimmelt von Mutanten in Form von Emphaten und Gestaltwandlern, nicht zu vergessen sind die jene, die telepathische Fähigkeiten haben, die manipulieren oder sich mal eben kurz teleportieren könnten. Sie alle haben mehr oder weniger tiefe Gefühle, können Schmerz empfinden und Angst. Für viele von ihnen wird neben dem Raum auch die Zeit zu einem relativen Begriff.  

Kurzweilig, stellenweise humorvoll, beschreibt Karl Welten und Wesen, die trotz ihrer fantastischen Existenz authentisch wirken. Welten und Wesen, die sofort klare Bilder vor meinem inneren Auge entstehen ließen. Nicht für alle geht die jeweilige Geschichte gut aus. Es gibt Opfer, die nicht per se gut sind, und Täter, deren Motivation nicht immer aus dem Bösen heraus entsteht, manches geschieht aus Missverständnissen heraus. Endgültig ist das, was passiert, jedoch meistens und für die Menschheit sieht es schlecht aus. 

Wie man all dies sieht, überlässt der Autor einem selbst. Seine Geschichten haben einen durchaus nachdenklich machenden Touch. Irgendwie scheint der Wunsch darin verwoben, durch das Drücken einer Art Reset-Taste, den momentanen, realen Verlauf durchbrechen zu wollen. Die Einsicht, dass der Mensch das größte Problem darstellt. Dass Angriff die beste Verteidigung sein soll, wird in mehr als einer Geschichte klar, während gleichzeitig durchklingt, dass es auf die Betrachtungsweise ankommt, ob man das nun gut oder weniger gut empfindet.  

Es gibt den einen oder anderen kleinen Logikfehler, die eine oder andere Länge. So ergeht sich der Protagonist in der Geschichte Spring in fast zu ausführlichen Überlegungen. Diese wirken zudem etwas weit hergeholt. Andererseits: Wer weiß schon, wie wir uns tatsächlich in so einem Fall verhalten würden. Der Schreibstil von Werner Karl ist klar und flüssig, die Kapitel mehr oder weniger kurz gehalten. Fast durchweg alle haben sich recht schnell lesen lassen.  

Etwas störend hat in dem Buch der jeweilige Copyright-Vermerk am Ende der jeweiligen Geschichte auf mich gewirkt. Das hätte in meinen Augen nur notgetan, wenn mehrere Autoren ihre Beiträge in dem Buch veröffentlicht hätten.

Fazit: Kurzweilige Lektüre für SiFi-Fans und solche, die es werden wollen. Und für LeserInnen wie mich: Die neugierig in alle Genres spähen und dabei immer wieder Lesenswertes finden – wie beispielsweise Werner Karls Danger Zone – Science Fiction Stories, denen ich trotz kleinerer Schwächen vier von fünf Punkten geben möchte.  

Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

Höra, Daniel: Braune Erde

Filed under: Jugendbuch,Roman — Schlagwörter: , , , , — Ati @ 11:48

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bloomsbury

ISBN 13: 9783833350993

ISBN 10: 3833350997
Jugendbuch (14 – 17 Jahre)
1. Auflage 09/2012
Taschenbuch, 302 Seiten
[D] 8,99 € 

 Verlagsseite

Kennen Sie bloomsbury? Nein? Nun, dann sollten Sie vielleicht einen Blick auf deren Homepage werfen. Im Februar hat Piper den deutschen Zweig Berlin Verlag/Bloomsbury Berlin übernommen, doch bereits davor war er Lesern anspruchsvollerer Jugend- und Kinderliteratur ein Begriff.  

Im September 2012 kam dank bloomsbury der neue Roman von Daniel Höra mit dem Titel Braune Erde in den Verkauf. Damit verlegt bloomsbury bereits den dritten Roman des Autors, der 2009 für sein Debüt Gedisst Lob einheimste, mit seiner Dystopie Das Ende der Welt 2011 nachlegte und mit dem momentan aktuellen Roman Braune Erde erneut mehr als einen Leser erschüttern wird – und zwar nicht nur in der vom Verlag vorgeschlagenen Altersgruppe (14 – 17 Jahre). Wobei genau genommen sein wirklicher Debütroman bereits im Jahr 2001 unter dem Pseudonym Daniel Knüllmann und mit dem Titel Moya! erschien. 

Daniel Höra wurde 1965 in Hannover geboren, seine berufliche Laufbahn liest sich bewegt. Er war Möbelpacker und Altenpfleger, Taxifahrer und TV-Redakteur, bevor er als freier Autor tätig wurde. Dass er einen kritischen Weltblick hat, bewies er bereits mit seinem bloomsbury-Debüt Gedisst. Und so wundert es nicht, dass er nach den fragwürdigen Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Zwickauer Trio das Thema Rechsextremismus aufgreift. Viele werden bei dem Thema automatisch Neo-Nazis vor Augen haben, die für ihre Gewaltbereitschaft bekannt sind. Doch die rechte Szene ist viel vielschichtiger. Der weitaus größere Teil von ihnen bleibt eher unauffällig.  

Besagtes Terrortrio und die Pannen der ermittelnden Behörden bleiben in Braune Erde komplett außen vor. Höra beschreibt darin die gewaltbereite rechte Szene, doch es kommen ebenso scheinbar nette, um Gemeinschaft und Freundschaft bemühte, sogenannte völkische Siedler darin vor, die nicht weniger gefährlich sind.  

Das muss Ben lernen. Der Fünfzehnjährige lebt nach dem Unfalltod seiner Eltern bei Verwandten in einem Dorf ohne Perspektiven in Mecklenburg. Immer mehr Anwohner ziehen weg. Vereine gibt es genauso wenig wie ein Lebensmittelgeschäft, eine Postagentur oder irgendetwas anderes, was die Dorfgemeinschaft fördern könnte. Fast jeder ist arbeitslos. Man bleibt für sich und auch Ben ist ein unscheinbarer Junge, der gerne liest und viel alleine ist. Einzig mit einem Künstler Georg pflegt er so etwas wie eine engere Freundschaft. Zumindest bis ein Ehepaar mit ihrer Tochter und ein Witwer mit zwei Söhnen nach Bütenow ziehen. Sie haben ein altes Herrenhaus gekauft, wollen sich als Biobauern selbst versorgen.  

Während die Neuankömmlinge anfangs von den wenigen Dorfbewohnern eher misstrauisch beäugt werden, schließt Ben schnell Freundschaft mit ihnen. Zum einen findet er Freya, die Tochter von Reinhold und Uta nicht nur hübsch, sondern auch nett. Zum anderen liest Reinhold offenbar genauso gern wie er. Der Witwer Hartmut kommt ihm zwar etwas seltsam vor und seine Zwillinge Konrad und Gunther sind auch etwas gewöhnungsbedürftig. Doch während Ben sich bei seinen Verwandten eher unwillkommen und lästig vorkommt, fühlt er sich bei den Neuen im Dorf an- und vor allem ernst genommen.  

Vielleicht hört und sieht er deshalb nur selektiv, was die so von sich geben. Im Herrenhaus ist zwar ständig die Rede von der Globalisierung und ihren Folgen für das deutsche Volk, dem Verfall deutscher Werte und Vergessen deutscher Tugenden, doch Uta kümmert sich mütterlich um Ben. Die Zwillinge Konrad und Gunther, nur unwesentlich älter als Ben, interessieren sich zwar extrem für Waffen, prophezeien das Ende des Staates, einen kommenden Krieg, eine Revolution. Aber sie beschützen ihn auch und sorgen mit ihren Aktionen dafür, dass die zuvor immerwährende Langeweile und Trostlosigkeit durchbrochen wird. Dass die vermeintlich vernünftigen Aussagen im Bezug auf Ausländer, Kriminelle oder auch Politiker sehr einseitig sind, verdrängt Ben großzügig, weil er es sich mit seinen neuen Freunden nicht verscherzen möchte. Immerhin vertreten sie doch auch Werte, die den meisten Leuten, die Ben kennt, völlig abhandengekommen sind. Auch ihm selbst, wenn er ehrlich zu sich ist. Dazu gehört unter anderem Nachbarschaftshilfe. Familie wird groß geschrieben. Die Neuen nehmen nicht nur ihn herzlich auf, sie sorgen auch im Dorf für frischen Wind. Sie kümmern sich um andere, organisieren die Reinigung und Restauration eines Gemeinschaftshauses, gründen eine Tanzgruppe, unterrichten die Frauen in alten Handarbeitstechniken, die Männer im alten Handwerk. 

Dass der frische Wind einen überaus fauligen Geruch in sich trägt, wird Ben erst so richtig bewusst, als er bereits viel zu tief in Dinge verstrickt ist, die sich zunehmend verselbstständigen. Und auch das gesamte Dorf scheint sich gegen den braunen Sog nicht wehren zu können, gründet mit den Herrenhausbewohnern eine Bürgerwehr und macht Jagd auf angebliche polnische Diebe. Georg, der Einzige, der laut seine Kritik an den Herrenhausbewohnern und allen Vorkommnissen äußert, wird ausgegrenzt und mit Lügen kaltgestellt. Alle fühlen sich dank Reinhold und seinen Herrenhausmitbewohnern stärker und sicherer. Das eine oder andere stößt ihnen zwar etwas sauer auf, doch warum etwas unternehmen, immerhin passiert ja nichts Schlimmes.  

Wie sehr sie sich damit irren, muss Ben eines Tages beobachten. Erst dadurch wird er wach. Doch an wen soll er sich jetzt noch wenden? Wer soll ihm glauben, was er beobachtet hat? Er flieht und die, die ihn anfangs herzlich in ihrer Mitte aufnahmen, jagen ihn gnadenlos. 

Das alles erfahren die LeserInnen aus der Sicht von Ben selbst. Er erzählt die Geschichte. In neun, mit passenden Überschriften versehenen Kapiteln, lässt er uns jeweils vorab an seinen Gedanken, seiner Angst teilnehmen, die er während seiner Flucht fühlt. Anschließend lässt er in jeweils mehreren Unterkapiteln eine ausführlichere, chronologische Schilderung der Geschehnisse folgen, die zu eben dieser Flucht führten. Auch die letztendlich daraus resultierenden Nachwehen lässt er nicht außen vor.  

Das langsame Begreifen Bens, aber auch der Dorfbewohner, ist von Höra überaus nachvollziehbar dargestellt. Wer keine Perspektiven zu haben scheint, wünscht sich irgendwo dazuzugehören. Wer in unserer Leistungsgesellschaft keine Bestätigung bekommt – und nicht nur den Arbeitslosen in Bütenow fehlt genau die – sucht sie sich anderswo. Wer gnadenlos im täglichen, persönlichen Hamsterrad steckt, will sich nicht permanent auch noch mit vermeintlichen Pseudoproblemen beschäftigen. Und obwohl man durchaus versteht, wie empfänglich (nicht nur) Ben für die rechte Verführung sein muss, möchte man ihn von dort wegziehen, an die Stirn fassen, ihn angesichts seiner Blindheit anschreien. Dass die Erwachsenen ebenso leichtgläubig und blauäugig reagieren, nicht merken, wie tatsächlich lebenswerte Ansätze pervertiert und sie selbst manipuliert werden, erschüttert. 

Undenkbar, dass man selbst in so eine oder eine vergleichbare Situation kommen könnte! Wirklich? Ist man selbst so stark, dass man den Mund aufmacht, wenn das Umfeld begeistert mitmacht? Kann man den Unterschied zwischen einer an sich guten Grundidee und der pervertierten Fortführung dieser Idee wirklich immer gleich erkennen? Merkt man immer gleich, wenn man manipuliert wird? 

Gleich anfangs nimmt Geschichte gefangen. Und mit jeder Seite, die ich las, wuchs mein Unbehagen, steigerte sich mein Entsetzen. Nicht nur wegen dem, was Höra so nachdrücklich schildert, auch weil Erinnerungen an Erlebnisse wach wurden, die ich selbst an der Seite von ausländischen Freunden erleben musste. Sei es die mit „Ausländer raus“ beschmierte Hauswand, sei es eine Hetzjagd durch die Schorndorfer Innenstadt oder entlang der Neckartalstraße von Bad Cannstatt nach Stuttgart-Münster. Das Einzige, was meine Freunde gemacht hatten, war dort zu wohnen oder entlangzugehen, einen ausländischen Namen zu tragen (der an der Klingel zu lesen war) oder südländisch auszusehen. Einmal wurde eine Scheibe meiner Wohnung eingeworfen, weil ich die Polizei gerufen hatte, nachdem ich zufällig mitbekommen habe, wie einige Rechte eine junge Ausländerin bedrängten. Bei all diesen Gelegenheiten bin ich glimpflich davon gekommen, das unangenehme Gefühl und die Erinnerung an diejenigen, die damals weggesehen haben, habe ich jedoch bis heute nicht vergessen.  

Genau wie das unangenehme Gefühl, das aus dem Wissen resultiert, wer alles ganz im Allgemeinen rechtes Gedankengut für gut oder ganz akzeptabel befindet. Von außen sieht man diesen Leuten das nicht an. Egal, ob es die nette ältere Dame aus der Straße, die freundliche Angestellte der Krankenkasse, der engagierte Lehrer, der hilfsbereite Rechtsanwalt, der coole Automechaniker oder der kumpelhafte Arbeitskollege ist. Das wurde erst bei einigen ausführlicheren Unterhaltungen oder auch einem Blick auf Musik-CDs oder Büchersammlungen klar. Ich habe damals in keinem rechtsradikalen Brennpunkt gelebt. Es war eine Gegend, die durchaus über ein funktionierendes Gemeinwesen und Perspektiven verfügt. Tatsächlich bin ich trotz meiner negativen Erfahrungen weniger gewaltbereiten Skins als braun denkenden Normalos begegnet. Und noch mehr Leuten, die sahen und wegsahen – sei es (verständlicherweise) aus Angst oder weil sie dachten, dass das alles ja nicht so schlimm sein kann und weil ja vielleicht etwas Wahres an den Ansichten dran sein könnte.  

Auf welch fruchtbaren Boden bestimmte Ansichten fallen können, wenn sowohl das funktionierende Gemeinwesen wie auch Zukunftsperspektiven fehlen, zeigt Höra in seinem Roman Braune Erde. Es muss nicht zwangsläufig so laufen, dennoch besteht diese Gefahr sehr real. Nicht nur in Bütenow. Der Autor hebt nicht besserwisserisch den Zeigefinger. Dennoch stößt er LeserInnen mit der Nase darauf, wie wichtig Hinsehen ist. Dass man sich der Thematik stellen muss, wenn man nicht will, dass man selbst oder jemand der einem nahe steht in eine vergleichbare Situation abrutscht. Ob man es dann verhindern kann, steht auf einem anderen Blatt. Doch es ist wichtig, kritisch zu sein gegenüber einem Phänomen, das bedauerlicherweise nicht auf ein einzelnes Land beschränkt ist. Paradoxerweise arbeiten Rechtsradikale auch Nationen übergreifend zusammen, wenn sie gemeinsame Opfer auserkoren haben. Sei es, weil sie einer Minderheit angehören, die sie bekämpfen wollen. Oder weil sie einfach manipulierbar sind und quasi zu Werkzeugen einer perfiden Ideologie umfunktioniert werden können.  

Fazit: Ein empfehlens- und lesenswerter, erschütternder und bedrückender Roman, der am Ende trotz der Thematik einen kleinen Hoffnungsschimmer erkennen lässt und dem ich fünf von fünf Punkten geben möchte.  

Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

6. November 2012

Schröder, Rainer M.: Liberty 9 – Sicherheitszone

Filed under: Abenteuer,Belletristik,Dystopie/Endzeit,Jugendbuch — Ati @ 14:55

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Verlag cbj
ISBN13: 9783570154649
ISBN10: 3570154645
Fantasy, Jugendbuch ab 12. Jahre/All Age
1. Auflage 08/2012
Hardcover mit Schutzumschlag, 496 Seiten
[D] 18,99 €

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Die Biografie von Rainer M. Schröder, Verfasser des vor mir liegenden Romans ist bewegt und umfangreich. 1951 in Rostock geboren und Ostberlin aufgewachsen, konnte Schröder mit seiner Familie noch vor dem Mauerbau in den Westen flüchten. Er durchlief eine Operngesangsausbildung, war bei der Luftwaffe und Lokalreporter einer Tageszeitung. Doch damit nicht genug. Bevor er als freier Autor tätig wurde, studierte er Jura und nebenbei noch Theater-, Film und Fernsehwissenschaften und arbeitete als Theaterautor und Verlagslektor. Schröder zog in die USA und nach einer Hobbyfarmer-Episode in die Welt. Nordamerika, Südamerika, Australien, Afrika. Da er in Europa geboren und aufgewachsen ist, fehlen ihm einzig die Antarktis und Asien, um sagen zu können, dass er alle Kontinente der Welt bereist hat. Er betätigte sich als Schatzsucher unter Wasser, arbeitete in einer Goldmine, zog durch Wüsten und Savannen und überstand auch mehr als einen Wintersturm auf den Meeren oder paddelte mit Indios über den Amazonas. Seine Erlebnisse und Erfahrungen hat er in zahlreichen Büchern teils unter Pseudonym (Ashley Carrington) verarbeitet. Schröders Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet. Er zählt zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Schriftstellern im Bereich Jugendbuch und historischer Roman. 

Spätestens nach einem Blick auf seine Homepage, von der die vorgenannten Informationen stammen, war ich neugierig auf seinen bei cbj erschienenen Roman Liberty 9. Nicht nur weil ich immer auf der Suche nach Büchern bin, die ich getrost lesewilligen Nichten und Neffen oder den Kindern von Bekannten und Freunden empfehlen kann, auch weil mich die Inhaltsangabe auf der Verlagsseite angesprochen hat.  

Entsprechend enthusiastisch entfernte ich die Verkaufsfolie des Buches, öffnete es und begann zu lesen. Nebenbei erwähnt, auch die Gestaltung des Schutzumschlages sprach mich an (ich mag Blautöne und nicht nur der Titel ist in Blau-metallic gedruckt, auch die abgebildeten Augen sind blau, ebenso wie Teile des Hintergrunds, die einen Wald darstellen).  

Die Geschichte wird größtenteils in dritter Person aus der Sicht der Hauptfigur Kendira erzählt, drei Passagen auch aus der eines Aufsehers (im Buch Konventobere genannt). Sie erstreckt sich über einen relativ kurzen Zeitraum von Tagen, allenfalls jedoch wenigen Wochen. Liberty 9 ist nicht nur der Titel des Romans, es ist auch die Bezeichnung des Habitats, in dem sich das Leben der Auserwählten Kendira abspielt. Ihres und das von zweihundert anderen Auserwählten. Daneben gibt es noch etliche Servanten, die ihnen dienen, Konventobere, die sie ausbilden, oder Guardians, die sie gegen die (bösen) Nightraider verteidigen. Bis auf die Nightraider sind alle Libertianer, doch nur die Auserwählten werden jahrelang auf ihren Dienst im Lichttempel vorbereitet. Der befindet sich außerhalb von Liberty 9 und ist nur mittels eines Lichtschiffs erreichbar. Liberty 9 ist eine Sicherheitszone in einer Welt, die der unseren ähnelt und doch anders ist. Naturkatastrophen und Kriege haben dafür gesorgt, dass es nur wenige Habitate gibt, in denen sich das Leben lohnt. Daneben gibt es noch die Dunkelwelt. Einen wenig erstrebenswerten Ort, wenn man den Konventoberen Glauben schenkt. Kontrolle, Disziplin und das Training auf ihre künftige Aufgabe beherrschen den Alltag der Auserwählten.  

Strenge Strafen stehen auf Verstöße gegen die Ordnung. Das Schlimmste, was passieren kann, sind neben einer Hinrichtung sogenannte Cleansings. Die führen in der Regel zu einer völligen Auslöschung des logischen Denkvermögens, nicht selten jedoch auch zum Tod. Die Strafaktionen werden grundsätzlich vor den Augen aller durchgeführt.  

Liberty 9 muss so um das Jahr 2.100 herum spielen. Es wird zwar von einer neuen Zeitrechnung gesprochen, in der Kendira und die anderen Figuren im Jahr Phönix 59 leben. Allerdings erwähnt Dante, einer der Servanten, den etwa 2.100 Jahre zurückliegenden Beginn des Christentums. So viel verändert hat sich dort aber der Alltag gar nicht. Es gibt noch Tablets und Joysticks, Ego-Shooter-Spiele, Trikes und Schnellfeuergewehre oder Flammenwerfer, Lichtspielereien und Sphärenklänge dank Synthesizern. Die Auserwählten sind Internatsgleich untergebracht. Individualität wird nicht unbedingt gefördert. Auch zum Essen und Trinken gibt es – zumindest für Kendira und die anderen Auserwählten – auch Dinge, die man aus dem hier und jetzt kennt. Pancakes mit Sirup etwa, oder Kakao. Auch der Alkohol spielt noch eine (untergeordnete) Rolle, übt er doch den Reiz des Verbotenen auf die Jugendlichen aus und den des Vergessens auf die Konventoberen. Sogar eine Art Hostie gibt es, wenngleich sie in Form eines high machenden Beneficium während der Lichtmesse etwas pervertiert wird.  

Schröder geht mit Liberty 9 eine Idee an, die so neu nicht ist. Auserwählte in einer Zone, die streng abgeschirmt sind. Außenstehende, die ihnen ans Zeug wollen. Die Tatsache, dass ein goldener Käfig eben auch nur ein Käfig ist. Gegenseitige Bespitzelung, Verrat. Strikte Zensur und Bücherverbrennungen. Junge Menschen, die aufbegehren. Abgesehen von reellen Bezügen zu den nach außen abgeriegelten Ländern des früheren Ostblocks oder bestimmten Sekten wurde diese Thematik schon in zahlreichen anderen Romanen verwendet.  

Kendira hat, bevor sie Dante kennenlernt, keine Zweifel an dem System. Zu gut hat die Gehirnwäsche, der sie von klein auf unterzogen war, funktioniert. Dennoch findet sie (und neben ihr auch einige andere) keinen Gefallen an der öffentlichen Hinrichtung von Nightraidern oder an den ebenso öffentlichen Cleansings – egal ob es sich dabei um Servanten, Auserwählte oder Konventobere handelt.  

Logischerweise will keiner Gefahr laufen, ein solches Cleansing als Hauptakteur zu erleben. Ein Grund für eine solche Strafaktion wäre es, den Verstoß eines anderen nicht zu melden. Genau das jedoch tut Kendira nicht, als sie Dante bei etwas eindeutig Verbotenem erwischt. Dante gelingt es, Zweifel am System in Kendira zu wecken. Bereits nach kurzer Zeit ist sie felsenfest davon überzeugt, dass ihre höhere Berufung tödlich für sie endet. Und nicht nur sie geht das Risiko ein, sich Zweifel zu erlauben. Sie zieht auch weitere Auserwählte auf ihre Seite, von denen einer übrigens ebenfalls sehr an ihr interessiert ist und sie irgendwie auch an ihm. Die Ereignisse überschlagen sich und letztlich wagt sie an der Seite von Dante und drei weiteren Auserwählten einen Ausbruchsversuch aus Liberty 9. 

Klingt gut, nicht? Allerdings gibt es den einen oder anderen Punkt, der das Lesevergnügen schmälert; den Spannungsbogen gar eher einer schlaff herunterhängenden Wäscheleine ähneln lässt. Ansonsten wären mir die untypisch häufigen Schreibfehler sicher nicht aufgefallen, die ich im Buch gefunden habe. Von kleineren logischen Denkfehlern ganz zu schweigen. 

Da wären zunächst einmal die Figuren. Die Auserwählten ähneln in meinen Augen trotz ihrer Erhabenheit eher verwöhnten und zickigen Teenies von heute, zeichnet doch der Autor eine recht … sagen wir mal gewöhnliche Figurenvielfalt. Die Unsympathischen unter ihnen sind meist etwas dicklich, weniger erfolgreich oder haben etwa eine feuchte Aussprache. Die sympathischeren Figuren sind dagegen gut aussehend, schlagfertig, erfolgreich. Kendira selbst zeigt sich angesichts ihrer angeblichen Zweifel immer wieder erstaunlich oberflächlich. Die aufkeimende Angst vor ihrem scheinbar unausweichlichen Ende wirkt so wenig glaubwürdig. 

Allein gemeinsam ist jedoch, dass sie samt und sonders recht unscheinbar sind und vor der Beschreibungsfreude des Autors an ihrem Umfeld verblassen. Überaus erschöpfend ergeht Schröder sich nicht ausschließlich in der detailreichen Schilderung ihrer Gewänder, der Einrichtungen und der Umgebung. Neben der stetig wiederkehrenden metergenauen Angabe bestimmter Dinge führt er auch bestimmte Rituale und die dabei vorgetragene Litanei der Sprechchöre oder beispielsweise auch den Ablauf der Trainingseinheiten sehr erschöpfend aus. Und LeserInnen, die sich bis jetzt noch nicht so genau mit Jesus Christus und seinem Tod auskannten, werden nach der Lektüre von Schröders Roman etwas schlauer sein. Warum? Weil die Bibel zum sogenannten Seelengift gehört, das dem Konstrukt der Erhabenen Macht gefährlich werden könnte, sollte es denn Auserwählten oder Servanten in die Hände fallen. Sie steht seltsamerweise übrigens anscheinend auf gleicher Stufe wie etwa der Graf von Monte Christo. Ansonsten trägt allerdings dieser gedankliche Abstecher in die Grundzüge des Christentums eher zur Verwirrung bei, bringt er den Roman doch nicht wirklich weiter. Insgesamt wäre es praktischer gewesen, einzelne Begriffe in einem Anhang kurz zu erklären, da die Erklärung innerhalb der Geschichte einfach zu langatmig ist. 

Manchmal retten gute Dialoge etwas, doch bei Liberty 9 gehen sie leider angesichts aller Beschreibungen vollkommen unter. Was gesagt wird, wirkt stellenweise hölzern. Ebenso das, was gedacht wird. Einzig Nekia, eine der Auserwählten, sticht mit ihrer Wortwahl etwas daraus hervor. Allerdings – und das möchte ich positiv herausstellen – gibt es einen ganz klaren Vorteil. In manchen Büchern wird bei Dialogen auf Fäkalsprache zurückgegriffen, als wäre das heute die einzig sinnvolle und vor allem mögliche Art, sich zu unterhalten. Davon wird man in Liberty 9 jedoch dankenswerterweise verschont.  

Was in meinen Augen unglücklicherweise ebenfalls unterging, war die Weiterführung einer an sich guten Grundidee. Recht klar beschrieben hat Schröder die harten Strafen für Zuwiderhandlungen, die querbeet alle betrafen. Weniger klar wird dargestellt, warum einigen Servanten und später auch Auserwählten Zweifel am System kommen, beziehungsweise wie diese Zweifel sich erhärten. Es wird das eine oder andere erwähnt, aber das war es auch schon. Man erfährt nicht, wie Liberty 9 überhaupt erst entstanden ist. Warum und weshalb werden die Auserwählten in sogenannten Embrolabs herangezogen, in der Lichtburg erzogen und trainiert, von Servanten bedient? Wie werden sie auserwählt? Warum leben sie in einer Sicherheitszone? Es werden zwar Kriege und Naturkatastrophen erwähnt, doch wirklich darauf eingegangen wird nicht. Auch der künftige Dienst der Auserwählten ist Mysterium. Nicht nur für die Servanten und Auserwählten, auch für LeserInnen. Die paar Andeutungen gegen Ende des Buches – teils von einem zweifelnden Konventoberen, der aus seinem bisherigen Tun die Konsequenzen ziehen will, teils von Nightraidern, deren Motivation im Übrigen auch etwas konstruiert scheint – deuten darauf hin, dass der Autor genauso im Dunkeln tappt. Vor allem rechtfertigt keine dieser Andeutungen den Aufwand, mit dem die Auserwählten jahrelang „ausgebildet“ werden.

Laut Pressemappe handelt es um Social Fiction, bei der die Technik zwar noch Lichtjahre von regulärer Science-Fiction entfernt ist, jedoch eine „buchstäblich blendende“ Rolle in dem Roman spielt. Dem kann ich nur zustimmen. Etwas anderem jedoch nicht. Man erfährt aus der Pressemappe auch, dass es sich bei Liberty 9 um einen dramatischen Action-Thriller handelt, der von einem Meister der Spannungsliteratur erzählt wird. Die Grundidee mag spannend sein, tatsächlich wirkt Liberty 9 aber wie ein mühsames Konstrukt auf mich, das Fragen aufwirft aber kaum Antworten findet. Ebenso sollen Liebe und Freundschaft ein zentrales Thema sein, sowohl den Kern als auch das Gewebe bilden, welches die Geschichte zusammenhält und weiterbringt. Das kam so nicht bei mir an, da beides an sich zu wenig ausgeführt wird. Die Liebe und Freundschaft, die im Klappentext erwähnte unwiderstehliche Anziehungskraft – all das scheint lediglich auf dem guten Aussehen Kendiras, Carsons (der interessierte Auserwählte) und Dantes zu fußen.  

Fazit: Irgendwo habe ich gelesen, dass es sich um den Auftakt einer Trilogie handeln soll. Das würde die offenen Fragen erklären, die Andeutungen, die im Sande verlaufen und diese wie vergessene Handlungsfäden wirken lassen. Bedauerlicherweise habe ich jedoch weder in der Pressemappe noch auf der Verlags- oder Autorenseite und schon gar nicht irgendwo im Buch oder auf dem Buchumschlag einen Hinweis gefunden, der bestätigt, dass es sich hier um einen Auftaktroman handelt. Alles in allem möchte ich Liberty 9 nur einen von fünf Punkten geben, da ich den Roman weder sonderlich spannend noch eindrucksvoll, die Charaktere viel zu schwach und die Geschichte insgesamt zu konstruiert empfunden und von einem Autor wie Schröder einfach mehr erwartet habe.

Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

Nachtrag: Wie ich zwischenzeitlich erfahren habe, handelt es sich bei Liberty 9 um keine Trilogie. In der Frühjahrsvorschau 2013 habe ich jedoch den Folgeband gefunden.

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