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18. Mai 2010

Sebold, Alice: In meinem Himmel

Filed under: Krimi/Thriller,Roman — Ati @ 20:32

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In meinem Himmel

Von Alice Sebold

Titel der engl. Originalversion „The lovely bones“ erschienen bei MacMillan 02/2003

Dt. Übersetzung erschienen im Weltbild Verlag 2007

ISBN-10: 3443458366 – ISBN-13: 978-3442458363

Hardcover, 19,9 cm x 18,9 cm, 380 Seiten

 

 

Zur Autorin

 

Die 1963 geborene, US-amerikanische Schriftstellerin veröffentlichte 1999 das Buch „Lucky“ (2004 unter dem Titel „Glück gehabt“ bei Goldmann erschienen), das auf dem Erlebnis ihrer Vergewaltigung basierte. Auch in „In meinem Himmel“ spielt dieses Thema eine Rolle.

 

Zum Buch

 

Mit 14 Jahren wird Susie brutal vergewaltigt und ermordet. Doch damit nicht genug. Der Täter zerstückelt sie und wirf sie in ein Erdloch. Die Leiche des Mädchens wird nicht gefunden. (Eigentlich ein perfekter Stoff für einen reinen Krimi, oder?) Da der Mörder bereits auf den ersten Seiten benannt wird, richtet sich der Spannungsbogen auf die Familie Salmon, die an Susies Verschwinden zu zerbrechen droht. Susie existiert weiter, begleitet und beobachtet aus ihrem Himmel Familie und Freunde und versucht ihnen zu helfen. (In mir keimte der Verdacht, dass es etwas kitschig und melodramatisch werden könnte.)

 

Meine Meinung

 

Ohne die anfänglichen Bedenken zu beachten, konnte ich nach den fast schon überschwänglichen Kritiken nicht widerstehen und habe „In meinem Himmel“ gekauft. Dennoch lag es lange Zeit auf einem Stapel Bücher, die ich „wenn mal Zeit ist“ lesen wollte. Zwischenzeitlich habe ich es bereits zum vierten Mal gelesen, was darauf verweist, dass sich der Kauf für mich gelohnt hat.

Alice Sebold lässt die ermordete Susie selbst die Geschichte erzählen. Die von mir, angesichts Thematik und Erzählperspektive, eigentlich fast schon erwartete Melodramatik fehlte hier völlig. Statt dessen erwartete mich neben einer schonungslosen und bar jeglicher Sentimentalität erfolgten Schilderung des Verbrechens, Susies Blick auf die unsägliche Trauer und Wut ihrer Familie und Freunde. Auf deren Verzweiflung darüber, dass der Täter nicht gefasst werden kann, weil es – außer ihm und Susie selbst – weder Zeugen noch Spuren gibt. Darüber hinaus skizziert Susie ihren Himmel, in dem sie jenseits von Gefühlen wie Wut beobachtet und einen Weg sucht, ihrer Familie zu helfen. Es gelingt ihr teilweise. Ihr kleiner Bruder Buckley meint, sie zu sehen, ihr Vater meint, ihre Anwesenheit zu spüren. Jahre vergehen und Susie sieht, was sie alles entbehren muss in ihrem Himmel. Sie wird nicht erwachsen. Sie erlebt keine erste Liebe – und dabei würde sie so gerne noch einmal mit dem Jungen zusammen sein, der sie zum ersten Mal küsste. Zusammen mit dem ebenfalls gelungenen Täterpsychogramm ergibt sich daraus für den Leser eine überaus aufwühlende Tiefe, in der das Tragische betont wird. Schmerz und Verzweiflung ihrer Familie und ihrer Freunde verschmelzen mit Susies persönlichen Erinnerungen und Erzählungen vor und nach ihrem Tod. Der daraus resultierenden persönlichen Ebene der Geschichte kann sich wohl kaum jemand entziehen.

 

Ich konnte es jedenfalls nicht. Und das, obwohl ganz am Schluss genau das eingetreten ist, was ich anfangs befürchtete – es wurde doch noch leicht kitschig und war nach dem überwiegend fesselnden Teil etwas unpassend. 

 

Trotzdem: Selten wurde ich in ein solches Wechselbad an Gefühlen getaucht. „In meinem Himmel“ ist entsetzlich und tröstlich, abschreckend und anrührend zugleich. Ich trauerte und litt mit Susie, ihrer Familie und ihren Freunden. Ich war wütend über das Verbrechen und hasste den Täter regelrecht, der einfach nicht zu fassen war. Ich blätterte voller Spannung und Ungeduld weiter und saß dann einfach wieder nur nachdenklich da und dachte über das gerade Gelesene nach. Trauer und Wut auf der einen Seite. Trost und Humor auf der anderen. Und darüber hinaus noch die überaus verlockende Theorie, dass der körperliche Tod nicht das Ende von allem ist.

 

Wer sich auf dieses Buch einlässt, bei dem wird Susies Geschichte sicher einen bleibenden Eindruck hinterlassen, da es mehr eine Erfahrung als bloße Unterhaltung darstellt.

 

© 05/2010 Antje Jürgens

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