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14. Februar 2011

Katzenbach, John: Der Professor

Filed under: Roman — Ati @ 12:14

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Originaltitel: What comes next
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Anke und Eberhard Kreutzer
Droemer – ISBN 978-3426198247/ ISBN 342619824X
Psychothriller
Deutschsprachige Ausgabe 2010
Umschlaggestaltung ZERO Werbeagentur, München
Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag, 560 Seiten
[D]19,99 €

 

Verlagsseite
Autorenseite (dt.)

Psychoanalyse und Verbrechen – beides ist für den 1950 in Jersey geborenen und Massachusetts lebenden Autor John Katzenbach nichts Unbekanntes. Seine Mutter ist Psychoanalytikerin, er selbst war in Jersey und Miami als Gerichtsreporter tätig. Die Liebe zum Schreiben entdeckte er bereits sehr früh. Katzenbachs bevorzugtes Genre sind Psychothriller. Seiner Feder entstammen neben „Der Professor“ bislang acht weitere Bücher, darunter „Der Patient“ oder auch „Die Anstalt“. Zu diesen Büchern schrieb er darüber hinaus die Drehbücher, da ihm die filmische Umsetzung vorheriger Romane nicht zufriedenstellte. Neben dem Schreiben interessiert sich Katzenbach für Baseball, Hunde und Politik.

 

Eine jugendliche Ausreißerin wird von einem Pärchen entführt und festgehalten. Ihre Misshandlungen werden gefilmt und exklusiven Klubmitgliedern via Internet zur Verfügung gestellt. Sie ist nicht die Erste und wird aller Voraussicht nach auch nicht die Letzte sein.

 

Ihre Entführer – ein junges Pärchen – bedienen eine gierige Fangemeinde, die gut zahlt, um bei www.whatcomesnext.com live oder als Zusammenfassung mitzuerleben, was mit Nummer 4 geschieht. Teilweise dürfen sie selbst mitbestimmen, was als nächstes geschieht.

 

Der Professor. Alleinstehend, an Wahnvorstellungen leidend, dement. Eigentlich will er sich nach der niederschmetternden Diagnose das Leben nehmen. Doch zufällig wird er Zeuge der Entführung und damit zur Schlüsselfigur zur Rettung des Mädchens. Doch wie sehr kann und darf er der Erinnerung an diesen Vorfall vertrauen.

 

Wer den Klappentext oder sonstige kurze Inhaltsangaben zum Buch liest, glaubt vielleicht schon zu wissen, worauf er sich einlässt. Blutig-schockende Gewaltexzesse. Tatsächlich? Nein. Katzenbach beschreibt Jennifers Martyrium anders. Er beleuchtet weniger die schockierenden Details der körperlichen Misshandlung, sondern richtet sein Augenmerk – und damit auch das seiner Leser – auf die Isolation von Nr. 4. Als Nr. 4 kann sich die entführte Jennifer von dem Grauen über das, was ihr geschieht, distanzieren. Doch in genau dieser Distanz liegt auch die Gefahr, ihre Identität, und damit die Hoffnung auf ein Überleben, zu verlieren. Auch die Charaktere ihrer Entführer sind logisch und gut aufgebaut. Nichts von dem, was sie tun, wirkt aufgesetzt oder zu weit hergeholt. Während andere Geschichten von Schilderungen blutiger und völlig übertriebener Exzesse leben, sorgt Katzenbach genau durch das Weglassen solcher Szenen für Gänsehaut. Die Nebenfiguren, die Voyeure hinter den PCs, werden realistisch gezeichnet. Ihre Gier, ihr Verhalten lässt sich problemlos in die Verhaltensmuster derer übertragen, die völlig legale Fernsehsendungen verfolgen, um ihre voyeuristischen Tendenzen zu bedienen, die uns seit einigen Jahren geradezu heimsuchen. Nichts scheint zu eklig, nichts zu brutal, ja – auch nichts zu banal, solange sie es aus sicherer Entfernung betrachten können. Und dann ist da noch der Professor, der Jennifer zu retten versucht.

 

Katzenbach hat letztlich drei bzw. vier Handlungsstränge miteinander vereint. Einen bildet Jennifer, einen ihre Entführer bzw. deren Fangemeinde und einen der Professor in seinem Versuch, das Mädchen zu retten. Dieser Professor ist eine Figur, die in gewisser Weise ebenfalls fasziniert, die mich jedoch andererseits nicht völlig überzeugt hat. Grundsätzlich fand ich die Idee, eine kranke – ihrer Erinnerungen nicht mehr ganz sichere – Figur in die Waagschale zu werfen, nicht schlecht. Da der Professor jedoch nicht nur dement ist, sondern auch an Wahnvorstellungen leidet, die ihn wiederum sehr konkret und stetig auf die Spur von Jennifer bringen, musste ich manchmal beim Lesen dieser Kapitel die Zähne zusammenbeißen. Dieser Handlungsstrang erschien bisweilen zu langatmig und dann auch zu bizarr. Obwohl ich sagen muss, dass ich es zusammenfassend gesehen durchaus in gewisser Weise schlüssig fand, dass ein Kranker auf recht abstrakte Weise versucht, sich zusammenzureißen, um etwas Wichtiges zu erledigen, bevor er stirbt. Im Fall des Professors bemüht er seine verstorbene Frau, seinen verstorbenen Bruder und seinen ebenfalls bereits verstorbenen Sohn in geisterähnlichen Erscheinungen. Der Professor kämpft gegen seine Krankheit an, weiß, dass er seine Aussetzer und Wahnvorstellungen hat und versucht es analytisch zu lösen, wie er es eben aus seiner Karriere als Psychologieprofessor kennt. Gleichzeitig versucht er für mein Dafürhalten, seine eigene Vergangenheit zu verarbeiten. Das Gefühl von allen verlassen worden zu sein ebenso, wie das Gefühl versagt zu haben. Er kann sich nicht auf die Lebenden berufen, weil die seine Aussagen aufgrund seiner Diagnosen aller Voraussicht nach in Zweifel ziehen werden. Also sucht er Hilfe bei den Verstorbenen. Allerdings war mir dieser Strang dann in seiner zum Erfolg führenden Konsequenz zu weit hergeholt und passte deshalb nicht 100%ig.

 

Wiederum gut fand ich den Epilog, mit dem Katzenbach seinen Roman ausklingen lässt.

 

Fazit: „Der Professor“ hat mir trotz des eben erwähnten Mankos gut gefallen. Er ist nichts für schwache Nerven und Paranoiker, aber eindeutig etwas für Fans des Genres, das leise aber nachhaltig unter die Haut geht. Auf einer Skala von 1 bis 5 Punkten vergebe ich 4,5 Punkte.

 

 

Copyright © 2010 by Antje Jürgens (AJ)

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