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27. März 2011

Mühlehner, u. a.: Lit.Limbus – Geschichten aus der literarischen Vorhölle

Filed under: Buch- & Sammelreihe,Fantasy, Horror, SciFi — Ati @ 17:52

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Mühlehner u. a.
Lit. Limbus – Geschichten aus der literarischen Vorhölle

Wunderwaldverlag
ISSN 21909776
Heftromane, Fantasy
Heft 1, 2 und 3
Kurzgeschichten mit 38, 40 und 44 Seiten

Verlagsseite
Autorenseite

Zusammen mit anderen haben die drei nachstehenden Autoren teils verwobene, teils abgeschlossene Kurzgeschichten verfasst, die vom Wunderwaldverlag als erster Zyklus der Lit.Limbus-Reihe vorgestellt werden. Die Geschichten werden in Heftform verlegt, die für 3,50 € erhältlich sind. Alternativ gibt es jeweils ein E-Book für 2,50 €. Ein weiterer Zyklus ist bereits in Vorbereitung, dieser befasst sich dann mit historischen Geschichten.

 

In der Lit.Limbus-Reihe – Geschichten aus der literarischen Vorhölle sind bislang erschienen:

 

Heft Nr. 01 – Meeting mit Hugo Bain, EVT Erstausgabe zur Frankfurter Buchmesse 2010. Dieses wurde von Michael Mühlehner verfasst. Der 1965 geborene Autor ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Bayern. Neben den Kurzgeschichten, die er Genre übergreifend schreibt, wurde 2009 sein erster Roman „Masken des Todes“ veröffentlicht.

 

Heft Nr. 02 – Dauerglühen/Die Weihnachtsgeister des Herrn Lau, EVT 08.10.2010, Sonderpublikation). Dieses stammt von Jürgen Heimlich. Er wurde 1971 in Wien geboren, absolvierte eine kaufmännische Ausbildung bei einem Verlag, ist Rezensent und Redakteur, ließ sich zum Gesundheitstrainer ausbilden und fühlt sich neben Fernsehkrimis (er ist Administrator des Derrick-Fanklub-Forums) auch von Friedhöfen und Fußball sowie von Theologie angezogen. Seit 1989 betätigt er sich Genre übergreifend als Autor und veröffentlichte neben Beiträgen zu Anthologien auch mehrere Titel bei verschiedenen Verlagen.

 

Heft Nr. 03 – Leipolds Vertrag, EVT 11.11.2010. Dieses stammt von Frederic Brake, der laut eigenen Aussagen schon lange Zeit Geschichten im Kopf hatte. Doch erst 2008 begann er mit schreiben. Er wurde 1970 geboren, ist verheiratet, hat einen Sohn und lebt in Westfalen.

 

Diese drei Bände liegen mir schon länger vor. Leider bin ich jetzt erst zum Lesen gekommen. Was schade ist, denn sie machen eindeutig Lust auf mehr und bedauerlicherweise ist Heft Nr. 4 bereits ausverkauft …

 

Heft Nr. 04    Paul deLuxe, EVT 13.11.2010 von Theresa Gerks.

Heft Nr. 05    Joe Browns Begräbnis, EVT 17.01.2011, von Bettina Unghulescu

Heft Nr. 06    Zeitkabinett , EVT 17.01.2011, von Max Pechmann

Heft Nr. 07    Auf Messe(r)s Schneide / Einschnitte, EVT 17.01.2011. Sonderausgabe zur Leipziger Buchmesse 2011 von Thomas Bosl und Bettina Unghulescu

Heft Nr. 10    Mr. Blue von Harald Landgraf, EVT 17.01.2011, Sonderausgabe zur Leipziger Buchmesse 2011

 

Insgesamt sollen elf Hefte in diesem Zyklus erscheinen, man darf also noch auf die Geschichten von Mara Lang, Anja Rosak und Barbara Schmidt gespannt sein. Die Idee für diese Reihe wurde aus der Tatsache geboren, dass Verleger und Autoren nicht immer die gleichen Ziele verfolgen. Die elf genannten Autoren, die vermutlich eigene Erfahrungen aus dem bisweilen surreal anmutenden Verlagsalltag en masse gesammelt haben dürften, verfassten Geschichten, die imaginär und real, scherzhaft und erschreckend, überspannt, etwas nervenkrank und spannend wirken. Immer alles ausgedacht? Wer weiß … Hinzu kommt eine gesunde Prise Mystik und Magie.

 

Heftromane genießen nicht bei allen Lesern den besten Ruf. Zu oft bedienen sie sich zu gängiger Klischees, platter Dialoge und von Handlung fängt man am besten bei den meisten gar nicht erst an. Doch das war nicht immer so und muss künftig auch nicht zwangsläufig so sein. Auch in den Heften der Lit.Limbus-Reihe Geschichten aus der literarischen Vorhölle gibt es Klischees, Anrüchiges, Trashiges. Dass sie dennoch gut, spannend und unterhaltsam sein können, beweisen die Ausgaben, die gerade vor mir liegen.

 

Zitat Verlagsseite

Die Wege der Autoren kreuzen sich rein zufällig, doch der Himmel der Literatur steht nur den Besten offen. Der Einsatz ist hoch: 500 Euro für den, der bis zur nächsten Leipziger Buchmesse einen lukrativen Buchvertrag ergattert. Doch hinter den Kulissen geht es um mehr. Gott pokert mit dem Teufel. Mephisto, Fürst der Hölle, lädt Johann, den Dichterfürsten, zum letzten Würfelspiel vor dem jüngsten Gericht. Der Club der Toten Dichter wirft die Macht des Thanatos in die Waagschalen des Schicksals. Zehn Autoren buhlen um die Gunst des Literaturhimmels, doch nicht alle können siegen. Das Schicksal fordert alles, manchmal sogar das Leben …

 

Damit sind natürlich nicht die Verfasser der Kurzgeschichten, sondern die Figuren der Heftreihe gemeint. Heft 2 – eine Sonderausgabe – hebt sich allerdings davon ab. Es beschäftigt sich mit einem Geschäftsmann, der eine moderne und folgerichtige Abwandlung der altbekannten Weihnachtsgeschichte um Ebeneezer Scrooge aus „A Christmas Carol“ von Charles Dickens erlebt. Der Geschäftsmann scheint auf den ersten Blick korrekt, doch er hat mehrere Eisen im Feuer und dank der Aufmerksamkeit einer Mitarbeiterin merkt man bald, dass alles nur eine Fassade ist. Selbstverliebt und nicht reflexionsfähig sucht er die Fehler immer bei anderen und nie bei sich, läuft blind und ignorant umher und davon. Bis … ja bis sich sein Leben drastisch zu ändern beginnt und er kurz darauf von den Geistern der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft besucht wird. Besitzt er so viel Willen sich zu ändern wie der alte Ebeneezer?

 

In dem einen Monat seines Lebens, in dem der Leser Lau begleitet, scheint dieser  verrückt, aber nicht wirklich erdacht zu sein. Er verkörpert einfach alles, was schlecht ist und stellt trotzdem sehr glaubwürdig eine Zusammenfassung all dessen dar, was gesellschaftlich verpönt ist, aber viel zu oft toleriert wird. Er wirkt mehr als unsympathisch, denn unaufhörlich wird ein weiterer mieser Charakterzug an ihm deutlich. Letztlich zahlt er für alles. Die Rechnung wird nicht zu brutal und voller Hass aufgemacht – aber effektiv.

 

Meeting Hugo Bain handelt von einem Autor von Heftromanen. Sein Synonym Frank Trash ist quasi Programm – in der Vergangenheit sogar ein ziemlich erfolgreiches. Als er zum zweiten Mal vom Blitz getroffen wird, weiß er nichts mehr von sich. Sein Agent verschafft ihm einen Auftrag für eine Biografie über Nicolas Flanell. Der Alchemist, der vor 500 Jahren lebte, soll sich mit dem Stein des Weisen beschäftigt haben. Die Zeit für die Biografie ist kurz bemessen, bereits auf der nächsten Buchmesse soll sie veröffentlicht werden, weil der Verlag schon kräftig die Werbetrommel rührt. Praktischerweise wird Trash seit dem Vorfall mit dem Blitz von einem Dybbuck bewohnt. Was das ist? Im jüdischen Volksglauben wird damit der Geist eines Toten bezeichnet, der in einen lebendigen Körper eintritt und die Kontrolle übernimmt. Der Dybbuck kannte Flanell persönlich. Die Arbeit an der Biografie wird jedoch durch seltsame Dinge beeinträchtigt. Nicht nur dass Trash Vorgänger in dieser Sache ermordet wurde, er begegnet plötzlich seiner Romanfigur Bain. Dass der nicht nur ein nicht zu fassender Serienkiller, sondern ebenfalls auf der Suche nach dem Stein des Weisen, der ihm zu ewigem Leben verhelfen soll, ist, macht ihn doppelt gefährlich. Und dann ist da noch die Sache mit der Wette der Autoren auf der Leipziger Buchmesse. Trash stolpert zwar nur zufällig hinein, doch die Devise hier heißt mitgehangen, mitgefangen….

 

Bevor die eigentliche Geschichte beginnt, erhascht der Leser einen Blick auf einen der Räume, die als Limbus bezeichnet werden. Als Vorhof der Hölle also, der von Seelen bevölkert ist, die ohne eigenes Verschulden nicht in den Himmel gelangen können. Dort trifft gerade ein Autor ein und wird von einem zweiten in Empfang genommen. Die Atmosphäre ist idyllisch, heiter, hat Urlaubsflair – vom Höllenfeuer weit und breit keine Spur. Doch wie merkt der dort ausharrende John Updike sich auf seinen Roman Landleben beziehend an? „Der Tod verliert nie seine Eigenschaft des Unerwarteten. Das Leben erwartet den Tod nicht, der lebendige Verstand kann ihn sich nicht vorstellen.“ Wer also kann schon sagen, wie so ein Limbus sich darstellt … 

 

Die Geschichte, die einmal von Trash selbst, dann wiederum aus Bains Perspektive, aber nicht von diesem erzählt wird, und zwischendurch mit Einflechtungen aus traumartiger Vergangenheit und mystischer Parallelwelt aufwartet, handelt von einer Figur, die zufällig in etwas hineingezogen wird, weshalb der Ankommende durchaus die Hauptfigur des Heftes sein könnte.  Mühlehner stellt seinen Charakter als Opfer dar, das mit allerlei Gefahrensituationen, Spuk und Spektakel fertig werden muss. Ausklingend im Heft wird ein kleiner Blick auf die Folgefigur Jason Manz gelenkt und ein Stolperstein auf dem Weg zum Wettgewinn für Trash eingebaut.

 

Während im ersten Heft eingangs Ferienstimmung und Klubatmosphäre herrschen, ändert sich die Umgebung zu Beginn des dritten Teils der Reihe. Heiter ist sie allerdings immer noch. Frank Trash und der Geschäftsmann Lau, der sich aller sieben Todsünden schuldig gemacht hat, ohne Schuld dafür zu empfinden, sind längst abgehakt bzw. Trash harrt auf Gewinn oder Niederlage bei der Wette um seine Seele. Bei Leipolds Vertrag wird niemand im Empfang genommen. Statt dessen kann der Leser ein Gespräch zwischen Mephisto und seiner Stellvertreterin, der Dämonin Ashura, verfolgen. Die beiden sprechen über die Neuordnung der Hölle und den Wegfall von Wollust und Völlerei bei den Todsünden. Ansonsten droht die Gefahr, dass die Hölle wegen Überfüllung geschlossen werden muss. Stattdessen widmen sie sich lieber unredlichen Bankern und Umweltzerstörern und sinnen darüber, wer den Höllenführer neu verfassen könnte. Das Ganze geschieht augenzwinkernd, man kann sich Mephisto gut in seinem scharlachroten Spandexanzug vorstellen.

 

Auch der Hauptcharakter dieses Teils der Reihe zwinkert hin und wieder, wenngleich auch aus anderen Motiven. Jason Manz ist ein bereits verbrannter Autor. Vorbei sind die Zeiten der Verlagsverträge, vorbei die Zeiten mit einem Literaturagenten. Geschieden und dem Alkohol zu zugeneigt, fristet er ein ziemlich trostloses Dasein. Auch er ist auf der Leipziger Buchmesse und kurz danach kommt er in den Besitz einer Telefonnummer, ohne zu wissen, wie genau. Ein Anruf bringt ihn in Kontakt mit Fritz Leipold, einem Ghostwriter, der eigentlich schon längst tot sein müsste. Dass er das nicht ist, dass er Energie und Lebenskraft aus Autoren wie Manz zieht, erfährt der erst viel zu spät. Da hat er bereits Teile seiner Seele verloren und kommt nicht mehr aus der Sache heraus.

 

Trotz des fantastischen Elements spricht Brake in seiner Geschichte mehr den knallharten Autorenalltag an. Den möglichen Erfolg – auch wenn der nur rückblickend klar wird – der immer die Möglichkeit eines tiefen Falls birgt. Verweist auf den Umstand, dass ein kleiner Schritt aus dem Rampenlicht mit fatalen Stürzen verbunden ist, die ein Aufstehen oder Wiederauferstehen erschweren. Gleichwohl kommt das Fantastische in seiner Andeutung nicht zu kurz. Geschickt zeichnet Brake die durch Leipold entstandene Bedrohungssituation für Manz, der, wenn auch etwas abstrahiert, stellvertretend für andere von Ghostwritern unterstützte Autoren an seinem Geheimnis zugrunde zu gehen droht. Am Ende erhascht der Leser wiederum einen kurzen Blick auf die Folgefigur – in diesem Fall Paul DeLuxe. Und darauf, dass die Geschichte für Jason Manz und seine Umwelt noch nicht zu Ende ist.

 

Der rote Faden in Form der Wette auf der Leipziger Buchmesse ist, über den ersten und unabhängig davon zu lesenden abgeschlossenen zweiten Teil hinaus, zu erkennen. Alle drei Hefte sind flüssig zu lesen. Nichts Schöngeistiges – aber das erwartet man ja in einem Heftroman auch nicht, oder? Die Autoren haben sich in ihren Geschichten schlüssig auf 38 – 44 Seiten ausgetobt. Amüsant und erschreckend, wie bereits erwähnt, eine Spur gruselig und etwas neben der Norm, sind alle drei Geschichten. Die Mischung aus Übernatürlichem beziehungsweise Mystisch-Magischem und trauriger Realität ist genau abgewogen.

 

Fazit

 

Die ersten drei Hefte machen eindeutig Lust auf mehr. Dummheit und Gier, selbst wenn diese aus der Verzweiflung heraus geboren wird, werden bestraft. Ein an und für sich typisches Klischee also, das man in Heftromanen erwartet. Doch es ist immer eine Frage der Umsetzung, die Klischee hin oder her schräge Handlungen von Schund unterscheidet. Und die Umsetzung ist – den Autoren sei Dank – in diesen Teilen der Lit.Limbus-Reihe Geschichten aus der literarischen Vorhölle bestens gelungen und lässt auf einen spannenden Fortgang und Schluss der Reihe hoffen.

 

Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

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