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12. April 2011

Stead, Rebecca: Du weißt, wo du mich findest

Filed under: Jugendbuch,Roman — Ati @ 18:59

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Rebecca Stead
Du weißt, wo du mich findest

Originaltitel: When you reach me
aus dem Amerikanischen übersetzt von Alexandra Ernst
cbj
ISBN 9783570139066
ISBN 3570139069
Jugendbuch, 11 – 12 Jahre
1. Auflage 2011
Umschlaggestaltung zeichenpool, München
Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag, 240 Seiten
[D] 14,99 €

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Autorenseite 

Die 1968 in New York geborene und aufgewachsene US-Autorin, die zusammen mit ihrem Mann und zwei Söhnen in Manhattan lebt, schreibt für Kinder und Jugendliche. Nachdem sie bereits früh zum Schreiben an sich kam, nahm sie es erst nach einer Pause, in der sie als Anwältin tätig war, ernsthaft wieder auf. Und eigentlich auch nur, um sich davon abzulenken, dass ihr Sohn … sagen wir mal … ursächlich, am Ableben ihres Laptops beteiligt war, auf dem jahrelang gesammelte Ideen und Kurzgeschichten gespeichert waren. Um sich aufzuheitern, begann sie mit etwas Leichtem, dem dann 2007 ihr erster Roman „First Light“ folgte. Im Jahr 2010 wurde sie mit ihrem 2009 erschienenen zweiten Roman „When you reach me“ für die Newbery Medal – einen Literaturpreis für Jugendliteratur – nominiert. Ins Deutsche übersetzt brachte cbj diesen Roman 2011 unter dem Titel Du weißt, wo du mich findest auf den Markt.

 

Der rot gestaltete Umschlag, der ein Paar karobesockte Füße in roten Lackschuhen, einen Origamifrosch auf gezeichneten Holzdielen mit Bleistiftzeichnungen von Schuhen, einem Brief, etc., zeigt, ist gut gelungen und macht das Buch zu einem von denen, die den Blick unweigerlich auf sich ziehen.

 

Der Roman handelt von der 12jährigen Miranda, die Ende der 1970er Jahre in New York City lebt. Die Geschichte könnte jedoch auch an einem beliebig anderen Ort zu einer beliebigen anderen Zeit spielen, denn obwohl die Autorin beides erwähnt, liegt der Schwerpunkt von Du weißt, wo du mich findest eindeutig auf der Gefühls- und Gedankenwelt des Mädchens, die die Geschichte in Ich-Form in briefartigen Episoden erzählt. Bereits hier wird klar, dass das Buch kein reines Buch zur Entspannung ist und vermutlich eher Leser außerhalb der anvisierten Zielgruppe finden wird. Die briefartigen Episoden bewirken, dass die Geschichte gewissermaßen Zeitsprünge erlebt. Man kann nicht einfach lesen und abhaken, man muss dabeibleiben und überlegen, ob das Gelesene gerade im Jetzt, Davor oder Danach geschieht. Doch Miranda selbst könnte neben jedem von uns leben, könnte vielleicht mit uns verwandt sein oder den einen oder anderen Leser selbst darstellen. Das Mädchen wirkt echt, man kann sich in sie hineinfühlen, ja hineinversetzen. Dies gilt auch für die Nebencharaktere. Sie sind zwar nicht so detailliert gezeichnet, zeigen sich jedoch genauso authentisch wie die Hauptfigur.

 

Das Mädchen lebt in einfachen Verhältnissen mit ihrer Mutter und deren Freund zusammen. Miranda hat nicht viele Freunde – genau genommen nur Sal. Doch der will von heute auf morgen nichts mehr von ihr wissen, ohne zunächst Gründe dafür zu liefern. Deshalb beginnt Miranda, zarte Kontakte mit anderen Kindern zu knüpfen. Kontakte, die pubertäre Streitereien genauso beinhalten wie jugendliche Neugier und Unbedarftheit. Oder auch Ängste und Unbehagen, etwa im Zusammenhang mit einem obdachlosen „lachenden Mann“, der vor Mirandas Haus seine Tage fristet.

 

Es gibt auch einen mysteriösen Erzählteil, der auf kleinen Nachrichten fußt, die Miranda immer wieder findet. Etwa eine mit dem Inhalt „Ich komme, um das Leben deines Freundes zu retten. Und mein eigenes. Ich bitte dich um zwei Gefallen. Erstens: Du musst mir einen Brief schreiben. Zweitens: Ich bitte dich, diese Nachricht geheim zu halten.“ Nachrichten, von jemandem, der genau über Miranda Bescheid zu wissen scheint und sogar zukünftige Ereignisse voraussehen kann. Miranda kommt dieser Bitte nach, wie man unschwer daran erkennen kann, dass sie immer wieder eine stets präsente, aber nicht greifbare Person mit „du“ anspricht, auch wenn sie lange nicht begreift, was sie wirklich tun soll oder warum dies alles geschieht.

 

Die Geschichte, die laut Umschlagtext „atemberaubend spannend, brillant erzählt, voller Wärme und Klugheit“ sein soll und das Buch zu etwas macht, „das man nie vergisst“ lebt in Wirklichkeit jedoch nicht von atemberaubender Spannung. Damit hat der Verlag der Autorin vermutlich keinen Gefallen getan, denn Du weißt, wo du mich findest ist so ganz anders als das, was damit automatisch suggeriert wird. Abseits des Mainstreams entpuppt sich die Geschichte als etwas, dass von Ruhe, Emotionen und – trotz der eher einfachen Sprache –  auch von Poesie getragen wird. Es ist kein ganz einfaches Buch und vermutlich dürften es einige Leser nach dieser vielversprechenden Verlagsankündigung zu früh gelangweilt oder enttäuscht beiseitelegen. Zumal auch ein Erzählstrang hinzukommt, der sich um die Teilnahme von Mirandas Mutter an eine Quizshow dreht, bereits relativ früh erwähnt und im Vergleich zur übrigen Handlung fast quälend, übermäßig betont wird.

 

Dennoch lohnt es sich, das Buch zu lesen. Denn tatsächlich besticht Mirandas Geschichte in ihrem unaufgeregten Erzählstil. Du weißt, wo du mich findest verwirrt, regt jedoch auch zum Nachdenken an. Etwa über den Sinn des Lebens, über das Danach, über die Ewigkeit, über Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit, die Härten des Lebens. Unscheinbar wirkende Kleinigkeiten gewinnen zunehmend an Bedeutung. Man ahnt, worauf alles hinauslaufen wird, weiß es aber bis fast zum Ende nicht wirklich. Was zunächst einfach gestrickt wirkt, entpuppt sich als ein gelungenes Gespinst eines interessanten roten Fadens, der sich kontinuierlich durch den Roman zieht.

 

Fazit

 

Ein ungewöhnliches Buch abseits des Mainstreams, das trotz des gelungenen Covers die Meisten erst auf den zweiten Blick bestechen dürfte. Ich würde es eher unter All-Age als unter Jugendbuch einsortieren, den Fokus nicht auf „atemberaubende Spannung“ lenken, dafür aber auf einen leisen, emotionalen und bezaubernden Roman, für den ich vier von fünf Punkten vergeben möchte.

 

Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

 

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