Die Leselustige Ati's Rezi-Seite – Buchbesprechungen, Ankündigungen, etc.

11. Juni 2012

Amber, Elizabeth: Satyr-Reihe

Filed under: Erotik,Fantasy, Horror, SciFi,Roman — Ati @ 18:56

Elizabeth Amber

Knaur

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Der Kuss des Satyrs

Originaltitel:  Nicholas  – The Lords of Satyr

ISBN: 978-3426501535

ISBN: 3426501538

Erotischer Fantasy-Roman

Taschenbuch, 416 Seiten

[D] 7,99 €

EVT März 2009


 

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Die Nacht des Satyrs

Originaltitel: Raine

ISBN: 978-3426506967

ISBN: 3426506963

Erotischer Fantasy-Roman

Taschenbuch, 416 Seiten

[D] 8,99 €

EVT Juni 2010

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Die Braut des Satyrs

Originaltitel: Lyon

ISBN: 978-3426506974

ISBN: 3426506971

Erotischer Fantasy-Roman

Taschenbuch 384 Seiten

[D] 8,95 €

EVT Juli 2010

 

Verlagsseite

Autorenseite

 

 

Laut Verlagsseite ist Elizabeth Amber das Pseudonym einer amerikanischen Autorin, die sich unter diesem Namen zum ersten Mal in den Bereich Romantic Fantasy vorwagte. Wer mehr zu ihr wissen möchte, findet noch die eine oder andere Info auf ihrer (englischsprachigen) Autorenseite www.elizabethamber.com.

 

Ihre Satyr-Reihe erfreut sich, wenn man diverse Lesermeinungen im Internet so durchsieht, einer durchaus begeisterten Leserschaft. Andere hingegen sind weniger bezaubert davon.

 

Bislang sind drei Bände erschienen, der vierte soll 2012 folgen. Grundsätzlich geht es um mystische Wesen – Satyrn – die als Winzer recht erfolgreich mehr oder weniger unerkannt unter bzw. neben den Menschen leben. Doch ihre Weinberge sind bedroht, die Reblaus (von der Autorin ein paar Jahre von ihrem tatsächlichen historisch belegten Ausbreiten verlegt) droht nicht nur in ganz Europa, sondern auch bei ihnen alles zu vernichten. Ihre Ländereien bergen zudem das Portal zur Anderwelt, die immer mal wieder in die Erdwelt zu dringen und diese zu vernichten droht. Die guten Vertreter der Mystik kommen (nicht nur in Gestalt der Satyrn) auch vor. Einer – ein Feenkönig – hat etwa neunzehn Jahre zuvor drei Menschenfrauen geschwängert. Die mittlerweile nahezu erwachsenen Frauen leben als Mischlinge – ohne zu wissen, was sie wirklich sind – bei den Menschen, teils bei Verwandten, teils im Waisenhaus aufgewachsen. Alle haben ein Geheimnis, das sie unbedingt wahren müssen, das aber mit zunehmenden Alter gelebt werden will, bzw. das ein „böser“ Dritter als Druckmittel im Rahmen einer Erpressung benutzt. Alle drei sind unglücklich, da wo sie sind, sehen keine wirkliche Zukunft für sich, fühlen sich einsam. Der mittlerweile sterbende Elfenkönig schreibt an die Satyr-Brüder, damit sie sich auf die Suche nach den drei Frauen machen und sich nach Auffinden mit ihnen vermählen sollen, um ihnen den Schutz zu gewähren, den sie brauchen. Denn böse Anderwelt-Wesen möchten die drei Frauen, um mit ihren übernatürlichen Kräften …. – hier stockt die Grundidee, denn so genau wird gar nicht klar, warum und weshalb ausgerechnet diese drei Frauen so ungewöhnlich mächtig sein sollen, dass sie das Interesse der Anderweltwesen wirklich zwangsläufig erregen oder wie genau der Schutz aussehen soll. Später folgt die Andeutung, dass der Schutz durch die Satyrn darin besteht, dass die Frauen nach ihrer Verbindung mit jeweils einem von ihnen quasi unsichtbar für die Anderweltwesen werden. Doch genau genommen ist das, was in vielen Kapiteln gut hätte erzählt werden können, lediglich in wenigen Sätzen die Vorlage für die Inhaltsangaben. Was nicht angesprochen wird (allerdings in der einen oder anderen Bewertung zutage kommt) ist die Aneinandereihung von Sexszenen, die die tatsächliche Handlung darstellt. Lediglich die anhaltenden Erpressungen bzw. die Erpresser sind, im Rahmen dieser Aneinanderreihung, etwas mehr ausgeführt.

 

Lange Rede, kurzer Sinn, Ambers Reihe ist was für Liebhaber eines bestimmten Genres. Obwohl ich selbst der einen oder anderen erotischen Szene durchaus nicht abgeneigt bin, habe ich die Reihe nach einem Gespräch mit meiner Nichte und einem weiteren mit einer Bekannten bereits im Vorfeld gedanklich ad acta gelegt. Dennoch kam einer der Bände als Gewinn eines Rätsels zu mir, einer als Geschenk (bitte so etwas nie mehr!) und der dritte im Rahmen eines Buchwanderpakets – alle etwa zur gleichen Zeit. Da ich grundsätzlich alles lese, was buchartig verpackt auf meinem Lesetisch landet, habe ich mich also irgendwann an die Reihe gewagt. Nachdem ich 2010 mein erstes Buch von allen in meinem ganzen Leben entnervt nach wenigen Seiten und entsetztem Querlesen unvollendet beiseitelegte (genauer gesagt landete „Feuchtgebiete“ von Charlotte Roche, obwohl es ebenfalls ein Geschenk war, postwendend im Mülleimer), gesellten sich aus der Satyr-Reihe gleich zwei weitere Bände zu der Liste-der-nicht-fertig-gelesenen-Bücher dazu. Ich scheiterte ebenfalls nach wenigen Seiten und Querlesen, bei den Bänden um Nick und Raine. Lediglich der Band um Lyon brachte mich dazu, ihn lustlos zu Ende zu lesen. Leider kann ich mich den positiven Meinungen über diese Reihe absolut nicht anschließen. Zwar stimme ich zu, dass es um mystische Wesen geht (Satyre, Elfen, etc.). Doch beim Rest ….

 

Fangen wir mit der Beschreibung der Handlungsorte und der Zeit (erste Hälfte 19. Jahrhundert) an. Doch ja, da ist das eine oder andere interessante Detail Rom, Paris, Venedig oder auch die Toskana betreffend. Doch Art und Weise, in der diese Details beschrieben werden, lassen das Interesse schnell erlahmen, wirken sie doch passagenweise trocken wie in einem Geschichtsvortrag.

Die Figuren? Ja, man kann sie sich vorstellen, trotz ihrer Eindimensionalität. Sie sind nach gut und böse getrennt – wobei gut und böse wie überall einfach eine willkürliche menschliche Beurteilung ist. Wirklich auffallend – und für mich störend – ist das gezeichnete Männer- und Frauenbild. Demnach sind alle Männer außer den Satyrn brutal, korrupt und intolerant, wie die Satyrn eher sexsüchtig und wie etwa der Ziehvater von Jane oder der Bischoff aus „Die Braut des Satys“ zudem noch weichlich-weinerlich. Dominant sind sie trotz eventueller Loser-Tendenzen gegenüber den Frauen jedoch alle – vor allem Jane, Jordan und Juliette gegenüber. Die sind trotz der Umgebung in der sie sich befinden einfach rein und unschuldig, bergen aber wie gesagt ein Geheimnis. Die übrigen weiblichen Wesen sind … Moment … außer lüstern und unersättlich ist mir nichts im Gedächtnis geblieben.

 

Was mich zum Thema Erotik bringt, die in manchen Bewertungen so positiv herausgestellt wurde. Zugegebenermaßen, bei Erotik scheiden sich bekanntlich – wie bei vielem anderen – die Geister. Wer die Satyr-Reihe verfolgt, muss schon einiges für sexuelle Spielarten aufbringen. Genau genommen besteht die Reihe lediglich aus mehr oder weniger plumpen, dafür enervierend endlos aneinandergereihten Sexszenen. Und in denen gibt es auch noch den einen oder anderen Part, der wie ein Denkfehler oder schlampiges Lektorat anmutet. Doch wie gesagt, Erotik ist – genau wie Spannung – ein Thema, bei dem sich die Geister schon mal scheiden können. Speziell in dem Band in dem es um Raine geht, kommt jedoch hinzu, dass einige der Szenen abgesehen von zum Teil für Otto-Normal-Leser eher abstoßenden Praktiken auch noch vergleichsweise hölzern beschrieben sind. Ob das an der Übersetzung liegt? Keine Ahnung, jedenfalls könnte man fast meinen, dass dieser Band aus einer anderen Feder stammt. In allen drei Bänden finden sich zudem einige Passagen, die ein rasches Wiedererkennen ganzer Sätze bewirken. Seitenfüller? Der Verdacht drängt sich unweigerlich auf.

 

Wer jedoch auf dominante Männer steht (die einfach anscheinend deshalb männlich sind, weil sie entsprechend bestückt alles bespringen, das bei drei nicht auf den Bäumen ist), oder auf Frauen (die nicht nur entsprechend ihrer Zeit eine eher devote Rolle einnehmen), auf Gewalt (ein Wunder, dass die Menschheit überlebt hat), auf  Intrigen (die – nun ja – teils mehr als konstruiert wirken und genau wie die Reblausplage genommen auch hätten weggelassen werden können) und eine Grundidee, die – lediglich angedeutet –  in einem Wust von Sexszenen untergeht, der hat mit dieser Buchreihe sicher seine helle Freude. Zumindest, wenn er neben wenigen spielerischen Fessel- oder Rollenspielchen, ein wenig Oral-Sex, unzähligen „normalen“ Kopulationen von Analverkehr über Gruppensex und Inzest bis Züchtigung alles in Kauf nimmt. Diejenigen werden sich sicher auch darüber freuen, dass die Autorin flugs ihre Grundidee figurtechnisch betrachtet ausgebaut hat. Wo zuvor nur drei Satyrn in dieser Welt lebten (die die Geschichte anfangs quasi kompakt gehalten hätten, weil explizit erwähnt wird, dass es eben nur drei von ihnen gibt), gesellt sich im nächsten 2012 erscheinenden Buch flugs ein vierter dazu. Ich wage mir nicht vorzustellen, wie weit das noch ausgebaut werden kann. Laut ihrer Autorenseite sollen es zumindest sieben Lord-Satyrs werden….

 

Doch: Es gibt natürlich auch positives in den bis jetzt erschienenen Bänden. So fand ich beim Querlesen die Darstellung der Geburt eines kleinen Satyr-Babys recht niedlich (die Satyrn übernehmen die Erstversorgung und eine Schwangerschaft dauert nur 28 Tage). Oder auch, dass die Frauen nicht ganz so perfekt sind (ein Hermaphrodit dürfte für den einen oder anderen Mann natürlich ein Problem darstellen, nicht natürlich für einen omnipotenten und – entschuldigt den Ausdruck – dauergeilen Satyr). Und ich fand es auch recht nett, dass Jane (aus „Der Kuss des Satyrs“), mal eben vertrocknete Pflänzchen heilen oder Juliette (aus „Die Braut des Satyrs“) sich bei einer drohenden Vergewaltigung in Stein verwandeln kann. Die Satyrn verwandeln sich übrigens in der Vollmondnacht durch den „Ruf“, bekommen von der Hüfte abwärts Fell, einen zweiten Phallus und einen heilenden Sucher, wobei das Fell ganz nett, der zweite Phallus in meinen Augen reichlich unhygienisch und der Sucher eine praktische Idee war. Ach ja und Juliettes Art mit ihren Freiern umzugehen, war auch nicht die schlechteste (fantastisch empfängnisverhütend und vor allem konnte sie sich mit nichts anstecken). Oder der Arzt aus „Die Braut des Satyrs“ bekommt eine Strafe für das, was er während Juliettes Geburt getan hat (die man ihm gönnt, angesichts seines Verhaltens gegenüber Juliette an jedem ihrer folgenden Geburtstage) und der, der ihn bestraft findet zwar ein plötzliches Ende, das man ihm aber durchaus gönnt, obwohl er in der gesamten Geschichte zwar geradezu aufdringlich auftaucht und dennoch bis zum Schluss unscheinbar nichtssagend bleibt, weil er eben auch nur eine Figur ist, um die man eine Sexszene drapieren kann).

 

Doch die positiven Textstellen halten sich eindeutig in Grenzen, und unterstreichen zudem die hilflose …. tut mir leid, mir fällt kein anderes Wort ein …. Einfältigkeit der drei Mischlings-Frauen. Bei all ihren Fähigkeiten sind sie völlig hilflos, können sich nicht mal andeutungsweise gegen ihre Peiniger wehren und müssen sich letztlich durch einen übernatürlichen, allzeit bereiten Ich-schreib-es-lieber-nicht retten lassen. Doch obwohl sie so schrecklich mitleidheischend hilflos sind, schaffen sie, was andere zum Teil jüngere Mädchen niemals schaffen können. Sie bleiben bis zu ihrem Zusammentreffen mit den Satyrn jungfräulich unschuldig, was angesichts der beschriebenen Lebensweise und ihrem Umfeld mehr als unglaubwürdig wirkt.

 

Wie gesagt, die sinnlose Aneinanderreihung von Kopulationsszenen ist das eine, die Praktiken das andere. Stellenweise könnte man der Autorin fast eine Analfixierung unterstellen. So wird etwa in „Die Nacht des Satyrs“ recht enervierend gleich eingangs die Untersuchung Jordans (ich wusste gar nicht, dass das ein italienischer Name ist, denn Jordan wächst in Venedig auf) vor zahlendem Publikum und damit verbunden eine drohende Darmspülung vor einer Art medizinischem Fisting erklärt.

 

Quer durch alle Bände erfolgt der stete Hinweis, dass der wirksame Schutz der drei Frauen natürlich nur durch Sex, Sex, Sex – und was war es noch? – ach ja, wie konnte ich das nur vergessen: Sex aufgebaut und gehalten werden kann. Oder dass die armen Satyrn das Zeitliche segnen müssen, wenn sie ihrer Natur (ihr erinnert euch: alles was bei drei nicht auf den Bäumen ist…..) nicht freien Lauf lassen dürfen.

 

Fazit:

 

„Die Satyr-Brüder sind so sexy, wie man es sich nur wünschen kann.“ (Zitat Paranormal Romance Reviews abgedruckt auf „Die Braut des Satyrs“). Oder „Der beste erotische Liebesroman, den ich je gelesen habe“ (Zitat Paranormal Romance Reviews abgedruckt auf „Die Nacht des Satyrs“). Etwas ähnliches findet sich auch auf dem Auftaktroman „Der Kuss des Satyrs“.

 

Keinem dieser Zitate kann ich auch nur andeutungsweise zustimmen. Erotisch? Sexy? Beides sieht in meinen Augen anders aus. Quantität ist nicht gleichbedeutend mit Qualität. Liebesroman???? Hat Liebe immer mit Unterwerfung zu tun? Denn genau das machen ja die drei Halbfeen von vorne bis hinten. Spannung? Falls da tatsächlich Spannung enthalten ist, ist sie mir völlig entgangen. Hier hätte eine größere Betonung der Grundidee (zumindest der in den Inhaltsangaben angedeuteten) eindeutig Not getan. Empfehlenswert? Aus meiner Sicht eindeutig nein und zwar keiner der drei Bände.

 

Und doch … nachdem ich die drei Bände in meine Altpapiertonne befördert hatte, kam eine Freundin zu mir und wünschte sie sich als Geschenk für einen anstehenden Geburtstag. Ich habe jetzt tatsächlich zwei Bände bestellt und frage mich ernsthaft, ob mir danach die Freundschaft aufgekündigt wird, weil ich nicht ernsthafter davor gewarnt habe oder ob auch nur eines meiner bisherigen Buchgeschenke ernsthaft gefallen haben kann, wenn sie tatsächlich Gefallen an der Reihe findet….

 

Copyright © 06/2012  Antje Jürgens

10. Juni 2012

Elphinstone, Margaret: Die Nacht der Jägerinnen

Filed under: Belletristik,Roman — Ati @ 14:49

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Originaltitel: The Gathering Night
aus dem Englischen übersetzt von Susanne Aeckerle und Marion Balkenhol
ISBN 9783832161460
ISBN 3832161465
Paperback, 416 Seiten
[D] 10,00 €
Erscheinungstermin 04/2011

Verlagsseite

Autorenseite

Zur Autorin

Margaret Elphinstone, die 1948 in Kent geboren wurde, studierte an der Universität von Durham. Sie lebt heute in Glasgow und ist Professorin für Englische Literatur und Kreatives Schreiben und lehrt seit 2003 an  der dortigen Universität von Strathclyde. Davor unternahm sie ausgedehnte Studienreisen und lebte und arbeitete in unterschiedlichen Bereichen in Island, Grönland, Labrador und den Vereinigten Staaten sowie auf den Shetlandinseln. Die Mutter von zwei Kindern veröffentlichte bislang mehrere Romane und Kurzgeschichten. Teilweise entstanden die Ideen dazu während ihrer Arbeit, etwa bei archäologischen Aufgrabungen oder einer Gärtnertätigkeit. Von 1990 bis ins Jahr 2001 erhielt sie mehrfach verschiedene Preise vom Scottish Arts Council (Writer’s Bursary, Travel Award, Spring Book Award).

Zum Buch

Zitat Verlagsseite: Zwischen dem Großmutterberg und dem offenen Meer, das die Welt umgibt, lebt Alaia mit ihrer Familie. Als ihr Bruder eines Tages nicht von der Jagd zurückkehrt, stürzt das die Familie in große Bedrängnis. Dieser Schicksalsschlag und der erfolgreiche Kampf der Familie ums Überleben werden zum Gründungsmythos des Alk-Clans, der noch Generationen später die Mitglieder zusammenschweißt. Ein außergewöhnlicher und fesselnder Roman, der in der Steinzeit spielt und zugleich als Parabel auf den Zustand unseres Planeten 8000 Jahre später gelesen werden kann.

8.000 Jahre. Damit wird Elphinstones Leserschaft von ihr in das frühe Mesolithikum – also die frühe Mittelsteinzeit – befördert. Eine Zeit also, die aufgrund der nacheiszeitlichen Wiederbewaldung zu einer gravierenden Veränderung der bisherigen Lebensweisen führte, egal ob es die Jagd, den Fischfang oder die Herstellung diverser Gerätschaften betraf. Eine Zeit also, die sich die meisten von uns nicht mal eben einfach so vorstellen können. Schon allein deshalb, weil es in Schottland, wie die Autorin selbst abschließend anführt, nur wenige archäologische Funde oder Überlieferungen davon gibt. Und man wird in eine Geschichte befördert, deren Idee nicht ganz neu ist.

Ein solcher Zeitsprung stellt für Autoren meist eine Stolperfalle dar. Man kann natürlich aus dem Vollen schöpfen und der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Doch wie schafft man es, den Alltag der Romanfiguren darzustellen? Lebendig darzustellen, genau wie die Welt um sie herum? Mit Worten ganz klar. Und welchen Sprachstil wählt man? Den, den man den damaligen Menschen unterstellt, oder doch den, den die Leserschaft leichter und angenehmer empfindet, weil er unserer heutigen Sprachvorstellung entspricht?

Wer flüchtig liest, wird wenig Freude an dem Buch haben. Elphinstone wählt zum einen einen relativ modernen Stil und lässt ihre Leserschaft zum anderen aus verschiedenen Perspektiven am Geschehen teilhaben, indem sie unterschiedliche Personen zu Wort kommen lässt. Sprichwörtlich, denn das Buch besteht aus Lagerfeuererzählungen, die sich über mehrere Abende verteilen. Dadurch gelingt es ihr, die Natur mit all ihren Gegebenheiten bildhaft vorzuführen. Bei ihren Figuren wird dies jedoch schon zum Problem. Durch die von der Autorin bevorzugten kurzen Sätze wirkt nicht nur der Schreibstil etwas stockend, sondern auch die Handlungs- und Lebensweise ihrer Figuren nahezu fatalistisch. Dies mag bewusst so gewählt sein, um zu verdeutlichen, dass diese Punkte dem damaligen Überlebensinstinkt geschuldet sind. Doch dieser Stil lässt – sofern man sich nicht darauf einlässt – keinen rechten Lesefluss aufkommen und verlängert diverse Passagen bis hin zur Langatmigkeit. Abgesehen davon sprechen ihre Erzähler dabei zwar relativ modern. Gleichzeitig bedienen sie sich aber auch eher bildhafter Umschreibungen, für die ein Glossar mit Erklärungen hilfreich gewesen wäre. Größtenteils erklären sich bestimmte Handlungen oder Begriffe von selbst im Lauf der Geschichte. Durch das Fehlen eines Glossars, ist der Leser jedoch genau darauf zwingend angewiesen, um das ganze lesefreundlicher zu machen.

Fazit:

Lohnt es sich deshalb, Die Nacht der Jägerinnen nicht zu lesen? Nein, denn das Buch spricht sicher nicht nur Leser(innen) von Auel an. Die Idee der Geschichte an sich mag nicht neu sein, nichtsdestotrotz ist sie ausgereift. Elphinstone verknüpft die einzelnen Perspektiven und lässt keinen Handlungsfaden offen. Als Leser taucht man – sobald man sich an den Schreibstil gewöhnt hat – in gewisser Weise selbst am Lagerfeuer auf. Man findet sich nicht in der Geschichte wieder, aber man möchte wissen, wie es weitergeht, selbst wenn man sich mit jedem Erzähler an eine andere Sichtweise gewöhnen muss. Um zu erfahren, wie der Clan mit Bakars Verschwinden, der dadurch ausgelösten Veränderung von Alaias Mutter und der Tatsache umgeht, dass das Leben weitergeht und weitergehen muss. Wie er immense und zum Teil Angst machende Veränderungen meistert, welche Stärken mit was für Schwächen kompensiert werden müssen. Mit Geschehnissen also, die es bis heute gibt, und die die Inhaltsangabe mit Hinweis auf die Parabel andeutet.

Insgesamt betrachtet ist Die Nacht der Jägerinnen trotz der an sich ausgereiften und zu Ende gedachten Geschichte nicht wirklich rund. Der Roman war kein wirklicher Lesegenuss, bot aber dennoch Unterhaltung. Deshalb gibt es dafür von mir drei von fünf Punkten.

Copyright © 2012 Antje Jürgens (AJ)

8. Juni 2012

OGGERO, MARGHERITA: DER DUFT VON ERDE UND ZITRONEN

Filed under: Belletristik,Roman — Ati @ 12:02

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Originaltitel: L’ora di pietra aus dem Italienischen übersetzt von Peter Klöss
Deutsche Verlags-Anstalt
ISBN-13: 9783421045539
ISBN-10: 3421045534
Belletristik
1. Auflage 05/2012
Hardcover mit Schutzumschlag, 314 Seiten
[D] 19,99 €

Verlagsseite

Wer klar strukturierte Handlungsverläufe braucht, wird mit Der Duft von Erde und Zitronen der Schriftstellerin Margherita Oggero keine Freude haben. Doch wer grundsätzlich denkt, dass anders keine Spannung in einer Geschichte entstehen kann, der irrt eindeutig. Einen Beweis dafür liefert die 1940 in Turin geborene und heute noch dort lebende Autorin des gerade vor mir liegenden Romans. Oggero arbeitete als Pädagogin und begann erst spät zu schreiben. Seit 2002 sind neben einem Bildband und einem Sachbuch auch fünf Kriminalromane entstanden, von denen wiederum zwei verfilmt wurden, und die in die italienischen Bestsellerlisten gelangten. An den Drehbüchern dazu wirkte die Autorin ebenfalls mit. Darüber hinaus wurde 2011 ein Kinderbuch von Oggero veröffentlicht. 

Der 2011 im Original herausgegebene Roman L’ora di pietra (übersetzt etwa Die steinerne Stunde), erschien in deutscher Übersetzung im Mai 2012 bei DVA unter dem Titel Der Duft von Erde und Zitronen. Das Cover zeigt eine Frauengestalt/Mädchengestalt, das halb mit dem Rücken zum Betrachter steht. Sie sieht, mit einem Kaffeebecher in der Hand aus dem Fenster. Auf dem Sims stehen ein paar Glasflaschen, die Sonne scheint. Das Bild wirkt in seiner Farbwahl mediterran und die Szene an sich sehr friedlich. Der Inhalt von Der Duft von Erde und Zitronen ist jedoch alles andere als das, obwohl der Roman im Ganzen leise und unaufgeregt daherkommt.  

Das Mädchen vor dem Fenster steht für Lucia, die eigentlich Imma heißt. Dass ihr Vater ihre Mutter ständig betrogen und dann verlassen hat, hat Immas Mutter kaputt gemacht. Sie schafft fortan den Alltag nur mit Beruhigungsmitteln und viel zu früh wird sie durch einen Unfall aus dem Leben gerissen. Die Unfallfahrer gehören zu einem Camorra-Clan, doch werden sie dafür nie zur Rechenschaft gezogen. Die Geschichte spielt in Italien, in der die Familie groß geschrieben wird. Deshalb kommt Imma als Halbwaise zu Ihren Großeltern und Onkeln und wird von diesen großgezogen. Der Schock über den Tod Melinas lässt Imma für lange Zeit verstummen. Zwar findet sie ihre Sprache wieder, doch gilt sie da bereits als sonderbar. Und so bleibt sie größtenteils alleine, geht stundenlang spazieren und lebt in einer eigenen Gedankenwelt. Zufällig beobachtet sie auf einem ihrer Streifzüge eine Vergewaltigung und einen Mord. Täter ist der Sohn des Clanchefs der Camorra, der über ihrem Dorf herrscht. Völlig verstört vertraut sie sich niemandem an. Nur kurz danach wird sie selbst von dem gleichen Täter angegriffen und wehrt sich mit einem Stein. Als sie sich schließlich ihrer Familie anvertraut, sieht diese nur einen Ausweg in der Flucht. In einer Nacht- und Nebelaktion kommt Imma zu einer entfernten Tante, die selbst in gewisser Weise auf der Flucht vor ihrer eigenen Familie ist. Imma lebt fortan ein Leben im Verborgenen. Während ihrer Tante arbeitet, verfolgt sie das Leben durch ein Fenster. Sie darf nicht nach draußen, denn die Arme der Camorra reichen weit. Willkommen ist sie bei Tante Rosaria nicht wirklich, hat diese doch genug eigene Probleme. Erst nach und nach finden die beiden zusammen. Erfahren, was der andere durchgemacht hat. Was er sich erträumt und wünscht. Als Imma eines Tages aus ihrem Versteck ausbricht, und sei es jeweils auch nur für wenige Stunden und mithilfe eines gefundenen Ersatzschlüssels der Wohnungstür, tut sich eine neue Welt auf. Sie verliebt sich nicht nur in Paolo, er vermittelt ihr auch Schätze – Bücher, in denen es um Gefangene wie sie selbst geht. Doch mit jedem Ausflug zum Markt, auf dem Paolo für seinen Onkel diese Schätze anbietet, wird die Gefahr einer Entdeckung größer.  

Was jetzt so linear in Kurzform von mir wiedergegeben wurde, wird von Oggero allerdings ganz anders aufgebaut. Sie erzählt Der Duft von Erde und Zitronen aus verschiedenen Perspektiven, taucht von der Vergangenheit in die Gegenwart und wieder zurück. Mal kommt Imma selbst zu Wort, mal ein Erzähler, der die Geschichte von Rosaria und die zu ihrer Vergangenheit gehörenden Figuren beschreibt oder derer, die zu Imma gehören. Die Geschichte wirkt anfangs fast fragmentiert, die Figuren nicht wirklich zusammengehörend, deren Schicksale und Handlungen willkürlich niedergeschrieben. Das liegt daran, dass Der Duft von Erde und Zitronen von hinten nach vorne aufgerollt wird. Dennoch offenbart sich auch so sukzessive, warum Imma bei ihrer Tante lebt, warum sie sich verstecken muss und auch, wie Rosaria so geworden ist, wie sie sich Imma gegenüber verhält. Oggero verliert bei den ganzen Perspektiv- und Zeitwechseln nie den roten Handlungsfaden, webt darüber hinaus ein überaus authentisches Bild und verknüpft geschickt die fragmentierten Handlungssplitter und Figuren – und davon gibt es einige.  

Der Erzählstil Oggeros wirkt sachlich und distanziert. Kurze Sätze, knappe Formulierungen. Dabei fehlt jedoch nichts. Denn mit beidem schafft die Autorin ein klares Bild. Nicht nur im Bezug auf die Situationen, in der sich die beiden ungleichen Hauptfiguren Imma und Rosaria oder auch die tote Melina befinden. Auch im Bezug auf die Umgebung und Lebensweise. Die 13jährige Imma erscheint viel zu alt für ihr tatsächliches Alter, was angesichts ihrer Erlebnisse und Erfahrungen jedoch nicht unglaubwürdig wirkt. Rosaria verbittert und kalt. Melina verzweifelt und depressiv. Der Rest der Figuren teils fatalistisch. Der komprimiert wirkende Schreibstil der Autorin unterstreicht die unaufgeregte, zunehmend spannungsgeladene Dramatik und Traurigkeit, die den Roman Der Duft von Erde und Zitronen bestimmen. Ein Geruch, den Imma früher geliebt und der sich mit dem Erlebten für immer mit diesen Ereignissen in ihr eingebrannt hat.  

Im Klappentext steht: „Ein Mädchen in einem Versteck – ein Fenster in die Welt – ein Buch, mit dem das Leben beginnt.“ Dies gibt sehr gut wieder, worum es in Der Duft von Erde und Zitronen geht. Wenngleich der letzte Satz eher auf den offen gestalteten Schluss der Geschichte ausgelegt ist. Immas Leben beginnt, als sie dank Paolo Das Tagebuch der Anne Frank bekommt. Und danach noch weitere Bücher, über Gefangene wie sie selbst. Und dank dieser Bücher wird ihr klar, dass sie handeln muss. An dem Punkt, an dem letztlich alle Handlungsfäden schlüssig von der Autorin verwoben werden, wird Imma eines klar: Sie selbst hält mit ihrem Schweigen und ihrer Angst vor den Racheaktionen des Camorra-Clans den Schlüssel zu ihrem Gefängnis in Händen. Und nur sie selbst kann sich aus ihrem Gefängnis befreien.  

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Ein lesenswerter, unaufgeregter und nachdenklich machender Roman. Trotz seiner Distanziertheit einfühlsam geschrieben, berührt er LeserInnen, die sich darauf einlassen, unwillkürlich. Eine Geschichte über Einsamkeit. Sehnsucht nach der Heimat, nach der Familie, aber vor allem nach Freiheit. Über verschiedene Leben, die eigentlich vordergründig keine Perspektiven haben. Und darüber, dass es diese eben doch gibt. Eine Geschichte, der ich fünf von fünf Punkten geben möchte. 

Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

5. Juni 2012

Blinda, Antje & Orth, Stephan: Sorry, Ihr Hotel ist abgebrannt

Filed under: Humor/Satire — Ati @ 16:26

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Ullstein Taschenbuch
ISBN13: 978-3548374109
ISBN10: 3548374107
Humor
1. Auflage April 2011
Taschenbuch: 224 Seiten
[D] 8,99 €

Verlagsseite

Sowohl die 1967 geborene Antje Blinda als auch der 1979 geborene Stephan Ort sind für Spiegel-online im Ressort Reise tätig. Aus ihrer Feder stammt Sorry, wir haben die Landebahn verfehlt, mit dem sie es in die Taschenbuch-Bestseller-Liste schafften. Dieses Buch wurde mir wärmstens empfohlen, allerdings habe ich es bis heute nicht geschafft, es mir zu holen.  

Das vor mir liegende Buch Sorry, Ihr Hotel ist abgebrannt, passt von der Aufmachung her zu seinem Vorgänger. Es kam bereits im April letzten Jahres auf den Markt und bald darauf auf meinen SuB. Aus verschiedenen Gründen konnte ich es allerdings erst jetzt lesen. Mittlerweile gibt es schon einen Nachfolger mit dem Titel Sorry, wir haben uns verfahren, der optisch gut in die Reihe passt.

Zitat Verlagsseite

Hotelzimmer aus der Hölle, verwechselte Zielorte, unglaubliche Abzockertricks: Die schönste Zeit des Jahres kann im Handumdrehen zum Fiasko geraten. Mit diesem Reiseführer der lustigsten Pannen sind Sie gegen die Tücken des Urlaubsalltags gewappnet – hier erfahren Sie, was Sie niemals im Katalog lesen werden, und können aus den amüsanten Erlebnissen von SPIEGEL-ONLINE-Lesern lernen. Denn wer nackt zum Begrüßungsdinner geht, sollte sicher sein, auch tatsächlich ein FKK-Resort gebucht zu haben.  

Die Brigitte-Redaktion urteilte im Mai 2011 „Zum Lachen, Wundern und Dazulernen“. Damit hat sie eindeutig nicht ganz unrecht. Allerdings würde ich jetzt, nachdem ich das Buch gelesen habe, diese Aussage eher sarkastisch als begeisternd werten. Ich fand darin tatsächlich den einen oder anderen Anstoß, die Mundwinkel zu heben. Vielleicht auch mal lachend zu schnauben. Ansonsten kann ich mich jedoch tatsächlich nur wundern. Was ich dazugelernt habe, war jedenfalls, dass ich mich auf die Empfehlung meiner Bekannten (den Vorgänger zu lesen) hätte verlassen sollen. Auch andere Bekannte sprachen später die gleiche Empfehlung aus.  

Während es sich im Vorgängerbuch um eine Anekdotensammlung rund ums Flugzeugcockpit handelte, geht es in Sorry, Ihr Hotel ist abgebrannt um Urlaub bzw. Reisen im Allgemeinen. Erlebnisse in Flugzeugen oder aus dem Alltag von Flugbegleitern zählen auch darin wieder dazu, doch es geht auch um Touristen-Abzocke oder Anekdoten von (teilweise prominenten) Touristikprofis (egal ob Reisende oder Veranstalter). Um weltweites Bahnfahren und skurrile Reise-Neuigkeiten, kuriose Kreuzfahrten, um ein Penisrestaurant oder das Abenteuer Mitfahrzentrale, um Internet-Hotelbewertungen und Navigationspannen und letztlich ein Interview über Reisepannen. Bereits nach einem kurzen Blick war klar, dass wie bei so vielen Büchern auch bei diesem der Titel nicht wirklich zum Inhalt passt. Er bezieht sich auf eine Geschichte darin, aber damit hat sich auch schon. Auch die als Auftakt der einzelnen Kapitel verwendeten Comic-Zeichnungen passen teilweise nur bedingt zum dahinter abgedruckten Inhalt, peppen das Buch jedoch auf. 

Nachdem ich mich schon innerlich auf einen Angriff auf meine Lachmuskeln gefasst machte, konnten diese recht schnell Entwarnung geben. Sorry, Ihr Hotel ist abgebrannt liest sich sehr schnell. Womöglich sind mir deshalb die humorvollen Passagen entgangen? Wer weiß.  

Sorry, Ihr Hotel ist abgebrannt ist flüssig geschrieben, enthält durchaus gute Infos und sorgte tatsächlich das eine oder andere Mal für ein Lächeln. Allerdings führten Wiederholungen leicht abgewandelter Passagen dazu, dass sich meine Lachmuskeln nicht zu sehr anstrengen mussten. Das eine oder andere kam mir zusätzlich bekannt vor, wenn auch in einem anderen Zusammenhang – sprich nicht aus diesem Buch. Doch es waren bei Weitem nicht nur die Wiederholungen allein. Ich habe auch festgestellt, dass es sehr wenig zuträglich war, die Leseprobe zu diesem Buch zu lesen. In Kapitel zwei erfuhr ich deshalb nichts Neues oder sonderlich Amüsantes mehr. Das Beste war dadurch einfach schon vorweggenommen. Ein weiteres Manko: Es gibt ja bekanntlich nichts, was es nicht gibt. Dennoch erschien mir dann die eine oder andere vorgebrachte Frage oder Beschwerde von Touristen, die zudem das Mindestmaß an Manieren zu vergessen haben scheinen, nicht nur zu bizarr, sondern vielmehr wenig glaubwürdig. Ekelerregende Details blieben darüber hinaus nicht außen vor und die eingestreuten Erlebnisse der Promis wirkten eher platzfüllend wichtigtuerisch als amüsant.  

Wer das Buch also noch lesen möchte, sollte im Vorfeld keine zu hohen Ansprüche daran stellen. Es liest sich wie gesagt sehr schnell. Will man für sein Geld etwas haben, sollte man im Vorfeld dafür sorgen, hin und wieder gestört zu werden, da die letzte Seite ansonsten recht schnell kommt. Viel eher läuft man aber Gefahr, das Buch entnervt wegzulegen. Es kommt einfach alles zu schnell aufeinander, wirkt bisweilen willkürlich zusammengewürfelt, nicht immer authentisch und, wie bereits erwähnt, partiell wiederholt. Die durchaus sinnvollen, aber teilweise doch recht allgemeingültig bekannten Tipps reißen es dann auch nicht mehr heraus. Auch die von den Autoren selbst erlebten und beigesteuerten Begebenheiten boten mir persönlich keinen Mehrwert.

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Wer keine allzugroßen Ansprüche an das Buch stellt, gedanklich das zuvor erschienene Sorry, wir haben die Landebahn verfehlt ausblendet (das meinte zumindest meine Bekannte), sich gerne ekelt und Spaß an Schadenfreude hat, wird mit Sorry, ihr Hotel ist abgebrannt durchaus seine Freude haben. Es liest sich sehr schnell, kurzweilig habe ich es dennoch nicht wirklich empfunden. Ein Lesequickie ohne Tiefgang. Praktischerweise erlauben die kurzen, nicht zusammenhängenden Kapitel das Buch nahezu überall zwischendurch zu lesen. Man kann es quasi willkürlich aufschlagen und loslegen. Mehr als zwei von fünf Punkten möchte ich dem Buch jedoch nicht geben.

Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

4. Juni 2012

Frank, Kim: 27

Filed under: Roman — Ati @ 17:22

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Verlag: rororo
ISBN: 978-3499215773
ISBN: 3499215772
Altersempfehlung: 0 – 16 Jahre (???)
Taschenbuch: 256 Seiten
[D] 8,99 €
Erscheinungsdatum Mai 2011

 

27 – das ist nicht nur der Titel von Kim Franks Debütroman, das ist auch das Alter des 1982 in Flensburg geborenen und Hamburg lebenden Autors, in dem 27 entsteht. Was autobiografische Züge trägt und was davon schriftstellerischer Freiheit entspringt, wird vermutlich immer sein Geheimnis bleiben. Denn Frank kennt sich in der Musikbranche durchaus aus. Von 1994 bis 2002 war er Mitbegründer, Sänger und Frontmann der Band Echt. Wer sich nicht mehr daran erinnert, dem hilft vielleicht der Titel „Denn du trägst keine Liebe in dir“ oder Textstellen wie „Sag mal weinst du oder ist es der Regen“ auf die Sprünge. Mit dem eben genannten Titel gelang der Band und Frank Ende der 1990er der Durchbruch in Deutschland. Nur vier Jahre später zerbrach die Band dann allerdings. Auch danach beschäftigte sich Frank weiter mit Musik, startete eine Solokarriere, lieh seine Stimme verschiedenen Bands, verdiente sich seine Brötchen jedoch beispielsweise auch als Sprecher von Hörspielen. Außerdem war und ist er als Schauspieler, Fotograf sowie Kameramann und Regisseur von Musikvideos tätig.  

Doch zurück zu seinem Debütroman. Er handelt von dem jungen Mika, der über Nacht zum Star aufsteigt. Ein Traum? Nur bedingt, denn Mika lebt bereits vor seiner steilen Karriere in der Überzeugung, zum Klub der 27 zu gehören.

Zitat Klappentext:

Mika hat Angst. Angst vor dem Tod. Dem Tod mit 27. Die Zahl verfolgt ihn, so wie sie die meisten großen Musiker verfolgt hat, die dann zu Mitgliedern des Klub 27 wurden, doch Mika hat nichts mit Musik zu tun. Das Bewusstsein niemand zu sein, treibt ihn dazu, jemand gewesen sein zu wollen, und er tut alles, um seinen selbst auferlegten Fluch zu erfüllen. Er wird einer der Großen, eine Ikone, lebt ein Leben, das er nicht mehr kontrollieren kann, das unaufhaltsam auf sein Ende zusteuert. 

Ist es ein Segen oder eher ein Fluch, dass Frank selbst den einen oder anderen musikalischen Erfolg in seinem Lebenslauf vorweisen kann? Faktisch dürfte zumindest seine Fangemeinde mit einigen Erwartungen und Hoffnungen auf spektakuläre Outings und knallharte Abrechnungen an die Sache herangegangen sein. Manch einer dürfte sich auch gefragt haben, was er als Autor wirklich kann oder ob er lediglich mithilfe von Ghostwritern auf einen an sich gemütlich dahinfahrenden Zug aufspringen würde, um mit mehr oder weniger erfundenen Storys wieder weiter nach vorn ins Rampenlicht zu gelangen. 27 hat Frank dann auch prompt sowohl Lob als auch Tadel eingebracht.  

Obwohl ich nicht gerade behaupten kann, ein Echt- und damit Kim Frank-Fan gewesen zu sein, lag das Buch irgendwann auf meinem SUB-Stapel. Nicht nur, aber doch auch aufgrund zahlreicher überaus enthusiastischer und fast genauso zahlreicher negativer Kommentare lag es dann allerdings sehr lange dort, bis ich mich endlich daran machte. Von amüsant und interessant, über langweilig und bedrückend, bis hin zu absolut enttäuschend war da alles dabei. Und nachdem ich es in mehreren Anläufen gelesen hatte, hatte ich auch prompt Probleme, es einzuordnen. Vielleicht weil ich weiblich bin? Vielleicht weil ich die anvisierte Altersgruppe deutlich überschreite? Ich weiß es nicht. Was ich jedoch weiß ist, dass ich es niemandem aus dieser Altersgruppe „0 – 16“ und nur bedingt denen aus der Gruppe „junge Erwachsene“ empfehlen möchte. Vielleicht bin ich altmodisch, doch ich habe etwas dagegen, 16Jährigen die Beschreibung von Blowjobs mit Zimmermädchen oder vom Onanieren unter Zuhilfenahme des Porno-Kanals ans Herz zu legen.  

Franks Geschichte des über Nacht (aufgrund einer Verwechslung) zum gefeierten Rockstar avancierenden Mika birgt keine großen Geheimnisse. Sprache und Schreibstil sind einfach bis vulgär (Zitat S. 161: „Auf drei fickt gerade ein schwarzer Riesenschwanz in Großaufnahme das Arschloch einer schreienden Weißen mit Hängetitten und Zahnlücke.“). Passend zum Klischee der Branche? Ich denke ja. Man muss vielleicht wirklich Musiker sein, um sie wirklich zu genießen, denn sie ist auch mit musikalischen Begriffen durchsetzt. Die gewählte Schriftgröße lässt einen an und für sich schnell durch die 256 Seiten gleiten, der Inhalt selbst jedoch sorgt dafür, dass kein rechter Lesefluss aufkommt. Das Cover passt zum Inhalt, da es bekannte Gesichter von früh verstorbenen 27er-Klub-Mitgliedern darstellt. Und auch der Klappentext verrät gut, worum es geht.  

Oder vielmehr um wen – Mika, der bereits vor seinem steilen Aufstieg von Todessehnsucht, Einsamkeit und der Neurose gequält wird, die ihn dazu zwingt, aus allen Zahlen irgendwie die 27 zu lesen, da er davon ausgeht, dass in diesem Alter sein Leben endet. Die steile Karriere befreit ihn davon nicht, im Gegenteil es wird alles immer schlimmer.  

Frank unterteilt seine Geschichte. Der erste Teil beinhaltet die Heranführung an Mika und den Beginn seiner Karriere, der Zweite geht nach einem Zeitsprung einige Jahre später weiter. Dabei nimmt sein gefühlsmäßiger Abstieg genauso schnell Fahrt auf, wie seine Karriere. Im dritten Teil schließlich erlebt seine Hauptfigur eine Veränderung, wobei sein Ende offenbleibt. Auf Mika geht Frank sehr detailliert ein, was durch den Erzählstil (Mika erzählt in der Ich-Form) bedingt und gleichzeitig verstärkt wird. Die Nebenfiguren erscheinen sehr blass dagegen. Fast zu unsichtbar, andererseits zeichnet sich Mikas Einsamkeit so noch stärker ab und die Seelen raubende Schattenseite seiner an sich traumhaften Karriere wird so umso deutlicher.  

Sympathischer wird Franks Hauptfigur dadurch nicht. Mika wirkt eher selbstmitleidig als bemitleidenswert in seiner gleichermaßen lebensgierigen wie todessehnsüchtigen Art. Oberflächlich und egoistisch. Seine Neurosen wirken dabei gleichermaßen glaubwürdig wie nervig. Als Schutzmechanismus kann das durchaus echt wirken, allerdings – da wir nur Mikas Seite sehen – kommt dieser vermutete Schutzmechanismus nicht wirklich zum Vorschein.  

Doch obwohl es schwerfällt, die zunehmend abstoßend werdende, teils melodramatische Romanfigur zu ertragen, bleibt man dabei. Denn immer deutlicher wird, wie zerbrechlich nicht nur der Erfolg, sondern vor allem Mika ist. Man möchte ihn schütteln und aufrütteln. Das Umfeld (Presse und Management) aufhalten, die zu seinem Zerfall beitragen. Gleichzeitig stellt man sich tatsächlich die Frage, ob und welches der Schlag auf Schlag erzählten und die Schnelllebigkeit und Oberflächlichkeit der Branche widerspiegelnden Ereignisse wohl den tatsächlichen Erfahrungen des Autors entspricht. Wie Frank selbst erklärte, sind darin tatsächlich Erinnerungen verarbeitet. Hoffen wir mal, dass es nicht die beschriebene unschöne Erinnerung an Koks und Erbrochenes ist, denn bekanntermaßen und bekennenderweise hat der einstige Mädchenschwarm Frank selbst jahrelang täglich Drogen konsumiert und stand an manchen Tagen gar nicht mehr auf, bevor er sich gefangen hat und seine Solokarriere startete.  

Fazit:

Wie bereits erwähnt, bislang gut gehütete Geheimnisse oder sonderlich Positives findet man in 27 sicherlich nicht. Bahnbrechend neu ist Franks Grundidee auch nicht, sie wurde zudem schon besser umgesetzt. Ich hatte auch Probleme, mich wegen der für mich unsympathischen Figur durch das Buch zu arbeiten.  

Wirklich abgrundtief schlecht empfinde ich 27 jedoch im Nachhinein nicht. Denn auch wenn die Thematik und die Figur mir das eine oder andere Hindernis im Lesefluss bereitet haben, muss ich doch Respekt zollen, für die Art und Weise, wie Frank seinen Mika herausgearbeitet hat. Seine Zerrissenheit, seine Einsamkeit, seine Ruhelosigkeit, seine Selbstzerstörung. Obwohl ich anfangs dachte, dass Franks Debütroman mir nicht sonderlich lange im Gedächtnis bleibt oder mich nicht zum Nachdenken anregt, war letztlich das Gegenteil der Fall. Warten wir mal ab, ob Frank ein Onehit-Wonder-Autor bleibt, oder noch einmal nachlegt. Für seinen Debütroman möchte ich ihm jedenfalls drei von fünf Punkten geben.  

Copyright © 2012 Antje Jürgens (AJ)

 

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