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16. November 2012

Thanner, Alex: Weihnachten mit Mama

Filed under: Belletristik,Roman — Ati @ 15:59

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Blanvalet
ISBN13: 9783764504472
ISBN10: 376450447
Belletristik
1. Auflage, 10/2012
Hardcover mit Schutzumschlag
[D] 14,99 €


Verlagsseite

Alle, die mich kennen, wissen, dass es Geschäfte bzw. Abteilungen darin gibt, die ich zu bestimmten Zeiten regelrecht boykottiere; Weihnachts-plätzchen werden erst ab einem gewissen Zeitpunkt gebacken und überhaupt stelle ich mich der von kommerzieller Seite in meinen Augen regelmäßig viel zu früh gestarteten Weihnachtsoffensive mal tapfer, mal frustriert oder auch schon mal missmutig entgegen. Seltsamerweise kann ich Bücher, deren Inhalt von Weihnachten handelt, jedoch ganzjährig lesen. Keine Ahnung, woran das liegt, aber es ist so.  

Dieses Jahr landete Weihnachten mit Mama frühzeitig auf meinem SuB. Dort verweilte Alex Thanners Roman dann doch tatsächlich ganze vier Stunden dort, bevor ich mich damit auf mein Sofa verzog. Gleich vorab: Er war viel zu schnell ausgelesen.  

Das gemalte Cover zeigt einen schwer bepackten Mann und eine Frau, die – wenn man dem erhobenen Zeigefinger Glauben schenken darf – das Kommando führt, ein wenig weihnachtliche Deko und einen Straßenzug. Die Inhaltsangabe beginnt mit „Hilfe, es weihnachtet sehr“ und lässt bereits erkennen, dass es neben dem Thema Weihnachten an sich vor allem um eins geht: um den Wahnsinn, der für viele mit diesem Fest verbunden ist. Dem Fest der Liebe, das jedoch oftmals in Streit und Unfrieden endet, weil die Personen, die daran teilnehmen, sich sonst teils ganzjährig aus dem Weg gehen. Etwa, weil sie alte Animositäten nicht völlig ad acta legen können.  

Johannes Siebenschön, die erzählende Hauptfigur, eilt nach einem Hilferuf seines Vaters als pflichtbewusster Sohn von Münster nach München, um Weihnachten zu retten. Nicht indem er den Weihnachtsmann spielt. Doch seine Mutter, die am 24. Dezember zudem ihren 65. Geburtstag feiern möchte, steht planungstechnisch eindeutig neben sich, sein Vater rundweg hilflos daneben. Wenige Tage vor dem großen Fest, zu dem zum ersten Mal seit längerer Zeit die ganze Familie erwartet wird, ist nichts vorbereitet, dem Chaos scheint der Weg perfekt bereitet. 

Johannes tut, was er kann, und das ist einiges. Als LeserIn kann man seiner Geduld nur Respekt zollen. Als der große Tag mitsamt den geladenen Gästen da ist, geht dennoch trotzdem einiges schief. Daran sind nicht nur der überaktive Jack Russel oder die beiden Neffen von Johannes schuld, die sich unter allen Erwachsenen einfach nur langweilen und auf die Bescherung warten. Nein, vielmehr schaffen sich latent vorhandene und schwelende Zwistigkeiten Raum. Schließlich kommt es noch zu einem schrecklichen Streit, der der friedlichen Stimmung, die an einem solchen Tag herrschen sollte, den Rest zu geben scheint. Dabei sollte doch wenigstens an diesem Tag alles perfekt sein.  

Mit Wortwitz, stellenweise spöttisch, neckisch und durchaus selbstironisch, schildert Johannes seine Erlebnisse im Zuge der Vorbereitung aber auch während der Feier an Heiligabend. Er schlittert von einer niveauvoll erzählten und dennoch fast klamaukartigen Besorgung in die nächste. Beschreibt den Stress, ohne den Spaß beiseitezulassen. Egal ob es sich um die verzweifelte Suche nach dem passenden Tischtuch, dem Christbaumständer oder auch das Plätzchenbacken mit seiner Mutter handelt.  

Nicht nur Johannes selbst, sondern auch die übrigen Figuren Thanners sind herrlich menschlich dargestellt. Johannes macht sich während seiner Rettungsaktion nicht immer nur nette Gedanken um seine Familie, dennoch wird er nie bösartig. Herrlich lebendig, liebevoll und kratzbürstig, tolerant und engstirnig, edelmütig und missgünstig, so lernt man Thanners Figuren in Weihnachten mit Mama kennen. Erfährt, wie schwer es sein kann, über den eigenen Schatten zu springen oder dass man sich manchmal einfach selbst im Weg steht.  

Thanner macht es seinen LeserInnen leicht, sich in die Geschichte hineinziehen zu lassen. Man fühlt sich fast, als würde man neben Johannes stehen und gehen. Man leidet mit ihm, man lacht mit ihm. Man versteht sein Dilemma, weil er irgendwie zwischen den Stühlen sitzt und eigentlich stets um Harmonie und Friedfertigkeit bemüht ist. Die seinen Handlungen innewohnende Liebeserklärung an seine Mutter ist anrührend und lebensecht. Und sie bestätigt einmal mehr, was ich immer wieder erlebt habe. Liebe besteht aus vielen schönen Momenten, aus spaßigen, aus ernsten. Vor allem aber besteht sie trotz Fehlern, Schwächen oder auch starrköpfigem Eigensinn der Person, die man liebt.  

Fazit: Ein herrliches Buch zum Entspannen und durchaus auch zum Nachdenken. Thanners eloquent unterhaltsamer Schreibstil liest sich sehr flüssig. An zahlreichen Stellen konnte ich mir mein Lachen nicht mehr verkneifen. An anderen fühlte ich mich an meine eigene Familie und vergangene Feste erinnert. Eine wundervolle Geschichte über Familie, den ganz alltäglichen Wahnsinn und das Fest, das vielen von uns demnächst wieder bevorsteht. Perfekt um daran zu erinnern, das rechtzeitige Planung Chaos verhindert und wir uns selbst nicht immer so wichtig nehmen müssen. Schließlich haben nicht alle von uns einen Johannes, der alles wieder ins Lot bringt.  

Copyright © 2012 by Antje Jürgens (AJ)

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