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19. November 2012

LENOX, KIM: WENN DIE NACHT BEGINNT – Shadow Guard 01

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Originaltitel: Night falls darkly
aus dem Amerikanischen übersetzt von Michaela Link
Egmont LYX
ISBN13: 9783802586330
ISBN10: 3802586336
Fantasy
1. Auflage 11/2012
Taschenbuch mit Klappenbroschur, 352 Seiten
[D] 8,99 €

Verlagsseite
Autorenseite (englisch)

Obwohl ich gleichermaßen gerne historische wie auch Fantasy Romane lese, finden sich bis jetzt relativ wenige Romane in meinen Regalen, die beides ausgangs des 19. Jahrhunderts miteinander verknüpfen. Deshalb habe ich mich freudig auf den Auftaktroman der Shadow Guard-Reihe mit dem Untertitel Wenn die Nacht beginnt aus dem Hause Egmont LYX gestürzt.  

Die Autorin Kim Lenox entdeckte ihre Liebe zum Lesen früh und verlor sich geradezu in der Welt der Bücher. Das ging so weit, dass ihre Mutter, wie man ihrer Homepage entnehmen kann, sie eines Tages aufforderte, den Müll hinauszubringen und anschließend mit der Bemerkung nicht mehr ins Haus ließ, dass sie in die Sonne gehen und sich Freunde suchen solle, anstatt sich lesend in ihrem Zimmer zu vergraben. Dieser Aufforderung kam die Autorin in gewisser Weise nach. Ihre bibliophile Ader konnte sie jedoch niemals unterdrücken, und so zieren heute zahlreiche Bücher ihre Wohnung – egal ob sehr alt, älteren oder neueren Datums sind sie Genre übergreifend auf sämtliche Räume dort verteilt. Ihre Kinder hat sie damit auch schon angesteckt. Neben einigen anderen Dingen entdeckte sie im Laufe der Zeit auch die Liebe zum Schreiben und so erschien 2008 ihr Debütroman Night falls darkly. Zwei Folgebände vervollständigten alsbald die Trilogie um die Shadow Guards. Diese harren jedoch im Gegensatz zum Auftaktroman Wenn die Nacht beginnt noch ihrer deutschen Übersetzung.  

Im besagtem, gerade vor mir liegendem Auftaktroman geht es um Lord Archer Black, der ins London des 19. Jahrhunderts zurückkehrt. Obwohl er wie ein Mensch aussieht, ist er weit mehr als das. Er ist ein Unsterblicher. Zwei weitere seiner Art befinden sich ebenfalls in London. Alle drei sind auf den Fersen grausamer Seelen, die nicht nur Menschen töten, sondern auch eine Gefahr für die Welt der Ahnen und Unsterblichen darstellen. Neben dem unheimlichen und real bekannten Serienmörder Jack the Ripper treibt ein zweiter Serientäter sein Unwesen in London. Den im ersten Band erwähnten Shadow Guards Marcus Helios und Selene sind dann im übrigen der zweite bzw. dritte Band der Trilogie gewidmet.

Doch es geht in Shadow Guard – Wenn die Nacht beginnt natürlich nicht nur um die Jagd nach Jack the Ripper. Eine weitere Figur ist Elena Whitney, das Mündel von Lord Black. Die hat Jahre zuvor bei einem Vorfall das Gedächtnis verloren, an dem ihr Vormund nicht ganz unbeteiligt war. Elena lebt in seinem Londoner Stadthaus, arbeitet als Krankenschwester im London Hospital (und damit ganz in der Nähe des Rippers). Auf gesellschaftliches Leben lebt die junge Frau keinen allzugroßen Wert, möchte sie doch Ärztin werden. Als Elena ihren Vormund endlich persönlich kennenlernt, fühlt sie sich von ihm angezogen und er sich von ihr. Und so dreht sich neben Blacks Versuchen, den Ripper zur Strecke zu bringen, alles um die sich anbahnende Beziehung zwischen den beiden. Fatalerweise gerät Elena dadurch auch ins Visier des Mörders. 

Überrascht haben mich in gewisser Weise die einzelnen Charaktere. Vor allem Elena, die sich neben ihrer Zurückhaltung, was gesellschaftliche Belange betrifft, sehr aufgeschlossen und ihrer Zeit in gewisser Weise voraus offenbart. Das zeigt sich nicht nur darin, dass sie Lord Black recht offen signalisiert, dass sie mehr oder weniger zu allem bereit ist, was ihn betrifft. Man erlebt sie Wasserpfeife rauchend, erfährt, dass sie tätowiert ist und sich ihr sehnlichster Wunsch derart gestaltet, dass sie an der Autopsie einer männlichen Leiche teilnehmen kann (was Frauen zur damaligen Zeit eher selten bis gar nicht durften). Dabei wirkt sie jedoch nicht unglaubwürdig.  

Neben ihr kommen auch die kauzige Gesellschafterin oder ihr in sie verliebter Chef gut zur Geltung, der ihr bezüglich ihres Berufswunsches wesentlich weniger Steine in den Weg legt als ihr Vormund. Auch Selene, die im Bezug auf Bücher oder Haustiere sehr spezielle Vorlieben hegt, oder den wandlungsfähigen Marcus, der auch schon mal in Frauenkleider schlüpft, lernt man im Auftaktroman der Shadow Guard-Reihe bereits recht gut kennen. Sie alle zeigen sich mal mehr oder weniger sympathisch, mal mehr oder weniger oberflächlich. Archer Black ist eher düster und befehlend und dann wieder das genaue Gegenteil. Und obwohl er sehr um sein Mündel besorgt ist, bringt er sie selbst immer wieder in Situationen, die Elenas Ruf ruinieren können.  

Auch die Atmosphäre des damaligen Londons wirkt gelungen. Sei es bezüglich der Konventionen, der junge Frauen der Gesellschaft unterworfen waren. Oder der Zustände, mit denen die eher nicht so gut gestellten Bewohner Londons zu kämpfen hatten.  

Der Schreibstil erinnert mich an früher einmal im Monat zum Wochenendauftakt in der Badewanne verschlungene Historical-Romane aus dem Hause Cora. Die sich anbahnende Beziehung und erotischere Passagen gestalten sich passend dazu auch eher dezent. Dadurch wirken sie in meinen Augen jedoch wesentlich mehr. Ebenso dezent verhält sich der Erzählstrang um Jack the Ripper und den zweiten Serienmörder. Wer fürchtet, lesend auf wahre Blutströme und explizit beschriebene Gewaltorgien zu stoßen, braucht sich also keine Sorgen zu machen. 

Deshalb kann man recht schnell in die Geschichte eintauchen, die sowohl unterhaltende, düster-bedrückende wie auch heitere Passagen beinhaltet. Dennoch fand ich meinen Lesefluss mehrmals nicht gerade unterbrochen, aber durch die eine oder andere langatmigere oder nicht ganz nachvollziehbare Passage gestört. Lenox lenkt ihre LeserInnen auf der Suche nach dem Ripper durchaus auf kleinere Irrwege. Allerdings gestalten die sich nicht immer sonderlich spannend. Grundsätzlich interessant fand ich die Überlegungen, die Archer im Bezug auf die Motivation des Rippers anstellt. Hinter der steckt mehr als pure Mordgier oder schlichter Wahnsinn. Da sie übernatürlichen Ursprungs ist, steht weit mehr auf dem Spiel, als das Leben der im Herbst 1888 ermordeten Prostituierten. Allerdings fand ich die Ausführungen zu dem in diesem Zusammenhang erwähnten Vulkanausbruch etwas zu vage. Noch vager gestalteten sich weitere diesbezügliche Andeutungen. Da es sich bei der Shadow Guard-Reihe jedoch um eine Trilogie handelt, folgt ene befriedigerende Erklärung eventuell ja in den beiden Folgebänden.

 

Wenn man von dem in meinen Augen gut gelungenen Auftakt der ersten (Liebes-)Nacht von Elena und Archer absieht, hat mich fatalerweise gerade das Fantasyelement eher gestört als unterhalten. Nicht weil es grundsätzlich unpassend, sondern weil dieses Element viel zu spärlich ausgeführt ist. So lässt Lenox ihre LeserInnen absolut im Ungewissen, wie oder was genau Archer so ungewöhnlich macht. Man erfährt zwar beispielsweise, dass er sich unsichtbar machen und mental gewisse Dinge tun kann, doch wirklich erschöpfend ist seine Darstellung nicht. Da ist eine Andeutung, dass ihn Elenas Blut lockt, dann wiederum eine, dass er sich verwandelt, wenn er kämpft. Auch wenn er erregt ist, sieht er nicht mehr ganz so normal aus. Eine bildhaftere Beschreibung hierzu fehlt jedoch. Ebenso wird immer wieder mal angedeutet, dass ein Shadow Guard eine noch extremere Wandlung durchlaufen kann, um seinen Auftrag zu erfüllen. Das aber nur im Fall der Fälle, weil es anscheinend daraus keinen Rückweg gibt. Sieht man von diesem letzten Hinweis ab, tappt man als LeserIn jedoch völlig im Dunkeln, wie diese Verwandlung an sich überhaupt aussehen könnte. Ebenso erfährt man nichts wirklich Nennenswertes im Bezug auf Entstehung, Herkunft und Hintergrund der Unsterblichen oder der Ahnenwelt.  

Die Menschen ahnen anscheinend nichts von der Existenz der Unsterblichen, Letztere tun alles, damit das auch so bleibt. Das wird schon aus der Art und Weise klar, wie Elena ihr Gedächtnis verliert. Anscheinend habe ich deshalb geschrieben, weil es konkret dann doch jemanden gibt, der über Archer & Co. Bescheid weiß. Warum und weshalb es ausgerechnet die Königin des britischen Empires ist, erschließt sich mir nicht schlüssig. Zwar enthält ihr Treffen mit Archer eine in gewisser Weise tröstende Note im Bezug auf das Jenseits, doch erscheint dieser Handlungsfaden zu willkürlich eingewoben und lediglich dem Zweck zu dienen, Archer im Fall der Fälle aus Polizeigewahrsam zu befreien.  

Auch das Ende von Shadow Guard – Wenn die Nacht beginnt gestaltet sich irgendwie unbefriedigend, nicht wirklich überraschend und zu schönmalerisch, um wirklich zu fesseln.  

Fazit: Lord Archer konnte mich nicht in seinen Bann ziehen. Doch obwohl der Auftaktroman der Trilogie in meinen Augen eher mittelmäßig gelungen ist und sich trotz der reizvollen Grundidee nicht wirklich spannend gestaltet, haben mich die offenen Punkte neugierig gemacht. Schließlich kann dies darin begründet sein, dass die Autorin trotz der im Großen und Ganzen jeweils in sich geschlossenen Geschichten in den beiden Folgebänden nicht laufend bestimmte Erklärungen wiederholen möchte. Hinzu kommt, dass Marcus – obwohl er als Nebencharakter ausgelegt ist – interessant wirkt. Deshalb hoffe ich, dass der zweite Band nicht allzu lange auf sich warten lässt. Für Shadow Guards – Wenn die Nacht beginnt möchte ich jedoch nur drei von fünf Punkten vergeben. 

Copyright © 2012 Antje Jürgens (AJ)

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