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25. November 2012

Pierre Szalowski: Irgendwo ist immer jemand, der dich liebt

Filed under: Belletristik,Roman — Ati @ 14:58

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Originaltitel: Mais qu’est-ce que tu fais là, tout seul?
Aus dem Französischen übersetzt von Nathalie Lemmens
C. Bertelsmann Verlag
ISBN-13: 9783570101568
ISBN-10: 3570101568
Belletristik
1. Auflage 10/2012
Hardcover mit Schutzumschlag, 288 Seiten
[D] 16,99 €

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 Wie bereits in seinem mit dem Grand Prix de la Relève littéraire Archambault ausgezeichneten und in 10 Sprachen übersetzten Debütroman Le froid modifie la trajectoire des poissons (deutsche Ausgabe C. Bertelsmann 2010, Bei Kälte ändern Fische ihre Bahnen) spielt auch Irgendwo ist immer jemand, der dich liebt in der Weihnachtszeit. Und wie bereits zuvor hat der in Montreal lebende als Pressefotograf, Journalist, Grafiker sowie Film- und Fernsehproduzent tätige Szalowski einen leisen Roman geschaffen.

 Ein Skandal zu viel sorgte dafür, dass der gefeierte, gleichermaßen verehrte wie gefürchtete Eishockeystar Martin Ladouceur, genannt Ladouce, jahrelang nicht in seiner Heimat war. Acht Jahre später nimmt ihn sein Verein wieder auf und er kehrt zurück. Hier setzt der Roman an.

Hier setzt der Roman an. Ausgerechnet den Heiligen Abend sucht er sich für seine Rückkehr aus. Doch ein freudiges Willkommen sieht anders aus. Kein Empfangskomitee steht jubelnd bereit, um sich um seine Bedürfnisse zu kümmern. Das Hotel, dessen Suite er vor Jahren zerstörte, beherbergt ihn. Allerdings und in Rücksprache mit dem Verein nur mit der Auflage im Hotel nichts Alkoholisches zu trinken, niemanden einzuladen. Für eine Nacht ist er der einzige Gast, lernt auf ungewöhnliche Weise den siebenjährigen Sohn eines Zimmermädchens kennen. Und da er keine Erinnerungen an jene für ihn folgenschwere Nacht acht Jahre zuvor hat, keimt in ihm der Verdacht, dass es sich dabei vielleicht um seinen Sohn handeln könnte.

 Doch bis es so weit ist, muss der erfolgsverwöhnte Sportler feststellen, dass die Zeiten, in denen ihm alles zu Füßen lag, offenbar vorbei sind. Nur er scheint irgendwie in der Zeit stehen geblieben zu sein. Er will keine Verantwortung übernehmen, schert sich einen Dreck um die Gefühle und Gedanken anderer. Deshalb will er, um im Hotel mit seiner weihnachtlichen Notbesetzung nicht zu versauern, zu seinem alten und künftigen Teamkollegen. Doch dieser scheint handzahm geworden zu sein und unter der Fuchtel seiner Ehefrau zu stehen, obwohl er früher genau wie Ladouce zu jeder Schandtat bereit war. Er hat zunächst keine Zeit für, lässt Ladouce nicht einmal ins Haus. Überhaupt muss der Star von einst mehrmals feststellen, dass nicht automatisch jeder scharf auf seine Gesellschaft und seine Autogramme ist oder uneingeschränkt daran denkt, ihm seine Wünsche zu erfüllen. Auch ein Anruf bei seiner Mutter verläuft nicht so, wie Ladouce sich das gedacht hat.

 Neben dem Jungen geht Szalowski etwas näher auf einen einfühlsamen Taxifahrer, einen schrullig-kriecherischen bis impertinenten Portier, einen Pagen und das Zimmermädchen ein, das Ladouce ihren Jungen anvertraut, weil es selbst arbeiten muss und nicht weiß wohin mit ihm. Außerdem kann Szalowskis Leserschaft flüchtige Blicke auf mehr oder weniger treue Fans werfen, auf den alten und künftigen Teamkollegen, auf die Besitzerin eines Imbisses. Schemenhaft tauchen die Eltern Ladouces auf. Es wird erklärt, wer Ladouce zu dem gemacht hat, was er heute ist, aber auch, dass es zu einem Zerwürfnis kam, das irreparabel scheint. Der Fokus liegt jedoch auf Ladouce, aus dessen Sicht die Geschichte, jedoch nicht von ihm, erzählt wird.

 Man kann ein wenig den alten Charles Dickens durch die Zeilen schimmern sehen, wenngleich Martin Ladouce zumindest äußerlich keine Ähnlichkeit mit Ebenezer Scrooge aufweist und er auch nur im übertragenen Sinn von den Geistern der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aufgesucht wird. Ansonsten erweist er sich aber eingangs als genauso rücksichtslos und kalt, selbstverliebt und abweisend wie der Hauptcharakter in Dickens so gerne erzählter Weihnachtsgeschichte. Und wie Scrooge erfährt auch Ladouce in dieser einen Nacht so einiges über sich selbst. Darf lernen, dass eine Veränderung nottut, und gewinnt gleichzeitig durch den kleinen Jungen und einen hilfreichen, sanft aufbegehrenden Einfluss Fremder wie auch früherer Bekannter die segensreiche Erkenntnis, dass diese Veränderung gar nicht so schlimm ist.

 Die Nacht scheint endlos, während Szalowskis LeserInnen erleben dürfen, dass auch in einem vergnügungssüchtigen Mistkerl ungeahnte Fähigkeiten und Wünsche schlummern können. Es beginnt damit, dass er im richtigen Moment innehält, etwa um dem Taxifahrer zuzuhören oder seinem alten Trainer. Und es endet noch lange nicht mit seiner Aktion, für den kleinen Jungen in seinem Zimmer als Weihnachtsmann aufzutreten. Überaus kreativ schreckt er dabei nicht einmal davor zurück, sich aus Daunenfedern mittels Sekundenkleber einen Bartersatz zu kreieren.

 Unaufgeregt und unprätentiös, jedoch in einer ohne Einschränkung passenden Sprache wird die Veränderung in Ladouce und die für ihn positiven Erfahrungen beschrieben. Ob der kleine Junge wirklich sein Sohn ist, will ich nicht verraten. Allerdings wartet das Schicksal noch mit einem kleinen Extrabonus für Szalowskis Hauptfigur auf.

Fazit:  Ein Roman mit kleinen Botschaften, die im Alltag oftmals vergessen werden. Etwa, dass Geld zwar vieles erleichtert, man damit aber die wirklich wichtigen Dinge nicht kaufen kann. Dass wahre Freunde auch in den dunkelsten Stunden für einen da sind. In sich schlüssig, teils ironisch, teils humorvoll zeigt diese Geschichte wieder einmal, dass es für Veränderungen nie zu spät ist und Liebe so einiges ändern kann. Und dass man auch mit der Umsetzung einer an sich alten Idee ein wunderbares Buch für ein paar entspannende Lesestunden schreiben kann, dem ich vier von fünf Punkten geben möchte.

Copyright © 2012 Antje Jürgens (AJ)

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