Die Leselustige Ati's Rezi-Seite – Buchbesprechungen, Ankündigungen, etc.

3. März 2011

Kaffke, Silvia: Das dunkle Netz der Lügen

Filed under: Belletristik,Historisch,Krimi/Thriller,Roman — Ati @ 16:55

 13_kaffke_dasdunklenetzderlugen.jpg

Silvia Kaffke

Das dunkle Netz der Lügen

 

Wunderlich Verlag

ISBN 978-3805208895

ISBN 3805208898

Historischer Kriminalroman

1. Auflage 2010

Umschlaggestaltung Hafen Werbeagentur

Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag, 496 Seiten

[D] 19,95 €

 

Verlagsseite

Autorenblog

 

Zur Autorin

 

Silvia Kaffke ist auf dem deutschen Buchmarkt längst keine Unbekannte mehr. Die 1962 in Duisburg/NRW geborene und ihrer Heimatstadt treu gebliebene studierte Publizistin, Germanistin und heute im PR-Management tätige Autorin bedient sowohl das aktuelle wie auch das historische Krimigenre. Handlungsort ist dabei Deutschland. Von 2000 bis 2006 erschienen insgesamt vier Romane um die BKA-Profilerin Barbara Pross; 2001 wurde der Erste davon mit Ann-Kathrin Kramer in der Hauptrolle von SAT1 verfilmt. 2008 wurde dann Kaffkes erster historischer Roman verlegt. Er beginnt eine Romanreihe um Lina Borghoff, die in dem Stadtteil spielt, in dem die Autorin lebt. Ihre berufliche Laufbahn brachte Kaffke neben einer Tätigkeit als Texterin, Lektorin und Sekretärin unter anderem zum Duisburger filmforum. Von der Stadt Düsseldorf wurde sie im gleichen Jahr, in dem auch ihr erster Roman „Messerscharf“ erschien, mit dem Kulturförderpreis ausgezeichnet.

 

Zum Buch

 

Der Hochglanz-Schutzumschlag zeigt rauchende Fabrikschlote, einen brennenden Himmel, eine schwach-leuchtende Gaslaterne, altmodisch gekleidete Menschen und eine düstere Straßenszene – kein Wunder, laut Umschlagtext soll mich die Geschichte ja nach Ruhrort ins Jahr 1861 bringen. Das Cover passt sehr gut zum Inhalt des Romans. Gefallen haben mir in diesem Zusammenhang auch die beiden Stadtpläne ganz vorne und ganz hinten im Buch. Was das Lesen etwas erleichtert hätte, fehlt leider – eine Auflistung der Personen, die in der Geschichte vorkommen. Doch das ist nur ein kleines Manko. Nach dem Prolog kann man sich nach Herzenslust in den folgenden 15 Kapiteln austoben, bevor der Roman mit einem kleinen Epilog und einer Danksagung der Autorin endet.

 

Doch zurück zum Roman:

 

Zitat Umschlagtext

 

Ruhrort, 1861: Dunkle Zeiten im Land von Stahl und Kohle

 

Lina hat es geschafft: Ihr kleiner Modesalon ist in aller Munde. Wie viele Bewohner des Städtchens hat sie die Aufbruchstimmung der letzten Jahre genutzt und sich nach ihrer Hochzeit mit Kommissar Robert Berghoff selbstständig gemacht. Ihre Welt wird erschüttert, als Anna Jansen erstochen wird. Wer hatte einen Grund, ihrer besten Näherin nach dem Leben zu trachten?

 

Doch das ist erst der Anfang. Ein weiterer Mord geschieht. Und während ganz Ruhrort den traditionellen Maiball begeht, werden die Villen reicher Bürger geplündert. Nicht nur der Polizei fällt auf: Die Taten waren gut geplant, zeugen von genauer Kenntnis der Örtlichkeiten und Besitztümer. Und: Sie betreffen ausschließlich Linas Kunden. Misstrauen schlägt ihr entgegen. Gestern noch eine angesehene Bürgerin Ruhrorts, muss Lina nun ihre Ehre verteidigen. Dabei steht nicht nur ihr Ruf auf dem Spiel.

 

Meine Meinung

 

2008 erschien ja, wie bereits erwähnt, Kaffkes erster historischer Roman „Das rote Licht des Mondes“ der sich ebenfalls um Lina, die Protagonistin von „Das dunkle Netz der Lügen“ drehte. Ich muss gestehen ich habe das Buch nicht gelesen und auch erst hinterher bemerkt, dass es da einen Vorgängerband gibt. Man kann also diesen zweiten Roman ohne Probleme lesen, wenn man das Vorgängerbuch nicht kennt.

 

Eheliche Gewalt, Ehebruch, Sorgerechtsstreitigkeiten, Erpressung, Raub und Mord, die Wirtschaftskrise. Eine Plage der Gegenwart? Mitnichten. All dies begegnet uns auch in Kaffkes zweitem historischen Kriminalroman. Doch das ist es nicht allein. Hier wird auch klar, wie undenkbar den Menschen von damals unser heutiges Leben vorkommen müsste, könnten sie denn einen Blick darauf werfen. Unser relativ leichter Zugang zu Grundnahrungsmitteln und Wasser, medizinischer Versorgung oder auch eine Verbrecherjagd mit allen verfügbaren technischen Mitteln.

 

Kaffke führt ihre Leserschaft nicht nur in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts in einen damals noch als Vorort existierenden Stadtteil Düsseldorfs um sie dort an einem Kriminalfall teilhaben zu lassen. Sie unterhält darüber hinaus detailreich und verknüpft in spielerischer Leichtigkeit verschiedene Handlungsstränge. Historische Kulissen, wie etwa ein Stahlwerk oder die seit den 1960er-Jahren nicht mehr vorhandene Altstadt, sind genauso geschickt eingeflochten. Die dargestellten Charaktere – ob nun Haupt- oder Nebenfiguren, Sympathieträger oder eher verhasste Gestalten – sind klar und lebendig gezeichnet. Und das, obwohl man gleich von Anfang an mit vielen zurechtkommen muss. Sie sind nicht extrem selbstlos, besonders schön oder allzu heroisch. Viel eher sind es Menschen, die einem im täglichen Leben begegnen könnten. Harmonisch scheint es einzig im Haus der Protagonistin zwischen ihr und ihrem Ehemann zuzugehen. Ansonsten sind alle Stärken und Schwächen, alle Tiefen und Höhen der menschlichen Psyche vorhanden. Die Figuren gehören allen sozialen Schichten an. Teilweise wurden sie mitleiderregend, Verständnis heischend oder auch abstoßend gezeichnet – doch immer detailliert und lebendig. Kein Charakter wirkt aufgesetzt oder unglaubwürdig. Es gibt Personen, die vielleicht auf den ersten Blick überflüssig wirken mögen, auf den zweiten jedoch sehr gut hineinpassen. Alle sind sie sorgfältig konstruiert – genau wie die Handlung. Alles und jeder trägt einen kleinen Part zum großen Ganzen bei.

 

Mit klarer Sprache schildert die Autorin die damaligen Lebensumstände. Sie bedient sich dabei – wie bereits erwähnt – mehrerer Handlungsstränge. Erzählt werden sie alle aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten. Kaffke schafft eine etwas düstere Grundatmosphäre, die die harten Lebensumstände umso glaubwürdiger wirken lässt. Obwohl dieser Roman eindeutig in das Genre des Kriminalromans passt, ist das Verbrechen darin nicht im Vordergrund. Diebstahl, Mord, Körperverletzung, Erpressung – all das kommt vor. Doch obwohl die Nebenschauplätze, wie etwa die Arbeit in der kräftezehrenden Stahlhütte, der halbwegs sichere, nicht weniger harte Alltag der Näherinnen, die Plackerei von Mägden und Knechten, fast genauso viel Raum einnehmen, wirken sie nicht störend oder überdeckend. Vielmehr vereint sich alles zu einem sehr real wirkenden Bild des Lebens zu dieser Zeit, an diesem Ort.

 

Die Wortwahl der Autorin sorgt einerseits dafür, dass sich die Geschichte sehr locker und flüssig lesen lässt. Der stetige Wechsel von gut zu böse, von fatalistisch zu tatkräftig, von reich zu arm, von Handlungsstrang zu Handlungsstrang, erfordert jedoch etwas Konzentration. Zwar verknüpft die Autorin die Einzelstränge sehr verschickt und sauber und lässt keinen davon im Nichts verlaufen. Gleichzeitig liegt hier jedoch auch eine kleine Schwäche. Durch diesen stetigen Wechsel weiß der Leser zwangsläufig mehr als die Figuren. Das lässt ihn einerseits mitfiebern oder mitleiden, andererseits raubt es stellenweise etwas von der Spannung einer Geschichte, die weniger auf besonders schwierig zu lösenden Fällen, als vielmehr auf Abgründen der menschlichen Spezies und ihrer psychologischen Beweggründe fußt.

 

Fazit

 

Einige verknüpfte Kriminalfälle vor einem authentisch wirkenden historischen Hintergrund. Trotz kleinerer Schwächen habe ich mich gut unterhalten gefühlt und möchte vier von fünf Punkten vergeben.

 

Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

 

 


1. März 2011

Pfeiffer, Isabel: Das Sündentuch

Filed under: Belletristik,Historisch — Ati @ 15:56

 11_pfeiffer_dassundentuch.jpg

Rowohlt Taschenbuch Verlag
ISBN 978-3499255021
ISBN 3499255022
historischer Roman
2. Auflage 2010
Taschenbuch, 560 Seiten
[D] 9,99 €

Verlagsseite
Autorenseite

Zur Autorin 

Viel habe ich nicht über sie gefunden. Nur das, was unter anderem auch auf ihrer eigenen Homepage oder der Verlagsseite zu finden ist. Die 1961 geborene Autorin war vor Beginn ihrer schriftstellerischen Laufbahn als Ärztin in der Neurologie und Psychiatrie tätig. Sie ist verheiratet und hat drei Söhne. Die Untiefen der menschlichen Psyche interessierten sie nicht nur beruflich, sie ziehen sich auch als roter Faden durch ihre Romane.  Ihr Debütroman Niemandstochter erschien im Jahr 2009 beim Wunderlich Verlag, trug dort jedoch den Titel die Puppennäherin. Genau wie bei ihrem aktuellen Roman handelt es sich dabei um einen historischen Roman. 

Zum Buch / Meine Meinung

 

Zitat Inhaltsangabe:

 

Liebe und Verbrechen im mittelalterlichen Ravensburg – Christine lebt als Ehefrau eines reichen Tuchhändlers in einem prächtigen Ravensburger Bürgerhaus. Aber ihre Ehe steht unter keinem guten Stern. Als sie sich heimlich Geld bei einem jüdischen Pfandleiher borgt, ist ihr nicht bewusst, was für fatale Folgen dies hat: Nicht nur findet ihr Mann bald heraus, was sie hinter seinem Rücken getan hat – Christine hat sich in den Juden verliebt und ist auf dem besten Weg, eine Todsünde zu begehen …  

Damit ist schon mal eine der weiblichen Hauptfiguren benannt. Die Zweite wird hier nicht erwähnt, hat aber in meinen Augen ebenfalls einen sehr großen Part in der Geschichte, zumal sich ihre Wege mit denen von Christine kreuzen. Doch anfangs könnte ihr Leben nicht gegensätzlicher sein. 

Während Christine Köpperlin zunächst noch in scheinbarer Sorglosigkeit lebt, sich um Blumengärten kümmern kann und finanziell allein schon durch ihre Ehe mit dem reichen Tuchhändler Frick abgesichert ist, muss sich Gerli von klein auf gegen alle Widrigkeiten zum Trotz durchkämpfen. Sie ist früh mit ihrem kleineren Bruder von zuhause geflohen und lebt mit diesem genau wie Christine im hochmittelalterlichen Ravensburg. Während sie in einer Papiermühle schuftet und darauf hofft, dass der Müller sie eines Tages heiratet, betätigt sich ihr eigener Bruder lieber als ihr Zuhälter als sich ehrlicher Arbeit zu widmen. Abgesehen davon gibt er ihr Geld mit schöner Regelmäßigkeit für Wetten und Alkohol aus. 

Adversativer könnte das Leben dieser beiden Frauen nicht sein. Doch der Schein trügt. Obwohl Christine nicht wie Gerli täglich neu ums Überleben kämpfen muss, bedeutet das nicht, dass sie glücklich ist. Ihre Ehe mit dem mehrere Jahre älteren Frick ist kinderlos, er selbst rücksichtslos, untreu und bisweilen gewalttätig. Und eines Tages macht er etwas, was seine Frau bis ins Mark trifft, ohne dass sie sich groß dagegen wehren kann: Er holt seinen unehelichen Sohn und später auch dessen Mutter in ihr eigenes Haus.  

In Ravensburg gibt es auch ein Judenviertel. Der Arzt David, der schon lange nicht mehr seinem Beruf nachgeht, dem genau wie allen anderen Juden, im damaligen Europa Misstrauen, Neid und Gewalt entgegenschlägt, muss zusammen mit seiner Familie sein tägliches Brot als Geldverleiher verdienen. Eines Tages steht Christine in seiner Tür. Sie benötigt dringend Geld. Als Pfand bringt sie ein Seidentuch mit – ein Geschenk ihres Mannes. Und wofür? Für eine Flöte, mit der sie ausgerechnet Ludwig, den unehelichen Sohn ihres Mannes, eine Freude machen möchte, der mit dem Umzug nach Ravensburg kreuzunglücklich ist. 

Mit dieser Begegnung nimmt nicht nur die sich zart anbahnende Liebesgeschichte zwischen David und Christine ihren Lauf, sondern auch das Unglück. Als Ludwig eines Tages verschwindet, fällt der Verdacht auf die Juden. Es wird weniger nach dem Täter als nach einem Sündenbock gesucht. Und mit dem einsetzenden Kesseltreiben gerät auch Christines Leben ins Trudeln. Tiefer als sie dabei fällt, kann eine Frau ihrer Gesellschaftsschicht kaum fallen. Gleichzeitig scheint sich zumindest für Gerli, die sie in diesem Zusammenhang kennenlernt und mit der sie sich anfreundet, ein kleiner Hoffnungsschimmer abzuzeichnen.  

Isabel Pfeiffer schafft es in ihrem zweiten Roman nicht nur sehr gut, die privilegierte Christine lebensnah darzustellen, sie zeichnet gleichwohl das klare Bild einer jungen Frau, die das genaue Gegenteil erlebt. Doch obwohl es die Autorin mit ihrem flüssigen, lebensnah und lebendig wirkenden Erzählstil mir ermöglicht hat, mich leicht in diese beiden Figuren einzufinden, gab es bedauerlicherweise die eine oder andere Länge. Dass ich dennoch weitergelesen habe, lag daran, wie verständlich sie die Situation der beiden Frauen geschildert hat. Ihre soziale Abhängigkeit in einer männerbestimmten Welt. Die Kompromisse, die sie eingehen mussten. Die teilweise fatalistische Haltung, die sie dabei einnahmen. Wie gesagt – die Lebensumstände wurden sehr interessant geschildert und dargestellt. Die Spannung mithilfe des plötzlichen Verschwindens von Ludwig gesteigert.  

Leider blieb aber die eigentliche Liebesgeschichte und mit ihr David, der zusammen mit seiner Familie als Beispiel für die mittelalterliche Judenverfolgung dient, etwas zu nebensächlich, zu verschwommen. Obwohl ich andererseits nicht behaupten kann, dass der politische Aspekt in dieser Sache (Judenverfolgung) nicht deutlich wird, finde ich diesen Part etwas zu flach dargestellt. Darüber hinaus schlich sich durch die Perspektivwechsel zwischen dem Leben von Gerli und Christine sehr früh eine gewisse Vorhersehbarkeit ein, was die Spannung für meine Begriffe auf einem eher geringen Level gehalten hat.

Fazit

Ein guter Grundgedanke wurde hier in einen nachvollziehbar historischen Rahmen gepackt. Kleinigkeiten sorgten für ein paar Längen, trotz allem habe ich mich gut unterhalten gefühlt und vergebe 3,5 von 5 Punkten.

copyright © 2010 by Antje Jürgens (AJ)

 

Meyer, Axel S.: Das Buch der Sünden

Filed under: Abenteuer,Belletristik,Historisch,Krimi/Thriller,Roman — Ati @ 11:51

 10_meyer_dasbuchdersunden.jpg

 

Axel Meyer
Das Buch der Sünden

 

Rowohlt Taschenbuch Verlag
ISBN 978-3499253805
ISBN 3499253801
Historischer Roman
Originalausgabe 2010
Umschlaggestaltung any.way, Katrin Günther
Taschenbuch, 784 Seiten
[D] 9,95 Euro

 

Verlagsseite
Autorenseite

 

Zum Autor

 

Vielleicht liegt es daran, dass er in der Stadt Heinrich des Löwen zur Welt kam, wenn auch erst 1968 und nicht zu Zeiten der historischen Persönlichkeit. Jedenfalls lebte und lernte Axel S. Meyer bis zur Beendigung seines Studiums in Germanistik und Geschichte dort. Heute lebt und arbeitet er in Rostock als Zeitungsreporter und Redakteur.

 

Zum Buch / Meine Meinung

 

Obwohl ich diverse negative Kommentare gelesen habe, hat mich das Buch neugierig gemacht. Nachdem es im letzten August erschienen war, wurde bereits im Oktober 2010 die dritte Auflage herausgebracht. Nachdem der Autor 2009 bei einer Verlagsausschreibung von Rowohlt damit den ersten Preis belegt hatte, wurde er in diesem Jahr zusätzlich mit Platz 26 bei einem Lovelybooks-Wettbewerb bedacht. Und das alles mit einem Debütroman.

 

Worum geht es darin?

 

Zitat Inhaltsangabe

 

Im Jahr 845 bringen die Normannen den Tod nach Paris. Die Mörder kommen über die Flüsse: Am Morgen besetzen 120 Drachenboote die Seineinsel, am Abend sind die Straßen mit Leichen übersät. Brandgeruch liegt in der Luft.

Hilflos muss der junge Odo mit ansehen, wie sein Vater getötet und seine Mutter verschleppt wird. Er schwört Rache. Jahre später fällt ihm im Kloster St. Gallen eine Schrift in die Hände: Das Buch der Sünden. Es prophezeit den Untergang der heidnischen Welt – sobald die sieben Todsünden gesühnt sind. Besessen von der Idee, dieses Werk zu verrichten, macht sich Odo auf den Weg nach Norden. In die gottlose Stadt der Wikinger, nach Haithabu ….

 

Was dabei unerwähnt bleibt, dennoch einen großen Raum einnimmt, parallel läuft und sich stellenweise mit dem in der Inhaltsangabe beschriebenen Handlungsstrang vermischt, ja sogar verbunden ist, ist die Geschichte des Schmiedes und späteren Woiwoden Helgi. Von seiner Liebe zu der Sklavin Runa. Von der Andeutung und Erahnung von Runas Vergangenheit. Von ihrer Flucht in Runas Heimat. Ich nenne Runa jetzt einfach weiterhin Runa, obwohl die spätestens nach Ankunft in ihrer alten Heimat ihren ursprünglichen Namen zurückerhält. Von seinem beziehungsweise ihrem neuen Leben.

 

Der Roman beginnt mit einer Offenbarung des Johannes (wie übrigens alle der folgenden sieben Buchteile), dann folgen zwei Karten, bevor es mit dem ersten Teil in Paris losgeht, der im Jahr 845 um die Osterzeit spielt. Der zweite Teil führt uns im Herbst 861 bis zum Frühjahr 862 nach St. Gallen. Im Dritten lenkt der Autor unser Augenmerk im Sommer 863 nach Haithabu, während der Vierte in Rujana von Sommer bis Herbst des gleichen Jahres spielt. Der fünfte Teil steuert zurück nach Haithabu und umfasst den Zeitraum von Herbst 863 bis Frühjahr 864, der Sechste bringt und wiederum nach Rujana, dieses Mal im Frühjahr 864, bevor der siebte und letzte Teil erneut um die Osterzeit im Jahr 864 nach St. Gallen zurückführt. Im Epilog macht die Geschichte nochmals einen Sprung nach Haithabu. Wir begleiten zumindest Odo also über einen Zeitraum von 19 Jahren, wobei aber große Sprünge gemacht werden. Ein Nachwort rundet alles ab. Alle Teile sind in kurze Kapitel gefasst, was das Lesen erleichtert. Gleichwohl gibt es einige Längen, die es wiederum stellenweise erschweren.

 

Mit dem Roman hat man sowohl einen Krimi/Thriller – es geschehen einige grausame Morde, ganz abgesehen davon, dass die Zeit damals sehr brutal dargestellt wird – als auch eine Liebesgeschichte in der Hand. Die Liebesgeschichte spielt sich vor dem Hintergrund der recht trostlos beschriebenen damaligen Welt ab. Das mindert sie nicht zwingend – wer jedoch auf einen Liebesroman mit reinem Happy-End-Feeling spekuliert, wird vielleicht etwas enttäuscht. Historische Bezüge zu heute noch existierenden Orten sind da, Meyer baut geschichtlich belegte Personen in seine fiktive Geschichte ein. Es wird sowohl das Problem der Christianisierung beschrieben, als auch das eigentliche Leben der Dänen und Wikinger, die ja nicht nur als Seefahrer und furchtlose Krieger zugange waren.

 

Ich bin ehrlich gestanden etwas gespalten, was meine Meinung zu dem Buch betrifft. Einerseits beschreibt Meyer sehr plakativ die damaligen Lebensumstände. Die Morde gehen weder unter noch werden sie bei aller Brutalität übertrieben blutrünstig dargestellt. Runas Rechtlosigkeit in ihrer Zeit als Sklavin, die Armut, die Emotionen der Romanfiguren – all das vermag der Autor glaubwürdig zu vermitteln. Der Wandel des Waisenjungen und späteren Mönchs Odo zum Verfechter seiner fanatischen Ideologie ist so beschrieben, dass sie angesichts seines kindlichen Traumas erklärbar ist. Soweit so gut.

 

Doch die Geschichte verliert immer wieder genau diese Glaubwürdigkeit durch das gleichzeitige Einbringen von Zufällen, die in manchen Passagen einfach zu viel sind. Logischerweise muss Odo auf das Buch der Sünden treffen, es finden, um sein Verhalten zu rechtfertigen. Doch die Weise, wie das in dieser Geschichte geschieht, überzeugt mich nicht. Logischerweise muss er das Schicksal seiner Mutter eruieren, damit der Handlungsbogen von Helgi und Odo zu einem schlüssigen Ende kommt. Angesichts des kurzen Zeitraumes, in dem Odo dies gelingt, hapert es aber schon wieder an meinem Verständnis dafür. Logischerweise muss Odo eine sichere Basis (sprich den kleinen Orden in Haithabu) für sein Vorhaben finden. Die Umstände, die dazu führen, sind aber eben sehr zufällig.

 

Es gibt kleinere Nebenstränge. Beispielsweise die abgrundtiefe Feindseligkeit zwischen Runa und ihrer Schwester. Woher der Hass derselben kommt, arbeitet der Autor nicht genau heraus. Er nutzt ihn in meinen Augen einfach als Mittel, die Geschichte gegen Ende noch einmal hochzuputschen. Fast scheint es, als würde Meyer sich in zu vielen Nebenschauplätzen verlieren. Doch das stimmt nur bedingt. Zumindest teilweise führen wie einfache Füllkapitel wirkende Passagen tatsächlich letztendlich irgendwie zum Ende des Gesamthandlungsbogens. Ebenfalls negativ aufgefallen ist mir eine gewisse Vorhersehbarkeit, die mal schwächer, mal stärker ausgeprägt daherkommt. Leider wirkt das tödlich auf die Spannung, die dadurch kein wirklich hohes Level erreicht. Und auch die vielen, vielen lebensbedrohlichen Situationen, in die beispielsweise Helgi kommt, sind mir etwas zu überzogen dargestellt. Mag sein, dass das mit der damaligen Zeit zusammenhängt, in der man sich seines Lebens nicht sicher war. Doch auf mich wirkt es einfach so, als ob die Spannung künstlich aufgeputscht wird. – Was schade ist, denn der Schreibstil Meyers hat das im Grunde genommen nicht nötig. Das Ende selbst könnte aus Hollywood stammen. Zwar explodiert nichts, aber etwas zu blutig wird es spätestens jetzt allemal und wie alte Westernhelden schaffen es auch die Figuren in Meyers Roman noch das eine oder andere mit übermenschlich wirkender Kraft in Angriff zu nehmen und gar zu erledigen, bevor sie denn sterben. Von dramatisch einstürzenden Gebäuden, just an dem Ort, an dem Odo seinen Plan vollenden will, ganz zu schweigen.

 

Dennoch, obwohl diese Sachen es mir stellenweise sehr schwer gemacht haben, den Roman zu Ende zu lesen, war gleichzeitig etwas darin, das mich immer wieder zum Weitermachen angestachelt hat. War es die Hoffnung, dass sich die Schwächen in nichts auflösen? Der sympathisch dargestellte Helgi? Der völlig unsympathische, doch seltsam diffus bleibende Soziopath Odo? Die Neugier, weil Haithabu und Rujana gleich um die Ecke liegen und ich einfach hinfahren könnte (obwohl natürlich so gut wie nichts mehr von damals im Heute vorhanden ist)? Ich weiß es wirklich nicht.

 

Fazit

 

Ein durchaus opulenter Roman, der aber die eine oder andere Schwäche aufweist. Kein Lesequickie, man sollte dabei bleiben, damit der Handlungsfaden nicht verloren geht. Die Geschichte hat mich nicht wirklich überzeugt und gepackt. Aber auch nicht endgültig abgeschreckt. Deshalb 3 von 5 Punkten für Meyers Debütroman.

 

Copyright © 2010 by Antje Jürgens (AJ)

28. Februar 2011

Pfister, Burkhard: Gilgamesch, Graphic Novel

Filed under: Buch- & Sammelreihe,Grafiknovelle — Ati @ 15:57

01_pfister_gilgameschgesamtausgabe.jpg

Burkhard Pfister
Gilgamesch – Graphic Novel

Projekte Verlag Cornelius
ISBN 978-3862372300
ISBN 3862372308
Graphic Novel
1. Auflage 2010
Gestaltung & Layout Haymach & Pfister
Textbearbeitung Ursula Broicher
Hardcover, 358 Seiten
[D] 29,50 Euro

 

Verlagsseite

Buchseite

 

Zum Autor

 

Wobei man ja hier nicht unbedingt von einem Autoren sprechen kann … Burkhard Pfister, der 1949 in Meiningen geboren und in Baden-Württemberg aufgewachsen ist, hat Malerei studiert. Er reist sehr gerne, weshalb er beispielsweise 1978 ein Jahr im Orient war, oder eine einjährige Radtour durch Jugoslawien, Griechenland und die Türkei absolvierte. Diese Reisen dürften Einfluss auf seine über 30jährige Tätigkeit als freier Maler, Grafiker und Kunsttischler haben.

 

Im Jahr 2005 begann er mit seiner Arbeit an einer Grafiknovelle des ältesten, erhaltenen Textes der Weltliteratur. In Zusammenarbeit mit der Grafikerin Kerstin Heymach entstanden so nach und nach 12 Einzelbände oder vielmehr Tafeln des Gilgamesch-Epos. Die Historikerin Ursula Broicher bearbeitete die Texte des Epos neu.

 

Zum Buch / Meine Meinung

 

Was verrät der Buchrücken?

 

Das Gilgamesch-Epos, der älteste erhaltene Text der Weltliteratur, ist die Geschichte des sagenhaften Königs der Stadt Uruk in Mesopotamien, heute Irak.

 

Damals von Schreibern in Keilschrift auf Tontafeln geschrieben, jetzt von Burkhard Pfister in über 200 Zeichnungen zu einer Graphic Novel verarbeitet, hat sie über vier Jahrtausende nichts von ihrer Faszination verloren.

 

 

Genau genommen bin ich ja weder Comicfan noch mag ich Grafiknovellen besonders. Aber ich interessiere mich für die Sumerer und das Epos. Da es sehr umfangreich ist, konnte ich mir nicht so recht vorstellen, wie so etwas in eine Grafiknovelle verpackt werden kann. Insoweit konnte ich nicht widerstehen und jetzt liegt die Gesamtausgabe von Pfisters Werk vor mir.

 

Gleich vorab. Für sein Geld bekommt man nicht nur die kundenfreundliche – weil kostengünstigere – Zusammenfassung der einzelnen Tafeln, auch die handwerkliche Verarbeitung seitens des Verlages stimmt. Mit den 358 Seiten im A4-Hardcoverformat hält man ein solide gebundenes Buch in Händen, dessen Seiten von einem matt-schwarz-weiß gehaltenen Buchdeckel geschützt werden. Das Buch wiegt so viel, dass man es besser vor sich ablegt und nicht in Händen hält. Der soliden Verarbeitung sei Dank, hält das Buch das ohne Weiteres aus.

 

Zum Inhalt des der Novelle zugrunde liegenden Epos möchte ich nur anmerken, dass es sich um einen Schöpfungs- und Heldenmythos aus vorchristlicher Zeit handelt, in den Pfister und seine Mitstreiter jedoch Gegenwartsbezüge eingearbeitet haben.

 

Der von Broicher überarbeitete Text in den Sprechblasen lässt sich den Bildern gut zuordnen. Gleichwohl gibt es einen Unterschied, zu dem, was ich sonst so kenne – die Sprechblasen machen eigentlich nur einen kleinen Teil aus. Den größeren Teil nimmt ein Begleittext ein, der die einzelnen Bilder verbindet. Die Historikerin bedient sich dabei eines veraltet anmuteten Satzbaus, den man im heutigen Sprachgebrauch nicht mehr benutzt, der jedoch gut passt. Er wirkt manchmal etwas umständlich, manchmal poetisch. Auf den Seiten 356 und 357 geht sie auf das Epos selbst ein und führt nochmals auf, worum es darin geht.

 

Auf den ersten Blick hatte Pfisters Umsetzung des Epos etwas seltsam Starres für mich. Ich habe es zunächst darauf geschoben, dass ich mich normalerweise nicht für so etwas interessiere. Ein Bekannter, der Comics und Mangas mag, hat die Novelle fast noch schneller als ich aus den Händen gelegt, weshalb ich nach dem Warum gefragt habe. Er antwortete, dass zu wenig Bewegung darin sei. Ferner störte ihn der stetige Wechsel der Anzahl der Grafiken (mal mehrere kleinere auf einer Seite, dann ein- oder auch doppelseitige) und die Grafiken in ihrer Ausführung sprächen ihn nicht an. Alles in allem käme keine Spannung in ihm auf.

 

Nach diesem Gespräch habe ich mich ein weiteres Mal über die Grafiknovelle hergemacht. Bei diesem zweiten Versuch wurde mir das eine oder andere klar. Unter anderem, dass die Grafiknovelle kein Objekt für die Masse sein, dafür aber Sammler anziehen dürfte.

 

Was mich etwas enttäuschte, ist der Umstand, dass nur acht Seiten der Grafiknovelle farblich gestaltet sind. Die Restlichen zeigen sich, wie der Umschlag, monochrom oder genauer gesagt in verschieden Grauschattierungen und/oder schwarz und weiß. Auf ihnen werden durchgehend abwechselnd mehrere aufeinanderfolgende, ganz- oder auch doppelseitige Bilder abgebildet. Die Bilder sind künstlerisch gut umgesetzt, wirken in sich aber wie bereits erwähnt etwas bewegungslos.

 

Pfister spielt mit den Techniken, er schraffiert, wischt, malt, teils separiert, teils kombiniert. Lichteinfall, Perspektive und Schatten verleihen nahezu alle Bilder Plastizität und Tiefe. Die teils nur grob umrissenen Hintergründe haben mich stellenweise etwas gestört, passen jedoch größtenteils. Teilweise setzt Pfister auf sehr harte Übergänge, dann fließt alles wiederum harmonisch zusammen. Teils gibt es grobe Schraffuren, dann wiederum klar ausgearbeitete Details (auch bei den Hintergründen). Bildgewaltige, schmückende Ausarbeitungen wechseln sich mit allenfalls grob zu bezeichnenden Skizzierungen ab. Zusätzlich kommt das Spiel mit der Zeit hinzu, dass Pfister bewusst gewählt hat. Antikes und Modernes stehen sich teils direkt gegenüber, teils wechseln sie sich ab. Antike Gewänder gegen moderne Kleidung, Bauhelme und Arbeitsschuhe auf einer Baustelle, eine belebte Straßenkreuzung gegen ein Relief eines Streitwagens, alte Paläste gegen moderne Skylines. Teils latent, teils ganz offenkundig dargestellt. Jetzt stellt sich natürlich die Frage, was so etwas in einem jahrtausendealten Epos zu suchen hat. Doch – da stimme ich Pfister zu – vieles daraus lässt sich auf die Gegenwart übertragen. Ob es denn tatsächlich sein muss, das so darzustellen, bleibt der Entscheidung des Künstlers und der seines Publikums überlassen. Wirklich störend empfand ich es nicht.

 

Fazit:

 

Alles in allem würde ich die Grafiknovelle weniger als mit Sprechblasen versehene Bilder bezeichnen, sondern eher als illustrierten Text bezeichnen. Und diese Illustration finde ich – wenn auch erst auf einen zweiten Blick – durch die experimentelle Umsetzung durchaus gelungen.

 

Gilgamesch ist nicht unbedingt etwas für reine Comic- und Mangafans. Wer sich jedoch für künstlerische Illustrationen, die Geschichte oder Sammelbildbände interessiert, kommt hier durchaus auf seine Kosten.

 

02_pfister_gilgamenschtafel6.jpgWas die ebenfalls erhältlichen Einzelbände betrifft: Auch diese sind handwerklich sehr gut gemacht und ebenso stabil gebunden, wie der Gesamtband. Die einzelnen „Tafeln“ kosten 18,50 Euro, Insgesamt gibt es die Tafeln 0 bis 11. Die vor mir liegende sechste Tafel (ISBN 978-3866347083), in der es um „Der Zorn der Ischtar – Der Himmelsstier“ geht, ist ebenfalls monochrom gehalten. Allerdings nicht in schwarz-weiß, sondern sepiafarben.

 

 

Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

26. Februar 2011

Quinn, Spencer: Bernie & Chet

Filed under: Abenteuer,Jugendbuch,Krimi/Thriller — Ati @ 11:33

01_quinn_berniechet.jpg

Originaltitel: Dog on It
aus dem Englischen übersetzt von Andrea Stumpf und Gabriele Werbeck
Penhaligon Verlag
ISBN 978-3764530709
ISBN 3764530707
Krimi
Deutsche Ausgabe 2011
Umschlaggestaltung Hilden Design München
Taschenbuch, 352 Seiten
[D] 19,99 €

Verlagsseite

 

Spencer Quinn ist ein Pseudonym des am 28.06.1947 in Boston geborenen Autors Peter Brian Abrahams. Bevor er zum Schreiben kam, arbeitete er bei Radio und Fernsehen. Für seine unter dem Namen Abrahams veröffentlichten Kriminalromanen erfolgten Nominierungen für den Edgar Award. 2005 gewann er für den ersten Teil der Echo-Falls-Serie den Agatha Award für das beste Kinder-/Jugendbuch. Abrahams war unter anderem am Drehbuch für den 1996 entstanden Film „The Fan“ beteiligt.  Er mag die Musik von Louis Armstrong, den Film „China-Town“ und bezeichnet sich als glücklichen Menschen, dessen größte Herausforderung es war, vier glückliche Kinder zu erziehen. Mit diesen, seiner Frau und seiner Hündin, lebt der Autor auf Cape Cod. Auf die Idee zu dem Roman „Dog on It“ kam er durch seine Frau.

 

Katzenkrimis sind mir schon einige untergekommen, Hundekrimis weniger. Mit Bernie & Chet liegt der Erste vor mir und ich kichere immer noch, wenn ich gedanklich die eine oder andere Passage rekapituliere. Worum geht’s?

 

Zitat Inhaltsangabe: Bernie Little und sein Partner Chet sind die besten Privatdetektive der Stadt. Und das liegt vor allem an Chet, der immerhin beinahe mal ein Polizeihund geworden wäre. Zugegebenermaßen hat Chet all die typischen Schwächen eines Hundes: So verfügt er über einen unbezähmbaren Spieltrieb und ein äußerst lückenhaftes Erinnerungsvermögen. Doch das macht der smarte Vierbeiner mehr als wett mit seinem Jagdinstinkt und seiner untrüglichen Spürnase. Vor allem jedoch hat Chet ein großes, mutiges Herz, das ganz und gar für sein liebenswertes Herrchen Bernie schlägt – und für die hübsche Menschenfrau Suzie Sanchez, die nach Chets Ansicht das perfekte Weibchen für Bernie wäre. Aber was versteht ein Hund schon vom merkwürdigen Treiben der Menschen?

 

Gleich vorab – das gibt es schon mal sehr gut wieder. Die über 100 Pfund schwere, muskelbepackte Promenadenmischung Chet, die uns die Geschichte erzählt – präsentiert sich nicht nur laut Inhaltsangabe als leicht vergesslicher, Fast-Polizeihund (dem bei der entscheidenden Prüfung dummerweise eine Katze in den Weg kam) mit einer Spürnase, die ihn sich schon mal selbst verfolgen lässt. Er ist darüber hinaus äußerst verfressen und verleibt sich alles ein, was irgendwie essbar aussieht, selbst wenn das schon lange vergessen unter irgendwelchen Möbeln liegt und er es hinterher wieder herauswürgen muss. Kann man ihm das übel nehmen? Nein, dazu kommt Chet viel zu sympathisch daher. Ach ja, und sein Spieltrieb ist auch nicht zu verachten. Doch meist genügt nur eine Kleinigkeit, um ihn sich auf seine Aufgabe besinnen zu lassen. Sein Partner Bernie, ein ehemaliger Polizist, betreibt eine mehr schlecht als recht gehende Detektei und ist dankbar für Chets Hilfe. Er kämpft noch mit den Folgen seiner Scheidung oder vielmehr mit den Folgen, die das für seine Beziehung zu seinem Sohn mit sich bringt. Er hat seine Prinzipien, die er eisern verfolgt, selbst wenn sich daraus Nachteile für ihn ergeben.

 

Chet kennt seinen Platz und ist dankbar dafür, dass er nicht so wie der Nachbarhund leben muss. Bernie ist eindeutig der Rudelführer, aber der Rüde macht sich durchaus seine Gedanken über sein Herrchen. Über das Wasser, das bisweilen aus seinen Augen fließt und das seltsamerweise salziger schmeckt, als das Wasser, das er sonst so kennt. Über sein seltsames Verhalten, als die Journalistin Sanchez auftaucht. Ganz offensichtlich will Bernie die beeindrucken, selbst wenn er nicht gerade in Bestform ist. Zwar versteht Chet Bernie meistens sofort – umgekehrt gibt es da allerdings das eine oder andere Problem. Manchmal erscheint Bernie dem Hund ziemlich begriffsstutzig – jedenfalls so lange, bis er wieder einmal vergisst, was er gerade dachte, wollte oder sollte.

 

Die beiden sind ein eingespieltes Team. Das ist aber mit Erteilung eines neuen Auftrags auch notwendig. Statt der üblichen Beschattung untreuer Ehepartner werden sie um Hilfe bei einer Entführung gebeten, bei der mehr und mehr seltsame Dinge ans Licht kommen. Sie werden sogar von dem Fall abgezogen, machen jedoch – da kommen Bernies Prinzipien ins Spiel, denen auch Chet treu, wie ein Hund es eben tut, folgt – machen unverdrossen weiter. In diesem Zusammenhang erlebt Chet selbst eine Entführung, ihm droht gar das endgültige Aus in einem Tierheim. Und auch Bernie gerät bei seinen Ermittlungen in größere Gefahr, als den beiden lieb sein kann.

 

Die Geschichte bietet einige Wendungen und auch kleinere Perspektivwechsel, was die Hintergründe der Entführung relativ bald ans Licht bringt. Madison – das gesuchte Mädchen – weiß beispielsweise auch, wo sie ist und mit ihr erfahren es natürlich die Leser ebenfalls. Stört es? Nein, was mit Sicherheit an den sympathischen Figuren liegt. Die einfach gehaltene Sprache fällt ebenso wenig ins Gewicht, da die Geschichte über gute Strukturen verfügt. Der Plot ist durchgängig erfrischend umgesetzt. Chet wird nicht vermenschlicht, aber sehr überzeugend beschrieben. Ich habe mehrmals meine eigene Hündin angesehen und mich gefragt, ob der Autor vielleicht mal bei uns zu Gast war und ihr Verhalten beobachtet hat. Bernie und die übrigen Zweibeiner sind ebenfalls lebendig beschrieben und könnten gleich nebenan wohnen. Ob Wichtigtuer, Loser, Hysteriker, alter Mann oder Biker – um nur ein paar zu nennen. Sie kommen einem durchweg etwas bekannt vor.

 

Fazit:  Es ist kein Krimi, in dem Action und Spannung sich in rasanter Weise mit schockigen Aha-Effekten abwechseln. Der Krimianteil ist eher … sagen wir mal … gering gehalten, obwohl es am Ende durchaus noch abgeht. Wer mit seinen Lesevorlieben speziell darauf abzielt, sollte vielleicht die Finger von dem Buch lassen. Lesern, die Geschichten über Freundschaften mit einem Schuss Krimi in lockerem, entspannendem und humorigem Erzählstil mögen, kann ich Chet und sein Herrchen jedoch absolut empfehlen. Da ich Ersteres bei einem Hundekrimi nicht wirklich erwartet habe, hat mir das Buch sehr gut gefallen, es war flüssig zu lesen, sorgte für mehrere Lacher und ist für Kinder wie Erwachsene als Unterhaltungs- und Entspannungsbuch geeignet. Deshalb von mir die volle Punktzahl und die Hoffnung auf einen bereits angedeuteten Folgeband. Chet ist einfach unwiderstehlich.

 

Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

« Newer PostsOlder Posts »

Powered by WordPress