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7. März 2011

Moning, Karen Marie: Im Bann des Vampirs

Filed under: Belletristik,Fantasy, Horror, SciFi,Roman — Ati @ 12:39

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Karen Marie Moning
Im Bann des Vampirs

Originaltitel: Darkfever
aus dem Amerikanischen übersetzt von Ursula Walther
Ullstein Taschenbuch
ISBN 978-3548266015
ISBN 3548266010
Fantasy,
Chick-Lit
Dt. Erstausgabe, 5. Auflage 2010
Umschlaggestaltung Hilden Design, München
Taschenbuch, 368 Seiten
[D] 7,95 €

 

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Zur Autorin

 

Mit ihren 12 Romanen (der Highländer- und Fever-Serie) landete die 1964 in Ohio geborene Karen Moning nicht nur in den Bestsellerlisten von New York Times und Publishers Weekly. Ihre Romane werden, in 21 Sprachen übersetzt, weltweit vertrieben. Vor ihrem Erfolg als Bestsellerautorin war die studierte Juristin im Versicherungsrecht und Schiedsgerichtsbereich tätig. Heute verbringt sie ihre Zeit zwischen den Bergen von Georgia und den Stränden von Florida und schreibt oder arbeitet beispielsweise an einer Grafiknovelle mit. Ihr bevorzugtes Genre ist Urban Fantasy.

 

Zum Buch

 

Die deutsche Ausgabe des ersten Bandes der Fever-Serie erschien bereits im Jahr 2007. Mir liegt gerade die fünfte Auflage von 2010 vor. Dass es sich um eine Serie handelt, geht aus der Kurzbeschreibung der Autorin im Buch hervor – ein kleiner Hinweis in der Inhaltsangabe (beispielsweise auf der Coverrückseite) wäre allerdings praktischer. Das Cover selbst sieht schwarz aus. Eine junge, blonde Frau, die sich an einen langhaarigen Mann lehnt, dessen Gesicht fast von den Haaren verdeckt wird. Gotische Bögen im Hintergrund. Trotz blutroter Schrift sticht der der Buchtitel „Im Bann des Vampirs“ nicht wirklich hervor, ebenso wenig wie der rückseits aufgedruckte Kommentar „Noch dunkler, erotischer und tiefgründiger als Monings Highländer Erfolge“ von Publishers Weekly.

 

Was passiert laut Inhaltsangabe im Buch?

 

Die junge Amerikanerin MacKayla Lane interessiert sich vor allem für Mode und Popsongs – bis eines Tages ihre Schwester Alina in Dublin brutal ermordet wird. MacKayla beschließt, selbst nach dem Mörder ihrer Schwester zu suchen. In Irland stellt sie erschrocken fest, dass sie Vampire sehen kann, die eine fatale erotische Anziehungskraft auf sie ausüben. Glücklicherweise trifft sie den Buchhändler Jericho Barrons, der sich mit Dämonen und Vampiren bestens auskennt. Während sie gemeinsam gegen das Böse kämpfen, funkt es gewaltig zwischen Mac und Jericho.

 

Nach dem Prolog, der mit dem vielversprechenden Auftaktsatz („Meine Philosophie ist ziemlich einfach – jeder Tag, an dem niemand versucht, mich zu töten, ist ein guter Tag.“ ) beginnt das erste Kapitel genau ein Jahr früher. Danach kann man sich in 25 Kapiteln in MacKaylas Geschichte stürzten, die sie rückblickend aus der Ich-Perspektive erzählt, bevor das Buch mit einem Glossar endet.

 

Meine Meinung

 

Selten habe ich eine so unzutreffende Beschreibung gelesen – sei es nun bezüglich des Titels, des Kommentars von Publishers Weekly oder im Hinblick auf die Inhaltsangabe. Wobei ich offen gestanden zugeben muss, dass ich die Highländer-Serie nicht gelesen habe. Diesbezüglich könnte es natürlich sein, dass die Folgebände einen solchen Kommentar rechtfertigen. Der Auftaktroman tut es allerdings nicht.

 

In dem Roman geht es auch nicht, wie Titel oder Inhaltsangabe vermuten lassen, um Vampire, demzufolge kann MacKayla eigentlich auch nicht in den Bann eines solchen geraten. Vielmehr geht es um Feenwesen oder Sidhe. Die einen sollen böse und hässlich sein, die anderen unwirklich schön und gut – wobei die Grenzen da nicht so klar gezogen sind und es durchaus auch anders sein kann (gut aussehend und böse kommt zumindest vor). Dass MacKayla sie sehen kann, liegt an einem Geheimnis in ihrer Vergangenheit. Was sie – eine Sidhe-Seherin – als Hässlichkeit wahrnimmt, empfinden normale Menschen als strahlend schön, ohne zu merken, dass die Bösen ihnen ihre Lebensenergie rauben und rasend schnell altern lassen. Das hat durchaus Bezüge zu Vampiren. Genau wie die in bestimmten Stadtteilen lauernden, schwer fassbaren ebenfalls bösen Gestalten, die statt Blut gleich alles nehmen, was dafür sorgt, dass lediglich Kleider und pergamentartig wirkende Häute en masse zurückbleiben. Der Rest wird quasi absorbiert. Diese Wesen können nur im Schatten existieren, der kleinste Lichtschein wird ihnen gefährlich. Trotz gewisser Parallelen fehlt mir persönlich da der im Titel versteckte Blutsauger. Dann gibt es noch die Tod-durch-Sex-Wesen (allein der Name hat zu hochgezogenen Augenbrauen bei mir geführt), die auch feenartig sind und für das sorgen, was womöglich den erotischen Part darstellen soll, bei mir aber nicht so ankommt. Etwa, dass MacKayla sich in einem Museum voller Menschen – die sie praktischerweise in dem Moment nicht sehen können – auszieht und nur noch eins will und das dazu womöglich noch mit dem Wesen, das eventuell ihre Schwester ermordet hat. Oder mitten am helllichten Tag auf der Straße loslegt. Erotik sieht in meinen Augen etwas anders aus, aber Geschmäcker sind verschieden.

 

Doch gehen wir einmal von alle irreführenden Dingen ab. Was bleibt dann?

 

Ein flüssig zu lesender Roman. Eine Geschichte voller mystischer Wesen – kein Wunder, immerhin spielt sie in Irland. Neben bodenständigen Pubs und alten Gebäuden, Tradition und Moderne, gibt es eben auch Feen und andere Gestalten. Die machen aber nicht mithilfe ihrer Magie als strahlende Lichtgestalt alles wieder gut. Sie wirken auch nicht wie grummelnde Zwerge auf der Suche nach Gold, das sie dann boshaft bewachen? Nein, die Wesen in Monings Roman sind trotz ihrer Fähigkeit schön zu wirken, trotz ihrer vielleicht tatsächlichen Schönheit eher Monster, die die Menschheit bedrohen. Und wo etwas Böses ist, braucht es in der Regel einen guten Gegenspieler.

 

Moning bringt diesen Gegenpart in Form ihrer selbstironischen Hauptfigur mit naiver bis überraschend selbstironischer Denkweise ins Spiel. Diese wirkt trotz ihrer 22 Jahre anfangs eher wie ein typisch amerikanischer Teenager, oder wie eine Cheerleaderin (ich sah fast diese Puschel in ihren Händen). MacKayla ist sehr impulsiv, Vernunft scheint ein Fremdwort für sie zu sein. Mit dem ständigen Hinterfragen der eigenen Handlungsweise sorgt sie für den einen oder anderen Lacher. Im Hinblick auf sie stimmt der Anfang der Inhaltsangabe übrigens. Pink ist ihr ein und alles, und bevor sie in dieses Abenteuer eintaucht, ist eine ihrer größten Sorgen, dass ein Nagellackhersteller die Produktion einer bestimmten Farbe einstellt, weil sie dann nichts mehr hat, was zu ihrem Lieblingsrock passt. Dieser flapsige Stil erschüttert allerdings gleichzeitig die Glaubwürdigkeit der ernsthaften Sidhe-Seherin und Jägerin des Bösen mehr als einmal. Zudem wirkt sie hin und wieder zu zickig und ihre grenzenlose Naivität mehr als enervierend. Sie schießt zu oft übers Ziel hinaus und agiert oder vielmehr reagiert nicht immer folgerichtig.

 

Demgegenüber steht der extrem steif, ja verknöchert und behäbig wirkende, und leider von Anfang bis Ende etwas blass bleibende, Jericho, bei dem ich bis zur letzten Seite gerätselt habe, ob er jetzt der Vampir ist, in dessen Bann MacKayla geraten sein soll. Er ist geheimnisumwoben, daneben gut aussehend, reich, klug, nachdenklich, emotionslos, kalt und wirkt irgendwie alt.

 

Ihre Wege kreuzen sich auf der Suche nach der Wahrheit über den Tod von MacKayla Schwester immer wieder. Ihre Schwester, die irgendetwas mit dem gleichermaßen geheimnisumwobenen wie machtvollen Buch Sinsar Dubh zu schaffen hatte. Oder die, genau, wie sie, plötzlich feststellen musste, dass die Realität in der sie bis zu ihrem Eintreffen in Irland lebte, nicht die Einzige ist. Dass es Artefakte gibt, die es zu suchen gilt, damit die sich mehr und mehr öffnenden Tore zwischen den Welten wieder geschlossen werden können. Die Suche ist es, die Jericho und MacKayla dazu bringt, sich zusammenzuschließen und gemeinsam vorzugehen, ohne allerdings wirklich ein Team zu bilden. Ob die beiden zusammenkommen oder nicht, ob es da mal tatsächlich knistert oder nicht, bleibt auch nach dem Lesen der letzten Seite offen – ob der Folgeband „Im Reich des Vampirs“ diese Frage klärt, allerdings auch.

 

Die Bösewichte, die bekämpft werden, sind an manchen Stellen überaus eindimensional und zu klischeehaft dargestellt. Warum wer wie handelt, bleibt ein absolutes Rätsel, was durchaus daran liegen kann, dass es sich eben nur um den Auftaktroman der Serie handelt. Dennoch bleibt ein unbefriedigendes Gefühl beim Lesen, zumal noch nicht einmal der Tod von MacKaylas Schwester wirklich aufgeklärt wurde. Das Einzige, was klar zu sein scheint, ist, dass bestimmte Feenwesen nur auf eins aus sind …

 

Fazit

 

Nach der anfänglichen Enttäuschung ein Lesequickie ohne wirklichen Tiefgang, der jedoch förmlich nach einem Folgeband schreit, weil einfach zu viele Fragen offenbleiben.

 

Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

 

15. Februar 2011

Isau, Ralf: Der verbotene Schlüssel

Filed under: Abenteuer,Fantasy, Horror, SciFi,Jugendbuch,Roman — Ati @ 17:30

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cbj-Verlag, München
ISBN: 978-3570138342
Jugendroman, Fantasy
Deutsche Erstausgabe 2010
Umschlaggestaltung: Geviert – Büro für Kommunikationsdesign, München
Hardcover mit Schutzumschlag, 509 Seiten

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1988 und für seine Tochter begann der, 1956 in Berlin geborene und heute in Stuttgart lebende, Autor Ralf Isau zu schreiben. Die heute unter dem Namen „Neschan-Triologie“ bekannte Geschichte um „Die Träume des Jonathan Jabbok“ gestalteten sich allerdings schwieriger, als angenommen, weshalb sich „Der Drache Gertrude“ dazugesellte. Beide Bücher erschienen Mitte der 1990er-Jahre und die Lust am Schreiben verging Isau mit der Fertigstellung und Veröffentlichung noch lange nicht. Nach etlichen weiteren Ideen für Romane, Essays oder Artikel, gab er 2002 seinen Beruf als Organisationsprogrammierer auf und widmet sich seither ganz seiner schriftstellerischen Tätigkeit. Nach eigener Aussage schreibt er über Dinge, die ihn selbst faszinieren und die er für wichtig hält. Sein Anliegen ist es, mit seinen Fantasybüchern eine Brücke zur realen Welt schlagen.

 

Ich könnte stundenlang in Büchern stöbern – schon allein wegen der Cover- oder Umschlaggestaltung. Im Fall von „Der verbotene Schlüssel“ wird die mir vorliegende Harcoverausgabe von einem Schutzumschlag in Rot umhüllt, auf dem vor der schwach ausgeprägten Skizze eines Uhrwerks Zahnräder, ein Schloss und ein Schlüssel in Gold abgebildet sind und sich etwas hervorheben, wenn man darüber streicht. Ich liebe so etwas. Doch worum geht es in dem Buch? Um Zeit – etwas unendlich Kostbares. Mit jeder Sekunde, die verstreicht, gewinnen wir eine Erinnerung dazu und haben genau genommen doch immer weniger davon. Doch was passiert, wenn die Zeit beliebig angehalten werden kann?

 

Dieser Frage geht Ralf Isau in „Der verbotene Schlüssel“ nach. Einem Jugendbuch, mit etwas geschichtlichem Hintergrundwissen und der mehr oder weniger latenten Erkenntnis, was für eine Entmenschlichung und Gefahr die zunehmende Technisierung mit sich bringen kann.

 

Dazu bedient sich Isau der 14jährigen Sophia. Ihre Eltern sind vor einiger Zeit bei einem Unfall ums Leben gekommen, der – wie sich bald herausstellt – in gewisser Weise mit dem, was sie bald erlebt, zu tun hat. Sie steht also relativ allein auf der Welt. Jetzt ist ihr Großvater gestorben, den sie zwar genau genommen nicht kannte, der ihr aber alles vererbt. Sie reist zu seiner Testamentseröffnung an und sucht anschließend seine Wohnung auf. Dort finden sich unzählige Uhren, die alle um dieselbe Zeit (dem Zeitpunkt seines Todes) stehen geblieben sind, was ihr auf Anhieb etwas unheimlich ist. Unter anderem erbt Sophia auch ein kleines Buch und dazu gehörend eine Art Fabergé-Ei. Die haben bekanntlich alle etwas Besonderes in sich und so verbirgt sich in Sophias Ei ein Uhrwerk, das mit dem ebenfalls beigefügten Schlüssel in Gang gesetzt werden kann und nicht ganz ungefährlich ist.

 

Die das Ei und den Schlüssel betreffenden, eindringlichen Warnungen wirken auf Sophia in etwa so wie die Anweisung, auf überhaupt gar keinen Fall an rosarote Elefanten zu denken. Um die kreisen nach so einem Verbot für gewöhnlich die Gedanken pausenlos, obwohl man sie sich sonst nicht vorstellen kann. Sophia jedenfalls kann nicht widerstehen und so kommt es, wie es kommen muss.

 

Bevor sie sich versieht, setzt sie unbedacht etwas in Gang und landet in einer Parallelwelt – genauer gesagt in Mekanis. Dort ist alles mechanisch, farblos, entmenschlicht. Fast alles. Theo ist nämlich auch dort. Nicht ganz freiwillig, doch so ungewöhnlich er auch ist, er ist menschlich. Mit seinen etwa 2.000 Jahren wirkt er wie ein Teenager und dank seines Blickes auf die „reale“ Welt benimmt er sich größtenteils auch so. Und obwohl Sophia anfangs nicht so recht weiß, was sie von ihm halten soll, ist sie froh, dass es ihn gibt. Denn in Mekanis, wo mechanische Wesen gnadenlos Jagd auf sie machen, wäre sie ohne ihn hoffnungslos verloren. Gerade noch rechtzeitig gelingt es den Beiden, mithilfe des Uhrwerks im Ei zurück in die reale Welt zu fliehen. In Sicherheit sind sie damit noch lange nicht, denn mit ihrem unbedachten Tun hat Sophia den uralten Stundenwächter Oros auf den Plan gerufen. Oros will das Ei und damit das zeitbeherrschende Uhrwerk an sich bringen, um sich die Welt untertan zu machen. Er jagt sie gnadenlos und setzt seine Fähigkeit, über Menschen und Maschinen zu herrschen, rücksichtslos ein. Alle, die mit ihm in Berührung kommen, sind hinterher nicht mehr dieselben. Sophia und Theo können immer wieder entkommen, doch schaffen sie es wirklich, sich und die Welt zu retten?

 

Eine spannende Grundidee – in der es wieder einmal darum geht die Welt zu retten und die wieder einmal etwas anders verpackt ist. Ein Jugendbuch – in dem Jugendliche nach etwas Unbedachtem einiges tun müssen, um wieder so etwas wie ein normales Leben leben und erleben zu können. Mit „Der verbotene Schlüssel“ können Leser auch einen Blick auf die Mythenwelt und die Geschichte werfen, der jedoch – für mein Dafürhalten – bedauerlicherweise an bestimmten Stellen etwas zu trocken abgefasst ist und etwa beim Sohn einer Freundin dafür gesorgt hat, dass er (obwohl begeisterter Leser) schnell die betreffenden Seiten überblättert hat. Dies gilt eventuell auch bei detaillierten Beschreibungen bestimmter mechanischer und technischer Begriffe und Funktionsabläufe, wie etwa den Uhrwerken. Beides kann von manchem als zu trocken oder dadurch bedingt als zu ausführlich angesehen werden. Was schade wäre, da die eigentliche Thematik eindeutig zum besseren Verständnis der gesamten Geschichte führt. Und wirklich überflüssig ist nichts davon. Was dagegen in meinen Augen sehr gut gelungen ist, ist die Sicht Theos auf die hoch technisierte und relativ automatisierte Welt, in der Sophia lebt und in der er plötzlich mit ihr landet. Dass das eine oder andere für uns gefährlich werden könnte, wurde uns schon in diversen Filmen und Büchern gezeigt – doch oftmals so abstrakt, dass man es nicht auf das normale Leben beziehen kann. Nicht so bei Isau und „Der verbotene Schlüssel“. Darin wird vermeintlich Fantastisches zu etwas überraschend Realem.

 

Der Autor lässt die Leser mit seinen Figuren durch die Welten springen, die verschiedener nicht sein könnten. Wenn man von dem kleinen, eben erwähnten Manko absieht, stellt Isau seine Figuren lebensnah und detailliert dar, was ein leichtes Eintauchen in die Geschichte ermöglicht. Vom Mitfiebern ganz zu schweigen.

 

Fazit: Zeit ist etwas Kostbares, wie eingangs schon erwähnt. Dennoch habe ich sie fast vergessen, während ich Sophia und Theo auf ihrer abenteuerlichen Reise begleitet habe. Und das, obwohl ich eindeutig weit oberhalb der eigentlich anvisierten Zielgruppe der Leser liege. Deshalb gibt es vier von fünf Punkten für Der verbotene Schlüssel.

 

Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

14. Februar 2011

Trussoni, Danielle: Angelus

Filed under: Fantasy, Horror, SciFi,Krimi/Thriller,Roman — Ati @ 15:55

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Originaltitel: Angelology
Aus dem Amerikanischen von Rainer Schmidt
Droemer
ISBN 978-3426198780
ISBN 3426198789
Roman
Dt. Erstausgabe 2010
Umschlaggestaltung Zero Werbeagentur München
Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag, 656 Seiten
€ 19,95 [D]

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Nach ihrem Studium in Geschichte und englischer Literatur an der Universität von Wisconsin-Madison lebt und arbeitet die 1973 geborene Danielle Trussoni heute als freie Schriftstellerin sowohl in den Staaten als auch in Bulgarien. Neben ihrer Tätigkeit für „The New York Times Book Review“, „The New York Times Magazine“ oder auch „The Telegraph Magazine“ wurde 2006 ihr Buch „Falling Through the Earth: A Memoir“ veröffentlicht. Dieses Buch stand im gleichen Jahr auf der Liste der Besten Bücher der New York Times und heimste mehrere Auszeichnungen ein. Mit „Angelus“ erscheint bei uns der erste Roman der Autorin.

Ein schwarzer, mit weiß-silbernen Ornamenten und einem Siegelring verzierter Schutzumschlag, über den sich ein rot-glänzendes Band – könnte auch ein Tuch sein – schlängelt, schützt die gebundene Hardcoverausgabe. Sieht (für mich) spannend aus und wer den Klappentext liest, kann ebenfalls neugierig werden.

Dementsprechend groß waren meine Erwartungen, mit denen ich an den Roman herangegangen bin. Die von Trussoni kunstvoll verwobenen Beschreibungen der Engel wie der Angelologen zogen mich anfangs in ihren Bann, verlangten dann aber zunehmend Durchhaltevermögen. Eine mehrmals gelesene Einstufung in das Genre Krimi/Thriller hat mich anfangs zudem etwas irritiert. Denn, obwohl Mord, Entführung und der Kampf ums Überleben thematisiert werden, passt Trussonis Roman für mich nicht in dieses Genre hinein und ich würde ihn eher im Fantasybereich ansiedeln. Doch zum eigentlichen Inhalt.


Die Nephilim, aus der altisraelischen Mythologie als riesenhafte Mischlinge aus männlichen Götterwesen und Menschenfrauen bekannt, tauchten bereits in Texten aus dem Entstehungsprozess der Bibel auf. Obwohl die apokryphen Texte selbst nicht aufgenommen wurden, findet man die Erwähnung der Nephilim im ersten Buch Mose 6, 5. Sie sollen von großer Boshaftigkeit und die Vorfahren der Riesen der Vorzeit gewesen sein.


Gemäß Trussonis Roman leben sie beispielsweise noch in New York mitten unter den Menschen, obwohl diese in den seltensten Fällen etwas davon ahnen. Sie wurden über die Jahrhunderte hinweg von Angelologen bekämpft, weil sie für das Böse in dieser Welt stehen. Und sie wollen unbedingt in den Besitz eines göttlichen Instruments kommen. Einer Leier, die die Welt für immer ins Verderben stürzen könnte, sollte sie in die falschen Hände geraten. Aus diesem Grund sind auch die Angelologen hinter dem Instrument her. Doch genau genommen weiß von den Nephilim weder jemand, wie besagte Leier wirklich funktioniert, noch wo sie gerade ist. Nur so viel ist bekannt: Abgesehen davon, dass sie denjenigen, der sie betrachtet, in ihren Bann zieht, kann sie die im Laufe der Zeit durch ihre Vermischung mit den Menschen degenerierten Nephilim heilen. Es gibt beziehungsweise gab mehrere göttliche Instrumente, doch diese eine Leier ist es, die ein mitleidiger Erzengel den ins Innere der Erde verbannten, verdammten und gestürzten Engeln (den Vätern der Nephilim) gebracht hat.

Die Nonne Evangeline, deren Mutter und Großmutter bereits als Angelologen tätig waren, wird durch eine einfache Anfrage mit der Bitte um Einsicht ins Klosterarchiv in diesen jahrhundertealten Kampf hineingezogen und erfährt stückchenweise Dinge, die bis dahin unvorstellbar für sie waren. Dinge, die ihr peu au peu offenbaren, dass sie weit mehr ist als eine bloße Nonne, die ihr Leben ihrem Gott und dem Kloster gewidmet hat. Ebenfalls ohne sein bewusstes Zutun wird der junge Collegedozent Verlaine, der sich nebenbei mit Beratertätigkeiten über Wasser hält und schwarz für Auktionshäuser tätig ist, in die Sache hineingezogen. Und da ist noch Percival Grigori, der Auftraggeber von Verlaine. Für Menschen ein reicher Geschäftsmann, doch in Wirklichkeit ein dem Tod geweihter Nephilim. Von seiner eigenen Familie wegen seiner krankheitsbedingten Schwäche verachtet, versucht er über Verlaine Informationen zu bekommen, die ihn letztlich zu der begehrten Leier führen sollen.

Soweit so gut, die Idee klang (und klingt) faszinierend, keine Frage. Die Umsetzung ist jedoch etwas anderes.


Das Buch selbst ist in drei Teile – Sphären genannt – gegliedert. Der Erste zog mich, wie eingangs erwähnt, in seinen Bann. Doch bereits darin stört eine stilistische Kleinigkeit. Durch die in Klammern geschriebenen Jahreszahlen wirken bestimmte Passagen wie ein Lexikaeintrag oder wie ein Auszug aus Archivunterlagen. Über dieses Manko hilft zu diesem Zeitpunkt jedoch noch der plakative Schreibstil der Autorin hinweg. Dieser führte dazu, dass ich mich rasch in die Umgebung der Geschichte einfinden konnte. Die Hauptfigur Evangeline kann trotz ihrer Zugehörigkeit zu der etwas angestaubt wirkenden Klostergemeinschaft, durchaus als modern bezeichnet werden. Allerdings scheint sie die Einzige zu sein, die so zeitgemäß ist.


Mit Beginn des zweiten Teils versiegte die anfängliche Begeisterung jedoch rasch. Dieser Abschnitt der Geschichte zieht sich zu sehr in die Länge. Das dürfte daran liegen, dass sich diverse nur leicht variierte thematische Wiederholungen darin finden. Erschwerend tauchen gewisse Bezeichnungen (Angelologen und Liebe betreffend) mit geradezu penetranter Regelmäßigkeit auf und der bisherige, positiv-plakative Stil bekommt einen künstlich hervorgerufenen, gefühlsbeladenen, ja überladenen Touch. Evangeline, Verlaine und Percival werden nahezu durch die sterbenskranke Nonne Celestine verdrängt. Diese erzählt Evangeline rückblickend vom Europa des 2. Weltkriegs und einer Expedition (die zu konkreteren Hinweisen auf den Aufenthaltsort der Leier und dem eigentlichen Fund beziehungsweise deren Sicherstellung führte). Leider liest sich Celestines Erzählung wie ein abgewandelter Vortragstext. Ihre vermeintlich „tiefe“ Liebe zu einer Studienkollegin oder auch ihren Professoren, ihre Überzeugung für die Sache an sich; all das straft sich selbst Lüge, durch ihr Verhalten und Denken. Sympathie oder Verständnis kam bei mir weder für Celestine noch für die erzählerisch heraufbeschworenen Angelologen auf. Vielmehr stellte sich frühzeitig die Frage, ob es nicht besser wäre, wenn diese einfach die Finger von allem gelassen hätten. Zu offensichtlich wissen die Nephilim selbst gar nicht, wo sie suchen sollen. Sie heften sich einfach an die Fersen der Angelologen.

 

Im zweiten Teil kristallisiert sich auch zunehmend heraus, wie Evangelines Familie (Mutter, Großmutter und ihr inzwischen verstorbener Vater) in die Sache verstrickt ist. Auch dieser Part der Geschichte fordert dem Leser einiges an Durchhaltevermögen ab. Bis es soweit ist, muss Evangeline eine Art Puzzle lösen, welches ihre Großmutter initiiert hat. Dies hat mich ganz für sich allein genommen fast dazu gebracht hat, das Buch beiseitezulegen. Die Logik der anscheinend immensen Dringlichkeit der Sicherstellung der Leier verpufft angesichts der beschriebenen Inszenierungen. Obwohl auch dieser Buchteil durchaus eine eigene Faszination haben mag, empfand ich den Wechsel zu abrupt, zu unpassend und einfach zu langatmig.

 

Der dritte Teil bringt Trussonis LeserInnen dann wieder in die Jetztzeit. In den noch immer anhaltenden Versuch der Nephilim in den Besitz der Leier zu kommen und in Evangelines und Verlaines Versuch, genau das zu verhindern. Was nur zu gelingen scheint, wenn sie die einzelnen Teile der im Zweiten Weltkrieg in die Staaten verbrachten Leier wiederfinden. Auch diese Suche gestaltete sich für mich eher wie eine schlecht organisierte Schnitzeljagd. In diesem Teil wird Evangelines Geheimnis und ihre Verbindung zu dem sterbenskranken Nephilim Percival Grigori gelüftet. Zumindest für die, die es noch nicht geahnt haben.

 

Ich kann weder sagen, dass Trussonis Schreibstil mich absolut begeistert noch völlig abgeschreckt hat. Nur dass ich stellenweise fast dachte, zwei verschiedene Autoren hätten an diesem Roman mitgewirkt. Der ist nicht wirklich schlecht, wirklich gut jedoch auch nicht. Das Verhältnis des ersten und dritten Teils zu Teil zwei ist wenig ausgewogen, die Übergänge zu wenig fließend. Das mürbe machende Versteckspiel um die Leier ist von so vielen kompliziert wirkenden und sich dann doch einfach schrecklich leicht lösenden Zufällen gespickt, dass die im zweiten Teil abrupt verlustig gegangene Spannung in dritten Teil nicht mehr aufkommen kann. Der Schluss birgt, obwohl gut angedacht, auch keine Überraschung, da sich bereits lange zuvor eine zunehmende Vorhersehbarkeit der Handlung eingeschlichen hat. Endet die Geschichte nach 600 Seiten? Nein, nicht wirklich. Sie deutet fast schon auf einen Folgeband hin.

 

Fazit: Alttestamentarische Engelszuordnungen nehmen leider die Spannung, obwohl sie durchaus interessant sind. Mir wurde beim Lesen wieder einmal bewusst, das die Begriffe Gut und Böse lediglich eine willkürlich getroffene Definition von Menschen darstellen. Mord bleibt Mord, ob er nun von den „bösen“ Engeln oder von den „guten“ Angelologen begangen wird. Ich habe mir nach dem, was ich im Vorfeld gelesen hatte, mehr von dem Roman versprochen und würde auf einer Skala von 1 bis 5 Punkten allenfalls 3 Punkte vergeben.

 

Copyright © 2011 by Antje Jürgens

13. November 2010

DIEFENTHAL, WERNER: DAS SCHWERT DER DRUIDEN

Filed under: Abenteuer,Fantasy, Horror, SciFi,Jugendbuch,Roman — Ati @ 00:11

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Acabus
ISBN 978-3941404687
Fantasy
Originalausgabe 2010
Taschenbuch, 233 Seiten
€ 13,90 [D]

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Ein Besuch auf einem Trödelmarkt und damit verbunden der Anblick eines alten Schwertes brachte den 1963 geborenen Rheinländer, der heute mit seiner Familie in Oberfranken lebt, dazu, seinen ersten Roman zu schreiben. Nach einer Ausbildung zum Schlosser ist er heute hauptberuflich im Qualitätsmanagement tätig. Zwischen der Idee, dem ersten Manuskript und der Veröffentlichung im Acabus Verlag vergingen fast zwei Jahrzehnte.

Das Angebot auf Trödelmärkten ist ein Stück gelebte Geschichte. Die Teile, die man dort betrachten oder kaufen kann, erzählen etwas. Mal größere, mal kleinere Geschichten. Oder sie regen, wie zum Beispiel bei Diefenthal geschehen, dazu an, eine Fantasygeschichte zu schreiben

Die Inhaltsangabe umreißt ziemlich gut, worum es geht:

Nach dem Tod seines Großvaters ist für den 17jährigen Michael nichts mehr, wie es einmal war. Im Zimmer seines Großvaters entdeckt er nämlich ein geheimnisvolles Schwert, und ehe er es sich versieht, findet er sich in einer fremden Welt wieder und dessen Bewohner heißen ihn als “Erlöser” willkommen, der in einer langen Reihe von Kriegern dazu auserkoren ist, eine alte Prophezeiung zu erfüllen…

Nichts wirklich Neues also, aber das ist bei der Masse an erhältlichen Büchern auch gar nicht mehr machbar. Dennoch überraschen die Fantasien immer wieder, die sich um ein uraltes Thema ranken. Das Thema, welches vom Kampf gut gegen Böse berichtet, von alten Prophezeiungen, von einem Erlöser. Von Hoffnung.

In Diefenthals Roman trifft es Michael. Gerade mal mit 17 und relativ unbedarft stolpert er in eine Welt, die es nach normalem Dafürhalten eigentlich nicht geben kann. Eine Welt, in der die Toten seiner Welt nicht unbedingt tot sein müssen. Eine Welt, in der Menschen aus seinem realen Umfeld vorkommen. Eine Welt, die akut bedroht und für immer verloren ist, wenn er versagt, denn er ist genau genommen der letzte Krieger einer uralten Prophezeiung.

Wie so oft braucht es ein Portal, um diese magische Parallelwelt zu betreten, die irgendwo in der Vergangenheit festzustecken scheint und im Großen und Ganzen doch der unseren ähnelt. Das Portal ist im Falle von Diefenthals Roman ein magisches Schwert, welches Michael nach dem Tod seines Großvaters in einer Truhe findet – oder das genau genommen ihn findet. Und ihn bei genauerem Betrachten zu dieser Aufgabe zwingt, denn bei einer Weigerung droht ihm der Tod durch eben dieses Schwert.

Das Problem bei magischen Portalen ist meist, dass sie die Protagonisten kalt erwischen. Michaels Vater etwa konnte Jahre vor ihm beispielsweise nicht reiten und war im Schwertkampf genauso wenig bewandert wie Michael das jetzt ist. Dabei bleibt wenig Zeit, solche Dinge zu lernen, und die Mitstreiter, die den prophezeiten Kriegern solche Kleinigkeiten beibringen sollten, verzweifeln fast, weil das eben nicht so schnell geht.

Natürlich meistert auch Diefenthals Protagonist nach vielen Problemen seine Aufgabe, rettet die Parallelwelt und seine eigene, darf dorthin zurück und wird letztlich noch belohnt für seinen Tapferkeit und seinen Mut – so wie es den Protagonisten solcher Geschichten für gewöhnlich immer geht. Man fiebert gemeinhin trotz des an sich ja bekannten Plots immer wieder aufs Neue mit. Die Kunst bei dieser Thematik ist es einfach, die Erzählung immer wieder so zu gestalten, dass sie den Lesern/Leserinnen neu vorkommt. Dies ist Diefenthal jedoch leider nur bedingt gelungen, da vieles zu vorhersehbar war und sich die eine oder andere Schwierigkeit zu einfach quasi in Luft auflöste.

Dadurch wird das Buch aber nicht wirklich schlecht. Der Autor versteht es durchaus, seine Figuren lebendig zu gestalten und entführt sein Publikum in eine Welt, die alte Werte heraufbeschwört. Mut und Vertrauen etwa. Durchhalten, auch wenn etwas fast unmöglich scheint. Durch die einfache Sprache des Autors wird das Hineinfinden in die von ihm geschaffene Fantasywelt erleichtert. Und der flüssige Schreibstil sorgt dafür, dass man verwundert feststellt, dass man bereits die letzte Seite aufgeschlagen hat.

Fazit

Ich würde das Buch als Jugendbuch (ab 14 Jahre) bewerten, habe mich jedoch durchaus kurzweilig unterhalten gefühlt, obwohl ich bereits weit älter bin. Auf einer Skala von 1 – 5 Punkten würde ich dafür 3,5 Punkte vergeben.

Copyright © 2010 by Antje Jürgens (AJ) 

10. November 2010

HOHLBEIN, WOLFGANG: WIR SIND DIE NACHT

Filed under: Fantasy, Horror, SciFi,Roman — Ati @ 17:56

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Heyne Verlag
ISBN 978-3453266780
Fantasy, Vampire
Deutsche Erstausgabe 2010
Umschlaggestaltung Nele Schütz Design, München
gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag, 608 Seiten
€ 19,95 [D]

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Der 1953 in Weimar geborene und in Krefeld aufgewachsene Autor ist größtenteils im Horror-, SciFi- und Fantasygenre zuhause. 1982 erschien sein Roman Märchenmond, mit dem ihm der Durchbruch gelang. Seither wurden seine Bücher über 35 Millionen Mal verkauft, was ihn zu einem der erfolgreichsten Autoren in unserem Land macht.

Zum Schreiben kam er, weil seine Tätigkeit als Nachtwächter ihn langweilte. Seine anfänglichen Kurzgeschichten wandelten sich bald in Romane. Hohlbein schreibt stellenweise unter verschiedenen Pseudonymen, mal allein und mal zusammen mit seiner Frau Heike, mit der er seit 1974 verheiratet ist und sechs Kinder hat. Von ihr stammte auch die Idee zu seinem Roman Märchenmond. Dieser wurde mehrfach ausgezeichnet und verbuchte nationale wie internationale Erfolge. Über 200 weitere Romane wurden seither veröffentlicht. Diese kamen nicht bei allen und überall gleich gut an. Zumal Hohlbein bisweilen vorgeworfen wird, bereits auf dem Markt befindliche Idee anderer Autoren zu übernehmen und in mittelmäßige bis schlechte Romane umzusetzen.  

Über Nacht ändert sich das Leben der fast 21jährigen Lena, das eindeutig die Tendenz hat, eine Schussfahrt in den Abgrund zu werden. Vorbestraft und auf Bewährung frei, wird sie von ihrem Bewährungshelfer erpresst. Da sie arbeitslos ist, stiehlt sie nicht nur das Geld für besagten Bewährungshelfer zusammen, sondern auch das für den Unterhalt ihrer alkoholabhängigen Mutter. Von ihrem eigenen ganz zu schweigen. Ansprüche hat sie schon lange keine mehr, vielleicht auch nie gehabt. Bei einem ihrer Taschendiebstähle ist sie zur falschen Zeit am falschen Ort und gerät ins Visier einer Verbrecherbande, die ein paar Nummern zu groß für die menschliche Seite in Lena wäre. Dabei lernt sie den Polizisten Tom kennen, von dem sie sich von Anfang an seltsam angezogen fühlt. 

Auf einer weiteren Diebestour kommt sie mit Louise in Kontakt, die ihr nicht nur vor Augen führt, dass sie von ihrer Tätigkeit weiß, sondern noch am gleichen Abend beißt. Dieser Biss ist Segen und Fluch zugleich, denn obwohl sie sich dadurch selbst in eine Blutsaugerin verwandelt, gibt er ihr andererseits die Kraft, sich gegen die Leute zu wehren, in deren Visier sie durch einen dummen Zufall geraten ist. Der Luxus, den ihre Bekanntschaft mit Louise und ihrer Clique mit sich bringt, ist auch nicht zu verachten. Abgesehen davon muss sie erfahren, dass Louise zwar letztlich mittels ihrer Fänge den Stein ins Rollen gebracht hat, dieser aber grundsätzlich bereits bei ihrer Geburt für genau diesen Fall mehr als bereit lag. Und Louise ist nicht allein, zwei weitere Vampirinnen sind bei ihr und helfen Lena mehr oder weniger durch ihre Wandlung. Doch obwohl sie nach einigen Bedenken den Luxus und ihr neues Leben anfänglich genießt, werden ihr die Mordlust und der Blutdurst ihrer Clique bald zu viel. Auch wegen ihrer mehr und mehr erwachenden Gefühle für den Polizisten Tom will sie die Vampirclique wieder verlassen, doch sie hat die Rechnung ohne Louise gemacht.  

Der Schutzumschlag war das Erste, was mir ins Auge fiel. Dunkel, ein einzelnes Auge, darunter eine Art stilisiertes Fragezeichen aus durchscheinenden Flammen (so habe ich es jedenfalls gesehen). Das alles in meiner Lieblingsfarbe blau mit einem Schuss lila. Es brauchte nicht einmal mehr den Klappentext, um mir dieses Buch zu wünschen. Hat es sich gelohnt? 

Zunächst einmal: Wäre im Klappentext nicht explizit Berlin genannt worden, wo sich der Hauptteil der Geschichte abspielt, könnte sie auch in eine beliebig andere Stadt verlegt werden. Detailliertere Beschreibungen beziehen sich lediglich auf einzelne Gebäude bzw. Räume darin. Sie könnte sich auch, sieht man von Kleinigkeiten ab, die einen Bezug zum Jetzt herstellen, in einer beliebig anderen Zeit ereignen. Der Zeitraum wiederum, über den sich die Geschichte zieht, ist auf wenige Tage zusammengefasst, und diese Tage sind randvoll gespickt mit Lesegenuss. 

Doch allen Menschen recht getan, ist bekanntlich eine Kunst, die keiner kann. Und so hat Hohlbeins Vampirgeschichte bereits kurz nach Erscheinen die eine oder andere herbe Kritik einstecken müssen. Von dem Vorwurf noch kurz auf den Zug des momentanen Vampirhypes aufspringen zu wollen bis hin zu einer flachen Geschichte, einfallslos und vorhersehbar, war so einiges dabei. Jemand urteilte gar: Zitat: “Die Sprache ist platt, die Charaktere bleiben seltsam blass, auch die Protagonistin Lena gewinnt über die ganzen zähen 800 Seiten kein Profil.” 

Abgesehen davon, das Hohlbein bereits lange vor Twilight und Konsorten die Chroniken der Unsterblichen herausbrachte, in denen es ebenfalls um Vampire ging, weiß ich nicht,  welche Ausgabe von Hohlbeins Roman er in Händen hielt. Meine Hardcoverausgabe umfasst keine 800 Seiten. Lässt man diese kleine Unstimmigkeit einmal völlig außer Acht, kann ich mich der schlechten Kritik trotzdem und definitiv nicht anschließen. Wobei ich ja zugeben muss, dass ich sowohl Hohlbein gerne lese, als auch ein geouteter Fan des Vampirgenres und in diesem Zusammenhang vielleicht nicht ganz unvoreingenommen bin. Allerdings: Wer kann das schon von sich behaupten? 

Mir hat Wir sind die Nacht gefallen und ich konnte keine wirklich blassen Figuren entdecken. Es ist natürlich nichts bahnbrechend Neues, was Hohlbein auf den Markt gebracht hat. Zumal er das Buch nach dem Drehbuch von Jan Berger, welches wiederum auf einem Drehbuch von Dennis Gansel basierte, geschrieben hat. Aber man muss das Rad auch nicht jedes Mal neu erfinden, um eine Geschichte in Worte zu fassen, die gut zu unterhalten vermag. Der gleichnamige Film ist derzeit in den Kinos. Wie sehr das Buch nun dem Film entspricht, weiß ich nicht, denn ich sehe mir in den seltensten Fällen die Filme der Bücher an, die ich gelesen habe und umgekehrt.  

Armes Opfer der Gesellschaft in einer frauenfeindlichen Welt, in der alle Männer einfach nur schlecht zu sein scheinen, gelangt in eine (Vampir-)Welt von Frauen, die sich selbst zu helfen wissen und sich gegenseitig helfen (jedenfalls bis zu einem gewissen Grad). Ein kleiner Schuss Liebe, ein paar sexuelle Anspielungen, Gewalt. Das mag fast banal sein; stellenweise uraltbekannten Klischees entsprechen. Allerdings – und das ist das Gute an diesem Buch: Hohlbein setzt es spannend um. Er versteht es, diese Story so zu gestalten, dass sie doch wieder wie neu wirkt. 

Die Erzählung von Lenas bisherigem Leben; das Gefühlsdilemma, welches die Wandlung in einen Blutsauger für sie so mit sich bringt; ihre Weigerung sich vollständig zu wandeln; die Beschreibung ihres Hungers, aber auch das Verhalten der Vampire an sich ist glaubwürdig und – trotz des Fantasyelements Vampir – lebensnah gelungen. Mir gefällt, dass die Vampire in ihrer eigenen Welt und doch mitten unter den Menschen quasi direkt Tür an Tür leben. Auch die Verknüpfung einer zunächst perfekt scheinenden, aber brutalen Welt mit Lenas anfänglich aussichtslosem Kleinkriminellendasein passt. Die Geschichte hebt sich mehr als angenehm aus der Masse an Vampirbüchern hervor, die es gerade auf dem Markt gibt, weil die Vampire darin nicht mystisch verklärt werden. Weil die Grenzen gut und böse wieder neu abgesteckt werden. Weil die Liebesgeschichte zwischen Tom und Lena nur angedeutet ist und sich nicht in den Vordergrund drängt. Weil die Vampire als stark und rücksichtslos beschrieben werden. Das macht sie aber nicht automatisch gefühllos oder in allen Situationen unmenschlich. Ihre Andersartigkeit und ihr langes Dasein machen sie zu dem, was sie sind. Dennoch steckt etwas in ihnen, was sich Lena selten zeigt, das sie aber gleichzeitig zutiefst er- bzw. abschreckt. 

Einen kleinen Abzug gibt es allerdings, denn das Ende hat mir – obwohl es trotzdem passt – nicht hundertprozentig gefallen. Es war tatsächlich nicht wirklich überraschend. Das schmälert aber den Gesamteindruck der Geschichte nur minimalst. 

Fazit: 

Wer Hohlbein liest, weiß, dass sein Schreibstil Schwankungen unterworfen ist. Genau deshalb lese beispielsweise ich seine Romane ja so gerne. Wer Vampire mag, sollte auf alle einen Blick in das Buch werfen. Für mich hat es sich gelohnt und ich werde es, nach einer kleinen Pause, garantiert nochmals lesen. Wir sind die Nacht ist nicht nur der Titel des Clubs bzw. der Disco, in der sich Lenas Leben für immer zu ändern beginnt. Es ist auch ein spannendes Buch zum Entspannen. Von mir gibt es deshalb 4,5 von 5 Punkten. 

Copyright © 2010 by Antje Jürgens

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