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8. März 2011

Peñalver, Mónica: Die Flamme und das Schwert

Filed under: Belletristik,Historisch,Roman — Ati @ 12:43

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Mónica Peñalver
Die Flamme und das Schwert

Originaltitel: La espada y la llama
aus dem Spanischen übersetzt von Daniela Pérez y Effinger
Rowohlt Taschenbuch Verlag
ISBN 978-3499253850
ISBN 3499253852
historischer Roman
Deutsche Erstausgabe 2010
Umschlaggestaltung any.way Hanke/Schmidt
Taschenbuch, 352 Seiten
[D] 8.95 €

 

Verlagsseite
Autorenseite 

 

 

Zur Autorin

 

Mónica Peñalver, auch bekannt unter dem Pseudonym Caroline Bennet, wurde 1975 in Asturien geboren. Ihr bevorzugtes Genre ist der historische Liebesroman. 2007 erschienen die beiden unter ihrem Pseudonym veröffentlichten Romane „La dama y el dragón“ und „El corazón de la doncella“. 2008 erschien dann erstmals ein Buch unter dem Namen Mónica Peñalver mit dem Titel „Adorable canalla“, dem dann im Jahr darauf „Estirpe“ und der ins Deutsche übersetzte Roman Die Flamme und das Schwert folgte. Dabei handelt es sich um den ersten Teil einer Mittelaltertrilogie. Der zweite Teil („El mirlo blanco“) wurde in Spanien bereits veröffentlicht, der dritte ist noch in Arbeit.

 

Zum Buch

 

Das Covermotiv wirkt mit seiner Berglandschaft, ein paar Gebäuden und vereinzelten Menschen, dem abend- oder morgendlich gefärbten Himmel im Hintergrund und der jungen Frau mit Perlenschnur im roten Haar, welche ein Schwert im Arm hält, gefällig. Das Motiv zieht sich über das gesamte Buch und nicht nur über die Vorderseite. Die Bindung des mir vorliegenden Exemplars ist leider so, dass sie sehr schnell starke Gebrauchsspuren aufwies, was sehr schade ist.

 

Einleitend wird auf den Zeitrahmen, in dem der Roman spielt, eingegangen. Das Buch selbst umfasst zwei Teile. Den des Schwerts und den der Flamme – den vor und den nach der Hochzeit. Was mir gefallen hat, waren die kleinen Ornamente, die anfangs und innerhalb der Kapitel, die zum Teil recht kurz und damit leicht zu lesen sind, zur besseren Abgrenzung dienen. Diese Ornamente finden sich auch über den Seitenzahlen wieder, was zusammengenommen sehr liebevoll aufgemacht wirkt. Ein Epilog und eine Anmerkung der Autorin runden das Ganze dann ab. Erzählt wird alles in der dritten Person.

 

Doch worum geht es? Laut Inhaltsangabe um das, worum es bei Peñalver meist geht. Also um Romantik, Leidenschaft, Krieger – dieses Mal in eine Landschaft verpackt, die von anderen Autoren für gewöhnlich nicht so beleuchtet wird: ihre Heimat Asturien.

 

WENN DIE LIEBE SPRICHT, SCHWEIGEN DIE WAFFEN. – Lua ist die rebellische Tochter des Stammesfürsten Galo. Sie lebt mit ihrem Clan in den Bergen Kantabriens. Die Winter sind hart, es fehlt an Vorräten. Bei einem Beutezug stiehlt Lua das Pferd eines westgotischen Adeligen: Morvan de Bres, der neue Lehnsherr, soll die Gegend vor Angriffen muslimischer Berberheere schützen. Er erhascht einen kurzen Blick auf die Frau mit dem flammend roten Haar – und ist wie verzaubert. Auch Lua fühlt sich zu dem mutigen Krieger hingezogen. Doch sie hat nicht mit den ehrgeizigen Plänen ihrer Schwester gerechnet. Aia will durch eine Heirat mit Morvan in den Adelsstand aufsteigen – und setzt alles daran, ihr Ziel zu erreichen.

 

Das verrät nicht allzu viel, ich möchte aber nicht weiter auf den Inhalt eingehen, da ich sonst Gefahr laufe, zu viel zu verraten. Genau genommen bezieht sich diese Inhaltsangabe jedoch lediglich auf den ersten Teil. Also vor der Hochzeit, die de Bres anstrebt, damit ihm die Bevölkerung des ihm überlassenen Lehens keine weiteren Scherereien macht.

 

Meine Meinung

 

Gleich vorab. Es handelt sich um einen seichten Liebesroman, in dem die Autorin auf Altbewährtes setzt. Ihr Schreibstil ist flüssig, unterhaltsam und stellenweise sehr amüsant. Die Gefühlskonflikte sind nachvollziehbar und durchaus spannend aufgebaut. Art und Weise, wie die Autorin zwischen ihren Romanfiguren hin und her springt, machen es leicht, sich sowohl in die Geschichte als auch in die Figuren einzufinden. Glaubwürdig sind leider nicht alle Szenen, diese befinden sich vorwiegend am Schluss und betreffen Aia und ihr Verhalten.

 

Die Figuren sind – wie bereits erwähnt – eine Wiederholung dessen, was man schon zuhauf auf dem Markt findet, was sie nicht automatisch schlecht macht. Lua begehrt gegen die ihr zeitgemäß zugedachte Rolle der Frau auf. Wie viele ihrer in anderen Romanen auftauchenden Mitstreiterinnen ist sie rothaarig und nimmt kein Blatt vor den Mund. Spätestens als sie de Bres begegnet, wird ihr jedoch ihre weibliche Seite oder vielmehr das vermeintliche Fehlen derselben äußerst bewusst. Ihr gegenüber steht de Bres – der einsame Streiter. Ein kontrollierter, gefühlsarmer Krieger. Jedenfalls, bis er sie sieht, denn er ist natürlich sofort von ihr verzaubert und genau dadurch immer in Gefahr, seine ansonsten unerschütterliche Ruhe und Stärke und vor allem die Kontrolle über seine Gefühle zu verlieren. Nicht zu vergessen ist natürlich die Widersacherin der weiblichen Hauptfigur – in Fall von Die Flamme und das Schwert in Gestalt von Luas Schwester, die der Liebe der beiden nicht nur im Weg steht, sondern alles in ihrer Macht stehende tut, um sie zu verhindern. Und ganz nebenbei am Ego von Lua säbelt. Last, but not least braucht natürlich auch der männliche Protagonist einen Gegenpart. Clodomirus hat eine alte (vielleicht nicht ganz so nachvollziehbare) Rechnung mit de Bres offen und über ihn erfüllt sich dann gewissermaßen nicht nur Aias, sondern auch Luas Schicksal.

 

Wie gesagt, das eine oder andere Kapitel, der eine oder andere Handlungsfaden ist nicht ganz schlüssig, wirkt aufgesetzt und stellenweise vorhersehbar oder steckt voller Klischees. Das schmälert Peñalvers Roman jedoch nur bedingt und wird in der Regel durch humorige Einlagen – wie etwa Luas nicht vorhandenen Kochkünsten deutlich, mit denen sie neben sich selbst auch einen ganzen Trupp Krieger in einen Rauschzustand versetzt – allemal wettgemacht.

 

Fazit

 

Eine seichte, dennoch kurzweilige Geschichte für die eine oder andere Stunde zur Entspannung, Ablenkung oder reinen Unterhaltung, die unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, vier von fünf Punkten bekommt.

 

Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

 

4. März 2011

Dieckmann, Guido: Die Königin der Gaukler

Filed under: Belletristik,Historisch — Ati @ 12:29

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Guido Dieckmann
Die Königin der Gaukler

Rowohlt Taschenbuch Verlag
ISBN 978-3499254109
ISBN 3499254107
historischer Roman
Originalausgabe 2010
Umschlaggestaltung any.way, Hanke/Schmidt
Taschenbuch, 448 Seiten
[D] 9,95 €

 

Verlagsseite
Autorenseite

 

Zum Autor

 

Mit Königin der Gaukler bringt der 1969 in Heidelberg geborene Autor Guido Dieckmann bereits seinen zehnten Roman auf den Buchmarkt und ist somit kein ganz Unbekannter in diesem Sektor. Nach seinem Studium in Anglistik und Geschichte war er zunächst als Wirtschaftshistoriker für Versicherungen tätig. Wenn er nicht schreibt, ist er unter anderem im Vorstand des Literarischen Forums Neustadt an der Weinstraße tätig. Darüber hinaus ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Quo Vadis, die sich für historische Romane einsetzt. Dieckmanns Romane umfassen verschiedene historische Epochen, er selbst bevorzugt das Spätmittelalter, die Reformationszeit und das 18. Jahrhundert.

 

Nachdem im Jahr 2000 sein erster Roman Die Poetin veröffentlicht wurde, der in seiner Geburtsstadt Heidelberg spielt, folgten Schlag auf Schlag weitere Bücher, unter anderem der unter dem gleichnamigen Titel verfilmte Roman Luther im Jahr 2003. Dieses Buch brachte ihn auch in die Bestsellerlisten und wurde in mehrere Sprachen übersetzt.

 

Zum Buch / Meine Meinung

 

Das grün-rot gehaltene Cover zeigt, neben floralen Mustern, eine junge Frau mit barock wirkendem Gesicht, einer Geige und einem Geigenbogen, passt also schon mal zu dem, was die Verlagsseite oder auch die Rückseite des Taschenbuches verrät.

 

Zitat Verlagsseite/Buchrücken

 

DIE RUNEN DER GAUKLERIN VERKÜNDEN DEN TOD. UND WEITAUS SCHLIMMERES.
Eine Intrige verurteilt die Würzburger Bürgerstochter Regina zu einem Leben als Ausgestoßene. Sie ist dem Tode nahe, als ein Gauklerpaar sie unter die Fittiche nimmt. Mit seiner Hilfe entwickelt sich die einstige Klosterschülerin zur Königin der Gaukler, die sich auch auf das Deuten verbotener Runen versteht. Dies bleibt dem Fürstbischof nicht verborgen. Er entsendet Regina auf geheime Mission ins Taubertal, wo Meister Riemenschneider an einem prachtvollen Altar arbeitet. Unheimliche Vorkommnisse bedrohen das Werk des begnadeten Künstlers. Wer hat ein Interesse daran, den Kult um den Germanengott Wotan wiederzubeleben, dessen steinernes Abbild an der Creglinger Herrgottskirche angeblich Tränen vergießt? Und wer schreckt nicht einmal vor Mord und Grabschändung zurück? Bald ist auch Reginas Leben in Gefahr.

 

Nach dem Lesen der Inhaltsangabe von Die Königin der Gaukler, ahnte ich schon beinahe, dass das, was die erste Zeile (Die Runen der Gauklerin….) so spannend ankündigt, eine eher untergeordnete Rolle spielt. Und mein erster Eindruck hat mich nicht wirklich getäuscht. Erst auf Seite 269 von 441 landet die Gauklerin Regina in Creglingen. Davor wird ihr bisheriges Leben erzählt, wobei große Sprünge gemacht werden. Es beginnt im Prolog – eigentlich vor ihrer Geburt – wo ihrer Mutter bzw. ihrem Vater von einem, das Volk begeisternden der Obrigkeit aber verhassten, Prediger prophezeit wird, dass sie noch ein Kind bekommen – ein Gauklerkind. Danach macht die Geschichte im ersten Kapitel sofort einen Sprung ins Jahr 1496, in ein Kloster, in dem Regina untergebracht ist und man lernt ein junges Mädchen kennen, das auf die erste Liebe hofft und bitter enttäuscht wird. Was so harmlos beginnt, endet für sie nicht nur mit körperlicher Gewalt, es beendet auch ihr Leben im Kloster und ihr Vater verstößt sie. Und alles nur, weil sie ihren Vater, den Stadtvogt auf etwas Unheilvolles in ihrem Kloster aufmerksam machen wollte.

 

Dieses Erlebnis sorgt dafür, dass sich die Prophezeiung des Predigers 20 Jahre zuvor erfüllt. Regina landet bei den Gauklern und wird von diesen nicht nur aufgenommen, sondern darf auch bei ihnen bleiben. Die Gaukler ziehen nur im Kreis Würzburg herum, da die Anführerin Rieke aufgrund einer besonderen Vereinbarung mit dem für Würzburg zuständigen Fürstbischof ein Anwesen nutzen darf. Bevor der Leser sich versieht, sind zehn Jahre vergangen und Regina begeistert nicht nur mit ihrer Geige, die eine besondere Verbindung zu ihrer Vergangenheit und die ihrer Mutter aufweist, sondern auch als Runenleserin die Menschen von denen sie auftritt. Doch da sie Würzburg nie wirklich verlassen hat, gerät sie erneut ins Visier des Menschen, der für ihren Fall von der Bürgerstochter zur Gauklerin verantwortlich ist. Was dazu führt, dass sie nach Creglingen gesandt wird, wo Dinge geschehen, die mit dem heidnischen Gott Wotan in Verbindung gebracht und Runenzeichen gefunden werden. Die Zeit in Creglingen dient dann nicht nur dazu, die seltsamen Vorkommnisse und Todesfälle aufzuklären, sondern auch Reginas Ehre wiederherzustellen. Da dieser Part der Geschichte in meinen Augen etwas zu kurz kommt, möchte ich nicht weiter darauf eingehen.

 

Mit Die Königin der Gaukler halte ich wieder einmal ein Buch in Händen, das mich etwas gespalten zurücklässt. Der Roman ist atmosphärisch eigentlich gut aufgebaut. Die historischen Bezüge sind lebensecht dargestellt, die Grundidee spannend, die Wortwahl und der Erzählstil des Autors so gewählt, dass man ein farbenprächtiges, klares Bild der Zeit vor Augen hat. Doch während im ersten Teil (vor Creglingen) die Personen noch recht deutlich gezeichnet sind, wurden im zweiten Teil so viele in die Handlung eingreifende Personen hereingenommen, dass ihre Charakterisierung eher flach ausfällt. Dadurch konnte ich kein wirkliches Gefühl für diese Figuren entwickeln. Hier wäre zudem eventuell eine Auflistung aller agierenden Figuren hilfreich, wenn auch sehr umfangreich, gewesen.

 

Das Buch wird aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten erzählt. Dabei wechselt Dieckmann die Perspektiven. Zwar laufen alle Handlungsfäden bei Regina selbst zusammen, doch wird mal Regina selbst beleuchtet, mal die Figur des Bildhauers und Kunstschnitzers Riemenschneider, mal die des Arztes Marcello, mal die des Stadtvogtes Babel, und, und, und. Dieser Wechsel versorgt den Leser – manchmal der Spannung abträglich etwas zu früh – mit dem einen oder anderen Detail, das den agierenden Romanfiguren noch fehlt. Die frei erfundene, jedoch mit Bezügen zu historischen Orten und Persönlichkeiten geschriebene Geschichte Reginas ist gespickt mit Intrigen und Unrecht, Glaube und Aberglaube, Verbrechen und Verrat. Als Gegenpol gibt es auch Liebe und Treue, wobei dies in einem relativ ausgewogenen Verhältnis erzählt wird. Dennoch scheint etwas zu fehlen. Doch vielleicht – aufgrund des in einem Handlungsfaden offenen Endes – gibt es ja eine Fortsetzung.

 

 

Fazit

 

Ein farbenprächtiger Roman für einen gemütlichen Leseabend. Leider hat er mich nicht völlig ins Geschehen gezogen, weshalb ich nur 3,5 von 5 Punkten vergeben möchte.

 

Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

 

3. März 2011

Kaffke, Silvia: Das dunkle Netz der Lügen

Filed under: Belletristik,Historisch,Krimi/Thriller,Roman — Ati @ 16:55

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Silvia Kaffke

Das dunkle Netz der Lügen

 

Wunderlich Verlag

ISBN 978-3805208895

ISBN 3805208898

Historischer Kriminalroman

1. Auflage 2010

Umschlaggestaltung Hafen Werbeagentur

Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag, 496 Seiten

[D] 19,95 €

 

Verlagsseite

Autorenblog

 

Zur Autorin

 

Silvia Kaffke ist auf dem deutschen Buchmarkt längst keine Unbekannte mehr. Die 1962 in Duisburg/NRW geborene und ihrer Heimatstadt treu gebliebene studierte Publizistin, Germanistin und heute im PR-Management tätige Autorin bedient sowohl das aktuelle wie auch das historische Krimigenre. Handlungsort ist dabei Deutschland. Von 2000 bis 2006 erschienen insgesamt vier Romane um die BKA-Profilerin Barbara Pross; 2001 wurde der Erste davon mit Ann-Kathrin Kramer in der Hauptrolle von SAT1 verfilmt. 2008 wurde dann Kaffkes erster historischer Roman verlegt. Er beginnt eine Romanreihe um Lina Borghoff, die in dem Stadtteil spielt, in dem die Autorin lebt. Ihre berufliche Laufbahn brachte Kaffke neben einer Tätigkeit als Texterin, Lektorin und Sekretärin unter anderem zum Duisburger filmforum. Von der Stadt Düsseldorf wurde sie im gleichen Jahr, in dem auch ihr erster Roman „Messerscharf“ erschien, mit dem Kulturförderpreis ausgezeichnet.

 

Zum Buch

 

Der Hochglanz-Schutzumschlag zeigt rauchende Fabrikschlote, einen brennenden Himmel, eine schwach-leuchtende Gaslaterne, altmodisch gekleidete Menschen und eine düstere Straßenszene – kein Wunder, laut Umschlagtext soll mich die Geschichte ja nach Ruhrort ins Jahr 1861 bringen. Das Cover passt sehr gut zum Inhalt des Romans. Gefallen haben mir in diesem Zusammenhang auch die beiden Stadtpläne ganz vorne und ganz hinten im Buch. Was das Lesen etwas erleichtert hätte, fehlt leider – eine Auflistung der Personen, die in der Geschichte vorkommen. Doch das ist nur ein kleines Manko. Nach dem Prolog kann man sich nach Herzenslust in den folgenden 15 Kapiteln austoben, bevor der Roman mit einem kleinen Epilog und einer Danksagung der Autorin endet.

 

Doch zurück zum Roman:

 

Zitat Umschlagtext

 

Ruhrort, 1861: Dunkle Zeiten im Land von Stahl und Kohle

 

Lina hat es geschafft: Ihr kleiner Modesalon ist in aller Munde. Wie viele Bewohner des Städtchens hat sie die Aufbruchstimmung der letzten Jahre genutzt und sich nach ihrer Hochzeit mit Kommissar Robert Berghoff selbstständig gemacht. Ihre Welt wird erschüttert, als Anna Jansen erstochen wird. Wer hatte einen Grund, ihrer besten Näherin nach dem Leben zu trachten?

 

Doch das ist erst der Anfang. Ein weiterer Mord geschieht. Und während ganz Ruhrort den traditionellen Maiball begeht, werden die Villen reicher Bürger geplündert. Nicht nur der Polizei fällt auf: Die Taten waren gut geplant, zeugen von genauer Kenntnis der Örtlichkeiten und Besitztümer. Und: Sie betreffen ausschließlich Linas Kunden. Misstrauen schlägt ihr entgegen. Gestern noch eine angesehene Bürgerin Ruhrorts, muss Lina nun ihre Ehre verteidigen. Dabei steht nicht nur ihr Ruf auf dem Spiel.

 

Meine Meinung

 

2008 erschien ja, wie bereits erwähnt, Kaffkes erster historischer Roman „Das rote Licht des Mondes“ der sich ebenfalls um Lina, die Protagonistin von „Das dunkle Netz der Lügen“ drehte. Ich muss gestehen ich habe das Buch nicht gelesen und auch erst hinterher bemerkt, dass es da einen Vorgängerband gibt. Man kann also diesen zweiten Roman ohne Probleme lesen, wenn man das Vorgängerbuch nicht kennt.

 

Eheliche Gewalt, Ehebruch, Sorgerechtsstreitigkeiten, Erpressung, Raub und Mord, die Wirtschaftskrise. Eine Plage der Gegenwart? Mitnichten. All dies begegnet uns auch in Kaffkes zweitem historischen Kriminalroman. Doch das ist es nicht allein. Hier wird auch klar, wie undenkbar den Menschen von damals unser heutiges Leben vorkommen müsste, könnten sie denn einen Blick darauf werfen. Unser relativ leichter Zugang zu Grundnahrungsmitteln und Wasser, medizinischer Versorgung oder auch eine Verbrecherjagd mit allen verfügbaren technischen Mitteln.

 

Kaffke führt ihre Leserschaft nicht nur in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts in einen damals noch als Vorort existierenden Stadtteil Düsseldorfs um sie dort an einem Kriminalfall teilhaben zu lassen. Sie unterhält darüber hinaus detailreich und verknüpft in spielerischer Leichtigkeit verschiedene Handlungsstränge. Historische Kulissen, wie etwa ein Stahlwerk oder die seit den 1960er-Jahren nicht mehr vorhandene Altstadt, sind genauso geschickt eingeflochten. Die dargestellten Charaktere – ob nun Haupt- oder Nebenfiguren, Sympathieträger oder eher verhasste Gestalten – sind klar und lebendig gezeichnet. Und das, obwohl man gleich von Anfang an mit vielen zurechtkommen muss. Sie sind nicht extrem selbstlos, besonders schön oder allzu heroisch. Viel eher sind es Menschen, die einem im täglichen Leben begegnen könnten. Harmonisch scheint es einzig im Haus der Protagonistin zwischen ihr und ihrem Ehemann zuzugehen. Ansonsten sind alle Stärken und Schwächen, alle Tiefen und Höhen der menschlichen Psyche vorhanden. Die Figuren gehören allen sozialen Schichten an. Teilweise wurden sie mitleiderregend, Verständnis heischend oder auch abstoßend gezeichnet – doch immer detailliert und lebendig. Kein Charakter wirkt aufgesetzt oder unglaubwürdig. Es gibt Personen, die vielleicht auf den ersten Blick überflüssig wirken mögen, auf den zweiten jedoch sehr gut hineinpassen. Alle sind sie sorgfältig konstruiert – genau wie die Handlung. Alles und jeder trägt einen kleinen Part zum großen Ganzen bei.

 

Mit klarer Sprache schildert die Autorin die damaligen Lebensumstände. Sie bedient sich dabei – wie bereits erwähnt – mehrerer Handlungsstränge. Erzählt werden sie alle aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten. Kaffke schafft eine etwas düstere Grundatmosphäre, die die harten Lebensumstände umso glaubwürdiger wirken lässt. Obwohl dieser Roman eindeutig in das Genre des Kriminalromans passt, ist das Verbrechen darin nicht im Vordergrund. Diebstahl, Mord, Körperverletzung, Erpressung – all das kommt vor. Doch obwohl die Nebenschauplätze, wie etwa die Arbeit in der kräftezehrenden Stahlhütte, der halbwegs sichere, nicht weniger harte Alltag der Näherinnen, die Plackerei von Mägden und Knechten, fast genauso viel Raum einnehmen, wirken sie nicht störend oder überdeckend. Vielmehr vereint sich alles zu einem sehr real wirkenden Bild des Lebens zu dieser Zeit, an diesem Ort.

 

Die Wortwahl der Autorin sorgt einerseits dafür, dass sich die Geschichte sehr locker und flüssig lesen lässt. Der stetige Wechsel von gut zu böse, von fatalistisch zu tatkräftig, von reich zu arm, von Handlungsstrang zu Handlungsstrang, erfordert jedoch etwas Konzentration. Zwar verknüpft die Autorin die Einzelstränge sehr verschickt und sauber und lässt keinen davon im Nichts verlaufen. Gleichzeitig liegt hier jedoch auch eine kleine Schwäche. Durch diesen stetigen Wechsel weiß der Leser zwangsläufig mehr als die Figuren. Das lässt ihn einerseits mitfiebern oder mitleiden, andererseits raubt es stellenweise etwas von der Spannung einer Geschichte, die weniger auf besonders schwierig zu lösenden Fällen, als vielmehr auf Abgründen der menschlichen Spezies und ihrer psychologischen Beweggründe fußt.

 

Fazit

 

Einige verknüpfte Kriminalfälle vor einem authentisch wirkenden historischen Hintergrund. Trotz kleinerer Schwächen habe ich mich gut unterhalten gefühlt und möchte vier von fünf Punkten vergeben.

 

Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

 

 


1. März 2011

Pfeiffer, Isabel: Das Sündentuch

Filed under: Belletristik,Historisch — Ati @ 15:56

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Rowohlt Taschenbuch Verlag
ISBN 978-3499255021
ISBN 3499255022
historischer Roman
2. Auflage 2010
Taschenbuch, 560 Seiten
[D] 9,99 €

Verlagsseite
Autorenseite

Zur Autorin 

Viel habe ich nicht über sie gefunden. Nur das, was unter anderem auch auf ihrer eigenen Homepage oder der Verlagsseite zu finden ist. Die 1961 geborene Autorin war vor Beginn ihrer schriftstellerischen Laufbahn als Ärztin in der Neurologie und Psychiatrie tätig. Sie ist verheiratet und hat drei Söhne. Die Untiefen der menschlichen Psyche interessierten sie nicht nur beruflich, sie ziehen sich auch als roter Faden durch ihre Romane.  Ihr Debütroman Niemandstochter erschien im Jahr 2009 beim Wunderlich Verlag, trug dort jedoch den Titel die Puppennäherin. Genau wie bei ihrem aktuellen Roman handelt es sich dabei um einen historischen Roman. 

Zum Buch / Meine Meinung

 

Zitat Inhaltsangabe:

 

Liebe und Verbrechen im mittelalterlichen Ravensburg – Christine lebt als Ehefrau eines reichen Tuchhändlers in einem prächtigen Ravensburger Bürgerhaus. Aber ihre Ehe steht unter keinem guten Stern. Als sie sich heimlich Geld bei einem jüdischen Pfandleiher borgt, ist ihr nicht bewusst, was für fatale Folgen dies hat: Nicht nur findet ihr Mann bald heraus, was sie hinter seinem Rücken getan hat – Christine hat sich in den Juden verliebt und ist auf dem besten Weg, eine Todsünde zu begehen …  

Damit ist schon mal eine der weiblichen Hauptfiguren benannt. Die Zweite wird hier nicht erwähnt, hat aber in meinen Augen ebenfalls einen sehr großen Part in der Geschichte, zumal sich ihre Wege mit denen von Christine kreuzen. Doch anfangs könnte ihr Leben nicht gegensätzlicher sein. 

Während Christine Köpperlin zunächst noch in scheinbarer Sorglosigkeit lebt, sich um Blumengärten kümmern kann und finanziell allein schon durch ihre Ehe mit dem reichen Tuchhändler Frick abgesichert ist, muss sich Gerli von klein auf gegen alle Widrigkeiten zum Trotz durchkämpfen. Sie ist früh mit ihrem kleineren Bruder von zuhause geflohen und lebt mit diesem genau wie Christine im hochmittelalterlichen Ravensburg. Während sie in einer Papiermühle schuftet und darauf hofft, dass der Müller sie eines Tages heiratet, betätigt sich ihr eigener Bruder lieber als ihr Zuhälter als sich ehrlicher Arbeit zu widmen. Abgesehen davon gibt er ihr Geld mit schöner Regelmäßigkeit für Wetten und Alkohol aus. 

Adversativer könnte das Leben dieser beiden Frauen nicht sein. Doch der Schein trügt. Obwohl Christine nicht wie Gerli täglich neu ums Überleben kämpfen muss, bedeutet das nicht, dass sie glücklich ist. Ihre Ehe mit dem mehrere Jahre älteren Frick ist kinderlos, er selbst rücksichtslos, untreu und bisweilen gewalttätig. Und eines Tages macht er etwas, was seine Frau bis ins Mark trifft, ohne dass sie sich groß dagegen wehren kann: Er holt seinen unehelichen Sohn und später auch dessen Mutter in ihr eigenes Haus.  

In Ravensburg gibt es auch ein Judenviertel. Der Arzt David, der schon lange nicht mehr seinem Beruf nachgeht, dem genau wie allen anderen Juden, im damaligen Europa Misstrauen, Neid und Gewalt entgegenschlägt, muss zusammen mit seiner Familie sein tägliches Brot als Geldverleiher verdienen. Eines Tages steht Christine in seiner Tür. Sie benötigt dringend Geld. Als Pfand bringt sie ein Seidentuch mit – ein Geschenk ihres Mannes. Und wofür? Für eine Flöte, mit der sie ausgerechnet Ludwig, den unehelichen Sohn ihres Mannes, eine Freude machen möchte, der mit dem Umzug nach Ravensburg kreuzunglücklich ist. 

Mit dieser Begegnung nimmt nicht nur die sich zart anbahnende Liebesgeschichte zwischen David und Christine ihren Lauf, sondern auch das Unglück. Als Ludwig eines Tages verschwindet, fällt der Verdacht auf die Juden. Es wird weniger nach dem Täter als nach einem Sündenbock gesucht. Und mit dem einsetzenden Kesseltreiben gerät auch Christines Leben ins Trudeln. Tiefer als sie dabei fällt, kann eine Frau ihrer Gesellschaftsschicht kaum fallen. Gleichzeitig scheint sich zumindest für Gerli, die sie in diesem Zusammenhang kennenlernt und mit der sie sich anfreundet, ein kleiner Hoffnungsschimmer abzuzeichnen.  

Isabel Pfeiffer schafft es in ihrem zweiten Roman nicht nur sehr gut, die privilegierte Christine lebensnah darzustellen, sie zeichnet gleichwohl das klare Bild einer jungen Frau, die das genaue Gegenteil erlebt. Doch obwohl es die Autorin mit ihrem flüssigen, lebensnah und lebendig wirkenden Erzählstil mir ermöglicht hat, mich leicht in diese beiden Figuren einzufinden, gab es bedauerlicherweise die eine oder andere Länge. Dass ich dennoch weitergelesen habe, lag daran, wie verständlich sie die Situation der beiden Frauen geschildert hat. Ihre soziale Abhängigkeit in einer männerbestimmten Welt. Die Kompromisse, die sie eingehen mussten. Die teilweise fatalistische Haltung, die sie dabei einnahmen. Wie gesagt – die Lebensumstände wurden sehr interessant geschildert und dargestellt. Die Spannung mithilfe des plötzlichen Verschwindens von Ludwig gesteigert.  

Leider blieb aber die eigentliche Liebesgeschichte und mit ihr David, der zusammen mit seiner Familie als Beispiel für die mittelalterliche Judenverfolgung dient, etwas zu nebensächlich, zu verschwommen. Obwohl ich andererseits nicht behaupten kann, dass der politische Aspekt in dieser Sache (Judenverfolgung) nicht deutlich wird, finde ich diesen Part etwas zu flach dargestellt. Darüber hinaus schlich sich durch die Perspektivwechsel zwischen dem Leben von Gerli und Christine sehr früh eine gewisse Vorhersehbarkeit ein, was die Spannung für meine Begriffe auf einem eher geringen Level gehalten hat.

Fazit

Ein guter Grundgedanke wurde hier in einen nachvollziehbar historischen Rahmen gepackt. Kleinigkeiten sorgten für ein paar Längen, trotz allem habe ich mich gut unterhalten gefühlt und vergebe 3,5 von 5 Punkten.

copyright © 2010 by Antje Jürgens (AJ)

 

Meyer, Axel S.: Das Buch der Sünden

Filed under: Abenteuer,Belletristik,Historisch,Krimi/Thriller,Roman — Ati @ 11:51

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Axel Meyer
Das Buch der Sünden

 

Rowohlt Taschenbuch Verlag
ISBN 978-3499253805
ISBN 3499253801
Historischer Roman
Originalausgabe 2010
Umschlaggestaltung any.way, Katrin Günther
Taschenbuch, 784 Seiten
[D] 9,95 Euro

 

Verlagsseite
Autorenseite

 

Zum Autor

 

Vielleicht liegt es daran, dass er in der Stadt Heinrich des Löwen zur Welt kam, wenn auch erst 1968 und nicht zu Zeiten der historischen Persönlichkeit. Jedenfalls lebte und lernte Axel S. Meyer bis zur Beendigung seines Studiums in Germanistik und Geschichte dort. Heute lebt und arbeitet er in Rostock als Zeitungsreporter und Redakteur.

 

Zum Buch / Meine Meinung

 

Obwohl ich diverse negative Kommentare gelesen habe, hat mich das Buch neugierig gemacht. Nachdem es im letzten August erschienen war, wurde bereits im Oktober 2010 die dritte Auflage herausgebracht. Nachdem der Autor 2009 bei einer Verlagsausschreibung von Rowohlt damit den ersten Preis belegt hatte, wurde er in diesem Jahr zusätzlich mit Platz 26 bei einem Lovelybooks-Wettbewerb bedacht. Und das alles mit einem Debütroman.

 

Worum geht es darin?

 

Zitat Inhaltsangabe

 

Im Jahr 845 bringen die Normannen den Tod nach Paris. Die Mörder kommen über die Flüsse: Am Morgen besetzen 120 Drachenboote die Seineinsel, am Abend sind die Straßen mit Leichen übersät. Brandgeruch liegt in der Luft.

Hilflos muss der junge Odo mit ansehen, wie sein Vater getötet und seine Mutter verschleppt wird. Er schwört Rache. Jahre später fällt ihm im Kloster St. Gallen eine Schrift in die Hände: Das Buch der Sünden. Es prophezeit den Untergang der heidnischen Welt – sobald die sieben Todsünden gesühnt sind. Besessen von der Idee, dieses Werk zu verrichten, macht sich Odo auf den Weg nach Norden. In die gottlose Stadt der Wikinger, nach Haithabu ….

 

Was dabei unerwähnt bleibt, dennoch einen großen Raum einnimmt, parallel läuft und sich stellenweise mit dem in der Inhaltsangabe beschriebenen Handlungsstrang vermischt, ja sogar verbunden ist, ist die Geschichte des Schmiedes und späteren Woiwoden Helgi. Von seiner Liebe zu der Sklavin Runa. Von der Andeutung und Erahnung von Runas Vergangenheit. Von ihrer Flucht in Runas Heimat. Ich nenne Runa jetzt einfach weiterhin Runa, obwohl die spätestens nach Ankunft in ihrer alten Heimat ihren ursprünglichen Namen zurückerhält. Von seinem beziehungsweise ihrem neuen Leben.

 

Der Roman beginnt mit einer Offenbarung des Johannes (wie übrigens alle der folgenden sieben Buchteile), dann folgen zwei Karten, bevor es mit dem ersten Teil in Paris losgeht, der im Jahr 845 um die Osterzeit spielt. Der zweite Teil führt uns im Herbst 861 bis zum Frühjahr 862 nach St. Gallen. Im Dritten lenkt der Autor unser Augenmerk im Sommer 863 nach Haithabu, während der Vierte in Rujana von Sommer bis Herbst des gleichen Jahres spielt. Der fünfte Teil steuert zurück nach Haithabu und umfasst den Zeitraum von Herbst 863 bis Frühjahr 864, der Sechste bringt und wiederum nach Rujana, dieses Mal im Frühjahr 864, bevor der siebte und letzte Teil erneut um die Osterzeit im Jahr 864 nach St. Gallen zurückführt. Im Epilog macht die Geschichte nochmals einen Sprung nach Haithabu. Wir begleiten zumindest Odo also über einen Zeitraum von 19 Jahren, wobei aber große Sprünge gemacht werden. Ein Nachwort rundet alles ab. Alle Teile sind in kurze Kapitel gefasst, was das Lesen erleichtert. Gleichwohl gibt es einige Längen, die es wiederum stellenweise erschweren.

 

Mit dem Roman hat man sowohl einen Krimi/Thriller – es geschehen einige grausame Morde, ganz abgesehen davon, dass die Zeit damals sehr brutal dargestellt wird – als auch eine Liebesgeschichte in der Hand. Die Liebesgeschichte spielt sich vor dem Hintergrund der recht trostlos beschriebenen damaligen Welt ab. Das mindert sie nicht zwingend – wer jedoch auf einen Liebesroman mit reinem Happy-End-Feeling spekuliert, wird vielleicht etwas enttäuscht. Historische Bezüge zu heute noch existierenden Orten sind da, Meyer baut geschichtlich belegte Personen in seine fiktive Geschichte ein. Es wird sowohl das Problem der Christianisierung beschrieben, als auch das eigentliche Leben der Dänen und Wikinger, die ja nicht nur als Seefahrer und furchtlose Krieger zugange waren.

 

Ich bin ehrlich gestanden etwas gespalten, was meine Meinung zu dem Buch betrifft. Einerseits beschreibt Meyer sehr plakativ die damaligen Lebensumstände. Die Morde gehen weder unter noch werden sie bei aller Brutalität übertrieben blutrünstig dargestellt. Runas Rechtlosigkeit in ihrer Zeit als Sklavin, die Armut, die Emotionen der Romanfiguren – all das vermag der Autor glaubwürdig zu vermitteln. Der Wandel des Waisenjungen und späteren Mönchs Odo zum Verfechter seiner fanatischen Ideologie ist so beschrieben, dass sie angesichts seines kindlichen Traumas erklärbar ist. Soweit so gut.

 

Doch die Geschichte verliert immer wieder genau diese Glaubwürdigkeit durch das gleichzeitige Einbringen von Zufällen, die in manchen Passagen einfach zu viel sind. Logischerweise muss Odo auf das Buch der Sünden treffen, es finden, um sein Verhalten zu rechtfertigen. Doch die Weise, wie das in dieser Geschichte geschieht, überzeugt mich nicht. Logischerweise muss er das Schicksal seiner Mutter eruieren, damit der Handlungsbogen von Helgi und Odo zu einem schlüssigen Ende kommt. Angesichts des kurzen Zeitraumes, in dem Odo dies gelingt, hapert es aber schon wieder an meinem Verständnis dafür. Logischerweise muss Odo eine sichere Basis (sprich den kleinen Orden in Haithabu) für sein Vorhaben finden. Die Umstände, die dazu führen, sind aber eben sehr zufällig.

 

Es gibt kleinere Nebenstränge. Beispielsweise die abgrundtiefe Feindseligkeit zwischen Runa und ihrer Schwester. Woher der Hass derselben kommt, arbeitet der Autor nicht genau heraus. Er nutzt ihn in meinen Augen einfach als Mittel, die Geschichte gegen Ende noch einmal hochzuputschen. Fast scheint es, als würde Meyer sich in zu vielen Nebenschauplätzen verlieren. Doch das stimmt nur bedingt. Zumindest teilweise führen wie einfache Füllkapitel wirkende Passagen tatsächlich letztendlich irgendwie zum Ende des Gesamthandlungsbogens. Ebenfalls negativ aufgefallen ist mir eine gewisse Vorhersehbarkeit, die mal schwächer, mal stärker ausgeprägt daherkommt. Leider wirkt das tödlich auf die Spannung, die dadurch kein wirklich hohes Level erreicht. Und auch die vielen, vielen lebensbedrohlichen Situationen, in die beispielsweise Helgi kommt, sind mir etwas zu überzogen dargestellt. Mag sein, dass das mit der damaligen Zeit zusammenhängt, in der man sich seines Lebens nicht sicher war. Doch auf mich wirkt es einfach so, als ob die Spannung künstlich aufgeputscht wird. – Was schade ist, denn der Schreibstil Meyers hat das im Grunde genommen nicht nötig. Das Ende selbst könnte aus Hollywood stammen. Zwar explodiert nichts, aber etwas zu blutig wird es spätestens jetzt allemal und wie alte Westernhelden schaffen es auch die Figuren in Meyers Roman noch das eine oder andere mit übermenschlich wirkender Kraft in Angriff zu nehmen und gar zu erledigen, bevor sie denn sterben. Von dramatisch einstürzenden Gebäuden, just an dem Ort, an dem Odo seinen Plan vollenden will, ganz zu schweigen.

 

Dennoch, obwohl diese Sachen es mir stellenweise sehr schwer gemacht haben, den Roman zu Ende zu lesen, war gleichzeitig etwas darin, das mich immer wieder zum Weitermachen angestachelt hat. War es die Hoffnung, dass sich die Schwächen in nichts auflösen? Der sympathisch dargestellte Helgi? Der völlig unsympathische, doch seltsam diffus bleibende Soziopath Odo? Die Neugier, weil Haithabu und Rujana gleich um die Ecke liegen und ich einfach hinfahren könnte (obwohl natürlich so gut wie nichts mehr von damals im Heute vorhanden ist)? Ich weiß es wirklich nicht.

 

Fazit

 

Ein durchaus opulenter Roman, der aber die eine oder andere Schwäche aufweist. Kein Lesequickie, man sollte dabei bleiben, damit der Handlungsfaden nicht verloren geht. Die Geschichte hat mich nicht wirklich überzeugt und gepackt. Aber auch nicht endgültig abgeschreckt. Deshalb 3 von 5 Punkten für Meyers Debütroman.

 

Copyright © 2010 by Antje Jürgens (AJ)

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