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15. Oktober 2012

Spencer, Kristy & Tabita Lee: Dark Angels’Fall – Die Versuchung

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Verlag: Arena
ISBN: 9783401067858
ISBN: 3401067850
Fantasy, Jugendbuch (empfohlenes Alter 14 – 17 Jahre)
1. Auflage 08/2012
Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag, 483 Seiten
[D] 18,99 €

 

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Roman-Reihe 

 

Spätestens seit dem Erfolg des Auftaktromans der Dawna-und-Indie-Tetralogie (Dark Angels‘ Summer – Das Versprechen) und der damit verbundenen Veröffentlichung des Folgebandes ist bekannt, wer sich hinter den Pseudonymen Kristy und Tabita Lee Spencer verbirgt. Das Schwesternpaar Beate Teresa und Susanne Hanika ist auf dem deutschen Buchmarkt nicht ganz unbekannt. Während die 1976 geborene Beate Teresa mit mehreren Preisen für ein Jugendbuch prämiert wurde, schaffte es die acht Jahre ältere Susanne, eine erfolgreiche Kriminalromanreihe um ihre Ermittlerin Lisa Wild zu platzieren. Anlässlich der aktuell laufenden Buchreihe, die ihr erstes gemeinsames Projekt ist, dachten sie sich jedenfalls neue Namen aus, die passend zum Handlungsort und den Figuren der Dark-Angels-Reihe amerikanisch angehaucht anmuten. Auch die Informationen, dass ein Traum zu dieser Reihe inspirierte, dass sie gemeinsam auf einem einsamen Anwesen leben und gerne gemeinsam am frühen Morgen ausreiten, passen dazu. Das Anwesen liegt jedoch in Europa, genauer gesagt bei Regensburg.  

Für die Buchreihe ist es im Grunde genommen auch nebensächlich. Viel wichtiger ist es, dass man vor Dark Angels‘ Fall – Die Versuchung bereits den Auftaktroman gelesen hat. Ansonsten fehlt einfach etwas.

In diesem ersten Band entdecken die beiden Mädchen Indie und Dawna, dass sie nicht ganz so normal sind, wie sie bisher dachten. Und dass die Welt nicht so sicher ist, wie es scheint. Azrael, der Engel des Todes, soll erweckt werden und es ist an ihnen, diese Erweckung zu verhindern und quasi die Welt zu retten. Eine Grundidee also, die variierend immer wieder mal auf dem Buchmarkt auftaucht, dieses Mal mit Dunklen Engeln. Zwar ist es den beiden Teenagern gelungen, ihre Aufgabe bisher zu erfüllen, doch die Gefahr ist nicht gebannt.  

Nach der Schließung eines Engelstores sind einige dunkle Engel übrig geblieben, die ihr Unwesen in der Nähe der Mädchen und rund um Whistling Wing, der Farm die bisher ein sicherer Zufluchtsort war, treiben. Nach wie vor warten sie darauf, dass die Mädchen einen Fehler machen, der dafür sorgt, dass Azrael zurückkehren kann. Die dunklen Engel, die sich noch im ersten Teil eher als Vögel Schaden anrichten konnten, können nun zunehmend menschliche Gestalt annehmen. Ungefährlicher werden sie dadurch jedoch nicht. 

Während die beiden Schwestern noch im ersten Teil in den 33 Tagen, an denen sie gleich alt waren, über besondere Kräfte verfügten, fehlen ihnen diese Kräfte jetzt. Ausgerechnet jetzt, während die Dunklen Engel sich Whistling Wing immer mehr nähern. Ausgerechnet jetzt, wo Dawna über Mileys Verschwinden verzweifelt ist, der ebenfalls mehr ist, als er anfangs schien. Nebenbei kommt sie Dusk näher, der – es lebe das Fantasy-Genre – natürlich auch mehr als ein Hund beziehungsweise Wolf ist, während Indie gleichzeitig mehr oder weniger erfolgreich versucht, den Dunklen Engel Gabe auf Abstand zu halten, der dank den Gefühlen zu ihr menschliche Züge wie Mitgefühl und Liebe empfindet.  

Genau wie im Cover des Auftaktromans sieht man zwei junge Mädchen Rücken an Rücken stehen. Während dort passend zum Titel Sommerblumen zu sehen waren, sieht man auf dem Umschlag des zweiten Bandes herabfallendes Laub und Wind wirbelt die Haare der Mädchen auf. Dieses Motiv passt sehr gut, denn es deutet an, dass die Mädchen mehr oder weniger auf sich gestellt und aufeinander angewiesen sind.  

Auch in Dark Angels‘ Fall – Die Versuchung wird abgesehen vom Prolog jeweils ein Kapitel von Indie und dann eines von Dawna erzählt. Da diese Kapitel in der Ich-Form geschrieben sind, erfährt man trotz ständiger Perspektivwechsel nur die Sicht der Schwestern, ihre Vermutungen, Wünsche, Ängste. Um das Erkennen wer was erzählt zu erleichtern, hat der Arena-Verlag Indies Kapitel jeweils am Anfang bzw. unten auf den Seiten mit einer pinkfarbenen und Dawnas Kapitel mit einer schwarzen Feder verziert und man findet darüber hinaus auch den entsprechenden Namen über dem jeweiligen Kapitel. Zusätzlich kann man am mal eher wütend und frustrierten und dann wieder hilflos und ängstlichen Tonfall erkennen, wer gerade zu Wort kommt.  

Im zweiten Teil kommen weitere Geheimnisse und Figuren hinzu und die Mädchen merken mehr und mehr, dass es kaum jemanden gibt, dem sie trauen können. Die, die ihnen vertrauenswürdig vorkommen, fallen nicht nur im ersten Band den dunklen Engeln zum Opfer. Die, die ihr Vertrauen nicht verdienen, scheinen zumindest zeitweise auf ihrer Seite zu stehen.  

Das klingt spannend. Doch bedauerlicherweise liegt genau in dem Versuch, dadurch weitere Spannung aufzubauen, ein Manko. Denn es werden so weder die noch offenen Fragen des ersten Bandes geklärt, noch werden neu aufkommende Fragen erschöpfend beantwortet. Was im Auftaktroman noch damit erklärt werden kann, dass die Leser an die Thematik herangeführt werden sollen, sorgt nun auch im zweiten Band für unnötige Längen. Die offenen Fragen aus dem ersten Band stören in Kombination mit weiteren Fragen, Andeutungen und Geheimnissen im zweiten Band den Lesefluss bzw. lassen diesen erst gar nicht so richtig aufkommen. Und so lässt auch die im ersten Band aufgebaute geheimnisumwitterte Atmosphäre im zweiten Band bedauerlicherweise deutlich nach. Die Wiederholung bestimmter Aussagen im Hinblick auf die Gefahr sorgt für keine Steigerung, sondern generiert die bereits angesprochenen Längen. Auf den 483 Seiten von Dark Angels‘ Fall – Die Versuchung steht zwar vieles, aber im Grunde erfährt man nichts bahnbrechend Neues und die Geschichte entwickelt sich nicht wirklich weiter.  

Die beiden Figuren tun das dennoch mehr oder weniger. Dawna, die noch im ersten Band eher ruhig und eine Ja-Sagerin war, ist mittlerweile eigenwillig, fast trotzig-bockig, macht sich ständig Gedanken um die drohende Gefahr und die Abwendung derselben. Sie ist nicht mehr ganz so introvertiert wie im ersten Teil. Im Gegenzug dazu zeigt sich Indie mit ihrem lockeren Mundwerk in Dark Angels‘ Fall – Die Versuchung zeitweise verletzlich und hilflos, nachdenklicher als im Vorgängerband. Bedauerlicherweise macht das die Sache für LeserInnen nicht zwingend spannender.  

Angesichts der Brisanz, die das Wissen um einen drohenden Untergang der bisherigen Welt mit sich bringen dürfte, denken sowohl Indie als auch Dawna sonderlich weit im Hinblick auf ihre Bestimmung. Das erklärt sich auch nicht dadurch, dass die beiden Mädchen quasi von niemandem wirklich eingeweiht mit dem Geschehen konfrontiert werden. Dawnas Gedanken drehen sich im zweiten Band der Reihe vorwiegend um den verschwundenen Miley. Doch ist ihre Suche nach ihm mutig gestaltet? Glaubwürdig? Wohl kaum, denn in diesem Zusammenhang übersieht sie nicht nur mehrfach drohende Gefahren, scheint sie fast zu negieren und benimmt sich eher wie ein typischer Teenager, der in mehr als blindem Aktionismus handelt. Zwar kann man jetzt einwenden, dass sie ja genau das ist, doch sollte man angesichts der ständig angedeuteten Gefahr, in der sie sich, Indie und überhaupt die Welt wähnt, doch irgendwie annehmen, dass sie besonnener reagiert. Dass sie Indie dadurch in unnötige Gefahrensituationen mit hineinzieht, scheint ihr übrigens vollkommen egal zu sein. Gleichzeitig wirkt es wenig einleuchtend und unpassend oberflächlich, wenn sie die ach so drängende Suche nach Miley und mehr noch die mehr oder weniger permanente Flucht vor den Dunklen Engeln unterbricht bzw. vergisst, weil mal eben ein paar Gäste für die Engelsseminare ihre Mutter vom Bahnhof abgeholt werden müssen. Auch Indie denkt beständig an die Gefahr an sich. Jedoch: Immer nur zu insistieren, wie gefährlich etwas ist, macht die Sache für LeserInnen nicht spannender oder manche der Gedankensprünge der Mädchen keineswegs nachvollziehbarer.  

Wenig überzeugend wirkt auch der Erzählstrang um ihre Mutter und deren Verdacht, schwanger zu sein. Überhaupt, das Engelsseminar oder allgemein das alltägliche Leben um die grundsätzlich doch eher wahnsinnig machenden und zumindest Besorgnis erregenden Vorkommnisse, scheint ganz normal weiterzulaufen. Es gibt zwar vieles, was uns selbst im Alltag entgeht und was durchaus gefährlich oder besorgniserregend ist, doch irgendwie fehlt spätestens in Dark Angels‘ Fall – Die Versuchung ein glaubwürdig konstruiertes Umfeld. Und die Idee, die im Auftaktroman noch eher als Vögel dargestellten Dunklen Engel, im Folgeband zunehmend in Leder gehüllt auf Motorrädern zu präsentieren, rettet die Geschichte auch nicht unbedingt.  

Wie bereits im ersten Band ist auch Dark Angels‘ Fall – Die Versuchung in einem einfachen Schreibstil abgefasst, der dieses Mal jedoch mit weitaus zahlreicheren Kraftausdrücken und Flüchen gespickt ist. Was im ersten Buch noch amüsant, ja spritzig wirkte, verliert in dieser Fülle eindeutig an Reiz. Auch scheint es überaus cool zu sein, mal eben ein Pumpgun geschenkt zu bekommen. Indie oder Dawna erhalten dieses Geschenk zwar nicht, aber die Art und Weise, wie sie über die Nutzung desselben denken, ist auch nicht besser. Mag sein, dass dies dem jugendlichen Zielpublikum geschuldet ist. Wirklich passend fand ich beides nicht, denn man kann ein spannendes Jugendbuch durchaus anders gestalten. Hinzu kommt, dass Indie und Dawna zwar in gewisser Weise durch ihre Sprunghaftigkeit und ihr Hin- und Herschwanken zwischen den Gefühlen für Miley und Dusk, Gabe oder eben nicht Gabe, durchaus authentisch als Teenager präsentiert werden, im gesamten Erzählkonstrukt dennoch nicht völlig überzeugen.  

Fazit:  02perlenpunkte.jpg

Vielleicht liegt es an meinem Alter, vielleicht daran, dass ich den Fehler gemacht habe, mit dem zweiten Band der Reihe zu beginnen und den ersten dann quasi erst nachzuholen. Doch weder dieser erste Band (Dark Angels’Summer – Das Versprechen) noch seine Fortsetzung Dark Angels‘ Fall – Die Versuchung konnten mich überzeugen. Die Handlungsstränge wirken teils zu mühsam konstruiert. Sie laufen nicht schlüssig zusammen, was sie angesichts des erst zweiten Bandes ja auch nicht zwingend müssen; andeutungsweise logisch nebeneinander her zu laufen, hätte der Geschichte jedoch keinen Abbruch getan. Diese strotzt zudem vor Klischees und Andeutungen, die die an sich gute Grundidee zu sehr in die Länge ziehen. Die eigentliche Aufgabe der Mädchen hätte schon ausreichend Stoff für eine gute Geschichte geboten. Dieser Teil verliert durch den ebenfalls beschriebenen Alltag eindeutig an Glaubwürdigkeit. In zwei Bänden sind unzählige Fragen aufgeworfen worden, deren Beantwortung größtenteils offenbleibt. Da ich ungern negative Bewertungen abgebe, weil ich weiß, wie viel Herzblut für gewöhnlich in einem Roman steckt, habe ich beide Bücher vor dieser Buchbesprechung zwei Mädchen gegeben, die alterstechnisch in die empfohlene Zielgruppe passen. Beide haben unabhängig voneinander meine Meinung bestätigt, weshalb ich Dark Angels‘ Fall – Die Versuchung (und im Grunde auch Dark Angels’Summer – Das Versprechen) nur zwei von fünf Punkten geben möchte.

Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

3. Mai 2012

Ness, Patrick nach einer Idee von Siobhan Dowd: Sieben Minuten nach Mitternacht

Filed under: Jugendbuch,Roman,Tod/Trauer,Tod/Trauer — Ati @ 15:38

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Patrick Ness nach einer Idee von Siobhan Dowd: Sieben Minuten nach Mitternacht


Originaltitel: A monster calls
Aus dem Englischen übersetzt von
Bettina Abarbanell
Goldmann Verlag
ISBN-13:
9783442312801
ISBN-10:
3442312809
Jugendbuch (ab 12 Jahre)
1. Auflage 2011
Illustration:
Jim Kay
Hardcover mit Schutzumschlag, 216 Seiten
[D] 16,99 €

Verlagsseite
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(englisch)

 

Die 1960 geborene irisch-britische Autorin Siobhan Dowd verstarb 2007 nach dreijähriger Krankheit an Brustkrebs. Dowd kam erst spät zum Schreiben. Ihre drei zu Lebzeiten veröffentlichen Romane (A swift pure cry/Ein reiner Schrei, The London Eye Mystery/ Der Junge, der sich in Luft auflöste und Bog Child/Anfang und Ende allen Kummers ist dieser Ort) wurden mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Solace of the Road/Auf der anderen Seite des Meeres konnte erst nach ihrem Tod veröffentlicht werden. Doch der Roman war genauso lebendig und packend wie seine Vorgänger. Ihr fünftes Werk konnte sie nicht mehr vollenden. Doch es gab bereits ein detailliertes Exposé, einen Anfang, die Figuren. Aus diesem Romanfragmenten schuf dann der 1971 geborene US-amerikanische Autor Patrick Ness A monster calls, dessen deutsche Übersetzung Sieben Minuten nach Mitternacht mit wunderbaren Illustrationen von Jim Kay gerade vor mir liegt.

 

Mit diesem Buch gelang ihm – posthum, und obwohl er nie persönlich auf Dowd traf – eine wundervolle Gemeinschaftsarbeit. Der Roman passt nicht nur zu Dowds Schreibstil, ist also ebenfalls aufrüttelnd, lebendig, einfühlsam und berührend geschrieben. Er ist darüber hinaus ein würdiger Abschluss der Idee der wunderbaren, viel zu früh verstorbenen Autorin. Ness, der bisher mit seinen ebenfalls preisgekrönten SF-Romanen für Jugendliche von sich reden machte, überzeugt mit diesem Roman und erhielt sowohl die Carnegie Medal wie auch den Deutschen Jugendliteraturpreis.

 

In Sieben Minuten nach Mitternacht geht es um Conor. Die Mutter des 13Jährigen unterzieht sich gerade erneut einer Krebsbehandlung, doch es ist abzusehen, dass sie den Kampf gegen ihre Krankheit nicht gewinnen kann. Sein Vater lebt in Amerika, hat eine neue Familie gegründet.

 

Gleich eingangs wird klar, wie schwach Conors Mutter bereits ist. Und wie schwer die Situation für Conor sein muss, der ihren sukzessiven Verfall aus nächster Nähe miterlebt. Er liebt seine Mutter über alles und möchte sie nicht verlieren. Deshalb klammert er sich verständlicherweise an die kleinsten Strohhalme der Hoffnung, redet sich selbst gut zu und vieles schön. Da er jedoch weiß, wie sehr seine Mutter sich quälen muss, fühlt er sich schuldig, weil er sie nicht loslassen kann. Unbewusst ist ihm längst klar, dass der Kampf verloren ist. Bewusst lässt er dieses Denken jedoch nicht zu und fühlt sich noch schuldiger, wenn er sich und ihr wünscht, dass sie endlich sterben darf.

 

Der Kummer, der ihn erfüllt, während er hilflos beobachten muss, wie seine Mutter von Tag zu Tag schwächer wird und das Wissen um den baldigen Verlust nehmen ihm den Atem. Tagsüber wird er immer unberechenbarer, worauf jedoch niemand strafend reagiert, wie er sich das eigentlich wünscht. Alle nehmen Rücksicht auf ihn. Nur in seinen Träumen nimmt der Tod seiner Mutter – seine größte Angst, der gleichzeitig auch sein größter Wunsch ist – Gestalt an. Dann entgleitet sie ihm. Stürzt ab, weil er sie nicht mehr halten kann. Dieser monströse Albtraum lässt ihn Nacht für Nacht panisch und schweißgebadet Sieben Minuten nach Mitternacht hochschrecken. Er kann sich niemandem anvertrauen. Und dann nimmt ein ganz anderes Monster Gestalt an und drängt in sein Leben. Eine Eibe vom Friedhof verwandelt sich um Sieben Minuten nach Mitternacht.

 

„Wer ich bin?“, wiederholte das Monster, immer noch brüllend. „Ich bin das Rückgrat, auf dem die Berge ruhen! Ich bin die Tränen, die die Flüsse weinen! Ich bin die Lunge, die den Wind atmet! … Es sah Conor direkt in die Augen. „Ich bin die wilde Erde selbst, und ich bin deinetwegen hier, Conor O´Malley.“

 

So schrecklich das Monster auch ist, Conor fürchtet sich nicht vor ihm. Es erzählt ihm drei Geschichten und will dann als vierte Conors Wahrheit von ihm hören. Eine Wahrheit die Conor schmerzt und LeserInnen zu Tränen rührt, egal ob es sich um das jugendliche Zielpublikum oder jemanden wie mich handelt, die etliche Jahre davon entfernt ist. Denn das Monster kennt seine größte Angst und seinen innigsten Wunsch, für den er sich selbst hasst.

 

Das Buch ist temporeich und beschreibt den Alltag des Jungen. Es enthält neben dem thematisch ernsten, überaus emphatisch umgesetzten Teil auch humorvolle Streitgespräche zwischen Conor und der Monster-Eibe. Im Gegensatz zu allen anderen packt sie ihn nicht in Watte. Trotzdem fühlt sich Conor nicht im geringsten von ihr eingeschüchtert, geht teils sehr respektlos mit dem riesigen Baum um, sieht er doch die Geschichten als unsinnig an. Doch sie haben einen tieferen Sinn, der sich gegen Ende offenbart. Sie zeigen nicht nur, dass gut und böse willkürliche Begriffsdefinitionen sind. Sie lehren Conor auch, dass er seine Gefühle zulassen muss, um von seiner Mutter Abschied nehmen zu können.

 

Das alles beschreibt Ness voller Symbolkraft in einer klaren, bildhaften Sprache und webt so eine authentische Atmosphäre. Diese ist teils unheimlich aber niemals so bedrohlich, dass man das Buch weglegen möchte. Trotz des fantastischen Elements lässt sie keinen Raum für Fantasie im Hinblick auf die gegebene Situation. Ness beschreibt diese schnörkellos und ohne Beschönigungen. Erschafft lebendige Charaktere wie Conor, der trotz seiner Hilflosigkeit stark ist. Auf jeder Seite fühlt man sich mitten darin, direkt neben dem Jungen; bis Ness voller Emotionen aber gänzlich unsentimental Conor Sieben Minuten nach Mitternacht die letzten Momente mit seiner Mutter erleben lässt. Unterstützt wird das so entstehende Kopfkino durch die Illustrationen von Kay, die schwarz-weiß gehalten, perfekt dazupassen.

 

Obwohl früh klar ist, dass der Tod über das physische Leben von Conors Mutter siegen wird, das Buch also Trauer, Wut und Hilflosigkeit thematisiert, plädiert es noch weitaus mehr für das Leben. Lässt Liebe und Verständnis nicht außen vor. Vor allem jedoch spricht Ness direkt an, was in unserer Gesellschaft gerne verdrängt wird. Was uns sprachlos und hilfslos macht.

 

Fazit:

 

Kein leichtes Buch, das man einfach so nebenbei lesen kann oder sollte, dazu ist es zu sehr an die Realität angelehnt. Sieben Minuten nach Mitternacht ist jedoch eine gelungene Umsetzung eines schwierigen Themas und durchaus eine symbolträchtige Hilfestellung für real vergleichbare Situationen. Was die jugendliche Zielgruppe betrifft: Ja, es ist für sie geeignet, allerdings würde ich sie nicht mit diesem Buch alleine lassen, da ich denke, dass Gespräche dazu sinnvoll wären. Darüber hinaus ist es jedoch auch für ältere LeserInnen lesenswert. Eine unendlich traurige, zeitlose Geschichte die tief berührt und nachdenklich macht. Eine, die man nicht so einfach vergessen kann und sollte. Ein wunderbares Buch, trotz der darin enthaltenen Tragik, dem ich fünf von fünf Sternen geben möchte.

 

Copyright ©, 2012 Antje Jürgens (AJ)

16. Februar 2012

Marchetta, Melina: Winterlicht

Filed under: Fantasy, Horror, SciFi,Jugendbuch,Roman — Ati @ 18:53

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Melina Marchetta – Winterlicht

Originaltitel Finnikin of the Rock – aus dem australischen Englisch übersetzt von Petra Koob-Pawis und Franziska Jaekel

Ravensburger Buchverlag

ISBN 9783473353347

ISBN 3473353345

Jugendbuch, 14 – 16 Jahre

Fantasy

1. Auflage März 2011

Hardcover mit Schutzumschlag, 544 Seiten

[D] Preis 17,95 €

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Im März 1965 wurde die in Sydney lebende Autorin italienischer Abstammung geboren. Nachdem sie mit 15 Jahren von der Schule abging, gelangte sie auf einigen Umwegen an eine Schule zurück und unterrichtete 10 Jahre lang Geschichte und Englisch. Im Jahr 1992 erschien ihre erste Novelle, die einige Jahre später nach ihrem eigenen Drehbuch verfilmt wurde. Nachdem Marchetta während ihrer Tätigkeit als Lehrerin ihre zweite Novelle vollendete, gab sie ihre Lehrtätigkeit 2006 auf, um sich ganz dem Schreiben zu widmen. Bereits 2008 erschien dann die englische Originalausgabe (Finnikin of the Rock) der mir vorliegenden deutschen Hardcoverversion Winterlicht. Es handelt sich dabei um den Auftaktroman einer Jugendbuch-Fantasyreihe  mit dem Titel Lumatere Chronicles und es ist nur eines von weiteren Projekten der Autorin. Ihre Novellen wurden bislang in 17 Sprachen übersetzt und sie erhielt mehrere Preise und Auszeichnungen für ihre Arbeiten.

 

Optisch ist mir der Roman von Melina Marchetta sofort ins Auge gestochen. Ich liebe Hardcoverbücher, meist schon wegen der Umschläge. Im Fall von Winterlicht ist dieser in bläulich-schwarzen Tönen gehalten (hinten hell, vorne dunkel), und darüber hinaus noch vorne mit einer schwarz glänzenden Prägung mit silbrigen Lackglanzelementen versehen, die Eiskristallen oder Schneeflocken ähneln. Er zeigt ferner das Gesicht eines Mädchens und im Hintergrund Äste sowie einen zunehmenden Mond rechts und links von ihr. Das Motiv der Prägung findet sich übrigens auch im Inneren des Buches an den Kapitelanfängen wieder. Dort natürlich einfach grau gedruckt. Im Buch finden sich gleich anfangs auch zwei gezeichnete Landkarten.

 

Mit Winterlicht überrascht die Autorin ihre LeserInnen mit sehr realistischen Darstellungen, schneidet ethische Themen genauso an wie politische. Dadurch fällt es etwas aus dem Rahmen dessen, was ich erwartet habe. Die Idee dazu ist zugegebenermaßen nicht neu (ein verratenes, verfluchtes Land hofft auf Rettung, diese wird durch eine rätselhafte Prophezeiung in Aussicht gestellt). Doch das muss sie auch nicht sein, wenn die Umsetzung gut ist. Im Fall von Winterlicht finde ich die Geschichte über Freundschaft und Liebe, Hoffnung und Mut und von Zusammenhalt auch in Zeiten der Entwurzelung, der Trauer, des Verrats und des Leids gelungen.

 

Marchetta zeichnet ganz eigene Figuren und lässt diese einiges erleben. Wie bei vielen Fantasygeschichten dauert es auch bei Winterlicht, bevor man darin abtauchen kann und sich dort sicher zurechtfindet. Bevor die eigene Fantasie sich auf die der Autorin einstimmt sozusagen. Doch wenn das geschieht, dann fällt es schwer, das Buch beiseitezulegen und wieder in der Realität aufzutauchen.

 

Der Klappentext verrät, dass auf Lumatere eine dunkle Bedrohung liegt. Ein Fluch verhindert, dass man es einfach so betreten oder verlassen kann. Doch jeder Fluch lässt sich bekanntlich brechen. Finnikin (einer von vielen Flüchtlingen, die gerade noch so aus Lumatere herauskamen) etwa weiß, wie man speziell diesen Fluch brechen kann. Man muss den rechtmäßigen Thronerben zu seinem Thron verhelfen. Als er sich aufmacht, seine Aufgabe zu erfüllen, treffen er und sein Begleiter auf Evanjalin. Finnikin verliebt sich in sie, obwohl sie eigentlich dem neuen König versprochen ist. Mit ihr an seiner Seite versucht er, die Bedrohung für Lumatere abzuwenden.

 

Wie bereits erwähnt, zeichnet die Autorin ganz eigene Figuren. Sie erscheinen fragwürdig und unsympathisch oder genau gegenteilig. Immer jedoch authentisch und individuell. Man fühlt ihre Emotionen – Freude wie Hass, Ängste wie Stärken, Hoffnungslosigkeit wie Mut. Oder immer wieder die in einem Jahrzehnt gewachsene Sehnsucht, in die Heimat zurückzukehren, zu den eigenen Wurzeln. Bildhaft und facettiert führt Marchetta ihre LeserInnen in eine ganz eigene Welt (die der unseren vor vielen, vielen Jahren stellenweise vielleicht nicht ganz unähnlich ist, sofern man die fantastischen Elemente weglässt).

 

Was anfangs idyllisch wirkt, wird gleich darauf durch die Schilderung dessen zerstört, was mit der Königsfamilie und den Bewohnern Lumateres passiert. Das geschieht in wenigen Absätzen, recht grob umfasst. Aber man merkt den Bruch. Warum und weshalb es geschehen ist, stellt sich erst im Laufe der größtenteils aus Finnikins Sicht erzählten Geschichte und seiner Reise mit seinen Mitstreitern heraus. Es fehlen anfangs Informationen zu den darin erwähnten Ereignissen, Namen und Ländern. Doch diese offenbaren sich sukzessive und nach und nach zeichnet sich das Ausmaß des Leides von Lumatere und seinen Bewohnern beziehungsweise den Flüchtlingen ab. Obwohl Marchetta an schönen Erlebnissen und Gegebenheiten teilhaben lässt, verschont sie ihre Figuren und LeserInnen andererseits auch nicht vor weniger schönen und gewaltreichen Einblicken. Trotz überraschender Wendungen steuern die Figuren beharrlich ihre Ziele an.

 

Hierbei allerdings gibt es ein kleines Manko, denn die Autorin bemüht selbst für einen Fantasy-Roman etwas zu oft den guten alten Zufall, was die eine oder andere Szene konstruiert wirken lässt. Und wer vermutet, dass der Fokus auf der im Klappentext angedeuteten Liebesgeschichte liegt, liegt falsch. Sie bleibt genau das: eher angedeutet. Allerdings fehlt sie nicht unbedingt zwingend, da sie sich bei aller Knappheit nachvollziehbar und still entwickelt. Kapitelübergreifend gibt es leider trotz aller Bildhaftigkeit auch die eine oder andere Länge. Doch all das wird durch das sprachliche und erzählerische, lesenswerte Niveau der Geschichte überspielt, die etwas abseits des Mainstream-Geschmacks liegen dürfte.

 

Fazit:

 

Ich gebe zu, ich bin weit außerhalb der eigentlichen Zielgruppe, die der Ravensburger Buchverlag mit diesem Titel ansprechen möchte. Dennoch habe ich mich trotz der gerade erwähnten kleineren Schwächen mit Winterlicht gut unterhalten gefühlt. Und ich frage mich schon, wie Froi – einer der Figuren – sich im zweiten Teil der Chroniken von Lumatere weiterentwickelt. Deshalb möchte ich dem Roman vier von fünf Punkten geben.

 

Copyright © 2012 Antje Jürgens (AJ)

15. Februar 2012

St. Crow, Lili: Verraten

Filed under: Abenteuer,Fantasy, Horror, SciFi,Jugendbuch — Ati @ 17:52

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Lili St. Crow – Strange Angels 02:Verraten

Originaltitel Betrayals aus dem Englischen übersetzt von Sabine Schilasky

PAN

ISBN 9783426283462

ISBN 3426283468

Fantasy, Jungenbuch 12 – 15 Jahre

Deutsche Erstausgabe 2011

Umschlaggestaltung ZERO Werbeagentur, München

Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag, 384 Seiten

[D] Preis 16,99 €

Verlagsseite

Autorenseite 

 

Lili St. Crow – unter diesem Pseudonym veröffentlicht die 1976 in New Mexico geborene und z. T. im Vereinigten Königreich auf einer Militärbasis aufgewachsene Autorin Lilith Saintcrow Geschichten und Bücher für Jugendliche, während sie sich unter ihrem richtigen Namen an ein erwachsenes Publikum wendet. Ein weiteres Pseudonym ist Anna Beguine. Die heute mit einigen Katzen und ihrer Familie in Vancouver lebende Autorin bevorzugt dabei die Genres Paranormale Romance oder Urban Fantasy.

 

Die Covergestaltung des zweiten Bandes der Strange-Angels-Reihe ist gelungen und passt in seiner samtig wirkenden Ausführung exakt zum ersten Teil, der – nebenbei erwähnt – zuerst gelesen werden sollte, bevor man in Dru’s Geschichte in Verraten eintaucht.

 

Übergangslos setzt die Autorin an die in Verflucht erzählten Ereignisse an. Diverse Rückblicke erleichtern zudem das Eintauchen in die Geschichte. Ein flüssiger Schreibstil und die Umgangssprache lassen auch jetzt die Figuren lebensecht, wenn auch das eine oder andere Mal etwas blass, und die Atmosphäre düster wirken. Gleichzeitig schafft St. Crow es, die fantastischen Elemente glaubwürdig mit der Realität zu verweben.

 

Auf ihrer Flucht, die Dru zusammen mit Graves in eine Schule für übernatürliche Wesen (Werwölfe und Vampire) führt, zeigt diese sich zorniger als im ersten Teil der Geschichte. Nicht nur weil Graves, der durch einen Angriff mittlerweile selbst zum Werwolf wurde, dort eher angenommen wird als sie selbst. Auch weil sie mit ihrer heranreifenden Bestimmung nicht so ohne Weiteres zurechtkommt. Abgesehen davon ist da noch Christophe, der Vampir, der für Verwirrung bei ihr sorgt. Und ganz unabhängig davon, ist ihr Versteck nicht so sicher, wie es sein sollte. Graves, der im ersten Teil bereits sehr zuverlässig und loyal, aber eher noch schüchtern daherkam, mausert sich mehr und mehr und beschützt sie so gut es geht. Doch im Lauf der Geschichte wird klar, dass Dru nach wie vor in Gefahr ist und weiter fliehen muss.

 

Das Ganze gestaltet sich anfangs eher zäh. Nahezu die Hälfte des zweiten Bandes beleuchtet Dru’s inneren Zwiespalt. Kämpfe, wie im ersten Teil, habe ich allerdings dennoch nicht zwingend vermisst. Während Graves sich in Richtung Alphatier entwickelt (wobei er auch in diesem Band wieder sehr erwachsen wirkt), zieht Dru sich erst einmal zurück. Während ihm etwas beigebracht wird, wird sie oftmals vor den Kopf gestoßen und mit seltsamen Andeutungen oder Schweigen abgespeist. Sie tritt sehr lange auf der Stelle, stellt sich wie ein bockiger Teenager an. Gleichzeitig wird genau dadurch ihre Vereinsamung und Verstörung hervorgehoben, was mich letztlich dazu bewogen hat, an der Geschichte dranzubleiben. Auch der seltsam diffus dargestellte, mehrfach um Vertrauen bittende und lange Zeit untergetauchte Christophe trägt nicht unbedingt dazu bei, die Spannung zu erhöhen. Neu hinzukommende Figuren ebenso wenig. Und wie im ersten Teil, kommt es auch im zweiten Band zu gewissen Längen durch Wiederholungen. Im Grunde genommen geschieht also anfangs im Gegensatz zu Verraten sehr wenig, was wohl zum größten Teil an Dru’s Passivität liegt. Doch irgendwann berappelt sich nicht nur die Autorin, sondern auch Dru und es kommt etwas mehr Tempo in die Geschichte.

 

Dru muss sich ihren Ängsten und ihrer ungewissen Zukunft stellen. Und wie bereits im ersten Teil, geht die Autorin nicht sehr zartfühlend mit ihr um. Wenn Dru leidet, dann richtig. Sie springt nicht auf wie die Stehaufmännchen anderer Geschichten, wenn sie einsteckt. Sie ist kein porentief sauberes, durchgestyltes Püppchen mit Nahkampfausbildung. Sie ist, bei allem was sie erlebt, ein unsicheres, normales Mädchen, das schon mal bewusstlos zusammenklappt und dem der Rotz übers Gesicht läuft. Und das an einem Ort, an dem sie so gut wie niemandem trauen kann und zu einer Zeit, in der sie sich gleich von zwei männlichen Figuren angezogen fühlt, die beide die Führungsrolle übernehmen wollen.

 

Fazit:

 

St. Crow spinnt den eigentlichen Handlungsfaden in dem 384 Seiten starken Buch also nicht unbedingt sehr viel weiter. Dru befindet sich zu Anfang und Ende auf der Flucht. Über ihr Geheimnis wird der Leser von ihr nicht unbedingt weiter informiert, weil sie selbst im Grunde nicht viel weiß. Dennoch versorgt die Autorin ihre LeserInnen in der aus Dru’s Sicht erzählten Geschichte mit weiteren Hintergrundinformationen. Sie lässt Dru’s Mitstreiter und Gegenspieler heranreifen, mal mehr mal weniger sympathisch. Sie beantwortet offene Punkte aus dem Auftaktroman und legt neue Fährten aus. Damit endet dann Verraten genauso offen wie Verflucht und macht Lust auf den Folgeband. Obwohl die Geschichte anfangs des zweiten Teils wesentlich an Tempo verloren hat und dieser nicht unbedingt viel im Bezug auf das Ende der Geschichte preisgegeben hat, bin ich auf den dritten Band gespannt und gebe der Geschichte 4 von 5 Punkten.

 

Copyright © 2012 by Antje Jürgens (AJ)

2. Mai 2011

St. Crow, Lili: Strange Angels 01 – Verflucht

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Lili St. Crow

Strange Angels 01: Verflucht


Originaltitel Strange Angels
aus dem Englischen übersetzt von Sabine Schilasky
PAN
ISBN 9783426283455
ISBN 342628345X
Fantasy, Jungenbuch 12 – 15 Jahre
Deutsche Erstausgabe 2011
Umschlaggestaltung ZERO Werbeagentur, München
Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag, 384 Seiten
[D] Preis 16,99 €

Verlagsseite

Autorenseite  

 

Lili St. Crow – unter diesem Pseudonym veröffentlicht die 1976 in New Mexico geborene und z. T. im Vereinigten Königreich auf einer Militärbasis aufgewachsene Autorin Lilith Saintcrow Geschichten und Bücher für Jugendliche, während sie sich unter ihrem richtigen Namen an ein erwachsenes Publikum wendet. Ein weiteres Pseudonym ist Anna Beguine. Die heute mit einigen Katzen und ihrer Familie in Vancouver lebende Autorin bevorzugt dabei die Genres Paranormale Romance oder Urban Fantasy.

 

Die Liste ihrer Veröffentlichungen deutet darauf hin, dass sie nicht nur seit ihrem 10. Lebensjahr gerne schreibt, sondern geradezu süchtig danach zu sein scheint. Neben der frei zugänglichen Onlineserie „Selene“, erschienen seit 2004 auch mehrere Novellen und Buchreihen der Autorin unter einem der drei oben genannten Namen.

 

2004 – 2008: Watcher-Serie, 5 Bände

2005:              Society-Serie, 2 Bände

2005 – 2008: Dante-Valentine-Serie, 5 Bände

2007:              Smoke, Mirror, Steelflower

2009:              The Demon’s Librarian

2008 – 2011: Jill-Kismet-Serie, 6 Bände

 

Wer „Selene“ verfolgt oder verfolgt hat, wird vielleicht die eine oder andere Figur aus der Dante-Valentine-Reihe wiedererkennen. Dante Valentine? Jill Kismet? Richtig, diese beiden Reihen kennen Fans des Genres aus den von LYX für den deutschen Buchmarkt übersetzten Bänden. Und dank PAN wird auch die anvisierte jugendliche Zielgruppe hierzulande etwas mit dem Namen St. Crow anfangen können. Der Verlag brachte im April 2011 den gleichnamigen Auftaktroman der bislang fünfteiligen Serie Strange Angels unter dem Titel „Verflucht“ in die Buchläden.

 

Wie bei den übrigen Büchern des Verlags kann man auch bei „Verflucht“ zunächst bereits zur Covergestaltung gratulieren. Der dunkle, matt gehaltene Umschlag zeigt ein schlafendes Mädchen, wirkt durch die Drucktechnik fast samtig, fasst sich griffig an. Die weiße Schrift des Titels leuchtet förmlich ins Auge, obwohl sie gleichzeitig etwas verschwommen und dadurch unwirklich wirkt. Und damit einen Bezug zum Buchinhalt bekommt.

 

Im Buch selbst geht es um die 16jährige Dru, die – vorübergehend – in den Dakotas lebt. Die Geschichte spielt über einen Zeitraum von einigen Tagen im Winter. Der eben erwähnte Bezug zum Buchcover zeigt sich darin, dass Dru visionsartige Träume erlebt.

 

Neben Dru geht es aber auch um Zombies und Dämonen, Vampire und Gestaltwandler. Die kennt der Teenager nicht nur aus Büchern und Filmen, sondern weiß schon von klein auf, dass sie zur Realität gehören, auch wenn die meisten Menschen nichts davon mitbekommen. Ihre Mutter ist vor Jahren gestorben. Ihre Großmutter, die sie daraufhin großgezogen hat, lebt auch nicht mehr. Einzig ihr Vater ist ihr geblieben, der Dinge jagt, die für gewöhnlich ohne nachzudenken ins Reich der Mythen und Gruselgeschichten sortiert werden. Jedenfalls, bis er eines Tages auf jemanden trifft, der ihn tötet und seiner Tochter als Zombie auf den Hals hetzt. Und er ist nicht der Einzige, der auf Dru angesetzt wird, denn in ihr schlummert ein Geheimnis. Sie selbst hat keine Ahnung, worum es dabei geht, ihr Widersacher jedoch offenbar schon, weshalb ihr gar nichts anderes übrig bleibt, als sich zu wehren.

 

Sollten hier Buffy und Konsorten in leicht variierter Form à la Supernatural wiederauferstehen?

 

Steckt in der Geschichte nur ein weiterer Teenager, der unwahrscheinlich zäh, widerspenstig und nicht totzukriegen ist? Der seinen Daseinszweck allein im Killen von Monstern und nebenbei im Anschmachten eines übernatürlichen Wesens sieht? Der schlaflose Nächte en masse erlebt, horrormäßige Gestalten einfach so im Kickboxstil vernichtet und das Erlebte auch noch problemlos wegsteckt? Ein Teenie, der cool damit umgeht, dass er den zum Zombie mutierten eigenen Vater töten muss, um zu überleben?

 

Glücklicherweise wird man in „Verflucht“ davon verschont. Dru ist trotz ihres Wissens um die Anderen ein völlig normales Mädchen, das – zumindest im Auftaktroman – keine übermäßig übernatürlichen Kräfte in sich bündelt. Sie kann sich wehren, sie kann mit Waffen umgehen, doch sie ist keine Heldin, die über allem steht und nebenbei stets noch perfekt gestylt ist. Sie ist ein junges Mädchen, das neben den ganz normalen Problemen wie Schule und Erwachsenwerden auch damit kämpfen muss, mit den ständigen Ortswechseln zu leben, die das Leben mit ihrem Vater und seinen Aufträgen so mit sich bringt. Keine gute Voraussetzung um Freundschaften zu schließen. Dru ist trotzig und in gewisser Weise zornig. Wenn man alle auf Abstand hält, fällt das Abschiednehmen gar nicht erst schwer. Einsam – so stellt sich Dru dar. Dru muss schreien und weinen, ist verzweifelt und ängstlich. Eben eher eine Gejagte als eine Jägerin.

 

Trotzdem schreckt sie einen Jungen nicht ab: Graves, ebenfalls ein Außenseiter, der sich nach und nach als ein Junge herausstellt, der ohne festen Wohnsitz auch niemanden hat, der sich um ihn kümmert, spricht sie an. Und als kurz darauf Dru’s kleine Welt durch den doppelten Tod ihres Vaters zusammenbricht, ist er es, der ihr hilft. Er bietet ihr neben einem Unterschlupf eine Schulter zum Anlehnen, obwohl er nicht einmal andeutungsweise ahnt, worauf er sich da einlässt. Er fragt nicht viel, sondern handelt. Er schreckt nicht vor dem zurück, was ihn da überrollt, sondern stellt sich dem Ganzen – ebenfalls nicht cool und abgeklärt, sondern eher wie jemand, der nach dem Prinzip mitgehangen-mitgefangen lebt. Was hier ins Auge fällt, ist, dass Graves, ganz unauffällig eine erwachsene und erzieherische Rolle einnimmt, indem er Dru auf „wichtige“ Dinge im „normalen“ Leben verweist und sie animieren möchte, sich daran zu halten. Was in vergleichbaren Romanen oftmals von Erwachsenen ausgeht und dadurch bisweilen eher ermüdend-belehrend als motivierend wirkt, stellt sich im Hinblick auf seine Person durchaus überlegt und schlüssig dar.

 

Wer zwischen Graves und Dru eine Liebesgeschichte vermutet, wird enttäuscht. Dafür gibt es zunächst eine Geschichte über eine sich anbahnende Freundschaft und Vertrauen, über Werte, Perspektiven und Ziele. Alles andere wäre fehl am Platz, zu heftig ist das, was die beiden erleben. Bereits anfangs der von Dru erzählten und von ihren Gedanken durchsetzten Geschichte wird klar, dass die Autorin nicht sehr zartfühlend mit ihnen umgeht. Die Leser werden nicht von gut aussehenden Blutsaugern und scheinbar unwiderstehlichen Werwölfen an-, sondern von zerfallenden Zombies und beißwütigen Gestaltwandlern ins Geschehen gezogen. Dru und Graves machen gezwungenermaßen das, was zum Überleben notwendig ist, sind dabei aber verletzlich und auch durchaus wehrlos. Beide Charaktere wirken mit ihren Schwächen und in ihrer Hilflosigkeit bei allem was sie tun lebensecht. Flüssig verwebt die Autorin die fantastischen Elemente mit dem realen Hintergrund zu einer Atmosphäre, die den Leser schnell einhüllt, auch Erwachsene hin und wieder schlucken lässt, jedoch nicht nur platt auf blutrünstigen Horror abzielt. Gegen Ende von „Verflucht“ bekommen die beiden Hilfe durch den nach Apfelkuchen duftenden Blutsauger Christope, der eine nicht gleich einfach und klar zu definierende Rolle spielt.

 

Ein kleines Manko ist, das Dru’s Gedanken, die als kursiver Text dargestellt werden, sich häufen. Was einerseits gut zu ihrer inneren Zerrissenheit passt, stört andererseits in seiner Häufigkeit. Durch Wiederholungen bestimmter Dinge entwickeln sich zusätzlich Längen. Zumindest Letztere werden jedoch meist schnell von spannungsreichen Momenten abgelöst und gehen in dem grundsätzlich flüssigen Schreibstil fast unter.

 

Ein weiteres Manko stellt die von der Autorin gewählte Erzählform dar. Man sieht alles aus Dru’s Sicht, kann so nur ihrem Fokus folgen und verschiedenen Zusammenhänge nicht ohne Weiteres erkennen. Obwohl letztendlich alles verwoben wird, sucht man manchmal den roten Faden. Ein Perspektivwechsel hätte hier gut getan, obwohl der Leser an sich in diesem Buch mit einer Fülle an Informationen versorgt wird. Sie ergeben sich aus Rückblicken auf Dru’s bisheriges Leben, aus Träumen, Andeutungen, Ahnungen; was alles in allem für einen trotz allem gelungenen Auftakt der Strange-Angels-Reihe sorgt. Das nachvollziehbare Verhalten der lebensecht wirkenden Hauptfiguren tut ein Übriges.

 

Letztlich wird bereits mit diesem ersten Band klar, dass die Bücher der Reihe vermutlich nicht in sich abgeschlossen und separat lesbar sind. Das Ende von „Verflucht“ ist völlig offen. So wird weder das Geheimnis um Dru gelüftet, noch die Rolle des eben erwähnten Blutsaugers ganz klar. So ist ungeklärt, was aus Graves wird oder wer wirklich hinter dem Mord an Dru‘s Vater steckt. Dieses Ende kann jedoch bei allen Fragen schwer als Cliffhanger bezeichnet werden.

 

Fazit

 

Die fehlenden Antworten macht Lust auf die im Herbst erscheinende Fortsetzung „Verraten“, zumal bereits jetzt erkennbar scheint, dass die Geschichte sich steigert. Die kleinen Schwächen sorgen dennoch für einen Punkteabzug, weshalb ich nur vier Punkte von fünf Punkten vergeben möchte. Zudem habe ich bei der Altersfreigabe ab 12 Jahre Bedenken, da die Zombiepassagen doch sehr anschaulich beschrieben sind.

 

Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

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