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4. Dezember 2012

50 Cent: playground

Filed under: Jugendbuch,Roman — Ati @ 15:46

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Originaltitel playground
aus dem Amerikanischen übersetzt von Rainer Schmidt
rowohlt POLARIS
ISBN13: 9783862520329
ISBN10: 3862520323
Belletristik
1. Auflage 12/2012
Taschenbuch, 192 Seiten
[D] 13,95 €


Verlagsseite
Autorenseite 

Es gibt eigentlich so gut wie nichts, was ich lesetechnisch nicht zumindest einmal ausprobiere. In diesem Zusammenhang landete der Roman des US-amerikanischen Gangsta-Rappers 50 Cent auf meinem SuB. Dort lag er allerdings nicht lange, denn meine Nichte fragte mich, wie ich das Buch finde. Und eine entsprechende Antwort konnte ich ihr schließlich erst nach der Lektüre geben.

Was erwartet einen in einem Buch, in dem jede Menge 50 Cent in der Hauptfigur stecken soll? Immerhin ist besagter Gangsta-Rapper nicht unbedingt strafunauffällig geblieben und sein Leben war alles andere als unbewegt. Curtis Jackson III, alias 50 Cent, wurde 1975 in Queens geboren. Seinen Vater kennt er nicht, seine Mutter, eine Crackdealerin, wurde ermordet, als er gerade acht war. Fortan lebte er bei seinen Großeltern. Mit zwölf handelte er selbst mit Drogen und verbüßte bis zu seinem 18. Geburtstag bereits mehrere Haftstrafen. Von Jam Master Jay entdeckt, von seinem Label und bald darauf von Columbia Records unter Vertrag genommen, endete im Mai 2000 50 Cents Karriere wieder, bevor dort sein Debütalbum herausgegeben wurde. Jackson war kurz zuvor zunächst niedergestochen und später angeschossen worden und Columbia fürchtete Negativschlagzeilen. Er kehrte in die Welt der Drogen zurück und bekam eine zweite Chance, als Eminem ihn 2002 unter Vertrag nahm. Neben seinen Drogendelikten wurde 50 Cent auch wegen Körperverletzung angeklagt und erhielt 2005 bei seiner Verurteilung zwei Jahre auf Bewährung und die Auflage, sich regelmäßig Antiaggressionstraining und Drogentests zu unterziehen. Das ist die eine Seite. Darüber hinaus ist 50 Cent jedoch für seine Alben und Singles mehrmals ausgezeichnet worden. Mit dem American Music Award, Platin und Gold, dem Bravo Otto, dem Echo, Brit Awards oder auch dem Grammy. Auch die Filme, in/an denen er mitwirkte, etwa der über sein Leben (Get rich oder die tryin‘), wurden kontrovers diskutiert. Vor allem der gerade genannte, in dem genau wie in vielen seiner Lieder Waffengebrauch und damit Gewalt verherrlicht wird. playground ist übrigens nicht das erste Buch, an dem er beteiligt ist. 2005 erschien bei Hannibal Dealer, Rapper, Millionär von 50 Cent und Kris Ex. Und auch ansonsten vermarktet der 37Jährige sich selbst geschickt. Sei es mit Klingeltönen oder Bekleidung, Computerspielen, Heftromanen oder Getränken. 2006 soll er laut Forbes Magazine 32 Millionen Dollar verdient haben.

Alleine nach dem Blick auf seine Biografie war ich geneigt, meiner Nichte zu sagen: Finger weg. Anderseits soll laut Verlagsseite beispielsweise Bette Midler gesagt haben: „Ich verneige mich vor 50 Cent, weil er dieses Buch geschrieben hat.“ Die ist ja nun nicht gerade für Gangsta-Rap und Hardcore-Filme bekannt. Und außerdem verlegt rowohlt POLARIS das Buch. Der 2010 gegründete Verlag will mit jedem seiner Titel Besonderes bieten. Jährlich sollen beispielsweise 12 Titel im Bereich Belletristik herauskommen. playground ist dieses Jahr einer dieser Titel. Es sollen Spannung, Fantasy und Humor dominieren, wie man auf der Homepage sehen kann. Das alles in niveauvoller Form für alle zwischen 16 und 66.

Ich ging anhand der Inhaltsangabe davon aus, dass Fantasy und Humor in playground sicher nicht dominieren würden, womit nur die Spannung blieb. Und die beschränkte sich bei mir anfangs ganz profan auf Dinge wie etwa die Sprache. Gettoslang? Auf so jugendlich getrimmt, dass ältere LeserInnen vielleicht Verständnisprobleme damit haben? Ergeht sich der Roman in einer ausführlichen Beschreibung des Drogenmilieus? Verherrlicht er Waffen? Strotzt er vor Gewaltexzessen? Die Titel der 50 Cent Alben/Singles (etwa The Massacre oder Before I self destruct) stimmten mich diesbezüglich nicht sehr hoffnungsfroh.

Liegt es daran, dass zum Schreiben des Buches Laura Moser herangezogen wurde, die vermutlich nach Gesprächen mit dem Rapper die Finger auf die Tastatur niederprasseln ließ. Sie steht zumindest unter 50 Cent auf dem Titelblatt innen und wird auch etwa bei Amazon als Autorin genannt. Oder daran, dass 50 Cent heute anders denkt als vor einigen Jahren. Jedenfalls wurde keine meiner negativen Befürchtungen bestätigt. Und gleich vorab: Die Altersgruppe stimmt. Mir bleiben zwar noch einige Jahre, bis ich 66 bin, doch bin ich schon wesentlich länger keine 16 mehr. Die Sprache ist verständlich und klar und für die gesamte anvisierte Altersgruppe geeignet. Ob dies an der Übersetzung liegt, weiß ich nicht, da ich das Original nicht gelesen habe. Auf alle Fälle tauchte ich gleich anfangs in die dicht gesponnene, authentische Atmosphäre der Geschichte ein. Ich litt mit den Figuren. Ich ärgerte mich mit ihnen und über sie. Ich entwickelte Verständnis für sie.

Sie könnten übrigens auch gleich nebenan wohnen. Die Geschichte spielt zwar in einem Vorort von New York City in der jüngeren Vergangenheit. Doch beides könnte ohne Probleme getauscht werden.

Obwohl verfickt, Scheiße und ähnliche Worte verwendet werden, gibt es keine Fäkalsprache im eigentlichen Sinn, die gerade angesprochenen Formulierungen tauchen nur relativ begrenzt auf. Obwohl Gewalt vorkommt, wird sie nicht verherrlicht. Schusswaffen beispielweise finden, genau wie Messer oder Schlagringe keinen Platz in der Geschichte. Von Jugendgangs ist nicht wirklich die Rede und auch Drogen werden nur in einem einzigen Satz erwähnt. Einbrüche? Nein. Diebstahl? Ja, man liest davon, aber auch Stehlen bestimmt nicht den Alltag der Hauptfigur.

Stattdessen nimmt man mehr oder weniger teil an einem Dasein in einer relativ harmlosen Vorortgemeinschaft. Ich habe jetzt bewusst das Wort Dasein gewählt, denn himmelblau und wunderschön ist das Leben dort jedoch bei Weitem nicht automatisch. Trostlos trifft es für einige viel eher. Und die Schule ist ein Ort, der Angst machen kann. Nicht weil dort pausenlos Gewaltexzesse beschrieben werden. Selbst Taschengeldabzocke bekommt man nur ganz am Rand mit. Angst macht eher die Denkweise mancher Schüler, die Unterdrückung und Ausgrenzung, das Wegsehen und Tolerieren. Falscher verstandener Respekt und absolute Respektlosigkeit angesichts nicht vorhandener oder extrem verschobener Wertvorstellungen. All das gibt es nicht erst seit wenigen Jahren und nur in den Staaten. Doch über die Jahre hat sich dieses Verhalten stark verschärft und in dieser verschärften Form auch an vielen unserer Schulen Einzug gehalten. Ich kenne mehr als ein Kind, das Angst hat, in die Schule zu gehen. Nicht wegen schlechter Noten oder den Lehrern sondern einzig wegen anderer Schüler. Das Kind einer Bekannten war so unter Druck, dass es sich erst nach einem Selbstmordversuch seinen Eltern anvertraute. Die Hauptfigur aus playground steht jedenfalls am Scheideweg. Geht es für sie einfach trostlos weiter oder verpfuscht sie sich ihr Leben?

Diese Hauptfigur heißt Burton. Den Namen erfährt man erst relativ spät, immerhin ist der 13Jährige allen eher als Butterball, B-Ball, oder auch alte Speckschwarte und Fettschwabbel bekannt. Nach der Trennung seiner Eltern zog er mit seiner Mutter in einen Vorort, musste eine neue Schule besuchen. Sowohl die Trennung als auch der Neuanfang machen Butterball zu schaffen, ist er doch meist sich selbst überlassen. Er nimmt zu, ist übergewichtig, was nicht gerade zu seiner Beliebtheit beiträgt. Alte Freundschaften scheinen nicht zu existieren. Neue sind auch nach zwei Jahren spärlich gesät. Genauer gesagt gibt es da nur Maurice. Doch die beiden verbindet als Außenseiter eher eine Zweckgemeinschaft. Und dann ist da noch Nia, die freundlich zu Butterball ist. Obwohl sein Vater selten Zeit für ihn hat, bedeutet er dem Jungen viel. Und obwohl auch seine Mutter angesichts ihrer Ausbildung und Arbeit so gut wie nichts mit ihm unternehmen kann, fühlt er sich nach außen nur bedingt allein und ist froh, wenn man ihn in Ruhe lässt.

Eines Tages passiert etwas, was alles durcheinanderwirbelt. Damit startet der Roman im Grunde genommen. Weil Butterball denkt, dass Maurice Lügen über ihn verbreitet, will er ihm das Maul stopfen und verprügelt ihn brutal. Die Wirkung dieser Aktion ist fatal und so realistisch dargestellt, dass sie erschüttert. Sein Vater hält ihm mehr oder weniger eine Standpauke. Nicht für das, was er getan hat, sondern dafür, dass er sich hat erwischen lassen. Nia hat Angst vor ihm und blickt gleichzeitig zu ihm auf. Seine Mutter steckt ihn in Zusammenarbeit mit der Schulleitung in eine Gesprächstherapie, damit er nicht von der Schule fliegt. Und ansonsten kennen ihn plötzlich Leute, die ihn vorher bestenfalls nicht beachtet oder verhöhnt haben. Klopfen ihm anerkennend auf die Schulter. Diese Anerkennung will er sich nicht gleich wieder verscherzen und tut deshalb Dinge, hinter denen er nicht wirklich steht.

Auf die Gesprächstherapie hat er absolut keine Lust, sieht aber ein, dass sie nötig ist, um nicht von der Schule verwiesen zu werden. Also geht er widerwillig hin. Und was anfangs unmöglich scheint, vollzieht sich in aller Stille. Er beginnt sich seiner Therapeutin, für die er zunächst allenfalls so etwas wie wohlwollende Verachtung übrig hat, zu öffnen.

50 Cent und Laura Moser lassen Butterball seine Geschichte selbst erzählen. Dies geschieht zum Teil so, dass er LeserInnen an den Sitzungen bei seiner Therapeutin Liz teilnehmen lässt, dann wieder rückblickend den Fokus darauf lenkt, was letztlich überhaupt zu diesen Sitzungen geführt hat. Und zwar in einem Stil, der berührt, nachdenklich macht und wie bereits erwähnt auch erschüttert.

In 34 Kapiteln lernen LeserInnen nach und nach keinen tollwütigen Schläger kennen. Vielmehr offenbart sich ein einsamer Junge, der neben seiner Wut auch seine Ängste unterdrückt, seine Hoffnungen eigentlich schon aufgibt, bevor er sie sich zu sehr ausmalt. Der nicht viel über Gefühle redet, weil er das von zuhause nicht gewohnt ist. Der sich verzweifelt nach Anerkennung sehnt. Erfährt von seinen Träumen und Wünschen. Lernt ihn schlagfertig und sarkastisch kennen. Teils verbittert, teils selbsteinsichtig. Und fatalistisch, denn im Grunde geht er davon aus, ja doch keine Chance zu haben. Butterball fühlt sich wertlos, denkt bestimmte Dinge verdient zu haben. Angesichts des Umgangstones oder auch des Erziehungsstils seines Vaters scheint dies kaum verwunderlich. Die Werte, die ihm seine Mutter vermitteln will, sieht er größtenteils nicht. Obwohl er nicht gänzlich respektlos ist, fehlt es ihm an Respekt. Trotzdem kann der Junge durchaus zwischen Recht und Unrecht entscheiden und beginnt nachzudenken. Wie 50 Cent hat auch Butterball eine kreative Ader, wenngleich er diese nicht durch Musik ausdrückt. Findet er damit einen Ausweg aus seiner Situation?

Fazit: 05perlenpunkte.jpg

Wer in playground so etwas wie eine reine Milieustudie von 50 Cents Jugend und Drogenzeit oder Ähnliches, reißerisch von einem Ghostwriter aufgemotzt, erwartet, sollte die Finger von dem Buch lassen. Curtis Jackson III, alias 50 Cent, weiß durchaus, wie man zum Schläger wird, und hat Erinnerungen aus seiner Jugend (aller Wahrscheinlichkeit nach extrem abgemildert, jedoch nicht geschönt) in die Geschichte einfließen lassen. In der Einleitung meldet sich er selbst zu Wort und erinnert seine Leser an etwas, was er in seinem von Höhen und vielen Tiefen geprägten Leben gelernt hat. Zitat: „Ein Schläger zu sein bringt dich nirgendwohin.“ Nicht jeder hat so viel Glück wie der Gangsta-Rapper und Multimillionär, der mehr als eine Chance erhalten hat. Doch nicht jeder muss vollkommen abstürzen. Wer wissen will, ob es Butterball gelingt nicht nur seinen unsäglichen (auf seine Figur bezogenen) Namen, sondern auch seine Situation zu ändern, sollte dieses Buch lesen. Es gibt immer zwei Seiten im Leben. Die Entscheidung, welche Richtung man einschlägt, trifft man selbst.

Der Roman hat mich mehr als angenehm überrascht und ich kann ihn nicht nur meiner Nichte beruhigt empfehlen. Er ist spannend, trotzdem unaufgeregt leise. Wirkt lebensnah echt, macht nachdenklich und erinnert daran, welchen Einfluss unser Handeln (oder Nichthandeln) auf das Leben anderer hat. Auf einer Punkteskala von eins bis fünf möchte ich playground die volle Punktzahl geben.

Copyright © 2012 by Antje Jürgens (AJ)

30. November 2012

Bagshawe, Louise: Diamonds – Wer Luxus will, muss listig sein

Filed under: Belletristik,Chick-Lit,Roman — Ati @ 18:27

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Originaltitel: Glitz
ins Deutsche übersetzt von Kerstin Winter
Knaur Taschenbuch
ISBN-13: 9783426504932
ISBN-10: 3426504936
Chick-Lit
03/2011
Taschenbuch, 512 Seiten
[D] 8,99 €

Verlagsseite
Autorenseite (englisch)

Die englische Autorin Louise Bagshawe, Mutter von zwei Kindern, entdeckte das Schreiben früh für sich. Bereits mit 14 verfasste sie Artikel für diverse Zeitungen. Nach einem beruflichen Abstecher in die Musikindustrie widmete sie sich ganz dem Schreiben und avancierte zur Bestseller-Autorin. Nebenbei engagiert sie sich politisch und im Rahmen unterschiedlicher Wohltätigkeitsprojekte.

Bei Knaur erschien seit 2005 jährlich ein neuer Roman von ihr. Dazu zählen Hexe mit Handtasche (09/2005), Löwin im Minirock (03/2006), Schmusekatze auf Beutefang (08/2007), Heldin auf Stöckelschuhen (12/2007), Wildkatze mit Samthandschuhen (05/2008), Glamour – Wer alles will, muss mutig sein (01/2009), Sparkles: Viel zu schön, um brav zu sein (02/2010) und der im März 2011 erschienene und vor mir liegende Roman Diamonds – Wer Luxus will, muss listig sein.

Darin geht es um das Schwesternpaar Juno und Athena und ihre Cousinen Diana und Venus, die eigentlich unterschiedlicher nicht sein könnten. Nicht zum ersten Mal bedient sich die Autorin dabei einer Gesellschaftsschicht, in der Schönheit und Reichtum Macht bedeuten und die wiederum alles. Die eine ist die versnobte, überhebliche Königin der Londoner High Society, die andere eine international anerkannte etwas schrullige Philologin. Die Dritte im Bunde Londons bekanntestes und etwas wildes It-Girl, die Vierte eine talentlose, eher durch ihr Vermögen bekannte Schauspielerin. Und sie haben bei allen Unterschieden dann doch ein paar Gemeinsamkeiten.

Sie alle schwimmen im Geld. Besagtes Geld müssen sie nicht erst mühsam verdienen, bevor sie es mit vollen Händen aus dem Fenster werfen dürfen. Unabhängigkeit ist etwas Herrliches, nicht wahr? Ein alljährliches Geschenk von 500.000 Pfund garantiert diese Unabhängigkeit und sie müssen dafür nur einmal jährlich gemeinsam einen spendablen Onkel besuchen. Nebenbei bemerkt. Das ist zwar ein sattes Polster, stehen ihnen umgerechnet doch etwas mehr als 50.000 Euro pro Monat zur Verfügung. Allerdings scheint das im Reich der Superreichen und Superschönen dann doch wieder nicht so unendlich viel.

Das merken die Vier dann auch prompt, als sie, obwohl sie bisher noch nie in ihrem Leben einen Gedanken an ihren Kontostand verschwenden mussten, bei einem dieser Besuche der Verlobten ihres Onkels vorgestellt werden. Die ist nicht nur in ihrem Alter, sondern gibt auch gerne Geld aus. Und so unabhängig der stete Geldfluss die Vier in der Vergangenheit auch gemacht haben mag, so sehr stellt sein Versiegen sie vor Probleme. Also suchen sie einen Ausweg.

Neben dem paranoiden und berechnenden Onkel gestaltet Bagshawe auch ihre vier Hauptcharaktere nicht sonderlich sympathisch. Erst nach und nach konnte ich mich halbwegs mit ihnen arrangieren, gingen sie doch zudem beinahe in der allzu häufigen Nennung von Luxusmarken unter. Dieses Schicksal teilen sie sich mit Handlungssträngen um Beziehungen und mit denen zu Ideen, wie sie ihrem Dilemma entkommen könnten bzw. der Umsetzung derselben. Darüber hilft der flüssig und angenehm lesbare Schreibstil nur halbwegs hinweg. Spritzige Dialoge oder ein gewisser Wortwitz hätten die gerade erwähnte Schwäche auch überspielen können, kommen aber faktisch zu kurz.

Und dann, als ich so langsam aber sicher angesichts der Entwicklung, die sich für die vier Frauen abzeichnet, Gefallen an dem Buch fand, landete ich auch schon mitten im Schluss. Die Vier erleben ihr persönliches Happy End, nur leider nimmt man als LeserIn viel zu wenig daran teil.

Fazit: 03perlenpunkte.jpg

Das Buch lässt mich gespalten zurück. Es liest sich trotz der erwähnten Schwächen leicht und flüssig. Die Entwicklung der vier Frauen hätte jedoch eindeutig mehr Beachtung verdient, die wiederholte Betonung ihres luxuriösen Lebens dafür weniger vertragen. Ein Lesequickie, für den ich drei von fünf Punkten vergeben möchte.

Copyright ©, 2012 Antje Jürgens (AJ)

 

Coburn, Jennifer: Kerle angeln

Filed under: Belletristik,Chick-Lit,Roman — Ati @ 14:27

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Originaltitel Reinventing Mona
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Barbara Imgrund
Knaur Taschenbuch
ISBN-13: 9783426500576
ISBN-10: 3426500574
Belletristik
Originalausgabe 07/2011
Taschenbuch, 368
[D] 8,99 €

Verlagsseite
Autorenseite (englisch)

 

Für Artikel in diversen Magazinen und Zeitschriften, die in Australien, Kanada und den Vereinigten Staaten verlegt werden, wurde die in New York geborene Autorin und in Michigan graduierte Journalistin Jennifer Coburn bereits mehrfach ausgezeichnet. Darüber hinaus beteiligte sie sich an vier Anthologien und veröffentlichte bislang vier Romane. Die Inspiration dazu bezieht sie unter anderem, wie man dem Autorenprofil auf der Verlagsseite entnehmen kann, eigenen Angaben zufolge aus belauschten Gesprächen (von Freunden und Verwandten). Außerdem steckt in jede ihrer Figuren ein kleines Stück von sich selbst. Drei der vier von ihr veröffentlichten Romane erhält man in der deutschen Übersetzung bei Knaur. Neben dem mir vorliegenden Kerle angeln, die zusätzlich zu der gedruckten Form auch als E-Book erhältlich ist, gibt es auch noch die beiden Titel Mütter, Männer und andere Katastrophen sowie Ehemann günstig abzugeben. Coburn lebt mit ihrer Tochter Katie und ihrem Mann William in San Diego.

 

Wie die Titel bereits erahnen lassen, geht es in ihren Romanen nicht ganz ernst zu. Und auch die Inhaltsangabe auf der Verlagsseite unterstrich diese Vermutung. Das las sich für mich bereits wie ein nettes chick-lit-Lesevergnügen für zwischendurch.

 

Allerdings, ich gebe es zu, hätte ich nicht unbedingt damit gerechnet, eine vom Schicksal arg gebeutelte Hauptfigur kennenzulernen. Durch einen Unfall verlor Mona Eltern, Geschwister und ihre erste Liebe zusammen mit allen übrigen Bewohnern der Hippie-Kommune, in der sie bis dahin lebte. Sie wächst bei ihrer Großmutter auf. Jahre später stirbt auch diese und hinterlässt Mona ihr Haus. Die mittlerweile fast 31Jährige ist einsam und hat im Grunde keinen Plan, wie es weiter gehen soll. Hinzu kommt, dass ihr Arbeitsplatz von heute auf morgen nicht mehr sicher ist. Ihr Chef bietet all denen eine Abfindung, die freiwillig gehen.

 

Das klingt jetzt erst einmal viel zu ernst für eine unterhaltsame Kommödie. Doch diese traumatischen, im Rückblick erzählten Ereignisse bestimmen nicht die Grundnote von Kerle angeln, keine Sorge. Sie bieten jedoch eine Erklärung für so manche Wunschvorstellung Monas und auch die eine oder andere Verhaltensweise findet sich gut darin begründet.

 

Bei der Abfindung greift Mona jedenfalls zu, sieht sie doch den richtigen Zeitpunkt gekommen, um ihr Leben neu zu organisieren. Vor allem will sie endlich Adam, dem Steuerberater ihrer Großmutter, den sie seit 7 Jahren anhimmelt, ohne dass er etwas davon weiß, näherkommen. Da sie jedoch keinen blassen Schimmer hat, wie sie letzteres Erfolg versprechend umsetzen kann, sucht sie Hilfe. Die findet sie in dem Kolumnisten Mike. Der scheint zwar ein absoluter Chauvinist im Neandertalerformat zu sein, doch Monas Ansicht nach ist er perfekt dafür prädestiniert, Verständigungsprobleme mit Adam zu vermeiden. Ihre Idee und Mikes Hilfe zahlt sich aus, denn tatsächlich kann sie ihren Traummann endlich treffen. Dumm nur, dass mittlerweile auch Mike Herzklopfen bei ihr verursacht und Adam plötzlich gar nicht mehr so interessant ist.

 

Wer Wert auf eine humorvolle Liebesgeschichte legt, sollte vielleicht die Finger von Coburns Roman lassen. Denn tatsächlich ist hier eher der Weg das Ziel, der Fokus liegt eindeutig auf Monas Bemühungen geliebt zu werden. Kerle angeln und damit Monas Aktionen gestalten sich komödiantisch. Es ist eine leicht lesbare, amüsant-spöttische, turbulente und stellenweise klamaukartig überzogene Geschichte.

 

Die Hauptfigur Mona ist gelinde gesagt chaotisch, jedoch genau wie einige Nebencharaktere, liebenswert dargestellt. Die junge Frau bezeichnet sich schon mal selbst als „Senffleck auf einer Tweedcouch aus dem Versandkatalog“. Dass sie eigentlich erst 20 kg abnehmen und ihren Traummann zudem erst noch davon überzeugen muss, die Richtige für ihn zu sein, weil er sie nicht richtig kennt, mag übertrieben und unreif klingen, doch wirkt Mona gerade dadurch überraschend authentisch.

 

Sie erzählt die Geschichte übrigens. Die gewählte Ich-Form bietet insofern ein kleines Manko, als man wenig über die Beweggründe von Mikes Verhalten erfährt. Man bekommt natürlich mit, dass der unter seiner harten Schale einen weichen, liebenswerten Kern versteckt und längst nicht so hartgesotten ist, wie er tut. Doch abgesehen davon bleibt er angesichts der gewählten Erzählform eben etwas zu diffus. Unabhängig davon erfüllen er und sein Rivale Adam mehrere überaus triviale Klischees.

 

Im Laufe der Geschichte verwandelt sich Mona vor den Augen von Coburns LeserInnen. Die Frau ohne Leben, Familie, Mann, Freunde, Hobbys, Leidenschaften, Stil oder Leichen im Keller stellt fest, dass sie sich gar nicht verstellen muss, um akzeptiert, anerkannt und geliebt zu werden. Sie wird aktiv und letztlich auch dafür belohnt. Bis dahin greift sie jedoch zu recht kreativen Mitteln und muss mit mehr als einem Missgeschick und dem einen oder anderen Stolperstein zurechtkommen. Hier scheint sich zu bestätigen, was die Autorin von sich sagt, denn manches wirkt trotz der Überzogenheit so echt, als ob es tatsächlich an die Realität angelehnt wäre.

 

Bedauerlicherweise etwas zu theatralisch ist dann der Schluss der Geschichte. Irgendwie passt er zwar zu den Dingen, die Mona so anstellt, um Adam auf sich aufmerksam zu machen, aber insgesamt wirkt der Showdown zu dick aufgetragen.

 

Fazit: Trotz kleinerer Schwächen wurde ich nicht enttäuscht. Kerle angeln ist eine amüsante, leicht lesbare Geschichte für einige unterhaltsame, entspannende Lesestunden. Sie sorgt für hochgezogene Mundwinkel und lässt einen leicht eintauchen. Ich möchte ihr vier von fünf Punkten geben und kann sie jedem empfehlen, der abschalten möchte.

 

Copyright ©, 2012 Antje Jürgens (AJ)

 

29. November 2012

Raven, Lynn: Hexenfluch

Filed under: Roman — Schlagwörter: , , , , , , , , — Ati @ 17:41

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Knaur Taschenbuch
ISBN-13: 9783426505601
ISBN-10: 3426505606
Fantasy
1. Auflage 05/2011
Taschenbuch mit Klappenbroschur, 432 Seiten
[D] 12,99 €

Verlagsseite
Autorenseite

Beim Stöbern auf der Verlagsseite fiel mir das rote Kleid auf dem Cover ins Auge. Also las ich flugs die Inhaltsangabe. Demnach geht es um eine erfolgreiche Ärztin Ella, die für ihren Beruf lebt. Ihre Mutter hat sie und ihren Vater verlassen, was dafür sorgte, dass sie ihr Herz verschloss. Abgesehen davon ahnt sie nicht, dass ihre Mutter ihr etwas hinterlassen hat. Ein magisches Erbe, das zum Ausbruch kommt, als sie eines Abends beobachtet, wie ein Mann von einer Gruppe vermummter Gestalten misshandelt wird. Ihr beherztes Eingreifen verhindert das Schlimmste, doch als sie den verletzten Hexer Christian Havreux berührt, durchströmt sie eine ungeahnte Macht. Auch Havreux spürt diese bislang unentdeckten Fähigkeiten und bietet ihr prompt – nicht ganz uneigennützig – an, sie auszubilden.

Trotz des magischen Elements spielt die Geschichte in unserer Welt, unserer Zeit. Allerdings richtet sich die Autorin im Gegensatz zu früheren Büchern eindeutig an ein erwachsenes Publikum. Die Elemente in der Geschichte sind dunkel und brutal, stellenweise sehr blutig. Daneben kommen auch Liebe und Erotik darin vor, allerdings nicht so, dass sie die Geschichte überfrachten oder verkitschen.

Raven schreibt in einem flüssigen, unprätentiösen und leicht lesbaren Stil, greift in spannenden Szenen auf kurze Sätze zurück. Trotz wechselnder Perspektiven nimmt die Geschichte dennoch anfangs nur zögerlich an Tempo zu. Oder vielleicht sollte ich schreiben, dass sie gerade wegen der wechselnden Perspektiven nur langsam an Tempo gewinnt. Hierdurch ergibt sich nämlich eine gewisse Vorhersehbarkeit. Hinzu kommt, dass die Haupt- und Nebencharaktere etwas zu wenig beleuchtet werden. Wirklich unscheinbar oder gar uninteressant sind sie jedoch nicht und beides wird zudem eindeutig durch die ansonsten dichte Atmosphäre abgemildert.

Christian ist genauso sympathisch wie undurchschaubar. Ella genauso hilfsbereit wie ehrgeizig. Und obwohl sie eigentlich völlig in ihrem Beruf aufgeht, schafft Christian, was andere nicht schaffen. Er scheint einfach perfekt. Schätzt Ellas Denkweise, respektiert sie, bringt ihr bei, ihre magischen Fähigkeiten zu kontrollieren, die sie durchaus aus der Bahn werfen könnten. Auf geradezu sanfte Weise wirbt er um sie. Vor dem magisch-düsteren Hintergrund wirkt die sich anbahnende Liebesgeschichte makellos. Dieser Hintergrund ist übrigens gut damit verwoben und beinhaltet, dass Christian eine undurchschaubare, tödlich-böse Seite hat. Und in den Fängen der Dämonin Lyresha hängend nicht wirklich frei entscheiden kann.

Gegen Mitte und vor allem Ende des Romans nimmt die Geschichte greifbar an Tempo zu, ohne dass der Eindruck entsteht, dass hier schnell etwas beendet werden musste. Hier hält auch vermehrt brutale Gewalt Einzug, es werden Vergewaltigungen und Abartigkeiten erwähnt, ohne dass die Autorin sich in zu exzessiven Beschreibungen verliert. Dennoch scheint das Blut förmlich aus dem Buch herauszutropfen.

Fazit: Wer hofft, den bisherigen, dem jugendlichen Publikum geschuldeten, romantisch-sehnsüchtigen Stil Ravens auch in Hexenfluch zu lesen, wird enttäuscht werden. Unabhängig davon findet man darin, sowohl ganz allgemein betrachtet wie auch direkt auf frühere Romane der Autorin bezogen, keine neue Grundidee. Eine gute Umsetzung hebt dieses vermeintliche Manko jedoch wieder auf. Und Raven hat die Idee trotz des eher behutsamen Einstiegs sowohl gut als auch wieder etwas anders in einen unterhaltsam-spannenden Fantasy-Roman für Erwachsene umgesetzt. Deshalb lohnt es sich durchaus, bei Ravens Hexenfluch durchzuhalten. Ich möchte der Geschichte vier von fünf Punkten geben.

Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

Moog, Philipp: Lebenslänglich

Filed under: Krimi/Thriller,Roman — Ati @ 13:36

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Dumont Buchverlag
ISBN-13: 9783832161590
ISBN-10: 3832161597
Krimi
1. Auflage 04/2011
Taschenbuch, 188 Seiten
[D] 8,99 €


Verlagsseite

Bereits 2008 kam der Debütroman des 1961 geborenen Schauspielers, Synchronsprechers,  Drehbuch- und Romanautors auf den deutschen Buchmarkt. Nach der Hardcoverausgabe legte Dumont im letzten Jahr in Form einer Taschenbuchausgabe nach.

Schwarzer Humor ist etwas, was ich seit Langem mag. Auslöser war glaube ich ein Monty Python-Film. Diese kleine Vorliebe und der Hinweis, dass Moogs Roman voll davon wäre, führte dazu, dass die Taschenbuchausgabe von Lebenslänglich vor mir liegt.

Moogs Schreibstil zog mich schnell in seinen Bann, wobei es mich nicht direkt in die Geschichte zog. Der Grund hierfür ist die für mich etwas zu distanzierte Art, mit der die Hauptfigur sich betrachtet. Man könnte schon fast sagen verbal seziert. Dennoch habe ich das Buch verschlungen.

Die gerade angesprochene Hauptfigur ist ein kleiner, unscheinbarer, adipöser Bankkassierer mit schütterem Haar und teigiger Haut. Er hat kein allzu reges Liebesleben. Eigentlich gar keins, denn die Frauen übersehen ihn schlichtweg, tagtäglich viele, viele Male. Überhaupt ignoriert ihn die Gesellschaft. Er fühlt sich ausgeschlossen, hat keinen Spaß und versucht, aus diesem trostlosen Dasein auszubrechen. Dafür macht er aber keine Diät. Er rennt auch nicht ins Fitnessstudio, um seinen Körper auf Vordermann zu bringen. Besucht auch keine Flirtkurse oder irgendwelche Seminare mit Anschlussgarantie. Nein, weil er widersinnigerweise hofft, dass eine spezielle Kollegin in seine tröstenden Arme flüchtet, wenn den Liebhabern seiner weiblichen Kolleginnen etwas geschieht, sorgt er für deren Ableben. Dummerweise wird natürlich die Polizei angesichts der Todesfälle aufmerksam. Und ganz unabhängig davon geht sein Plan schief. Nicht seine angebetete Traumfrau sucht Trost bei ihm und schmachtet ihn an, sondern eine nach Schweiß riechende und ebenfalls keinem hierzulande gängigen Schönheitsideal angehörende andere Kollegin. Angewidert wehrt er sich gegen ihre Avancen, denn auch wenn er selbst kein Prinz ist, möchte er doch absolut überhaupt keine Kröten küssen.

Kein sehr sympathischer und noch dazu ein namenloser Hauptcharakter, den Moog da für sein Romandebüt wählt. Allerdings auch keiner, der absolut erfunden und unecht wirkt. Voll Selbstmitleid lebt das dicke Männchen, wie er sich selbst nennt, in seiner eigenen kleinen Welt. Voller Hass auf sich selbst und die Welt, die ihn einfach übersieht und ungerecht behandelt. Was er denkt und fühlt, was er ihn zu dem was er tut motiviert, das erfahren Moogs LeserInnen durch ihn, mal in der ersten, mal in der dritten Person. Er plant perfide seine Taten und führt sie auch gnadenlos aus, bevor er sich selbst zum tapferen kleinen Held des jeweiligen Abends erhebt.

Moog spart an unnötigen Ausführungen, schafft aber durch die treffend klare, bildhafte Sprache eine authentische Atmosphäre. Er pointiert durch böse Ironie und bitteren Zynismus. Und so sieht man, wie die Wunschvorstellungen des Verlierers sich in Nichts auflösen. Trostlos und trist fristet er sein Dasein. Er ist sich gnadenlos seiner selbst, vor allem aber seiner Defizite bewusst. Straft sich unentwegt, indem er sie sich unter die Nase reibt und Vergleiche zieht. Während die Welt ihn übersieht, scheinen seine Sinne überall zu sein und alles wahrzunehmen. Seine Welt stand mir beim Lesen erschreckend klar vor Augen. Unaufgeregt wird nach und nach nachfühlbar klar, wie sehr jemand nicht nur durch die Gesellschaft, sondern auch durch sich selbst ins Abseits manövriert werden kann.

Fazit: Lesenswertes Debüt, das Lust auf weitere Werke des Autors macht. Schwarz, zynisch und unterhaltsam, wie er ist, bekommt Philipp Moogs Debütroman fünf von fünf Punkten von mir.

Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

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