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24. April 2011

Ockler, Sarah: Die Sterne leuchten immer noch

Filed under: Belletristik,Jugendbuch,Roman — Ati @ 14:16

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Sarah Ockler
Die Sterne leuchten immer noch

Originaltitel: Twenty Boy Summer
aus dem Amerikanischen übersetzt von Bernadette Ott
cbj
ISBN
9783570137499
ISBN 357013749X
Roman Jugendbuch 12 – 13 Jahre
1. Auflage 2011
Umschlaggestaltung Zeichenpool, München
Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag, 352 Seiten
[D] 16,99 €

Verlagsseite

Autorenseite

Was hat Steven Spielbergs „E.T.“ mit Sarah Ockler zu tun? Ganz einfach. Er brachte sie quasi zum Schreiben. Im zarten Alter von sechs Jahren schrieb und illustrierte sie ihr erstes Buch, das an eben diesen Film angelehnt war. Natürlich wurde es nie veröffentlicht. Ihre Eltern ermunterten sie stattdessen, eigene Ideen zu verwirklichen. Diesen Ratschlag hat Sarah Ockler beherzigt. Jahre später, genauer gesagt 2009, erschien ihr Debütroman „Twenty Boy Summer“, der von den Kritikern gefeiert und von cbj 2011 unter dem Titel Die Sterne leuchten immer noch auf den deutschen Buchmarkt gebracht wurde. Ende 2010 erschien in den USA ihr zweiter Roman unter dem Titel „Fixing Delilah“.

 

Die Geschichten und Bücher der Autorin sind vorrangig für Jugendliche geschrieben. Ihre Passion für diese Zielgruppe und All-Age-Leser wurde bei ihrer Arbeit im Lighthouse Writers Workshop Denver verstärkt. Sie unterrichtet dort junge Autoren. Begründet dürfte sie jedoch darin liegen, dass Ockler sich noch gut an ihre Highschool-Zeit erinnern kann. An gute und schlechte, an aufregende und langweilige Tage auf dem Weg zum Erwachsenwerden. Die Autorin, die den Bachelor of Arts in Communication gemacht hat, verbringt neben dem Schreiben einen Teil ihrer freien Zeit in der Natur und fotografiert gerne diesbezügliche Motive oder Kinder oder geht mit ihrem Ehemann Bergsteigen.

 

Der Buchumschlag in nachtblau zeigt einen Sandstrand, im Hintergrund etwas Meer, im Vordergrund eine junge Frau bzw. ein junges Mädchen, das in einem weißen Kleid vom Wind umspielt mit ausgebreiteten Armen unter einem sternenklaren Himmel steht. Der Originaltitel passt genauso gut wie die deutsche Übersetzung. Während „Twenty Boy Summer“ an eine Wette angelehnt ist, die die weibliche Hauptfigur Anna mit ihrer Freundin abschließt, deutet der deutsche Titel gleichermaßen auf die Hilflosigkeit wie Hoffnung hin, die Anna empfindet.

 

Mit fünfzehn sollte man Kribbeln im Bauch spüren. Sich über Schulnoten und die Zukunft Gedanken machen, aber daneben auch über Mode, Make-up, Musik, etc. Sachen erleben, die einen zum Lachen bringen, beste Freunde haben, Träume ausmalen oder Schmetterlinge im Bauch spüren, die mit Verliebtsein oder gar der ersten Liebe einhergehen. Hormonell bedingt ist dieses Alter eine Zeit der emotionalen Tiefs und Hochs in rasanter Abfolge und genau genommen erlebt Anna all dies auch. Bis zu jenem Tag, an dem Trauer und Hilflosigkeit schlagartig überwiegen. Dass ausgerechnet Matt, ihr bester Freund, in den sie seit fünf Jahren verliebt ist, auch nicht erst seit Kurzem etwas für sie empfindet, lässt sie für eine kurze, wundervolle Zeit schweben – bis er völlig überraschend aus dem Leben gerissen wird. Bevor sie irgendjemand von ihrer ersten Liebe berichten kann, endet die zart aufkeimende Beziehung zu dem Jungen, mit dem sie schon ihr ganzes Leben verbracht hat. Noch nicht einmal ihrer besten Freundin, Matts Schwester Frankie, kann sie davon erzählen, denn Matt wollte es seiner Schwester schonend beibringen. Sowohl er als auch Anna hegten die Befürchtung, dass ihre Freundschaft dadurch belastet werden könnte. Deshalb hat er ihr in diesem Zusammenhang das Versprechen abgenommen, niemandem etwas zu sagen, bevor er selbst mit Frankie gesprochen hat. Auch über seinen Tod hinaus fühlt die mittlerweile sechzehnjährige Anna sich an dieses Versprechen gebunden und übernimmt seine Beschützerrolle für seine Schwester. Sie trauert still. Statt selbst Trost zu empfangen, ist sie für Frankie und ihre Eltern da und begleitet sie ein Jahr nach Matts Tod zum ersten Mal an den Ort, an dem die Familie ihre Sommerurlaube verbrachte.

 

Ockler hat feinfühlig authentisch wirkende Charaktere geschaffen. Ob man nun selbst bereits einmal den Verlust einer nahestehender Person erlebt hat oder nicht – jeder dürfte sich relativ schnell und problemlos in Anna oder eine der anderen Figuren hineinversetzen können. Der Schreibstil der Autorin ist flüssig und locker, ohne flapsig oder aufgesetzt zu wirken. Ihre Darstellung der Gefühle der einzelnen Personen ist nicht überladen, doch geht bisweilen hart an die Grenze. Manchmal möchte man sowohl Frankie als auch Anna fast schütteln, oftmals in die Arme nehmen und trösten.

 

Die Sterne leuchten immer noch spielt in der Gegenwart und umfasst den Zeitraum von etwas mehr als einem Jahr, enthält jedoch auch einige länger zurückliegende Erinnerungen. Ein Teil spielt an der Ostküste, der andere an der Westküste der Vereinigten Staaten. Der Raum dazwischen könnte synonym für die Entwicklung der Geschichte stehen, für den Abgrund, der sich nach Matts Tod für seine Familie und Anna zum Rest der Welt aber auch zwischen ihnen auftut. Alles könnte jedoch auch zu einer anderen Zeit an einem völlig anderen Ort stattfinden, denn die Handlung richtet den Blick auf die Emotionen, weniger auf Zeit und Umgebung. Gleichzeitig sind gewisse Passagen enthalten, die typisch amerikanisch gehalten sind, und genau dadurch etwas zu oberflächlich oder lang wirken können. Nach Matts Tod geht jede der Figuren anders mit ihrer Trauer um, wobei die Autorin den Fokus auf Anna richtet, die die Geschichte in Ich-Form erzählt.

 

Frankie etwa wirkt in ihrem Schmerz egoistisch und oberflächlich, verstockt, kindisch und gleichermaßen verletzend wie verletzlich. Sie verfällt nach einer geschockten Starre in blinden Aktionismus. Zum einen lässt sie kaum jemanden an sich heran, zum anderen scheint ihr neues Leben aus Make-up, Partys und Jungs zu bestehen. In ihrem Schmerz bekommt sie gar nicht mit, dass die Ehe ihrer Eltern zu scheitern droht oder wie es Anna geht.

 

Annas Welt wird klein, erstarrt eher, während sie Matt durch briefartige Einträge in ihrem Tagebuch am Leben erhält oder erdachte Zwiegespräche mit ihm führt. Durch ihre Erinnerungen lernt man Matt näher kennen. Ockler animiert auch damit zum Nachdenken, zum Schmunzeln, lässt den Leser mitfühlen. Trotz der emotionsgeladenen Thematik schafft es die Autorin, nicht melodramatisch abzurutschen. Sie verbindet geschickt die Gefühle der Trauer und des Schmerzes, der Wut und Hoffnungslosigkeit, aber auch der Verliebtheit, der Hoffnung, der Neugierde und des Verzeihens.

 

Der gemeinsame Urlaub ist gleichermaßen eine Belastungsprobe für alle, wie auch der Versuch, ein normales Leben zu führen. In diesem Zusammenhang schließen Frankie und Anna vor ihrer Abreise einen Pakt. Die 20 Tage am Meer sollen zum A.B.S.A.Z (absolut bester Sommer aller Zeiten) werden und die Mädchen wollen sie nutzen, jeden Tag einen anderen Jungen kennenzulernen. Einer wird – nach Frankies Ansicht – schon dabei sein, der Anna um ihre Jungfräulichkeit bringt. Was sich keineswegs einfach gestaltet. Matt ist trotz seines Todes omnipräsent in den Erinnerungen und Gefühlen Annas. Sie trauert nach wie vor und hegt Schuldgefühle, weil sie ihrer Freundin nicht die Wahrheit sagen kann. Den Pakt ist sie nur halbherzig eingegangen, um Frankie aufzumuntern. An eine neue Liebe glaubt sie nicht wirklich; der Gedanke jagt ihr beklemmende Gefühle ein, weil sie glaubt, Matt dadurch zu verraten. Tatsächlich machen sich aber doch Schmetterlinge in ihrem Bauch bemerkbar, als sie Sam kennenlernt. Die Gefühle für ihn, erinnern natürlich an die für Matt, doch gleichzeitig wird deutlich, dass sie andersgeartet sind, weil ihnen eine gewisse Oberflächlichkeit innewohnt. Die Zeit, die sie mit ihm verbringt, und letztlich ihr Tagebuch sorgen jedoch auch dafür, dass ihre Freundschaft zu Frankie auf eine harte Probe gestellt wird.

 

Gleichwohl ist Ocklers Debütroman jedoch auch voller Hoffnung und, ja … auch Kraft. Zeigt nicht nur die traurige Seite – etwa durch Annas Erinnerungen. Zeigt, wie wichtig es ist, in solchen Phasen jemanden neben bzw. bei sich zu haben. Dass Schweigen viel zerstören kann und andererseits oft nur wenige Worte vieles aufwiegen. Dass ein kleiner Schritt zur Seite den Betrachtungswinkel verändert. Zeigt, wie wichtig die einzelnen Phasen der Trauer sind. Wie unendlich kostbar Erinnerungen sind und dass man durch Loslassen auch gewinnen kann.

 

Fazit

 

Ein Roman über Freundschaft, Liebe, Trauer, Schmerz und das Erwachsenwerden. Hier passt der deutsche Titel perfekt. Die Sterne leuchten immer noch – manchmal muss man nur einfach den Kopf heben. Ein Debüt, das berührt und für das ich trotz kleinerer Längen fünf Punkte von fünf Punkten vergeben möchte.

 

Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

12. April 2011

Stead, Rebecca: Du weißt, wo du mich findest

Filed under: Jugendbuch,Roman — Ati @ 18:59

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Rebecca Stead
Du weißt, wo du mich findest

Originaltitel: When you reach me
aus dem Amerikanischen übersetzt von Alexandra Ernst
cbj
ISBN 9783570139066
ISBN 3570139069
Jugendbuch, 11 – 12 Jahre
1. Auflage 2011
Umschlaggestaltung zeichenpool, München
Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag, 240 Seiten
[D] 14,99 €

Verlagsseite
Autorenseite 

Die 1968 in New York geborene und aufgewachsene US-Autorin, die zusammen mit ihrem Mann und zwei Söhnen in Manhattan lebt, schreibt für Kinder und Jugendliche. Nachdem sie bereits früh zum Schreiben an sich kam, nahm sie es erst nach einer Pause, in der sie als Anwältin tätig war, ernsthaft wieder auf. Und eigentlich auch nur, um sich davon abzulenken, dass ihr Sohn … sagen wir mal … ursächlich, am Ableben ihres Laptops beteiligt war, auf dem jahrelang gesammelte Ideen und Kurzgeschichten gespeichert waren. Um sich aufzuheitern, begann sie mit etwas Leichtem, dem dann 2007 ihr erster Roman „First Light“ folgte. Im Jahr 2010 wurde sie mit ihrem 2009 erschienenen zweiten Roman „When you reach me“ für die Newbery Medal – einen Literaturpreis für Jugendliteratur – nominiert. Ins Deutsche übersetzt brachte cbj diesen Roman 2011 unter dem Titel Du weißt, wo du mich findest auf den Markt.

 

Der rot gestaltete Umschlag, der ein Paar karobesockte Füße in roten Lackschuhen, einen Origamifrosch auf gezeichneten Holzdielen mit Bleistiftzeichnungen von Schuhen, einem Brief, etc., zeigt, ist gut gelungen und macht das Buch zu einem von denen, die den Blick unweigerlich auf sich ziehen.

 

Der Roman handelt von der 12jährigen Miranda, die Ende der 1970er Jahre in New York City lebt. Die Geschichte könnte jedoch auch an einem beliebig anderen Ort zu einer beliebigen anderen Zeit spielen, denn obwohl die Autorin beides erwähnt, liegt der Schwerpunkt von Du weißt, wo du mich findest eindeutig auf der Gefühls- und Gedankenwelt des Mädchens, die die Geschichte in Ich-Form in briefartigen Episoden erzählt. Bereits hier wird klar, dass das Buch kein reines Buch zur Entspannung ist und vermutlich eher Leser außerhalb der anvisierten Zielgruppe finden wird. Die briefartigen Episoden bewirken, dass die Geschichte gewissermaßen Zeitsprünge erlebt. Man kann nicht einfach lesen und abhaken, man muss dabeibleiben und überlegen, ob das Gelesene gerade im Jetzt, Davor oder Danach geschieht. Doch Miranda selbst könnte neben jedem von uns leben, könnte vielleicht mit uns verwandt sein oder den einen oder anderen Leser selbst darstellen. Das Mädchen wirkt echt, man kann sich in sie hineinfühlen, ja hineinversetzen. Dies gilt auch für die Nebencharaktere. Sie sind zwar nicht so detailliert gezeichnet, zeigen sich jedoch genauso authentisch wie die Hauptfigur.

 

Das Mädchen lebt in einfachen Verhältnissen mit ihrer Mutter und deren Freund zusammen. Miranda hat nicht viele Freunde – genau genommen nur Sal. Doch der will von heute auf morgen nichts mehr von ihr wissen, ohne zunächst Gründe dafür zu liefern. Deshalb beginnt Miranda, zarte Kontakte mit anderen Kindern zu knüpfen. Kontakte, die pubertäre Streitereien genauso beinhalten wie jugendliche Neugier und Unbedarftheit. Oder auch Ängste und Unbehagen, etwa im Zusammenhang mit einem obdachlosen „lachenden Mann“, der vor Mirandas Haus seine Tage fristet.

 

Es gibt auch einen mysteriösen Erzählteil, der auf kleinen Nachrichten fußt, die Miranda immer wieder findet. Etwa eine mit dem Inhalt „Ich komme, um das Leben deines Freundes zu retten. Und mein eigenes. Ich bitte dich um zwei Gefallen. Erstens: Du musst mir einen Brief schreiben. Zweitens: Ich bitte dich, diese Nachricht geheim zu halten.“ Nachrichten, von jemandem, der genau über Miranda Bescheid zu wissen scheint und sogar zukünftige Ereignisse voraussehen kann. Miranda kommt dieser Bitte nach, wie man unschwer daran erkennen kann, dass sie immer wieder eine stets präsente, aber nicht greifbare Person mit „du“ anspricht, auch wenn sie lange nicht begreift, was sie wirklich tun soll oder warum dies alles geschieht.

 

Die Geschichte, die laut Umschlagtext „atemberaubend spannend, brillant erzählt, voller Wärme und Klugheit“ sein soll und das Buch zu etwas macht, „das man nie vergisst“ lebt in Wirklichkeit jedoch nicht von atemberaubender Spannung. Damit hat der Verlag der Autorin vermutlich keinen Gefallen getan, denn Du weißt, wo du mich findest ist so ganz anders als das, was damit automatisch suggeriert wird. Abseits des Mainstreams entpuppt sich die Geschichte als etwas, dass von Ruhe, Emotionen und – trotz der eher einfachen Sprache –  auch von Poesie getragen wird. Es ist kein ganz einfaches Buch und vermutlich dürften es einige Leser nach dieser vielversprechenden Verlagsankündigung zu früh gelangweilt oder enttäuscht beiseitelegen. Zumal auch ein Erzählstrang hinzukommt, der sich um die Teilnahme von Mirandas Mutter an eine Quizshow dreht, bereits relativ früh erwähnt und im Vergleich zur übrigen Handlung fast quälend, übermäßig betont wird.

 

Dennoch lohnt es sich, das Buch zu lesen. Denn tatsächlich besticht Mirandas Geschichte in ihrem unaufgeregten Erzählstil. Du weißt, wo du mich findest verwirrt, regt jedoch auch zum Nachdenken an. Etwa über den Sinn des Lebens, über das Danach, über die Ewigkeit, über Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit, die Härten des Lebens. Unscheinbar wirkende Kleinigkeiten gewinnen zunehmend an Bedeutung. Man ahnt, worauf alles hinauslaufen wird, weiß es aber bis fast zum Ende nicht wirklich. Was zunächst einfach gestrickt wirkt, entpuppt sich als ein gelungenes Gespinst eines interessanten roten Fadens, der sich kontinuierlich durch den Roman zieht.

 

Fazit

 

Ein ungewöhnliches Buch abseits des Mainstreams, das trotz des gelungenen Covers die Meisten erst auf den zweiten Blick bestechen dürfte. Ich würde es eher unter All-Age als unter Jugendbuch einsortieren, den Fokus nicht auf „atemberaubende Spannung“ lenken, dafür aber auf einen leisen, emotionalen und bezaubernden Roman, für den ich vier von fünf Punkten vergeben möchte.

 

Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

 

26. März 2011

Klapschus, Marcel René: Der rote Ozean

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periplaneta
ISBN 9783940767639
ISBN 3940767638
Fantasy
1. Auflage 2011
Taschenbuch, 222 Seiten
[D] 13,00 € 

 

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Der 1986 im damaligen West-Berlin geborene Autor veröffentlichte sein erstes Buch „Yuma 23“ 2007 als kostenloses E-Book, 2008 erschien bei BOD „Die Rückkehr der Phoenix“. Im Jahr 2009 begann der in Schleswig-Holstein lebende Informatiker mit der Arbeit an Der rote Ozean. Zwölf Monate später stand die Rohfassung des 2011 von periplaneta veröffentlichten Romans. Da Klapschus der westlichen Wertegesellschaft nach eigenen Aussagen kritisch gegenübersteht, handelt Der rote Ozean von einem Glaubenskrieg der zu einem Endzeitszenario führt. Der Autor hat seine Geschichte ins Jahr 2027 verlegt und bietet ihr einen Zeitrahmen bis Anfang 2030, bevor er im letzten Kapitel einige Jahre weiterspringt. Die Handlungsorte sind der Nahe Osten, mit Israel und dem Libanon, sowie die Ostküste der Vereinigten Staaten. Die Orte könnten teilweise beliebig getauscht werden, die Geschichte selbst jedoch ohne Weiteres auch im hier und jetzt spielen, da er keine technischen Fortschritte oder Neuerungen beschreibt.  

Die Dystopie mit fantastischen Elementen handelt von Brian. Einem jungen Amerikaner mit libanesischen Wurzeln, der mit seinen Eltern aus den Staaten in den Nahen Osten gezogen ist. In der Familie gibt es Muslime wie Christen und Klapschus streift kurz das, was die Menschen in dieser Region tatsächlich teilweise leben – religionsübergreifende Beziehungen trotz aller politischen und religiösen Schwierigkeiten. Doch all das endet, als ein seltsames Wesen einen gewaltsamen Tod findet, das von beiden Seiten als göttlich anerkannt und für sich beansprucht wird. Schuldzuweisungen führen zu einem unerbittlichen Krieg. Was in der Realität bereits seit Jahrhunderten immer wieder im Kleineren aufflammt, wird hier bis zur bitteren Neige ausgetragen und bekommt noch eine neue Dimension. Denn zeitgleich beginnt sich der Ozean blutrot zu verfärben. Der Regen, der vom Himmel fällt, ist genauso gefärbt. Wasser schmeckt nicht mehr wie Wasser und ganze Kontinente versinken unaufhörlich in der nicht aufzuhaltenden roten Flut. Die Covergestaltung passt in ihrer eher minimalistischen Art sehr gut. Es zeigt auf einem Felsen in einem blutroten Meer einen zusammengekauerten Engel, dessen erhobene Flügel (genau wie die Schrift) von einem blutigen Regen durchnässt werden.  

Obwohl Klapschus einen relativ einfachen Schreibstil erkennen lässt und seinen Roman in kurze Kapitel teilt, was dazu führt, dass man die Geschichte in einem Rutsch durchlesen kann, macht er es dem Leser gleichzeitig nicht ganz einfach, an Der rote Ozean dran zu bleiben. Er bedient sich einiger Klischees und bleibt in seinen Beschreibungen nicht wirklich durchgehend logisch oder konsequent. Passend zu den dystopischen Elementen sind seine Figuren blass. Einzig sein christlich getaufter Hauptcharakter Brian, mit dem er wenig zartfühlend umgeht und aus dessen Sicht (wenn auch nicht von ihm) Der rote Ozean erzählt wird, wird etwas klarer herausgearbeitet. Doch wirkt er wenig sympathisch, oft mürrisch, feige und stellenweise geradezu fatalistisch stupide.  Er ist neben der jungen Muslima Khayra anscheinend der Einzige, der einen nuklearen Angriff auf Beirut unverletzt überstanden hat und gilt als eine Art Erlöser der Menschheit, ist aber definitiv kein Held.  

Ich kann nicht behaupten, dass das Buch ganz schlecht ist, dafür ist allein die Grundidee viel zu gut. Auch der Engel der Brian ab dem Angriff auf Beirut immer wieder besucht, hat mir gefallen. Dasselbe gilt für das Ende, das sich im Kapitel 62 auf etwas mehr als einer Seite findet. Ich würde zu viel verraten, wenn ich jetzt explizit darauf eingehe, was dort vorkommt. Es scheint mir jedoch der einzig logische und vor allem richtige Schluss für viele Probleme, die die Erde derzeit hat. Ebenfalls passend fand ich, dass der Autor trotz des Religionskrieges keine missionarisch wirkende Partei für Muslime oder Christen ergreift, sondern den Fokus hier eindeutig auf den zerstörerischen Fanatismus richtet. 

Doch es gibt zu viele Tatsachen, mit denen man einfach ohne weitere Erklärung konfrontiert wird, die jedoch dringend einer solchen bedurft hätten. Es gibt zu viele Wenn und Aber in der Geschichte. Zu viele glückliche Zufälle, die Brian betreffen. Vieles mag in der künstlerischen Freiheit begründet liegen, alles lässt sich damit jedoch nicht begründen. Obwohl Klapschus es geschafft hat, die geringe Lernfähigkeit der Menschheit beziehungsweise deren religionsübergreifende Verbohrtheit zu vermitteln, gibt es zu viel Störendes, als dass mich Der rote Ozean wirklich begeistert hätte. Nicht alles muss in einem Roman der beiden Genres (Dystopie/Fantasy) zwingend logisch sein. Möglicherweise wäre es sinnvoll gewesen, aus dem jetzt vorliegenden Roman eine allenfalls 100seitige Novelle zu machen oder ihn um mindestens 400 Seiten auszubauen. Dann hätte vermutlich die Chance bestanden, ihn so packend zu formulieren, wie die Idee es verdient. Wer die Geschichte unvoreingenommen lesen möchte, sollte den Rest meiner Buchbesprechung auf keinen Fall lesen, denn darin möchte ich ein paar Beispiele aufführen.  

Beginnen möchte ich mit dem Wesen, das gleich zu Anfang des Romans auftaucht und umkommt. Völlig unabhängig davon, dass Brian den Vorfall, bei dem er zugegen ist, unsinnigerweise eher als Anschlag auf sein Leben bezeichnet, wundert sich niemand wirklich über das Wesen an sich. So etwas gab es anscheinend vorher noch nicht. Obwohl Menschen vor Ort waren, gibt es keine wirklichen Zeugen. Es gibt mageres Bildmaterial, aber genau genommen weiß niemand, was dort wirklich passiert ist. Das hindert Muslime wie Christen jedoch nicht daran, das unbekannte, sich wieder ins Nichts auflösende Wesen aufgrund eines einzigen, gesprochenen Satzes sofort als göttlich zu erkennen, für sich zu beanspruchen und den mehr als vage beschriebenen Mord auf grausamste Weise zu rächen.  

Kurz darauf findet ein Attentat statt. Für dieses soll laut Regierung der christlichen Welt – die sich Christliche Föderation nennt – Khayras Vater verantwortlich sein. Der soll eine Hochzeitsgesellschaft samt Gebäude in die Luft gesprengt haben und damit für Brian, der mit seiner Familie eben neben Khayra und ihrer Familie dort anwesend war, der Mann sein, der den Tod seiner Familie verschuldet hat. Beirut wird im gleichen Augenblick mit Nuklearwaffen verwüstet und atomar verseucht. Oder war es doch Khayras Vater, der eine Atombombe gezündet hat? Wenn ja, scheint es fraglich, dass er das überlebt hat. Genauso wie es fraglich scheint, dass ausgerechnet er den eventuell doch eher kriegerisch erfolgten Gegenschlag zu dem angeblich auf das Wesen verübte Attentat überlebt hat. Das soll er aber laut Aussage der Christlichen Föderation, denn Brian wird nach seiner Ausbildung auf ihn angesetzt und soll ihn töten und will es auch tun, damit seine Familie gerächt ist. Ein Selbstmordattentat wäre tatsächlich nachvollziehbar gewesen, denn so etwas ist genau wie Fanatiker im Allgemeinen leider viel zu oft traurige Realität. Doch auf den Gedanken, dass Brians Familie auch durch den nuklearen Angriff ums Leben gekommen wäre und Brian auch gar nicht unterscheiden konnte, was denn nun zuerst erfolgte, kommt der Junge nach seiner Ausbildung nicht. Da erscheint es fast nebensächlich, dass Brian sofort erkennt, dass eine Atombombe gezündet wurde und er sich deshalb logischerweise vor Strahlung fürchtet. Aus dem Grund verzichtet er darauf, aus seinem praktischerweise wiedergefundenen Zuhause Nahrungsmittel mitzunehmen. Die gleichermaßen verstrahlten Decken oder Kleidung scheinen ihm jedoch absolut kein Kopfzerbrechen zu bereiten.  

Es könnte natürlich daran liegen, dass der Autor, die Geschichte ins Jahr 2027 verpflanzt hat und er gedanklich davon ausgeht, dass in dieser Zukunft sogar in absoluten Katastrophenszenarien alles bis ins Kleinste weltweit überwacht wird. Die Herscharen von Mitarbeiten, die ein solches Überwachungssystem tragen, könnten durchaus im schriftstellerisch möglichen Bereich liegen. Ob diese Vermutung stimmt, ist jedoch offen. Denn leider bringt Klapschus das dem Leser zuvor nicht nahe und so scheint es wenig nachvollziehbar oder gar glaubwürdig, dass die Armee der Vereinigten Staaten Brian in dem radioaktiv verstrahlten, völlig verwüsteten Stück Land nur kurz nach dem Angriff findet, in die Staaten bringt und ihn als Soldat für den Glaubenskrieg ausbildet. Das alles übrigens, während zeitgleich die komplette Westküste der Vereinigten Staaten untergeht und dort Millionen von Menschen ein blutrotes und nasses Grab finden.  

Ähnlich schwer nachvollziehbare Geschehnisse häufen sich. Liegt es an Streichungen? An Textpassagen, die der Überarbeitung zum Opfer fielen, das so vieles einfach als hinzunehmende Tatsache präsentiert wird? Dinge wie der Verlust von Brians Unterschenkels gegen Ende der Geschichte deuten fast darauf hin, denn mit dieser Tatsache wird man genau wie mit vielen anderen einfach konfrontiert, während anderes ausgeschmückt wird, das wenig aussagekräftig scheint.  

Oder nehmen wir Khayra. Ihre Wandlung vom unschuldigen Teenager in eine Soldatin beziehungsweise Attentäterin bekommt man kaum mit. Die Wandlung an sich wäre nachvollziehbar. Was jedoch wenig authentisch wirkt, ist ihre Vorgehensweise bei den beiden Attentaten im Roman. Beide finden im Hoheitsgebiet der Christlichen Föderation statt. Bei dem, was Khayra vorhat, sollte man meinen, dass sie so lange wie möglich unsichtbar und angepasst an ihre Umgebung vorgeht, um ihre Mission zu erfüllen. Das tut sie aber nicht. Statt dessen hüllt sie sich in einem Land, das unerbittlich gegen Muslime vorgeht, in einen Tschador. Zieht das eine Mal zwar anscheinend feindselige Blicke auf sich, schafft es beide Male aber problemlos nicht nur den Sprengstoff, sondern auch sich selbst durch sämtliche Reihen und Sperren zu manövrieren. Diese Sache lässt sich nicht nur mit den Strukturen erklären, die zwangsläufig kollabiert sein müssen, sondern wirkt einfach nur wie ein Klischee.  

Völlig unabhängig davon ist da noch die alles verschlingende blutrote Flut. 2012-gleich schaffen die Überlebenden beider Religionen es im Geheimen Archen zu bauen, die einen kleinen Teil der Bevölkerung retten können. Klingt logisch, wie sollte man sonst überleben, wenn die Erde versinkt. Was weniger logisch ist, ist die Frage, wie das geklappt haben soll. Innerhalb weniger Monate geht Klapschus Erde sprichwörtlich unter. Abgesehen von Hunderten von Millionen Toten durch die Flut dürften auch die Zerstörungen und Toten durch die kriegerische Auseinandersetzung dazu führen, dass jegliche Infrastruktur weltweit komplett zusammenbricht. Trotzdem werden die Archen pünktlich fertig. Trotzdem kommen Briefe (von Khayra an Brian und umgekehrt, wenn auch mit einiger Zeitverzögerung) an, was wiederum dem aus Verständnisgründen angenommenen Überwachungsszenario widerspricht. Trotzdem findet sich genügend Benzin und Kerosin, dass Khayra mal eben vom Nahen Osten nach Amerika fliegen und Brian mal eben mit einem Auto zu einem Café kommen können, wo sie, tief verhüllt, alles in Schutt und Asche legt – bis auf Brian und sich selbst.  

Weil sie ihn liebt und hasst? Das in der Inhaltsangabe stehende „In diesem Chaos begegnen sich Brian und Khayra, die sich lieben und hassen lernen….“ kann nicht überzeugen, sondern ist eine weiterer Punkt, der einfach behauptet wird. Am sich lieben lernen kann man als Leser nicht teilnehmen, da ihre gemeinsame Zeit, sich auf eher nichtssagende Minimalstbegegnungen beschränkt. Sie sprechen kaum miteinander und für Liebe auf den ersten Blick ist der angebliche Hass zu krass. Der wiederum ist hauptsächlich durch ein paar wenige Sätze von Leuten begründet, die ihnen einreden, dass die jeweils andere Religion an allem schuld und deren Vernichtung der einzige Weg ist, vor der roten Flut gerettet zu werden. Selbst Jugendliche – und als solche lernen wir Khayra und Brian zumindest flüchtig kennen (sie ist zu Beginn 15, er ein Jahr älter) – lassen mehr eigenständiges Denken erwarten, als die beiden trotz und Brian auch schon vor dem Trauma in Beirut erkennen lassen. Gleichwohl ist der angebliche Hass zwischen den beiden auch gar nicht vorhanden. Sie tötet ihn nicht, trotz passender Gelegenheit, rettet ihn quasi sogar mehr als einmal. Und auch er trägt mehr oder weniger einmal dazu bei, dass sie überlebt.

Das Wie und Warum, die angebliche Motivation für bestimmte Handlungen aller wird nicht erklärt und erscheint zum Teil mühsam konstruiert. Außerdem scheinen der Libanon und der Rest der Vereinigten Staaten trotz des riesigen Meeres dazwischen plötzlich sehr nah beisammen. Immerhin starten die Kampfjets an der Ostküste problemlos in ihren Einsatz im Nahen Osten. Direkt über einen Trupp in Ausbildung befindlicher Soldaten samt Brian, der gerade einen 3-Meter-Schutzwall gegen eine Flut stapelt. Eine Flut übrigens,  die jeglichen physikalischen Grundsätzen zum Trotz die Rockys völlig überschwemmt, den gerade gestapelten Schutzwall und die dahinter stehenden Häuser jedoch nur bedingt, bevor sie sich wieder zurückzieht. Nicht nur hier zeigt sich übrigens etwas von der Feigheit Brians, die ich eingangs angesprochen habe. Er und seine Kameraden bekommen den Befehl, sich zurückzuziehen, als die Flut immer näher kommt. Sie fliehen (warum andere jedoch vor Ort bleiben oder bleiben müssen und fleißig weiter Sandsäcke wuchten, bleibt offen). Brian regt sich im Zusammenhang mit der Flucht über seine Kameraden auf, denen es scheinbar nichts ausmacht, einen weiteren Kameraden zurückzulassen und diesen dadurch zu verlieren. Macht er selbst etwas? Denkt er etwa daran, ihn zu retten? Dreht er um? Sucht er ihn? Nein. Stattdessen beobachtet er wenig später aus einem Hochhaus andere Soldaten, die immer noch fleißig stapeln und seinen verletzten Kameraden, der verzweifelt versucht, sich noch zu retten, bevor die Flut ihn einholt. Posthum ist er dafür der Einzige, der sich freiwillig um das Grab des entsprechenden Kameraden kümmert.  

Ein Beispiel für die fatalistisch stupid wirkende Haltung Brians? Fast gegen Ende der Geschichte wird er von der Gegenseite gefangen genommen. Nach einem Flugzeugabsturz landen er und ein Muslim auf einer Insel im Meer, wo er … sagen wir mal die Erkenntnis gewinnt, dass die Motivation für diesen Krieg auf beiden Seiten nicht stimmen kann. Kurz darauf wird er von der eigenen Armee gefunden und quasi gerettet, wobei ihm nochmals vor Augen geführt wird, die dumm die Menschen sich verhalten. Ändert Brian nach dem eigentlich sehr klärenden Vorfall sein Verhalten? Nein, warum auch? Kaum bekommt er den Befehl, nimmt er die ihm in die Hand gedrückte Waffe und schießt auf alles, was muslimisch sein könnte. Auch seine Rettung ist – nebenbei bemerkt – kaum zu rechtfertigen. Der Marine egal welcher Armee dürfte es äußerst schwer fallen, sich ohne Karten und Kenntnisse über neu entstandene Untiefen, bzw. auf dem eigentlich doch ziemlich bewegt sein müssenden Ozean, zielgerichtet auf eine bis dahin unbekannte Insel zuzubewegen, um einen einzigen Mann zu retten. Vom Sinn oder Unsinn dieser Rettungsmaßnahme ganz zu schweigen, denn der gleichen Militärführung macht es ja nichts aus, ihn als angeblichen Erlöser in diesem Krieg kämpfen zu lassen. 

Der Autor möchte – wie er im Nachwort anmerkt – bewusst keine Antworten liefern. Wie er auf Seite 222 schreibt, möchte er den Leser dazu bringen, nach einem Besuch in einer fantastischen Welt, die Dinge aus dem Alltag mit einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Es ist zweifellos eine schriftstellerische Kunst, die Gedankenwelt der Leser anzustoßen, mitzureißen, mitdenken zu lassen und letztlich doch dorthin zu führen, wohin der Autor sie haben möchte. Eine noch größere ist es, wenn Leser die so gewonnenen neuen Gedanken in ihren Alltag mitnehmen und gar integrieren, keine Frage. Das Fatale an Klapschus Umsetzung des wirklich guten Grundgedankens ist jedoch, dass sich mir automatisch unzählige Fragen zu fehlender Logik und Konsequenz (wobei ich das Ende selbst hiervon abgrenzen möchte) seiner Geschichte aufdrängen, jedoch kaum eine zu der problematischen Thematik selbst. 

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Zu viele Denk- und Logikfehler verderben hier leider eine sehr gute Grundidee und einen tatsächlich logisch-konsequenten Schluss. Wirklich schade, denn das passende Cover und die Inhaltsangabe haben auf etwas anderes hoffen lassen. Die von mir hier vergebenen zwei (von fünf) Punkte gibt es für die Idee und die Ausarbeitung des Covermotivs und nicht wirklich für den Inhalt. Das Buch könnte als Jugendbuch durchgehen, wobei ich anmerken möchte, dass der 14jährige Sohn einer Bekannten, der das Buch nur eine Stunde, nachdem ich es aus der Hand legte, in Angriff nahm, sich ebenfalls bereits nach wenigen Kapiteln über die fehlende Logik bestimmter Passagen ausließ.  

Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

23. März 2011

King, Stephen: Das Mädchen

Filed under: Jugendbuch,Roman — Ati @ 15:49

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Stephen King
Das Mädchen

Originaltitel: The girl who loved Tom Gordon
übersetzt von Wulf Bergner
Pan
ISBN 9783426283561
ISBN 3426283565
Jugendbuch, 12 Jahre
Neuausgabe 2011
Umschlaggestaltung ZERO Werbeagentur, München
Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag, 304 Seiten
[D] 14,99 €

 

Verlagsseite

Autorenseite

 

Zum Buch / Meine Meinung

 

Die 1998 entstandene Geschichte wurde zuvor von anderen Verlagen (Schneekluth und Ullstein) veröffentlicht. Im Februar 2011 erschien sie ein weiteres Mal über den Pan-Verlag. Der grün gehaltene Buchumschlag der aktuellen Ausgabe zeigt einen kahlen Wald, das Motiv der Vorderseite ist mit einem Hologramm gleichermaßen schlicht wie schön gearbeitet. Es zeigt zusätzlich zu dem mehr oder weniger dunklen Wald (je nachdem wie man das Buch hält) ein junges Mädchen und ein gelbes Augenpaar, das auf das Mädchen starrt.

 

Das durch das Hologramm ebenfalls mal größer oder kleiner wirkende Mädchen und seine düstere Umgebung passen zum Inhalt und verdeutlichen bereits sehr gut, worum es in Kings Roman geht. Der 1947 geborene Autor ist ein Garant für Gänsehauteffekte. Über 400 Millionen verkaufter Bücher in mehr als 40 Sprachen zeigen, dass er nicht nur in seinem Heimatstaat Maine eine feste Größe des Horrorgenres ist. Allerdings richtete sich der größte Teil seiner Geschichten an ein eher erwachsenes Publikum. Wie passt ein Jugendbuch in das von ihm bevorzugte Genre?

 

Die Lektüre zeigt sehr bald, dass das überraschend gut geht. Denn King verlässt die größtenteils von ihm beschrittenen, bereits etwas ausgetretenen Horrorpfade und beschreibt den Überlebenskampf der realistisch gezeichneten neunjährigen Trisha, die sich bei einem Tagesausflug zu einem Teilstück des Appalachian Trail hoffnungslos im Wald verirrt. Die meiste Zeit ist der Fokus auf das Kind gerichtet, nur kurzzeitig ergeben sich minimale Perspektivwechsel auf die besorgte Familie. Obwohl Trisha mittels Gedanken und Selbstgesprächen zu Wort kommt, erzählt sie ihre Geschichte nicht selbst.

 

„Ich habe keine Angst. Überhaupt keine Angst. Der Wanderweg ist gleich dort vorn. Es ist wirklich ganz unmöglich, sich hier zu verlaufen ….“ Dass es das doch ist, merkt Trisha sehr schnell. Tagelang versucht sie verzweifelt aus dem Wald zu gelangen oder jemanden zu finden, der ihr dabei helfen kann. Für eine einfache Wanderung mag ihre Kleidung und Ausrüstung ausgereicht haben, für eine solche Situation genügt sie nicht. Zudem ist der für einen Tagesausflug bemessene Proviant viel zu schnell verbraucht. Der Wald bietet Nahrung – doch was ist giftig, was schadet mehr, als dass es ihr weiterhilft? Wespen fallen über sie her, Stechmücken fressen sie fast auf, sie verletzt sich, wird krank. Trotzdem läuft sie fast zu Tode erschöpft immer weiter. Trifft die eine oder andere fatale Entscheidung, entfernt sich mehr und mehr von den Suchtrupps.

 

Die Kraft dafür zieht sie unter anderem aus erdachten Gesprächen – mit sich selbst, ihrem Vater, ihrer Freundin, einem Baseballspieler, für den das Mädchen schwärmt. Ruft Erinnerungen wach, um sich von ihrer momentanen Situation abzulenken. Eine kleine Schwachstelle der Geschichte bietet hier Trishas Begeisterung für Baseball, was sowohl der Autor in die Geschichte, als auch der Verlag in die Buchgestaltung eingebaut hat. Die einzelnen Kapitel sind nicht nur in „Vor dem Spiel“, insgesamt Durchgänge (ein Spiel dauert je nach Liga 9 Innings) mit einzelnen Hälften, und „Nach dem Spiel“ unterteilt, was jeweils deutlich durch eine zwei-, bzw. ab dem vierten Durchgang, dreiseitige Wiederholung des Waldmotives vom Text abgegrenzt wird. King lässt sich auch über die Sportart an sich aus und für Laien können die betreffenden Textpassagen Längen beinhalten. Davon wird man aber schnell wieder abgelenkt. Etwa von Trishas Nächten mit ihrem Walkman, der ihr Kraft gibt und dabei hilft, nicht verrückt zu werden. Wenn die Angst zu groß wird, weil die Nacht zu dunkel und voll erschreckender Geräusche ist, flößen die Stimmen aus dem kleinen Gerät Zuversicht ein, geben zumindest etwas Halt durch ihre – im Normalfall – Selbstverständlichkeit. Nicht nur die Schilderung dieser Nächte mit der das Mädchen umgebenden Dunkelheit ist King überaus gut gelungen.

 

Denn was ein neunjähriges Stadtkind allein in einem unendlich wirkenden, nachts zappendusteren oder lediglich mondbeschienen, unwegsamen Wald erlebt oder was ihre überreizte Fantasie ihr vorspielt, ist natürlich weder normal noch eine Selbstverständlichkeit. Und was eigentlich recht simpel beginnt, wird – ganz King – weitergesponnen. Denn da gibt es natürlich noch etwas. Dieses Etwas wird nicht nur durch die gelblichen Augen im Covermotiv oder einen Hinweis in der Inhaltsangabe angedeutet. Schon bald merkt nicht nur Trisha, dass ihr etwas auf den Fersen ist, dem sie im Ernstfall nichts, aber auch gar nichts entgegenzusetzen hat.

 

Sehr früh wird dem Leser aus seiner sicheren Position heraus klar, um was genau es sich dabei handelt. Dennoch schafft King es, durch den ihm typischen Erzählstil die an sich schon beklemmende Grundsituation sukzessiv zu verschärfen. Wie gewohnt lässt er das Grauen in ruhigen Tönen anklingen. Jedoch nicht um es letztlich, wie von eingefleischten Fans vermutlich erwartet, in lautlosem Gebrüll lichterloh zu entfachen. Trotz der deutlichen Steigerung der Bedrohungssituation lässt er die Geschichte dadurch, dass er sein Hauptaugenmerk auf das Mädchen richtet, einsteigerfreundlich oder auch jugendbuchgerecht wachsen. Die Schilderung von Trishas Erlebnissen ist sensibel und lässt ihr Wechselbad an Gefühlen auch ohne übernatürlichen Horror überaus authentisch wirken. Die Gänsehaut wird weniger durch das ihr beständig folgende Wesen hervorgerufen, als durch die Phasen der Hoffnungslosigkeit, Angst und Verzweiflung, die sie durchlebt. Trauer und Wut werden abgelöst durch leichte Panik bis hin zur Existenzangst, die durch Hunger und Krankheit ausgelöste Halluzinationen noch verstärkt wird. Der ins scheinbare Nichts führende Weg voller Hindernisse und Probleme ist es, der für aufgestellte Nackenhärchen sorgt. Ein Weg, den viele von uns vermutlich ebenso naiv wie Trisha betreten, unter Umständen jedoch weitaus weniger gut bewältigen würden. Gekonnt und subtil konfrontiert der Autor seine Leserschaft mit Urängsten, die in uns allen stecken.

 

Auch wenn Das Mädchen sich vom Gros seiner Bücher unterscheidet, auch wenn man Grausigeres von ihm gewohnt ist und das avisierte Lesealter deutlich überschritten hat: Kings Erzählstil zieht einen dennoch durch das Buch. Man fühlt mit dem Kind, man leidet mit ihm, man möchte es in die Arme schließen und hofft auf einen guten Ausgang.

 

Fazit

 

Bis auf die erwähnten kleineren Längen, die durch die Ausführungen zum Thema Baseball für Laien und Nicht-Fans entstehen, ein spannendes Buch, das durchaus für die anvisierte Leser- bzw. Altersgruppe geeignet ist (entgegen meiner ursprünglichen Befürchtungen) und für das ich vier von fünf Punkten vergeben möchte.

 

Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

 

15. März 2011

Grant, Sara: Neva

Filed under: Dystopie/Endzeit,Jugendbuch,Roman — Ati @ 14:12

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Sara Grant
Neva

Originaltitel: Dark Parties
aus dem Englischen übersetzt von Kerstin Winter Pan-Verlag
ISBN 978-3426283486
ISBN 3426283484
Jugendbuch, Dystopie
Deutsche Erstausgabe 2011
Umschlaggestaltung Zero Werbeagentur, München
Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag, 352 Seiten
[D] 16,99 €

Verlagsseite

 

Zur Autorin (Information der Verlagsseite)

 

Sara Grant wurde 1968 im amerikanischen Bundesstaat Indiana geboren, wo sie Journalistik und Psychologie studierte, bevor sie ihrem Mann nach London folgte; dort machte sie an der Universität den „Master in Creative and Life Writing“ und arbeitet seitdem bei einer Literaturagentur. Der Umzug nach England inspirierte sie zu ihrem ersten Roman: „Sowohl die USA als auch Großbritannien hadern mit Immigrationsthemen. Ich glaube daran, dass die Vielfalt uns stärker macht. Also stellte ich mir die Frage, was geschieht, wenn man Landesgrenzen schließt und sich vor fremden Menschen und fremden Gedanken abschottet. Mein Roman ist die Antwort darauf.“

 

Zum Buch

 

Der Schutzumschlag der deutschen Erstausgabe ist schlicht gehalten und dem Titel angepasst. Neva ist nicht nur der Name der Hauptfigur, er bedeutet Schneeflocke und solche finden sich auf dem Umschlag wieder. Sie sind genau wie der Titel glänzend aufgedruckt. Der Titel ist zusätzlich etwas erhaben abgebildet und bei Darüberstreichen deutlich fühlbar. Das Motiv zeigt das Profil eines jungen Mädchens auf grauem Grund, wobei die Haare sehr viel von ihrem Gesicht verdecken. Die Streifen, die sich ebenfalls auf dem Cover befinden und sich dort nicht nur durch den Titel ziehen, setzen sich im Inneren des Buches fort. Genau wie die Schneeflocken zieren sie beispielsweise die Kapitelanfänge. Alles in allem passt diese Gestaltung sehr gut zum Inhalt.

 

„Verliebt, verzweifelt, in größter Gefahr. Und verdammt mutig.

Die 16-jährige Neva hat es satt, keine Antworten auf Fragen zu bekommen, die sie nicht einmal laut stellen darf: Warum wird ihr Heimatland von einer undurchdringbaren Energiekuppel von der Außenwelt abgeschottet? Warum verschwinden immer wieder Menschen spurlos? Und was ist mit ihrer Großmutter geschehen, die eines Tages nicht mehr nach Hause kam? Gemeinsam mit ihrer besten Freundin Sanna beschließt Neva, Antworten zu verlangen und nicht mehr brav alle Gesetze und Regeln zu befolgen. Doch dabei verliebt sie sich nicht nur in den einen Jungen, der für sie tabu sein muss – sondern gerät auch in tödliche Gefahr …“

 

Meine Meinung

 

Das Buch kam mit der Post und eigentlich wollte ich nur einen kurzen Blick hineinwerfen – es wurde ein Lesenachmittag daraus.

 

Die Inhaltsangabe gibt erfreulicherweise ziemlich genau wieder, worum es grob betrachtet in dem Buch geht – was ja heutzutage nicht immer der Fall ist. Auch das Cover passt – für mein Dafürhalten wie bereits erwähnt, sehr gut zum Inhalt. Die das Gesicht größtenteils verdeckenden Haare, die Streifen, die das Bild oder die Schrift etwas verwischt aussehen lassen. Gleichzeitig ist das Mädchen farbig dargestellt. Beides entspricht den Handlungsfäden der Geschichte. Neva will sich ihre Individualität bewahren. Heimatland – ein von einer gigantischen Kuppel geschütztes eigentliches Hightechland Land in der Zukunft auf dem Weg in die Vergangenheit – verblasst dagegen zunehmend. Die Menschen ähneln sich immer mehr, weil ihr Genpool durch Inzucht eingeengt wird. Die Ressourcen werden knapp, alles wird und wurde zu Tode recycelt. Die Individualität geht in einem Einheitsbrei an Vorschriften, Wiederholungen und Aufarbeitungen zugrunde. Während Letzteres ebenso wie die Ressourcenknappheit nachvollziehbar wirkt, scheint die Sache mit der Inzucht anhand des Zeitraumes der Geschichte etwas übertrieben. So etwas dürfte sich in zwei, drei Generationen noch nicht so stark bemerkbar machen. Doch dieses Detail stört nicht wirklich, zumal nicht klar wird, wie viele Bewohner Heimatland je hatte oder wie groß es ist.

 

Wer das Buch aufschlägt, landet sofort mitten im Geschehen. Die Autorin schreibt keine seitenlange Einführung, man weiß sofort, worum es geht. Neva, mit ihren 16 Jahren gerade volljährig geworden, handelt zusammen mit einigen Freunden gegen Heimatland. Sie ist es, die die Geschichte in der Gegenwartsform erzählt. Der Leser sieht also alles nur mit ihren Augen und weiß nur von ihren Gedanken und Gefühlen bzw. ihrer Interpretation der Handlungen und Gedanken aller anderen. Obwohl sie gerade erst am Anfang ihres Erwachsenenlebens steht, scheint es aufgrund der Vorhersehbarkeit bereits beendet. Zukunft weckt keine Hoffnung in ihr, sie wirkt beängstigend. So beängstigend, dass sie sich auflehnt, beispielsweise in dem sie sich (wie viele andere auch) ein Merkmal aussucht, dass sie von anderen abhebt. In ihrem Fall ist es eine tätowierte Schneeflocke, im Fall ihrer Freunde eine Narbe, ein gemaltes Motiv oder Ähnliches. Der eine trägt es auffällig, der andere eher versteckt. Neva zum Beispiel macht Letzteres. Sie entstammt einer der Gründungsfamilien von Heimatland. Dieses wurde im Jahr 2051 von der Außenwelt abgeschottet, nachdem der Terror überhandnahm. Niemand weiß, was außerhalb von Heimatland noch existiert.

 

Heimatland erwartet von seinen jungen Bewohnern brav zur Vermehrung der auf lange Sicht aussterbenden Bevölkerung beizutragen und die Arbeit zu tun, die man ihnen zuweist. Heimatland erwartet blinden Gehorsam und keine Fragen. Doch statt zu tun, was Heimatland von ihnen erwartet, rebellieren Neva und ihre Mitstreiter. Das geschieht durch kleinere Aktionen, in denen die Öffnung von Heimatland gefordert wird genauso wie durch das Gelübde, dass sie sich gegenseitig abgelegt haben und demzufolge sie keine Kinder in die Welt setzen wollen. Doch Heimatland sieht alles und hört alles, hält seine Bewohner absichtlich unwissend, füttert sie mit falschen Informationen und setzt seine Vorstellungen skrupellos abseits vom Bewusstsein des Hauptteils der Bevölkerung um. Noch nicht einmal die Regierungsmitglieder, wie etwa Nevas Vater, ahnen geschweige denn wissen alles.

 

Was als vielleicht noch ganz gute Idee begann, ist innerhalb weniger Jahre bzw. Jahrzehnte zu etwas geworden, was sich mit den überall auf der Welt zu findenden Unrechtsregimen vergleichen lässt. Unwillkürlich werden Erinnerungen an die Zeit wach, als Deutschland noch zweigeteilt und der Ostblock noch abgeschottet war. An die Zeit, als der Wunsch nach Freiheit zu harten Strafen, Gefängnis, Zwangsarbeit oder gar dem Tod führen konnte. Ob man den Blick nach Kuba oder in Staaten lenkt, in denen fanatisch-religöse Vorschriften das Leben begrenzen und reglementieren, überall gab und gibt es Menschen, die den Wunsch daraus auszubrechen bitter bezahlen mussten oder noch immer müssen.

 

Grant ist es in ihrem flüssig geschriebenen und gut zu lesenden Roman gelungen, die Atmosphäre dicht und düster zu malen, ohne den eigentlich omnipräsenten Bedrohungsteil durch die Regierung überhandnehmen zu lassen. Wer eine absolut dystopische Beschreibung hierzu erwartet, wird vielleicht enttäuscht. Grants Roman dürfte zu den eher leiseren Vertretern dieses Genres gehören. Heimatland bleibt bei allem etwas verschwommen. Ein Widerspruch? Nicht wirklich. Die Autorin lässt sich nur bedingt über diese begrenzte Welt aus, geizt gewissermaßen mit Hintergrundwissen – was vielleicht daran liegt, dass Neva, und nicht die Protektosphäre, im Vordergrund steht. Doch auch sie und mit ihr alle Figuren werden eher skizziert als detailliert beschrieben. So zeigen sich Neva und ihre Freunde altersgerecht in ihrem Aktionismus, ihrer stellenweisen Unentschlossenheit oder Naivität. Sie wirken einfühlsam und sympathisch. Auch die erwähnten Erwachsenen agieren überaus überzeugend. Allen Figuren gemeinsam ist, dass sie nicht vorhersehbar sind. Wem man vertrauen kann und wer ein Verräter ist, offenbart sich nicht auf einen Blick. Und keiner hebt sich wirklich vom Einheitsgrau der Protektosphäre ab. Unglaubwürdig oder durchscheinend werden die Charaktere und der Handlungsort dadurch jedoch nicht. Gerade durch das Weglassen gewisser Details scheint die zunehmende Vereinheitlichung und das sich steigernde Verblassen der Individualität des Einzelnen betont zu werden. Die wachsende Resignation, die ansteigende Lähmung durch Angst, Aktionen und Reaktionen – all das wirkt authentisch.

 

Ohne Melodramatik beschreibt die Autorin Nevas Gefühlswelt, die den gleichen Raum wie die Bedrohungssituation einnimmt. Trotz, Rebellion, aufkeimende Verliebtheit in den Freund ihrer Freundin, damit verbundene Schuldgefühle. Die aufkeimende, eigentlich unmögliche Liebesgeschichte ist in ihrer Andeutung ebenfalls sehr gut in die Hoffnungslosigkeit der gesamten Geschichte verwoben. Sie drängt sich nicht in den Vordergrund. Die wenigen innigen Momente, die Grants Hauptcharakter mit Braydon erlebt, erscheinen sehr innig und wirken angesichts der Umgebung und der damit verbundenen Schuldgefühle kostbar. Obwohl sich Neva dagegen wehrt, kreuzen sich ihre Wege immer wieder mit denen von Braydon und Ethan, der Freund ihrer Kindertage, gerät ins Hintertreffen. Ein Ausweichen scheint aufgrund der räumlichen Begrenztheit unmöglich. Heimatland ist zwar tatsächlich ein größeres Land, doch die Menschen werden auf Anweisung der Regierung in wenigen Ballungsräumen zusammengedrängt.

 

Die Geschichte um Freundschaft, verliebt sein und Verrat, Trostlosigkeit und aufkeimende Hoffnung, Angst und Zuversicht, nimmt einen Verlauf, der es schwer macht, das Buch beiseitezulegen. Das Ende birgt Hoffnung und Hoffnungslosigkeit gleichermaßen in sich.

 

Fazit

 

Ein bedrückendes Buch, das sich nicht einfach nebenbei liest. Wenn der neue Trend im Jugendbuchbereich auch Dystopien mögen, so hätte ich doch in gewisser Weise Probleme, das Buch ohne Weiteres allen in der avisierten Altersgruppe zu empfehlen. Das liegt nicht daran, das Grant den Fokus auf Gewaltorgien oder ähnliches lenkt – das tut sie definitiv nicht. Doch das Buch ist – wie Dystopien eben sind – keine allzu leichte Kost und bekommt 5 von 5 Punkten.

 

Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

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