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6. März 2013

FARAGO, SOPHIA: DAS GEHEIMNIS VON DIGMORE PARK

Filed under: Belletristik,Historisch,Liebe,Roman — Ati @ 20:06

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DRYAS
ISBN-13: 9783940855442
ISBN-10: 3940855448
historischer Liebesroman
1. Auflage 02/2013
Taschenbuch, 380 Seiten
Neupreis: [D] 12,95 €

Verlagsseite

 

Als ich kürzlich Lynsay Sands historischen Liebesroman Liebe auf den zweiten Blick näher in Augenschein nahm, fand ich in einer Lesermeinung einen Hinweis auf die österreichische Autorin, Wirtschaftsjuristin und Unternehmensberaterin Sophia Farago. Sie schreibt Regency-Liebesromane im Stil von Georgette Heyer, weil sie sich privat sehr für englische Geschichte interessiert. Aus ihrer Feder stammen Die Braut des Herzogs, Hochzeit in St. George, Schneegestöber oder Maskerade in Rampstade, die teilweise in Bestsellerlisten ihres Heimatlandes auftauchten. Das klang gut. Und da mir weder Heyer noch Farago etwas sagte, stürzte ich mich neugierig auf ihren neuesten Roman.

Darin lockt sie ihre LeserInnen nach England in die Zeit Anfang des 19. Jahrhunderts. Dort bemüht sich nicht nur die junge Elizabeth, das Erbe ihres Bruders zusammenzuhalten. Dort sieht sich auch Frederick Dewary einem ungeheuerlichen Vorwurf ausgesetzt. Die Schwester seines Vaters ist spurlos verschwunden und es gibt Hinweise, die darauf hindeuten, dass er als Täter infrage kommt. Frederick, der sich eigentlich im Dienste seiner Majestät auf dem Festland im Kampf gegen Napoleon befindet, reist schnurstracks inkognito in seine Heimat zurück. Um nicht erkannt zu werden, verdingt er sich vorübergehend als Stallmeister bei Elizabeths Familie und versucht gleichzeitig mithilfe treuer Freunde, Licht hinter die erhobenen Vorwürfe zu bringen. Obwohl Elizabeth Frederick einstellt, ist sie ihm nicht unbedingt gewogen, da er ihre schlimmsten Seiten zum Vorschein bringt.

Was mir gleich ins Auge gestochen ist, war nicht nur das harmonische wirkende Cover (Garten mit Treppenaufgang), sondern auch die Abbildungen der Rosen an den Kapitelanfängen. Ich mag solche Details. Die Hintergrundatmosphäre (Ortsbeschreibungen, gesellschaftliche Konventionen, etc.) ist dicht gewoben, die Sprache der Zeit angepasst. Glücklicherweise hob sich Faragos Roman gleich zu Beginn von Sands eingangs erwähntem Roman ab und gestaltete sich eingangs vielversprechend.

Die Autorin bedient sich genretypischer Klischees (wobei ich Klischee jetzt nicht zwingend negativ meine). Ihre Protagonistin ist schon fast eine alte Jungfer und das Leben hat sie um ihr Debüt in London gebracht. Träume hat sie natürlich dennoch noch. Elizabeth scheint vielleicht nicht bereits mit einem ja-aber zur Welt gekommen zu sein, doch verfügt sie mittlerweile (laut Buchrückseite) über ein energisches Auftreten. Der jüngere Bruder offenbart sich als überheblich-weltfremder Träumer mit verqueren Idealen. Er hat zwar anscheinend von Nichts was mit seinen Pflichten verbunden ist so wirklich eine Ahnung, doch nimmt er sich dennoch ihm vermeintlich zustehendes Recht heraus – notfalls ist er sogar bereit, die Familie in Geldschwierigkeiten zu bringen, damit er zu seinem Wort stehen kann. Er bringt einen Freund mit nach Hause, der in argen Geldnöten und überaus manipulativ ist. Die Mutter verlässt sich voll und ganz auf ihre unverheiratete Tochter und scheint ansonsten auf den ersten Blick etwas lebensuntüchtig. Frederick Dewary wiederum ist ein Held, der tapfer für sein Vaterland einsteht und dieses vor der korsischen Bedrohung schützen will. Die Frauen in seiner Vergangenheit haben ihm übel mitgespielt, doch er ist verlobt und freut sich bereits darauf, seine Verlobte wiederzusehen. Charismatisch-verständnisvoll zeigt er sich klug und umsichtig und natürlich darauf erpicht, seinen Ruf zu retten. Daneben gibt es noch einen hilfsbereiten Geistlichen (von Elizabeths Gemeinde und Fredericks Freund aus alten Tagen), seinen ebenso hilfsbereiten Burschen und darüber hinaus noch Fredericks gierigen Cousin und dessen geheimnisvolle Frau, seinen offenbar sterbenskranken Vater und eben jene verschwundene Tante.

Klingt zunächst nicht schlecht, doch wirklich fesseln konnte mich weder die Figurenvielfalt noch das Verwirrspiel um Fredericks Tante bzw. die Aufklärung eines Falles, der im Grunde genommen keiner ist. Die Figuren sind an und für sich nicht blass skizziert, doch wirklich anfreunden konnte ich mich mit keiner. Und obwohl ich historische Liebesgeschichten in der Sittsamkeit der damaligen Zeit mag, fehlt mir hier eindeutig etwas. Allzu viel Zeit verbringen die beiden Hauptfiguren nicht miteinander. Die zuvor anscheinend so energische, patent anmutende Elizabeth mutiert zum hilflos-oberflächlichen Weibchen, sobald Frederick die Bühne betritt. Das könnte man ihr fast noch verzeihen, da die paar Male, die die beiden sich kabbeln, zunächst darauf hindeuten, dass da mehr daraus werden könnte. Doch eine wirklich gemeinsame Geschichte wirkt angesichts des zu bemühten Konstrukts um Das Geheimnis von Digmore Park stellenweise unglaubwürdig und geht auch in Teilen gnadenlos unter.

Zunächst tut sich auf Portland Manor nämlich nicht viel und ich fragte mich die ganze Zeit, wie Frederick auf diese Weise eigentlich seinen Ruf retten will. Dann muss alles schnell gehen, denn der Freund von Elizabeth‘ Bruder erpresst sie. Praktischerweise kennt er den gesuchten Frederick und setzt ihn als Druckmittel ein. Prompt reisen Elizabeth und ihre Mutter nach Digmore Park, Frederick unerkannt im Schlepptau, um selbst zur Lösung des Falles beizutragen. Die Zeit drängt ja.

Ein ganzes Bündel an Ideen bezüglich des Geheimnisses um die infamen Anschuldigungen und die Tante, die mittlerweile nicht mehr nur verschwunden ist, sondern gar ermordet wurde, wird von Farago ins Spiel gebracht. Fredericks Verlobte, sein offenbar dahinsiechender Vater und sein geldgieriger Cousin kommen ebenso in Spiel wie scheinbar unkooperative Dienstboten. Es gibt Gegenspieler, die ganz offenbar auch vor Mord nicht zurückschrecken, doch die Autorin scheint sich nicht ganz sicher zu sein, ob die denn nun wirklich böse sind oder nicht. Und angesichts des an sich ernsten Vorwurfes wirkt die fröhlich-aufgesetzte ach-ist-das-alles-spannend-Stimmung falsch. Mit einer der ins Romangeschehen genommenen Leichen stellt sich dann noch zusätzlich die Frage, wie blind alle Beteiligten der damaligen Zeit waren. Bestimmte Merkmale scheinen einfach zu augenscheinlich, als dass die Lösung so wie im Fall von Faragos Roman daherkommen kann.

Bedauerlicherweise verheddert sich die Autorin für mein Dafürhalten so in ihren Ideen, dass dieser Teil der Geschichte willkürlich zusammengestückelt und nicht einmal ansatzweise ausgereift wirkt. Die von ihr angedachte, sich aus dem Erpressungsversuch ergebende Zeitnot, scheint sie dabei auch wieder vergessen zu haben. Stattdessen genießen ihre beiden Hauptfiguren doch noch Stunden zu zweit. Gezwungenermaßen, aber immerhin ohne sich darum Gedanken zu machen, obwohl sie zu dem Zeitpunkt noch nichts vom Ausgang des Geschehens ahnen. Die Motivation der Initiatoren hinter dieser Aktion wirkt einfach nur bemüht. Dadurch fühlte ich mich von den ohnehin nicht allzu fesselnden Charakteren wieder entfremdet.

Fazit: 02aperlenpunkte.jpg

Positiv sind die dichte Hintergrundatmosphäre, die passende Sprache und die liebevolle Aufmachung (Rosen an Kapitelanfängen – ich mag solche Details) des Buches. Das beinhaltet eine nicht gerade ganz unbekannte aber durchaus gerne von mir gelesene Grundidee. Doch die Umsetzung derselben konnte mich nicht überzeugen. Der ansprechende Anfang erlitt einen akuten Spannungsabfall und der wiederum hielt sich tapfer bis zum Ende. Vorhersehbarkeiten schlichen sich ein und häuften sich, was für Längen sorgte. Mein Wunsch, dass sich das nochmals bessert … er war vergebens. Das Geheimnis von Digmore Park bekommt gerade noch so zwei von fünf Punkten von mir.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

25. Februar 2013

HUNTER, MADELEINE: DIE WIDERSPENSTIGE BRAUT – The rarest blooms Band 02

Filed under: Belletristik,Buch- & Sammelreihe,Historisch,Liebe,Roman — Ati @ 14:51

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Originaltitel: Provocative in Pearls
übersetzt von Stephanie Pannen
Serie: The rarest blooms
Egmont-LYX
ISBN-13:
978-3802588044
ISBN-10: 3802588045
historischer (Liebes-)Roman
1. Auflage 01/2013
Taschenbuch mit Klappenbroschur, 400 Seiten
[D] 9,99 €

Verlagsseite

Autorenseite (englisch)  

 

Nach dem zuletzt besprochenen (und, wie ich nun gelesen habe, schlecht übersetzten) Sands-Roman Liebe auf den zweiten Blick, hat mir der zweite Band der The-rarest-blooms-Reihe von Madeleine Hunter mit dem Titel Die widerspenstige Braut die Freude am Lesen unterhaltsam-leichter Regency-Romane wiedergegeben. Romanen also, in denen man noch mit Kutschen zu rauschenden Bällen fuhr, in der zweifelhafte Verehrer sich Duelle lieferten oder für charmante Verwirrungen sorgten. Romanen, in denen es oftmals um viel Schein und wenig Sein geht, um finanzielle Probleme und Abhängigkeiten, die jedoch zumeist glücklich enden. Ab und zu schalte ich mit solchen Romanen einfach gerne ab, obwohl die Vorstellung horrend ist, wegen jeder Kleinigkeit um die Erlaubnis eines Mannes bitten zu müssen und so abhängig zu sein, wie Frauen damals waren.

Doch zurück zum Buch. Es handelt sich zwar um den zweiten Teil einer Buchreihe, jedoch muss man den ersten Teil vorab nicht zwingend lesen. Die Geschichten der jeweiligen Hauptfiguren sind in sich geschlossen. Allerdings trifft man sie in den anderen Romanen wieder. Die männlichen Hauptcharaktere sind durch Freundschaft ebenso miteinander verbunden, wie die weiblichen Hauptfiguren. Letztere haben sich samt und sonders in Daphnes Anwesen in Cumberworth, nahe London, kennengelernt. Deren Devise ein sicheres Obdach zu bieten, ohne bohrende Fragen zu stellen, kommt allen entgegen. Denn jede der Frauen birgt ein Geheimnis.

Hunters Schreibstil lässt sich leicht lesen, die Sprache ist an die damalige Zeit angepasst. Genau dadurch wirken Szenen, in denen es wie in Liebe auf den zweiten Blick von Sands durchaus um mehr als nur erotische Andeutungen geht, nicht so platt. Wirklich gebraucht hätte ich diese Szenen zwar nicht, doch haben sie mich auch nicht direkt abgestoßen. Der Autorin gelingt es insgesamt erneut eine stimmige Hintergrundatmosphäre zu schaffen, die es ihren LeserInnen leicht macht, in das Geschehen einzutauchen.

Auch hier geht es um viel Schein und wenig Sein. Obwohl die adlige Welt gerne auf reiche Bürger und alles darunter herabsah, nahm sie deren Geld im Fall der Fälle doch mindestens ebenso gerne dankend an. Das Bürgertum wiederum erhoffte sich einige Verbesserungen, indem es quasi dafür bezahlte, dass der verarmte Adel entsprechende Verbindungen mit ihnen einging.

Hunters weibliche Protagonistin Verity lebte zwei Jahre lang bei Daphne und den anderen Frauen, bevor ihre Vergangenheit sie einholt. In der willigte sie in eine arrangierte Ehe ein, um jemanden zu schützen. Dass ihr Opfer vergebens war, erfuhr sie viel zu spät und so entschloss sie sich noch an ihrem Hochzeitstag zur Flucht, in deren Verlauf sie ihren eigenen Tod vorzutäuschen versuchte.

Während Verity sich all die Monate in sicherer Obhut für die Eventualität einer Entdeckung rüsten konnte, geriet der Earl of Hawkeswell gleich zweifach in Bredouille. Zum einen kam er nicht an das durch die Eheschließung erhoffte Geld, was seine finanzielle Lage desaströs verschlechterte. Zum anderen sah und sieht er sich mit unangenehmen Mutmaßungen hinsichtlich Veritys vermeintlichem Tod konfrontiert.

Als er unverhofft seiner tot geglaubten Frau gegenübersteht, schöpft er neue Hoffnung. Doch Verity bittet ihn um die Annullierung der nie vollzogenen Ehe und versucht ihm die Angelegenheit finanziell zu versüßen. Von Rechts wegen könnte Grayson seine Frau zwingen, mit ihm zu kommen. Er könnte auch auf seine ehelichen Rechte pochen. Doch das tut er nicht. Stattdessen bittet er sich eine Bedenkzeit aus, die sie anfangs gemeinsam bei Audrianna und Sebastian verbringen. Bald schon ist ihm klar, dass er seine Ehefrau nicht gehen lassen möchte und er beginnt sie dazu zu verführen, ihren Annullierungswunsch zu vergessen.

Das ist jedoch gar nicht so leicht, denn Verity hält Adlige für Schmarotzer, die nur das eigene Vergnügen suchen. Zu unvereinbar erscheinen ihr die Unterschiede zwischen ihrer und Graysons Welt. Der wiederum vermutet, dass ein anderer Mann hinter der Flucht ebenso wie in dem Annullierungswunsch stecken könnte. Und ganz unrecht hat er damit nicht, gibt es da doch den Schatten des Mannes aus Veritys Vergangenheit.

So wie sich im ersten Roman der Reihe ein Hintergrund-Handlungsfaden mit dem der sich anbahnenden Beziehung von Audrianna und Sebastian verwob, arbeitete Hunter auch in Die widerspenstige Braut einen solchen ein. Während er sich in Ein skandalöses Rendezvous um geldgierige Aristokraten und Kriegsgewinnler drehte, handelt er im vorliegenden Buch von industriellen Veränderungen ebenso wie von Adligen, die ihre gesellschaftliche Stellung als gottgegebenes Recht betrachten und dieses nach ihren Bedürfnissen zurechtbiegen.

Keine sehr guten Ausgangsvoraussetzungen also für das Ehepaar, das sich eigentlich gar nicht kennt. Für den Roman allerdings schon, obwohl er mit dem beginnt, wo andere meist enden. Die gegensätzliche Herkunft der Hauptfiguren macht schnell klar, dass Gefühle keine Rolle bei den Hochzeitsplanungen spielten. Beidseitige Vorurteile wiederum sorgen dafür, dass nach der Wiederbegegnung Vertrauen ebenfalls nicht dazugehört. Das klingt eigentlich schrecklich unromantisch. Doch der Umstand, dass Grayson nicht stur auf Veritys Pflichten pocht, lässt den Charakteren Zeit, Gefühle füreinander zu entwickeln. Da gibt es keine verträumten und oberflächlichen jungmädchenhaften Schwärmereien, sondern eine harmonische, durchaus glaubwürdige Gesamtentwicklung einer Beziehung. Und obwohl Verity und Grayson anfangs distanziert wirken, Verity abweisend und Grayson teils unbeherrscht und berechnend, gibt es auch eine romantische Entwicklung, die zu dem führt, was LeserInnen beim Aufschlagen des Buches erhoffen: dem Happy End.

Was mir an der Reihe gut gefällt ist der Umstand, dass die Frauen trotz der gesellschaftlichen Beschränkungen mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen stehen. Ebenso, dass die Charaktere nicht einfach glatt geschliffen charmant sind, dass die Zeit nicht vollkommen verklärt dargestellt wird. Das Ganze ist nicht allzu ernsthaft, aber auch nicht zu oberflächlich beschrieben.

Fazit: 04aperlenpunkte.jpg

Hunter hat sich im zweiten Band der Reihe für mein Dafürhalten etwas gesteigert. Mit Die widerspenstige Braut hält man eine Geschichte in Händen, die sich zurückhaltend-unaufdringlich und schnörkellos-dezent, aber für LeserInnen nachvollziehbar entwickelt und entspannenden Lesespaß bietet. Der möchte ich keine fünf, aber starke vier Punkte geben und freue mich schon auf den nächsten Band der The-rarest-blooms-Reihe.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

4. Februar 2013

BARTSCH, CARINA: KIRSCHROTER SOMMER & TÜRKISGRÜNER WINTER

Filed under: Belletristik,Buch- & Sammelreihe,Jugendbuch,Liebe — Schlagwörter: , , , , — Ati @ 19:14

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rororo
ISBN-13: 9783499227912/ISBN-13: 9783499227912
ISBN-10: 3499227916/ISBN-10: 3499227843
Belletristik, Jugendbuch
1. Auflagen 01/2013
Taschenbuch
512 Seiten/464 Seiten
[D] je 9,99 €


Verlagsseite

Autorenseite

 

Dass ich beide Bände in eine Buchbesprechung hereinnehme, liegt darin begründet, dass sie meiner Ansicht nach zusammen besprochen werden müssen (warum folgt weiter hinten). Eventuell verrate ich dadurch allerdings zu viel. Deshalb sollten diejenigen, die vollkommen unbelastet an die gesamte Geschichte herangehen wollen, NICHT WEITERLESEN.

Worte … Worte können vieles. Sie können uns beispielsweise verwirren oder zum Lachen bringen, zum Nachdenken anregen, etwas infrage stellen. Sie können auch Aufmerksamkeit erregen, uns verletzen oder verändern.

Mit ihren Worten erregte Carina Bartsch eindeutig Aufmerksamkeit. Nach zahlreichen Absagen brachte sie 2011 ihr Romandebüt Kirschroter Sommer als Kindle im Schandtaten-Verlag selbst heraus. Dass es sich gelohnt hat, zeigen die Verkaufszahlen. Kirschroter Sommer erreichte Platz 1 der Kindle-Bestsellerliste für Liebesromane, stand zeitweise in den Top20 der Kindle-Jahresbestseller 2012 und platzierte sich auch vor den Kindle-Bänden 2 und 3 der stark beworbenen Fifty-Shades-of-Grey-Reihe. Dieser Erfolg rief die Agentur Erzählperspektive auf den Plan, die Bartschs Debüt auf der Buchmesse 2012 präsentierte. Daraufhin meldeten sich mehrere Verlage und Rowohlt brachte nicht lange danach zum ersten Mal in seiner Verlagsgeschichte das Werk eines e-book-self-publishers in gedruckter Form auf den Markt. Auch der Folgeband Türkisgrüner Winter wird dort verlegt. Beide Bände in einer ersten Auflage von 30.000 Stück. Der Traum eines Autors.

Weniger traumhaft ist das, was Emely widerfährt. Worte haben sie verletzt und verändert. Das alles liegt zu Beginn von Kirschroter Sommer bereits sieben Jahre zurück. Auswirkungen auf das Leben der 22jährigen Studentin haben die Worte des nur wenig älteren Elyas, ihrer ersten und bisher einzigen Liebe, jedoch nach wie vor. Selbstbewusstsein ist das, was andere haben. Beziehungen auch. Dennoch hat sie ihn nie vergessen. Als sie sich nach dem Umzug ihrer besten Freundin/Elyas Schwester wiedersehen, flammen alle negativen Gefühle wieder in ihr auf. Elyas scheint nicht zu bemerken, dass er ihr auf die Nerven fällt, und drängt geradezu penetrant in ihr Leben. Obwohl er anscheinend jede Frau haben kann, erweckt er bei Emely den Eindruck sie unbedingt als weitere Kerbe in seinem Bettpfosten verewigen zu wollen. Während sie versucht, sich Elyas vom Leib zu halten, lernt sie zeitgleich den sanften und scheinbar schüchternen Lucca im Internet kennen. Bald darauf hat sie ein Problem. Lucca scheint ein Traummann zu sein, dem sie alles anvertrauen kann. Fatalerweise zeigt jedoch auch Elyas steter-Tropfen-höhlt-den-Stein-Methode und seine Hilfsbereitschaft (etwa nach einem schweren Unfall ihrer Eltern) bei ihr Wirkung und sie verliebt sich erneut in ihn.

Türkisgrüner Winter setzt die begonnene Geschichte unmittelbar fort. Das Wechselbad der Gefühle vertieft sich für Emely, weil sich Lucca und Elyas fast zeitgleich zurückzuziehen beginnen. Da sie Lucca noch nie persönlich getroffen hat, beschließt Emely sich während einer Hallowen-Party wenigstens an Elyas‘ Fersen zu heften und ihn zur Rede zu stellen. Die beiden verbringen sogar die Nacht miteinander. Allerdings nur, weil Emely sturzbetrunken ist und Elyas sie nicht einfach ihrem Schicksal überlassen möchte. In der Folgezeit kommen sie und Elyas sich trotzdem wieder näher. Doch gerade, als sie auf Wolke sieben schwebt, erfährt sie etwas, was sie abrupt auf den Boden der Tatsachen zurückbefördert. Ihre Befürchtung erneut von Elyas verletzt zu werden, scheint sich zu bewahrheiten. Das Gefühl abermals von ihm verraten worden zu sein, lässt sie zu ihren zwischenzeitlich wieder genesenen Eltern flüchten und damit vor der Gefahr weglaufen, Elyas versehentlich zu begegnen. Ihren Gefühlen kann sie jedoch nicht ausweichen. Als sie Elyas anlässlich der Weihnachtsfeiertage überraschend wiedersieht, kommt es erneut zum Streit und alles scheint verloren.

Gleich vorab, damit keine Missverständnisse aufkommen: Bereits das erste Buch hat mich nicht vom Hocker gerissen, aber auch nicht völlig gelangweilt. Dass ich beide Bücher gelesen habe, liegt zum einen in meiner Neugier (was kann Bartsch, was andere nicht können/womit hat sie es geschafft) begründet. Zum anderen aber auch daran, dass die Autorin (trotz diverser Schwachstellen und obwohl ich alterstechnisch eindeutig über dem Zielpublikum liege) die Frage nach dem Ausgang der Geschichte in mir wachgehalten hat. Wie und womit, weiß ich offen gestanden bis heute nicht. Doch es lag weder darin begründet, dass ich unvollendete Geschichten einfach nicht mag, noch darin eine Leseempfehlung (oder Argumente dagegen) für meine Nichten und die Töchter von Bekannten und Freunden finden zu wollen. Tatsächlich kann man mit Kirschroter Sommer und Türkisgrüner Winter einfach abschalten (es macht nichts aus, wenn man versehentlich ein Kapitel überspringt). Die Beschreibung der Figuren polarisiert, was durchaus nicht jedem Autor gelingt. Ich habe zwar nicht mitgefiebert, das eine oder andere Mal jedoch gedanklich jemanden durchgeschüttelt. Der Schreibstil sorgt diverse Male für hochgezogene Mundwinkel. Und auch wenn mich das eine oder andere daran gestört hat (siehe unten), lassen sich beide Bücher sehr leicht und in einem Rutsch durchlesen. Faktisch kann man die Bücher 13-14jährigen Mädchen beruhigt in die Hand geben.

Die Geschichte spielt größtenteils in Berlin und wird von Emely selbst erzählt. Obwohl sie, wie die anderen Figuren, über 20 ist, wirkt Emely nicht sonderlich erwachsen – weshalb ich das Buch eindeutig als Jugendbuch einstufen möchte. Die Covergestaltung beider Bücher trägt ebenso wie die einfach gehaltene Sprache zu dieser Einschätzung bei, wobei mir Emelys Wortwahl an mehreren Stellen nicht sonderlich gut gefallen hat (auch hierauf gehe ich nachher noch einmal ein). Ich war gedanklich schon kurz davor eine Strichliste für das Kribbeln, die Gänsehaut, den einseitig verzogenen Mundwinkel oder ähnliches anzulegen, so häufig wurden bestimmte Worte/Redewendungen benutzt. Positiv anmerken möchte ich allerdings, dass es zwar um eine Beziehungsgeschichte geht, Sexszenen jedoch komplett außen vor bleiben (was gut zum Jugendbuchcharakter passt). Lediglich ein paar Küsse und tiefe Blicke gibt es – Gänsehaut und Kribbeln sind diesbezüglich aber allenfalls von Bartsch benutzte Worte und kein Lesefeeling. Auch die Handlung selbst ist relativ eng begrenzt, dreht sie sich doch größtenteils um Emelys Empfinden. Überraschende Wendungen gibt es nicht. Nicht nur durch die Erzählperspektive begründete Vorhersehbarkeiten, auch stetige Wiederholungen sorgen für gewisse Längen. Und man stolpert von einem Klischee ins nächste. Eine wirkliche Entwicklung macht weder die Geschichte noch einer der Charaktere auf den immerhin fast 1.000 Seiten durch. Genau das habe ich jedoch fatalerweise erwartet, nachdem ich vor den beiden Büchern etwas über die Autorin gelesen habe, die mit Kirschroter Sommer und Türkisgrüner Winter ihren LeserInnen nahebringen will, warum Emely und Elyas füreinander bestimmt sind.

Während mir der Großteil der Figuren um Emely mehr oder weniger einnehmend vorkam, tat ich mich mit der in Ich-Form erzählenden Hauptfigur von Anfang des ersten bis fast Ende des zweiten Bandes extrem schwer. Dabei wirkt Emely zwar unreif, aber wie alle anderen durchaus echt. Sie stellt sich stellenweise verkrampft, größtenteils zornig und unbeherrscht vor. Sympathisch war sie mir überaus selten. Diese Momente beschränkten sich vorwiegend auf ihren E-Mail-Verkehr mit Lucca. Bartsch verwendet, wie etliche andere Autoren derzeit auch, sowohl Kurznachrichten als auch E-Mail als festen Bestandteil des Geschehens.

Dass Emely nach der Sache vor sieben Jahren vermutlich nicht einmal weiß, wie man Selbstbewusstsein schreibt, ist die eine Sache. Das hätte mich nicht gestört und wirkt auch in der dargestellten Form gar nicht so glaubwürdig. Tatsächlich habe ich oft genug erlebt, welch fatale Folgen wenige Worte haben können. Was mich jedoch regelrecht abgestoßen hat, war neben ihrem Verhalten ihre Ausdrucksweise. Diese wirkt keineswegs gekünstelt oder falsch, doch sie beißt sich die allermeiste Zeit schlicht und ergreifend mit meinem Verständnis der Ausdrucksweise einer Studentin der Literaturwissenschaft, für die (Seite 33) Literatur mit einem magischen Zauber belegt ist, der sie mit all seiner Kraft gefangen hält. Irgendwie gehe ich davon aus, dass jemand, der gerne und viel liest, eine andere Wortwahl hat. Vielleicht liegt es auch einfach daran, dass Worte wie Miststück, Idiot, Blödmann genauso wenig zu meinem gängigen Tagesvokabular gehören, wie ich sie in dieser Fülle aus dem Mund anderer hören oder lesen möchte. Klingt weltfremd, ich weiß. Aber ich finde, dass wir eine herrliche Sprache haben, mit der wir Missfallen und negative Gefühle auch ohne derbe Wortwahl und verbale Entgleisungen zum Ausdruck bringen können. Emely benutzt die Worte außerhalb ihrer Mails jedenfalls gerne und überaus häufig, nicht nur gedanklich und nicht nur im Bezug auf Elyas. Und dafür, dass sie mit Sex nichts am Hut hat, dreht sich ihr Denken sehr viel darum. Egal ob es um die Bedürfnisse ihrer in ihren Augen zu unersättliche Mitbewohnerin Eva oder um die Baggerversuche von Elyas geht (wobei der Bagger da in meinen Augen manchmal eher einem Teelöffelchen gleicht).

Während ich neben dem verständnisvollen Lucca auch den von Emely als überheblich-arroganten, stets baggernden, ekelhaft beschriebenen Elyas fast durchgehend nett fand (allein für die Bad-Szene nach der Halloween-Party hat er etliche Sympathiepunkte bekommen), kam mir Emely selbst wie ein beleidigt-zickiger, hormongeschüttelter Teenager der schlimmsten Sorte vor. ICH scheint bei ihr von vorne bis hinten groß geschrieben zu sein. Ihre mit Füßen getretene, ach so unsterblich-unvergessene Liebe zu Elyas besteht (logischerweise größtenteils bereits durch die Erzählperspektive begründet) neben der unerschöpflichen Auflistung all seiner Fehler, seiner berechnenden Manipulationen und der stetigen Erwähnung ihrer durch ihn verursachten emotionalen Verletzungen vorwiegend daraus, ihn mies zu behandeln, damit sie sich besser fühlt. Da sie anderen nicht zuhören will, gehört Verzeihen eindeutig nicht dazu. Vergessen schon gar nicht. Kompromisse und Liebe scheinen bei ihr unvereinbar zu sein und überhaupt wirkt Emely in ihrem Egoismus eher oberflächlich verliebt (was wiederum zu dem Jugendbuchcharakter passt). Sie tut sich selbst am meisten leid. Dabei verschließt sie sich vor der Tatsache, dass ihre boshaften Erwiderungen auf eigentlich ganz harmlose Bemerkungen seinerseits ebenfalls verletzen können. Emily geht aus nichtigen Gründen in die Luft, schlägt verbal blind um sich und lediglich Elyas Ausdauer und Geduld ist es zu verdanken, dass sich die beiden näher kommen. Seinem abschätzig von ihr beurteilten großen Ego verdankt sie es im Grunde genommen, dass er ihre Sticheleien und Provokationen aushält. Er läuft ihr nach wie manch hungriger Esel seiner Möhre und ihre bissig-biestige Art und Weise (die nicht biestig-eloquent, sondern einfach eingeschnappt wirkt) sorgt dabei lediglich für schief verzogene Mundwinkel bei ihm, Grinsen und Amüsiertheit.

Ihre passiv-abweisende Angriffshaltung gibt Emely eigentlich erst auf, als Elyas seinerseits die Segel streicht. Nicht einmal als er am Ende des zweiten Bandes gleich über zwei Kapitel hinweg seine Motive und sein geplantes Handeln erläutert, kommt dieser jahrelang gehegte Abwehrmechanismus wieder hervor, dabei entspricht Elyas Geständnis genau dem, was sie ihm permanent unterstellt und er genauso vehement abgestritten hat. Ein weiteres Mal wird auf dem alles entscheidenden Missverständnis herumgeritten. Die eigentliche Motivation für die Hartnäckigkeit von Elyas wirkt dabei jedoch relativ unglaubwürdig. Neue Erkenntnisse gewinnen Bartschs LeserInnen zudem nicht. Denn im Grunde kann man das alles schon viele, viele Seiten vorher und nicht nur zwischen den Zeilen aus der Geschichte herauslesen. Immerhin kommt es bereits recht schnell zu einer, durch einen Joint (so langsam aber sicher frage ich mich, wie ich ohne so was überhaupt 45 werden konnte) initiierten, entspannten Phase und damit verbunden zu einer Aussprache bezüglich der alles verursachenden Worte. Die Versöhnung scheint bereits da so nahe, die perfekte Beziehung auch. Immerhin haben beide so viele Gemeinsamkeiten, dass es fast schon unheimlich ist.

Aber wie gesagt, sie scheint nur nahe, denn da gibt es ja Emelys ach so große Verletztheit und ihre Angst erneut dem bitterbösen, berechnend-manipulativen und selbstsüchtigen Elyas zum Opfer zu fallen. Für einen Schritt nach vorne macht Emely also munter meist gleich drei zurück, weshalb ich auch beide Bücher in einer Besprechung vorstellen möchte. Dieser Eiertanz ist nämlich die gesamte Handlung beider Bücher. Darin gehen der Selbstmordversuch einer gemeinsamen Freundin bzw. Bekannten, das Liebesglück von Alex und Sebastian, die anstehende Hochzeit von Andy und Sophie, der schwere Verkehrsunfall von Emelys Eltern und noch etliche andere Dinge (nicht in der Reihenfolge) ebenso gnadenlos unter wie die Intention der Autorin. Elyas kann tun und machen, was er will. Vermutlich könnte er die Sterne vom Himmel holen, es hätte keinen Sinn. Es wird nicht klar, warum die beiden füreinander bestimmt sind – mir jedenfalls nicht.

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Vermutlich wäre es besser gewesen, beide Bücher auf eines zusammenzukürzen und dieses auch noch auf etwa 300 Seiten zu beschränken. Denn mehr gibt die Handlung im Grunde nicht her. Wer Wert auf eine sich entwickelnde Handlung und Gefühle (außerhalb von Verletztheit und Wut) legt, sollte auf alle Fälle die Finger von beiden Büchern lassen. Wer jedoch einfach etwas zum Abschalten sucht, ist damit durchaus gut bedient. Unabhängig davon: Die 14jährige Tochter einer Bekannten war von beiden Büchern hellauf begeistert. Mich selbst hat die Geschichte von Emely und Elyas jedoch nicht entflammt, stellt sie sich doch zu einseitig und oberflächlich dar. Tödlich gelangweilt hat sie mich aber auch nicht. Dennoch überwiegen die Schwachstellen, weshalb ich beiden Büchern nur drei von fünf Punkten geben möchte.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

30. Januar 2013

KINSELLA, SOPHIE: KEIN KUSS UNTER DIESER NUMMER

Filed under: Belletristik,Chick-Lit,Liebe,Roman — Ati @ 14:54

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Originaltitel: I’ve got your number
Aus dem Englischen übersetzt von
Jörn Ingwersen
Goldmann Verlag
ISBN-13: 9783442467716
ISBN-10: 3442467713
Belletristik, Liebesroman, Chick-Lit
1. Auflage 11/2012
Taschenbuch, 480 Seiten
[D] 9,99 €

Verlagsseite
Autorenseite (englisch)

Als ich kürzlich in einer Lesegruppe den Namen Sophie Kinsella erwähnte (das im November 2012 bei Goldmann erschienene Taschenbuch Kein Kuss unter dieser Nummer war gerade an diesem Tag in mein Eigentum übergegangen), wurde gleich mehrfach gefragt, ob das ein neues Buch aus der Schnäppchenjäger-Reihe um Rebecca Bloomwood wäre. Meine Augenbrauen gingen nach oben, ich musste passen. Besagte Buchreihe sagte mir gar nichts, auch die Kinoverfilmung (Shopaholic – Die Schnäppchenjägerin) habe ich nicht gesehen. Überhaupt war mir auch kein anderes Buch der Autorin ein Begriff – dabei gibt es einige. Sei es unter dem Pseudonym Madeleine Wickham (sieben Bücher bei Goldmann von 1997 – 2003) oder Sophie Kinsella (fünf Schnäppchenjäger-Bücher und weitere sechs bzw. sieben (bei einem als Co-Autorin) Einzelromane, ebenfalls bei Goldmann von 2003 – 2012).

Hinter einer Finanzjournalistin hätte ich irgendwie grundsätzlich Autorin von Büchern wie dem mir vor mir liegenden Kein Kuss unter dieser Nummer vermutet. Man sollte sich eben nie von Voruteilen (Finanzjournalismus = trockene Materie) beherrschen lassen. Denn die 1969 in London geborene und heute noch mit ihrer Familie dort lebende Autorin Sophie Kinsella schreibt auf leichte, unterhaltsame Weise und laut Wikipedia allgemein über Heldinnen, die in abstruse und lustige Situationen geraten, aus der sie nur ihre Kreativität befreit.

Und so präsentiert sich tatsächlich auch Poppy in Kein Kuss unter dieser Nummer. Die junge Frau ist mit ihrem Traummann zusammen und hat das Familienerbstück von Verlobungsring an ihrem Finger. Besagter Traummann sieht nicht nur gut aus, sondern stammt auch noch aus einer ebenso supergescheiten wie reichen Familie. Gut, Letzteres ist ein Problem, denn Poppy selbst besitzt zwar durchaus emotionale Intelligenz, ihr erlernter Wissensschatz scheint jedoch kleiner als ihr Minderwertigkeitskomplex. Überhaupt denkt sie, dass ihre Schwiegereltern in spe sich für ihren Sohn eine andere Frau als ausgerechnet sie wünschen. Dazu kommt, dass Poppy auf Unglück und Pannen offenbar genauso anziehend wirkt wie ein Magnet auf Eisenspäne. Kein Fettnäpfchen ist vor ihr sicher.

Gleich eingangs kommt es prompt, wie es kommen muss. Der Verlust des Verlobungsringes ist erst der Anfang des Chaos. Ihr lebensnotwendiges Handy wird gestohlen. Einer glücklichen Fügung verdankt sie den Fund eines weggeworfenen Handys. Doch der Fund birgt einige Tücken und Fallstricke in sich, weil es ein Firmenhandy ist. Der dazugehörige Geschäftsmann Sam Roxton lässt sich darauf ein, Poppy das Handy vorübergehend zu überlassen, weil sie die dazugehörige Nummer schon allen gegeben hat, die ihren Verlobungsring vielleicht finden könnten. Poppy mischt sich in ihrer unbekümmerten Art in alles ein, was sie so auf dem Handy findet. Das hat Folgen für die beiden.

Die Autorin lässt ihre Hauptfigur selbst die Geschichte erzählen. Poppy präsentiert sich dabei liebenswert chaotisch, absolut harmoniebedürftig, teils unverfroren, teils tollpatschig, trägt ihr Herz auf der Zunge und gerät in einige schräg-überspitzt dargestellte Situationen. Sam kommt anfangs nicht so gut weg, wirkt zwar durchaus hilfsbereit, noch eher jedoch kalt und distanziert. Sein Frauenbild ist überaus klischeebehaftet. Seine guten Seiten offenbaren sich jedoch im Verlauf der Geschichte und Poppy muss ihre anfängliche Meinung über ihn revidieren. Die über ihren Traummann auch, denn sie stellt zu ihrem Entsetzen kurz vor der lang ersehnten Trauung fest, dass Traummänner auch in Albträumen mitspielen können. Außerdem trachtet tatsächlich jemand danach, besagte Heirat zu unterlaufen. Und auch dass die Geschäftswelt ein Haifischbecken sein kann, kommt ans Licht.

Gerade scheint es sehr in Mode zu sein, Mails und Kurznachrichten als festen Bestandteil in Romanen zu verwenden. Auch in Kinsellas Roman sind sie fleißig in die Handlung eingewoben, kommunizieren Poppy und Sam anfangs doch hauptsächlich auf diesem Weg miteinander und Poppy scheint sowieso grundsätzlich geradezu mit ihrem Handy verwachsen. Außerdem bestätigt Poppys pathologisch anmutendes Harmoniebedürfnis genau auf diesem Weg mehr als einmal den Kurt Tucholsky zugeschrieben Ausspruch Das Gegenteil von Gut ist nicht Böse, sondern gut gemeint.

Trotz des temporeichen, humorvoll-frischen Schreibstils der Autorin findet sich die eine oder andere kleine Länge. Insgesamt gesehen tut dies der unterhaltsam-leichten Geschichte jedoch keinen großen Abbruch. Dass mehr als eins der schrägen Erlebnisse Poppys etwas weit hergeholt wirkt, übrigens auch nicht.

Die Charaktere wirken samt ihrer Motivation trotz der einen oder anderen überzogen Darstellung überraschend echt und (mal mehr, mal weniger) liebenswert. Nicht nur die Fußnoten (in denen Poppys Gedanken einmal mehr zum Ausdruck gebracht werden und die sich überraschend oft mit dem deckten, was mir beim Lesen durch den Kopf ging), sondern auch Szenen wie gleich eingangs, als sie (um das Handy behalten zu dürfen) als singendes Telegramm herumhüpft, haben mich zum Lachen gebracht. Dass man nicht von vorne bis hinten durchlacht oder -schmunzelt, liegt an den ernsteren Handlungsfäden, denn nicht nur für Poppy läuft keineswegs alles glatt und gut.

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Eine heitere, kurzweilig-romantische Unterhaltung zum Entspannen für zwischendurch. Mir hat der Roman Lust auf weitere Romane der Autorin gemacht. Insgesamt möchte ich für Kein Kuss unter dieser Nummer deshalb vier von fünf Punkten vergeben.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

26. Januar 2013

SPINDLER, CHRISTINE: MOND AUS GLAS

Filed under: Belletristik,Jugendbuch,Liebe,Roman,Tod/Trauer — Ati @ 15:17

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Renate Götz Verlag
ISBN-13: 9783902625205
ISBN-10: 3902625201
Belletristik
Ausgabe 12/2010
Broschiert, 196 Seiten
[D] 17,41 €

Verlagsseite
Autorenseite

 

Der Preis mit 17,41 € ist etwas ungewöhnlich. Aber das ist das im Zuge eines Adventsgewinnspiels zu mir gekommene Buch zum Nachdenken und Staunen für Jugendliche und Erwachsene von Christine Spindler auch. Und zwar im durchweg positiven Sinn.

Die 1960 in Backnang geborene und in Auenwald lebende Autorin hat bereits mehr als 40 Bücher geschrieben. Aus ihrer Feder stammen vorwiegend Kinderbücher und Krimis. Teils veröffentlichte sie diese unter ihrem richtigen Namen. Dazu zählen etwa die deutsch-englischen Lernschmöker von Langenscheidt Love Takes Centre Stage – Bühne frei für die Liebe oder Love Takes a Detour – Liebe auf Umwegen. Andere Veröffentlichungen erfolgten teils unter dem Kurznamen Chris Spindler, ihrem Pseudonym Tina Zang oder (als Co-Autorin) dem Sammelpseudonym Kris Benedikt. Bereits 2007 kam im Sieben-Verlag ihr Buch Winterleuchten auf den Buchmarkt. Mond aus Glas ist eine inhaltlich teilweise überarbeitete Auflage davon.

Das Cover zeigt ein junges, gleichermaßen traurig wie verloren wirkendes Mädchen an einem Gewässer, über dem der Vollmond steht. Die Inhaltsangabe erklärt gleich eingangs ihren Gesichtsausdruck, ist doch die Zwillingsschwester der mittlerweile 16jährigen Luna zwei Jahre zuvor nach einer Tumoroperation gestorben. Der Verlust und die Trauer drohen die Familie zu zerbrechen. Abgesehen davon entdeckt Luna Veränderungen an sich, die sie sich nicht erklären kann. Doch im Buch geht es nicht nur um sie. Auch Finn steckt gerade in einer schwierigen Phase. Seine Eltern haben sich kürzlich getrennt und er muss mit seiner kleinen Schwester und seiner Mutter in einer fremden Stadt einen Neuanfang wagen. Das gestaltet sich vor allem deshalb etwas schwierig, weil der gerade 18jährige Finn als Bluter von seiner Mutter ein Leben lang in Watte gepackt, verhätschelt und isoliert worden ist. Dabei hat auch er Fähigkeiten, die ihn von anderen unterscheiden. Luna und Finn lernen sich kennen, erkennen, wie einzigartig sie sind, und verlieben sich ineinander.

Wer jetzt denkt, eine einfache Liebesgeschichte in Händen zu halten, irrt allerdings. Denn Spindlers Geschichte ist weitaus mehr und wird von weiteren Charakteren beseelt. Zwar verweist die Inhaltsaufgabe auf Luna und Finn, doch erweisen sich Spindlers übrige Figuren als ebenso wichtig. Egal ob es sich um Finns altkluge, kleine Schwester Motte handelt, die viel lieber bei ihrem Vater leben würde aber nicht darf. Oder um seine überbesorgte Mutter Marianne, die neben einem Alkoholproblem auch mehr als ein Geheimnis hat, oder Finns Vater Rainer, der es mit der Treue nicht so ernst genommen hat – zwischen beiden sind die Fronten verhärtet. Auch Lunas Mutter Vera, die Luna vernachlässigt, und nur durch die Erkenntnis, dass Stella einem karrieresüchtigen, gewissenlosen Arzt zum Opfer gefallen sein könnte, aus ihrer Depression gerissen wird, spielt keine unbedeutende Nebenrolle. Ebenso wenig ihr Mann, Lunas Vater Urban, der sich in seiner Trauer von Vera alleine gelassen fühlt. Die Ehe der beiden ist erstarrt, droht wie gesagt zu zerbrechen. Da ist aber auch Lunas Tante Evi mit einer leichten geistigen Behinderung, die sich nicht verstellen kann und die ebenso auf die Familie angewiesen ist, wie diese auf sie. Sogar Lunas Schulrektor, zwei Lehrer oder die Freundin von Vera sind nicht einfach nur nebenbei erwähnte, nebensächliche Füllfiguren.

Alle sind wundervoll beschrieben, wirken authentisch (trotz der Erwähnung und damit Komprimierung aller in einem Roman) und mehr oder weniger liebenswert. Keiner davon wirkt wirklich alt oder jung, überaus erwachsen oder absolut kindlich. Exzentrisch verschroben sind sie alle. Jeder hat Fehler und Schwächen. Niemand ist perfekt, auch die verstorbene Stella nicht. Genau dadurch wirken sie herrlich lebendig und man kann sich in alle hervorragend hineinversetzen. Von Beginn an leidet man mit ihnen, lacht mit ihnen, fiebert mit ihnen, wundert sich mit ihnen, hofft mit ihnen. Und wünscht ihnen, dass die Geschichte trotz der tragischen Momente gut ausgeht.

In jedem Kapitel gibt es gleich mehrere Erzählstränge. Die Verknüpfung mehrerer gleichberechtigter Handlungsfäden und Charaktere beinhaltet für viele Autoren ungeahnte Stolperfallen und allzu häufig bleibt neben dem Lesefluss auch der Lesespaß auf der Strecke. In Mond aus Glas wird beides jedoch Stück für Stück unaufgeregt emphatisch in einer wundervollen gleichsam feinsinnigen wie bildhaften Sprache von der Autorin miteinander verwoben.

Aufkommende Fragen finden sukzessive ihre Antworten. Diese wühlen auf, geht es doch, abgesehen von dem von Spindler verarbeiteten fantastisch-märchenhaften Element um grundsätzliche Dinge, die jeden von uns betreffen. Tod und Trauer stehen der ersten Liebe ebenso gegenüber wie der, die schon seit Jahren existiert. Ein Wust von Emotionen findet in Mond aus Glas Raum. Anklagen und Schuldgefühle, Wut, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Aber auch Freude, Verzeihen und Zuversicht. Es geht um Loslassen und Festhalten. Um das Am-Boden-Sein und darum, wieder aufzustehen. Um neue Blickwinkel und damit verbundene Einsichten. Jedes der 31 Kapitel ist eingangs übrigens mit einem Gedicht versehen, welches die Emotionen im Buch zusätzlich widerspiegelt.

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Ein absolut empfehlenswertes, berührendes und nachdenklich machendes  Buch für Jung und Alt. Eine genauso märchenhafte wie echt wirkende Geschichte, die zu Tränen rührt, aufwühlt und zum Lachen animiert. Eine Geschichte, der ich fünf von fünf Punkten geben möchte und die ich garantiert mehr als einmal lesen und verschenken werde.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

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