Die Leselustige Ati's Rezi-Seite – Buchbesprechungen, Ankündigungen, etc.

10. Februar 2013

STEFFENS, LARS: SUPERMANFRED

Filed under: Belletristik,Humor/Satire,Roman — Ati @ 12:11

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Rowohlt Taschenbuch Verlag
ISBN-13:
9783499259555
ISBN-10:
3499259559
Belletristik
Originalausgabe 02/2013
Taschenbuch, 256 Seiten
[D] 8,99 €

http://www.rororo.de

 

Auf der Verlagsseite erfährt man Folgendes über den Autor:

 

Lars Steffens schreibt eigentlich Drehbücher und unterrichtet an Filmhochschulen. Als Redakteur hat er zuvor bei RTL diverse Fernsehserien betreut. Bislang kann er noch nicht mit so interessanten Autorenjobs wie Robbenjäger, Goldschürfer oder Rechtspsychologe aufwarten. Er hofft allerdings auf eine Karriere als Frauenfußballhooligan oder Bohrinsel-Monteur. Bis dahin vertreibt er sich die Zeit mit seiner Frau und den beiden gemeinsamen Kindern in Köln. Mit seinem Sohn spielt er manchmal «Papa Darth Vader und Mama Darth Vader» – ohne eigentlich zu wissen, was er dabei tun soll.

 

Zugegeben: nicht sehr aufschlussreich. Hinter diesem kleinen Profil könnte so gut wie jeder stecken.

 

Genau wie hinter den Figuren in Steffens Roman Supermanfred. Ob er etwas mit Supermanfred von Dennis und Jesko (Die Sketchköppe, NDR) zu tun hat, ist mir nicht bekannt. Das im Comicstil gehaltene Cover deutet jedenfalls darauf hin, dass es um jemanden mit Superkräften geht. Die Inhaltsangabe tut ein Übriges. Supermanfred wird unter anderem flankiert von ebenfalls nicht ganz alltäglichen Gestalten namens Badmann und Robin.

 

Wer allerdings auf mehr Parallelen zu der Figur im engen blauen Anzug mit rotem Mäntelchen oder der mit den Fledermausflügeln bzw. dem schmächtigen Kerlchen an dessen Seite hofft, wird vielleicht enttäuscht. Diese erleben zwar seit einigen Jahren einen zweiten Karriereschub auf der Kinoleinwand, haben aber abgesehen von der Namensähnlichkeit wenig mit Supermanfred und Co. gemein.

 

Hamburg dient als Handlungsort. Supermanfred ist im richtigen Leben Feuerwehrmann, dank eines sagen wir mal magischen Trainingsanzugs jedoch mit Superkräften ausgestattet, weshalb er immer mal wieder zur Rettung der Metropole beiträgt. Das alles geschieht heimlich, nicht einmal seine Freundin ahnt etwas von seinen heldenhaften Taten und wundersamen Fähigkeiten.

 

Besagte Freundin, Claudia, spielt übrigens die Hauptrolle in Steffens Roman. Aus ihrer Sicht wird die Geschichte erzählt. Claudia ist unzufrieden mit ihrem Leben, ihrem Beruf wie ihrer Beziehung oder ihrem Freundeskreis. Von ihrem Chef wird sie ausgenutzt, ihre beste Freundin ist Vollzeitegoistin und ihren Freund findet sie zwar unheimlich lieb aber auch langweilig, mutiert er doch nach Dienstschluss zu einem Couch-Potato.

 

Doch von heute auf morgen wird Claudias Leben auf den Kopf gestellt. Als sie versehentlich Manfreds hässlich-grünen Synthetik-Trainingsanzug in die Waschmaschine steckt, ist es mit Manfreds Superkräften schlagartig fast vorbei. Logisch, dass der von ihrer Waschaktion nicht gerade begeistert ist. Während er verzweifelt versucht, seine Aufgabe auch ohne Anzug zu erfüllen, kommt Badmann ins Spiel. Claudia fühlt sich vernachlässigt und kann Manfreds Reaktionen nicht ganz nachvollziehen. Als ihr neuer Nachbar, der Superschurke Badmann, mit ihr zu flirten beginnt und scheinbar eindeutiges Interesse andeutet, kommt Manfred ihr noch langweiliger vor. Dabei handelt Badmann aus ganz und gar eigennützigen Motiven, was Claudia erst viel zu spät klar wird. Ebenso wie der Umstand, dass Hamburg offenbar geradezu vor Superhelden und -schurken wimmelt. Sogar Außerirdische sind dabei. Sie alle haben größere und kleinere, nützliche oder eher nutzlose Fähigkeiten. Praktischerweise hat sich Steffens für seine Figur Claudia eine Lösung ausgedacht, die nicht nur Supermanfred überrascht.

 

Gleich eingangs kann man auf leichte Art in das definitiv nicht ernst zu nehmende Geschehen eintauchen. In dem Roman passiert zwar das eine oder andere. Doch es fliegt nichts mit kawoum und crash-boom-bang in die Luft. Die Welt wird weder durch ferngesteuerte Meteoriten bedroht noch kommen hypertechnische Spielereien und Fahrzeuge zum Einsatz. Was zum Teil sicher auch daran liegt, dass bestimmte Heldenfähigkeiten eher unauffällig sind (einer kann nur der Kommunikation von Schnecken lauschen). Steffens Figuren sind also trotz ihrer Superkräfte relativ normal, wollen auf wohltuend einfache Weise zum Teil lediglich unerkannt leben und ihren Spaß haben. Dabei haben sie mit ganz alltäglichen Problemchen und Sorgen zu kämpfen. Sie könnten also quasi direkt neben uns leben. Deshalb Augen auf -womöglich gibt es ja in der Nachbarschaft jemanden, der eine Vorliebe für hässlich-grüne Synthetik-Trainingsanzüge hat…

 

Fazit: 04aperlenpunkte.jpg

 

Ein unterhaltsam-seichter Lesequickie. Wer keinen Tiefgang erwartet, wird mit  entspannenden Lesestunden, hochgezogenen Mundwinkel und genau dem belohnt, was Autorenprofil und Inhaltsangabe des Buches versprechen. Dafür gibt es leichte vier von fünf Punkten.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

9. Februar 2013

MER, LILACH: WINTERKIND

Filed under: Belletristik,Historisch,Roman — Ati @ 19:28

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Dyras-Verlag
ISBN-13:
9783940855367
ISBN-10: 3940855367
Historischer Roman
1. Auflage 09/2012
Taschenbuch 280 Seiten
[D] 12,95 €

Verlagsseite

Autorenseite 

Was haben Lilach Mer und ich gemeinsam? Nichts, wenn man von dem Umstand absieht, dass wir beide 2009 an dem Heyne-Fantasy-Schreib-Wettbewerb für den Magischen Bestseller teilgenommen haben. Während ich mit meinem Beitrag allerdings bereits in der Vorrunde ausschied, wurde 2011 Lilach Mers Debütroman Der siebte Schwan von Heyne verlegt.

Den Debütroman der 1974 geborenen promovierten Juristin und Autorin, die in Berlin und meiner Wahlheimat Schleswig-Holstein aufgewachsen ist, habe ich nicht gelesen. Wohl aber ihren zweiten Roman und der hat – gleich vorab – eindeutig Lust auf mehr Mer in mir geweckt. In Winterkind geht es um Blanka von Rapp, die um 1880 in Niedersachsen lebt. Die junge Adlige ist mit dem Besitzer einer Glasfabrik verheiratet und Mutter eines kleinen Mädchens. Der siebte Schwan soll märchenhafte Zügen tragen und auch bezüglich Winterkind las ich im Vorfeld, dass es sich dabei um die Fortsetzung von Schneewittchen handeln soll.

Obwohl sich in der Geschichte eine böse Mutter (anstelle der Stiefmutter), im Zusammenhang mit dieser ein ominöser Spiegel, und sogar ein Apfel wiederfindet, ist Winterkind jedoch weit mehr als eine schnöde Fortführung besagten Märchens. Mer beschränkt sich nicht darauf, das schillernd-schöne Eheglück der jungen Frau an der Seite ihres Märchenprinzen, schützend umringt von den sieben Zwergen zu beschreiben. Tatsächlich ist Blanka ganz und gar unglücklich, wird von Ängsten geplagt, traut sich keinen Schritt vor die Tür. Beschützende Zwerge gibt es nicht und der vermeintliche Prinz hat durchaus Fehler. Sogar zur Beerdigung ihrer Mutter müssen Mann und Tochter alleine fahren. Nach deren Rückkehr spitzt sich die Lage zu. Während ein dichtes Schneetreiben das Herrenhaus von der Außenwelt abschneidet, muss sich Blanka den Schatten der Vergangenheit stellen. Diese bedrohen neben den gesellschaftlichen Umbrüchen gegen Ende des 19. Jahrhunderts sukzessive zunehmend nicht nur Blankas Zukunft.

Abwechselnd aus Sicht der jungen Mutter und der des Kindermädchens Sophie nehmen Mers LeserInnen am Geschehen teil. Während Sophie eine bodenständige junge Frau ist, offenbart sich Blanka als sensibles, nahezu gebrochenes Wesen. Um dies zu überspielen, versucht sie krampfhaft Haltung zu bewahren, wirkt dabei stellenweise eiskalt. Ihren Charakter empfand ich sehr zwiespältig. Was auf der einen Seite Mitleid erweckte, stieß auf der anderen Seite ab. Immer mehr stellte sich heraus, dass Blankas Vergangenheit zu schrecklich ist, als dass sie sich daran erinnern will. Dass man dennoch erfährt, wie die junge Frau so geworden ist, liegt an den Kapitelenden, in denen Mers ihre LeserInnen einen anfangs kurzen und zunehmend längeren, teils verstörenden Blick auf Blankas Vergangenheit bzw. das Leben ihrer Mutter werfen lässt.

Obwohl das das Erzähltempo bei allem, was tatsächlich geschieht, eher langsam ist, entstehen keine Längen. Flüssig und zugegebenermaßen etwas detailverliebt reiht Mer ein Wort ans andere. Letzteres dient jedoch der bedrohlich-dichten Atmosphäre, die den Roman neben den authentisch wirkenden Charakteren trägt.

Die Autorin beschränkt sich nicht nur darauf, das (vermeintlich) gute und sichere Leben der besseren Gesellschaft zu beschreiben. Neben den sicherlich eindeutig damit verbundenen Vorteilen erfährt man auch von den damit einhergehenden Schattenseiten, von den gesellschaftlichen Konventionen ebenso wie von den Umbrüchen jener Zeit. Auch die ungleiche Chancenverteilung und der daraus resultierende Arbeiteralltag, die Bevormundung der kleinen Leute, die den Launen und dem Gutdünken ihrer Arbeitgeber ausgesetzt waren, wird anschaulich beschrieben. Von den Unbillen der Natur, denen alle ausgesetzt waren, ganz zu schweigen.

Durch ihre Detailtreue macht die Autorin es ihren LeserInnen leicht, in die damalige Zeit und die düster angehauchte, auf wenige Tage komprimierte Handlung mitten im Winter einzutauchen. Das mystisch-märchenhafte Element, welches der Spiegel in die Geschichte hineinbringt, schimmert immer wieder auf und hat mich lange Zeit auf eine völlig falsche Idee bezüglich des Romanendes gebracht. Dieses gestaltet sich überraschend leicht und logisch, ohne dabei unwirklich-falsch zu wirken.

Fazit: 04aperlenpunkte.jpg

Die Autorin lässt die Grenzen zwischen Fantasie und Wirklichkeit gekonnt verschwimmen. Winterkind – ein historisches Märchen? – hat mir (wie bereits erwähnt) Lust auf mehr Mer gemacht und war viel zu schnell ausgelesen. Einen klitzekleinen Punkteabzug gibt es genau hierfür. Obwohl mich der Roman von der ersten bis zur letzten Seite gefangen hielt, wirkt er insgesamt betrachtet unfertig. Fortsetzung ungewiss. Deshalb möchte ich vier von fünf Punkten dafür vergeben.  

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

4. Februar 2013

BARTSCH, CARINA: KIRSCHROTER SOMMER & TÜRKISGRÜNER WINTER

Filed under: Belletristik,Buch- & Sammelreihe,Jugendbuch,Liebe — Schlagwörter: , , , , — Ati @ 19:14

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rororo
ISBN-13: 9783499227912/ISBN-13: 9783499227912
ISBN-10: 3499227916/ISBN-10: 3499227843
Belletristik, Jugendbuch
1. Auflagen 01/2013
Taschenbuch
512 Seiten/464 Seiten
[D] je 9,99 €


Verlagsseite

Autorenseite

 

Dass ich beide Bände in eine Buchbesprechung hereinnehme, liegt darin begründet, dass sie meiner Ansicht nach zusammen besprochen werden müssen (warum folgt weiter hinten). Eventuell verrate ich dadurch allerdings zu viel. Deshalb sollten diejenigen, die vollkommen unbelastet an die gesamte Geschichte herangehen wollen, NICHT WEITERLESEN.

Worte … Worte können vieles. Sie können uns beispielsweise verwirren oder zum Lachen bringen, zum Nachdenken anregen, etwas infrage stellen. Sie können auch Aufmerksamkeit erregen, uns verletzen oder verändern.

Mit ihren Worten erregte Carina Bartsch eindeutig Aufmerksamkeit. Nach zahlreichen Absagen brachte sie 2011 ihr Romandebüt Kirschroter Sommer als Kindle im Schandtaten-Verlag selbst heraus. Dass es sich gelohnt hat, zeigen die Verkaufszahlen. Kirschroter Sommer erreichte Platz 1 der Kindle-Bestsellerliste für Liebesromane, stand zeitweise in den Top20 der Kindle-Jahresbestseller 2012 und platzierte sich auch vor den Kindle-Bänden 2 und 3 der stark beworbenen Fifty-Shades-of-Grey-Reihe. Dieser Erfolg rief die Agentur Erzählperspektive auf den Plan, die Bartschs Debüt auf der Buchmesse 2012 präsentierte. Daraufhin meldeten sich mehrere Verlage und Rowohlt brachte nicht lange danach zum ersten Mal in seiner Verlagsgeschichte das Werk eines e-book-self-publishers in gedruckter Form auf den Markt. Auch der Folgeband Türkisgrüner Winter wird dort verlegt. Beide Bände in einer ersten Auflage von 30.000 Stück. Der Traum eines Autors.

Weniger traumhaft ist das, was Emely widerfährt. Worte haben sie verletzt und verändert. Das alles liegt zu Beginn von Kirschroter Sommer bereits sieben Jahre zurück. Auswirkungen auf das Leben der 22jährigen Studentin haben die Worte des nur wenig älteren Elyas, ihrer ersten und bisher einzigen Liebe, jedoch nach wie vor. Selbstbewusstsein ist das, was andere haben. Beziehungen auch. Dennoch hat sie ihn nie vergessen. Als sie sich nach dem Umzug ihrer besten Freundin/Elyas Schwester wiedersehen, flammen alle negativen Gefühle wieder in ihr auf. Elyas scheint nicht zu bemerken, dass er ihr auf die Nerven fällt, und drängt geradezu penetrant in ihr Leben. Obwohl er anscheinend jede Frau haben kann, erweckt er bei Emely den Eindruck sie unbedingt als weitere Kerbe in seinem Bettpfosten verewigen zu wollen. Während sie versucht, sich Elyas vom Leib zu halten, lernt sie zeitgleich den sanften und scheinbar schüchternen Lucca im Internet kennen. Bald darauf hat sie ein Problem. Lucca scheint ein Traummann zu sein, dem sie alles anvertrauen kann. Fatalerweise zeigt jedoch auch Elyas steter-Tropfen-höhlt-den-Stein-Methode und seine Hilfsbereitschaft (etwa nach einem schweren Unfall ihrer Eltern) bei ihr Wirkung und sie verliebt sich erneut in ihn.

Türkisgrüner Winter setzt die begonnene Geschichte unmittelbar fort. Das Wechselbad der Gefühle vertieft sich für Emely, weil sich Lucca und Elyas fast zeitgleich zurückzuziehen beginnen. Da sie Lucca noch nie persönlich getroffen hat, beschließt Emely sich während einer Hallowen-Party wenigstens an Elyas‘ Fersen zu heften und ihn zur Rede zu stellen. Die beiden verbringen sogar die Nacht miteinander. Allerdings nur, weil Emely sturzbetrunken ist und Elyas sie nicht einfach ihrem Schicksal überlassen möchte. In der Folgezeit kommen sie und Elyas sich trotzdem wieder näher. Doch gerade, als sie auf Wolke sieben schwebt, erfährt sie etwas, was sie abrupt auf den Boden der Tatsachen zurückbefördert. Ihre Befürchtung erneut von Elyas verletzt zu werden, scheint sich zu bewahrheiten. Das Gefühl abermals von ihm verraten worden zu sein, lässt sie zu ihren zwischenzeitlich wieder genesenen Eltern flüchten und damit vor der Gefahr weglaufen, Elyas versehentlich zu begegnen. Ihren Gefühlen kann sie jedoch nicht ausweichen. Als sie Elyas anlässlich der Weihnachtsfeiertage überraschend wiedersieht, kommt es erneut zum Streit und alles scheint verloren.

Gleich vorab, damit keine Missverständnisse aufkommen: Bereits das erste Buch hat mich nicht vom Hocker gerissen, aber auch nicht völlig gelangweilt. Dass ich beide Bücher gelesen habe, liegt zum einen in meiner Neugier (was kann Bartsch, was andere nicht können/womit hat sie es geschafft) begründet. Zum anderen aber auch daran, dass die Autorin (trotz diverser Schwachstellen und obwohl ich alterstechnisch eindeutig über dem Zielpublikum liege) die Frage nach dem Ausgang der Geschichte in mir wachgehalten hat. Wie und womit, weiß ich offen gestanden bis heute nicht. Doch es lag weder darin begründet, dass ich unvollendete Geschichten einfach nicht mag, noch darin eine Leseempfehlung (oder Argumente dagegen) für meine Nichten und die Töchter von Bekannten und Freunden finden zu wollen. Tatsächlich kann man mit Kirschroter Sommer und Türkisgrüner Winter einfach abschalten (es macht nichts aus, wenn man versehentlich ein Kapitel überspringt). Die Beschreibung der Figuren polarisiert, was durchaus nicht jedem Autor gelingt. Ich habe zwar nicht mitgefiebert, das eine oder andere Mal jedoch gedanklich jemanden durchgeschüttelt. Der Schreibstil sorgt diverse Male für hochgezogene Mundwinkel. Und auch wenn mich das eine oder andere daran gestört hat (siehe unten), lassen sich beide Bücher sehr leicht und in einem Rutsch durchlesen. Faktisch kann man die Bücher 13-14jährigen Mädchen beruhigt in die Hand geben.

Die Geschichte spielt größtenteils in Berlin und wird von Emely selbst erzählt. Obwohl sie, wie die anderen Figuren, über 20 ist, wirkt Emely nicht sonderlich erwachsen – weshalb ich das Buch eindeutig als Jugendbuch einstufen möchte. Die Covergestaltung beider Bücher trägt ebenso wie die einfach gehaltene Sprache zu dieser Einschätzung bei, wobei mir Emelys Wortwahl an mehreren Stellen nicht sonderlich gut gefallen hat (auch hierauf gehe ich nachher noch einmal ein). Ich war gedanklich schon kurz davor eine Strichliste für das Kribbeln, die Gänsehaut, den einseitig verzogenen Mundwinkel oder ähnliches anzulegen, so häufig wurden bestimmte Worte/Redewendungen benutzt. Positiv anmerken möchte ich allerdings, dass es zwar um eine Beziehungsgeschichte geht, Sexszenen jedoch komplett außen vor bleiben (was gut zum Jugendbuchcharakter passt). Lediglich ein paar Küsse und tiefe Blicke gibt es – Gänsehaut und Kribbeln sind diesbezüglich aber allenfalls von Bartsch benutzte Worte und kein Lesefeeling. Auch die Handlung selbst ist relativ eng begrenzt, dreht sie sich doch größtenteils um Emelys Empfinden. Überraschende Wendungen gibt es nicht. Nicht nur durch die Erzählperspektive begründete Vorhersehbarkeiten, auch stetige Wiederholungen sorgen für gewisse Längen. Und man stolpert von einem Klischee ins nächste. Eine wirkliche Entwicklung macht weder die Geschichte noch einer der Charaktere auf den immerhin fast 1.000 Seiten durch. Genau das habe ich jedoch fatalerweise erwartet, nachdem ich vor den beiden Büchern etwas über die Autorin gelesen habe, die mit Kirschroter Sommer und Türkisgrüner Winter ihren LeserInnen nahebringen will, warum Emely und Elyas füreinander bestimmt sind.

Während mir der Großteil der Figuren um Emely mehr oder weniger einnehmend vorkam, tat ich mich mit der in Ich-Form erzählenden Hauptfigur von Anfang des ersten bis fast Ende des zweiten Bandes extrem schwer. Dabei wirkt Emely zwar unreif, aber wie alle anderen durchaus echt. Sie stellt sich stellenweise verkrampft, größtenteils zornig und unbeherrscht vor. Sympathisch war sie mir überaus selten. Diese Momente beschränkten sich vorwiegend auf ihren E-Mail-Verkehr mit Lucca. Bartsch verwendet, wie etliche andere Autoren derzeit auch, sowohl Kurznachrichten als auch E-Mail als festen Bestandteil des Geschehens.

Dass Emely nach der Sache vor sieben Jahren vermutlich nicht einmal weiß, wie man Selbstbewusstsein schreibt, ist die eine Sache. Das hätte mich nicht gestört und wirkt auch in der dargestellten Form gar nicht so glaubwürdig. Tatsächlich habe ich oft genug erlebt, welch fatale Folgen wenige Worte haben können. Was mich jedoch regelrecht abgestoßen hat, war neben ihrem Verhalten ihre Ausdrucksweise. Diese wirkt keineswegs gekünstelt oder falsch, doch sie beißt sich die allermeiste Zeit schlicht und ergreifend mit meinem Verständnis der Ausdrucksweise einer Studentin der Literaturwissenschaft, für die (Seite 33) Literatur mit einem magischen Zauber belegt ist, der sie mit all seiner Kraft gefangen hält. Irgendwie gehe ich davon aus, dass jemand, der gerne und viel liest, eine andere Wortwahl hat. Vielleicht liegt es auch einfach daran, dass Worte wie Miststück, Idiot, Blödmann genauso wenig zu meinem gängigen Tagesvokabular gehören, wie ich sie in dieser Fülle aus dem Mund anderer hören oder lesen möchte. Klingt weltfremd, ich weiß. Aber ich finde, dass wir eine herrliche Sprache haben, mit der wir Missfallen und negative Gefühle auch ohne derbe Wortwahl und verbale Entgleisungen zum Ausdruck bringen können. Emely benutzt die Worte außerhalb ihrer Mails jedenfalls gerne und überaus häufig, nicht nur gedanklich und nicht nur im Bezug auf Elyas. Und dafür, dass sie mit Sex nichts am Hut hat, dreht sich ihr Denken sehr viel darum. Egal ob es um die Bedürfnisse ihrer in ihren Augen zu unersättliche Mitbewohnerin Eva oder um die Baggerversuche von Elyas geht (wobei der Bagger da in meinen Augen manchmal eher einem Teelöffelchen gleicht).

Während ich neben dem verständnisvollen Lucca auch den von Emely als überheblich-arroganten, stets baggernden, ekelhaft beschriebenen Elyas fast durchgehend nett fand (allein für die Bad-Szene nach der Halloween-Party hat er etliche Sympathiepunkte bekommen), kam mir Emely selbst wie ein beleidigt-zickiger, hormongeschüttelter Teenager der schlimmsten Sorte vor. ICH scheint bei ihr von vorne bis hinten groß geschrieben zu sein. Ihre mit Füßen getretene, ach so unsterblich-unvergessene Liebe zu Elyas besteht (logischerweise größtenteils bereits durch die Erzählperspektive begründet) neben der unerschöpflichen Auflistung all seiner Fehler, seiner berechnenden Manipulationen und der stetigen Erwähnung ihrer durch ihn verursachten emotionalen Verletzungen vorwiegend daraus, ihn mies zu behandeln, damit sie sich besser fühlt. Da sie anderen nicht zuhören will, gehört Verzeihen eindeutig nicht dazu. Vergessen schon gar nicht. Kompromisse und Liebe scheinen bei ihr unvereinbar zu sein und überhaupt wirkt Emely in ihrem Egoismus eher oberflächlich verliebt (was wiederum zu dem Jugendbuchcharakter passt). Sie tut sich selbst am meisten leid. Dabei verschließt sie sich vor der Tatsache, dass ihre boshaften Erwiderungen auf eigentlich ganz harmlose Bemerkungen seinerseits ebenfalls verletzen können. Emily geht aus nichtigen Gründen in die Luft, schlägt verbal blind um sich und lediglich Elyas Ausdauer und Geduld ist es zu verdanken, dass sich die beiden näher kommen. Seinem abschätzig von ihr beurteilten großen Ego verdankt sie es im Grunde genommen, dass er ihre Sticheleien und Provokationen aushält. Er läuft ihr nach wie manch hungriger Esel seiner Möhre und ihre bissig-biestige Art und Weise (die nicht biestig-eloquent, sondern einfach eingeschnappt wirkt) sorgt dabei lediglich für schief verzogene Mundwinkel bei ihm, Grinsen und Amüsiertheit.

Ihre passiv-abweisende Angriffshaltung gibt Emely eigentlich erst auf, als Elyas seinerseits die Segel streicht. Nicht einmal als er am Ende des zweiten Bandes gleich über zwei Kapitel hinweg seine Motive und sein geplantes Handeln erläutert, kommt dieser jahrelang gehegte Abwehrmechanismus wieder hervor, dabei entspricht Elyas Geständnis genau dem, was sie ihm permanent unterstellt und er genauso vehement abgestritten hat. Ein weiteres Mal wird auf dem alles entscheidenden Missverständnis herumgeritten. Die eigentliche Motivation für die Hartnäckigkeit von Elyas wirkt dabei jedoch relativ unglaubwürdig. Neue Erkenntnisse gewinnen Bartschs LeserInnen zudem nicht. Denn im Grunde kann man das alles schon viele, viele Seiten vorher und nicht nur zwischen den Zeilen aus der Geschichte herauslesen. Immerhin kommt es bereits recht schnell zu einer, durch einen Joint (so langsam aber sicher frage ich mich, wie ich ohne so was überhaupt 45 werden konnte) initiierten, entspannten Phase und damit verbunden zu einer Aussprache bezüglich der alles verursachenden Worte. Die Versöhnung scheint bereits da so nahe, die perfekte Beziehung auch. Immerhin haben beide so viele Gemeinsamkeiten, dass es fast schon unheimlich ist.

Aber wie gesagt, sie scheint nur nahe, denn da gibt es ja Emelys ach so große Verletztheit und ihre Angst erneut dem bitterbösen, berechnend-manipulativen und selbstsüchtigen Elyas zum Opfer zu fallen. Für einen Schritt nach vorne macht Emely also munter meist gleich drei zurück, weshalb ich auch beide Bücher in einer Besprechung vorstellen möchte. Dieser Eiertanz ist nämlich die gesamte Handlung beider Bücher. Darin gehen der Selbstmordversuch einer gemeinsamen Freundin bzw. Bekannten, das Liebesglück von Alex und Sebastian, die anstehende Hochzeit von Andy und Sophie, der schwere Verkehrsunfall von Emelys Eltern und noch etliche andere Dinge (nicht in der Reihenfolge) ebenso gnadenlos unter wie die Intention der Autorin. Elyas kann tun und machen, was er will. Vermutlich könnte er die Sterne vom Himmel holen, es hätte keinen Sinn. Es wird nicht klar, warum die beiden füreinander bestimmt sind – mir jedenfalls nicht.

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Vermutlich wäre es besser gewesen, beide Bücher auf eines zusammenzukürzen und dieses auch noch auf etwa 300 Seiten zu beschränken. Denn mehr gibt die Handlung im Grunde nicht her. Wer Wert auf eine sich entwickelnde Handlung und Gefühle (außerhalb von Verletztheit und Wut) legt, sollte auf alle Fälle die Finger von beiden Büchern lassen. Wer jedoch einfach etwas zum Abschalten sucht, ist damit durchaus gut bedient. Unabhängig davon: Die 14jährige Tochter einer Bekannten war von beiden Büchern hellauf begeistert. Mich selbst hat die Geschichte von Emely und Elyas jedoch nicht entflammt, stellt sie sich doch zu einseitig und oberflächlich dar. Tödlich gelangweilt hat sie mich aber auch nicht. Dennoch überwiegen die Schwachstellen, weshalb ich beiden Büchern nur drei von fünf Punkten geben möchte.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

3. Februar 2013

KLEIN, EDWIN: DER KREBSKANDIDAT – The Cancer-Man

Filed under: Krimi/Thriller,Roman — Ati @ 18:16

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SWB-Verlag
ISBN-13: 9783942661959
ISBN-10: 3942661950
Thriller
1. Auflage 09/2012
Taschenbuch,
383 Seiten
[D] 12,50 €

Verlagsseite
Autorenseite

Kürzlich warf ein Bekannter einen Blick auf meinen SuB. Als er Der Krebskandidat entdeckte, flammte sein Interesse auf, glaubte er doch, dass es darin um den von William B. Davis in Akte X gespielten, anscheinend stets rauchumwölkten Krebskandidaten ginge. Ich habe den darauf folgenden begeisterten Ausführungen zur Filmfigur nur mit halbem Ohr gelauscht und mich stattdessen nochmals entsetzt über die Inhaltsangabe des Buches hergemacht. Obwohl ich so ziemlich alles lese, kann ich nicht behaupten, Akte-X-Fan zu sein. Einen Roman über eine Figur daraus wollte ich auch nicht unbedingt lesen. Während mein Bekannter mein mangelndes Interesse absolut nicht nachvollziehen konnte, durfte ich jedoch erleichtert aufatmen. In Edwin Kleins 2012 beim SWB-Verlag herausgegebenen Roman geht es glücklicherweise um etwas ganz anderes.

1967 wurde Klein Deutscher Juniorenmeister im Hammerwurf. In den folgenden Jahren durfte der ehemalige Leichtathlet noch mehrmals das Siegertreppchen besteigen und nahm auch an den Olympischen Spielen 1972 und 1976 teil. Nach Beendigung seiner Sportlerkarriere war er als Gymnasiallehrer tätig. Seit 1990 arbeitet er als freier Autor. Aus der Feder des 1948 bei Trier geborenen Edwin Klein, der auch unter dem Pseudonym Ed Elkin schreibt, stammen über 20 Bücher, z. T. in mehreren Auflagen und Sprachen, sowie etwa ein Dutzend Drehbuch-Exposés. Kleins Spektrum reicht von Sach- über Kinderbücher hin zu Biografien. Auch actionorientierte Polit-Thriller, angesiedelt im nationalen wie internationalen Milieu, sind dabei.

Der Krebskandidat handelt von Philipp. Der kann sich offenbar ohne medizinische Behandlungen selbst heilen. Die Pharmaindustrie interessiert sich für ihn, birgt doch Philipps genetische Veranlagung die Chance, ein Mittel gegen die todbringende Krankheit entwickeln zu können. Dadurch steht sein Leben von heute auf morgen Kopf und ihm werden verlockende Angebote gemacht. Doch bei Weitem nicht jeder sieht in der Ergründung seines Geheimnisses einen absoluten Segen. Faktisch drohen der Pharmaindustrie herbe Verluste, weil sich mit gesunden Menschen kein Geld verdienen lässt. Philipp wird zu einem Problem …

Diese spannende Grundidee offenbart sich nach einem schnellen Blick auf die Rückseite des Buches. Wer vermutet, dass sich Klein ausschließlich auf Philipp und seine wundersame Veranlagung bzw. auf die sich für ihn ergebenden Folgen konzentriert, wird schnell eines Besseren belehrt. Tatsächlich spielt er eine genauso große oder kleine Rolle wie alle anderen Charaktere, die man im Buch findet. Egal ob es sich um seine Freundin Gilla handelt, die ihn irgendwann managt, da ihm die Sache recht schnell über den Kopf wächst. Seinen Freund und Hausarzt Holger oder Gillas Ex-Freund und Computercrack Kurt. Peter Farmer, den Chef eines großen Pharmaunternehmens, dessen als Wissenschaftlerin tätige Geliebte, seinen zwielichtigen Sohn Walter, seinen profitgierigen Schwiegervater oder dessen gleichgesinnte Freunde, die im Hintergrund ähnlich Marionettenspielern die Fäden ziehen. Da gibt einen Fremdenlegionär und dessen Helfer, die sich für andere die Hände schmutzig machen. Und noch etliche weitere Charaktere, mal mehr mal weniger beleuchtet, zwischen denen der Autor munter hin und her springt.

Auch bei den Handlungsorten spart Klein nicht. Er schickt seine Figuren an verschiedene Orte in Europa, in den Vereinigten Staaten von Amerika und auf dem afrikanischen Kontinent und lässt sie eine Fülle an Dingen erleben, Aktionen planen und ausführen, verlieren und gewinnen. Die 382 Seiten sind wirklich prall gefüllt mit Erzählsträngen, die sich einander unterschiedlich temporeich nähern und wieder auseinanderdriften, ohne dass einer dieser Stränge verloren geht oder offen endet. Sie handeln auf den ersten Blick zwar durchaus von Philipp, mehr jedoch von den überaus korrupten, absolut profitgierigen, machthungrigen und erschreckend menschenverachtenden Motiven derjenigen, die an der Spitze großer Pharmaunternehmen stehen. Wer Freund oder Feind ist, erschließt sich dabei nicht gleich auf den ersten Blick.

Ein Ideenszenario ganz nach meinem Geschmack. Eigentlich. Denn tatsächlich handelt es sich bei Der Krebskandidat um ein Buch, das mir nach einem interessanten Auftakt einiges an Durchhaltevermögen abverlangte. Mehrere Male war ich kurz davor, es endgültig vor der Lektüre des letzten Kapitels beiseite zu legen. Immer wieder stolperte ich über die gleichen Schwachstellen und brauchte, was bei mir extrem lange ist, sechs Wochen, bis ich besagtes Kapitel beenden konnte. An der Grundidee lag es nicht, denn die finde ich nach wie vor spannend. An den vielen Informationen, die man im Bezug auf Krebserkrankungen und Untersuchungsmethoden ganz nebenbei erfährt, ebenso wenig. Firmenpolitische Erwägungen, Intrigen und Verwirrspiele, Anschläge und Rückschläge – all das hätte mich grundsätzlich fesseln können, wäre es denn anders beschrieben worden.

Obwohl ich nicht behaupten kann, dass mir irgendeine der Figuren absolut unwirklich vorkam, blieben mir durchweg alle fremd. Sympathie, Antipathie und so etwas wie Mitgefühl kam allenfalls ansatzmäßig auf.

Das erklärt sich nicht nur damit, dass der Autor sich diverser Klischees bedient und seine der Figuren alle hypergescheit und umfassend informiert gestaltet. Es liegt sicherlich auch daran, dass lebendige Dialoge fehlen. Zu vieles spielt sich in den Köpfen der Figuren ab. Ihre Gedankengänge wirken abgeklärt-distanziert, muten fast wie abstrakte Selbstgespräche an. Teils sind es auch Selbstgespräche, die dazu noch allzu häufig im Konjunktiv I formuliert wurden. Selten habe die Worte werde, solle, müsse oder könne in einer derartigen Fülle gelesen. Unterschiede zwischen den Figuren kann man hier kaum erkennen. Dadurch scheint die Geschichte insgesamt eher präsentiert zu werden, als sich zu entwickeln. Kommt es tatsächlich zu einem Dialog, artet dieser allzu schnell in etwas aus, dass sich am besten als Fachsimpelei beschreiben lässt. Die ist zwar durchaus interessant, wirkt jedoch trocken. Emotionen gehen auf diese Weise zudem vollkommen unter. So habe ich beispielsweise angesichts der Gefahr, in der Philipp sich im Laufe der Geschichte befindet, keine Angst bei ihm erkennen können, da er sich durchweg rational verhält. Auch Gillas Verhalten erscheint eher gewinnorientiert als andeutungsweise besorgt. Wut wird erwähnt, doch erstickt keine der Figuren daran, machen sie sich doch sofort und überaus vernunftbegabt an die Umsetzung von eventuellen Rachegelüsten.

Auch die bildhafte Beschreibung der Handlungsorte fehlt oder geht, sofern sie denn vorhanden ist, in allzu anschaulichen Ausführungen mit Sachbuchcharakter unter. Klein erwähnt viele Vorkommnisse aus dem realen Leben, verknüpft sie mit seiner Romanhandlung. Beides finde ich grundsätzlich spannend und interessant. Allerdings zog sich das Geschehen in diesem Fall stellenweise unerträglich in die Länge, gerade aufgebaute Spannung flachte schlagartig wieder ab. Letzteres auch deshalb, weil sich durch die Perspektivwechsel eine gewisse Vorhersehbarkeit einschlich.

Hinzu kommt, dass die Figuren – Philipp und Gilla sozusagen als Normalbürger, Farmer als Chef eines riesigen Konzerns, Walter als sein Handlanger oder der Fremdenlegionär der für Geld alles tut – über Ressourcen und Möglichkeiten verfügen, die sie fast auf gleicher Augenhöhe operieren lassen. Und, obwohl der eine schlauer und gewiefter ist als der andere, Fehler machen und Dinge außer Acht lassen, die ebendies in Frage stellen. Kriminelle Machenschaften werden durch Verträge ausgebremst und die wiederum durch kriminelle Machenschaften ausgehebelt. Sinn und Zweck mancher Aktion bleiben so mitunter fast auf der Strecke.

Grundsätzlich – Roman hin oder her – wirken Kleins Gedankengänge zu den profitorientierten Interessen der Pharmaindustrie im Medikamentenbereich nicht völlig unglaubwürdig. Dazu gab es in der Vergangenheit bereits zu viele entsprechende Skandale. Krankheit ist ein wesentlich lukrativeres Geschäft als Gesundheit. Allerdings wirkt der von ihm präsentierte Erzählstrang bezüglich der vordergründig angestrebten Herstellung DES MEDIKAMENTS gegen Krebs grundsätzlich ebenso wie der mehrfach im Buch angesprochene, eng gesteckte zeitliche Rahmen etwas weit hergeholt. 

Das Ende hat mich dennoch in gewisser Weise völlig überrascht, wobei ich mich hier nicht auf das letzte Kapitel im Buch beziehe. Doch insgesamt betrachtet ist die Idee des Drahtziehers hinter allem zu konstruiert-bemüht. Die Motivation ist zwar klar herausgearbeitet und angesichts des enormen Gewinns für diese Figur auch nicht gänzlich unglaubwürdig. Doch die Entwicklung beruht einerseits auf zu vielen geschickten Planungen und andererseits auf allzu passenden Zufällen. Hätte der Hausarzt nicht reagiert, wäre ein weiterer Arzt nicht in Aktion getreten. Wäre dieser nicht in Aktion getreten, hätte Philipp niemals den ersten Schritt in die Öffentlichkeit gemacht. Ohne diesen Schritt wäre aber die Folgereaktion nicht zu erwarten gewesen und so weiter. Die drahtziehende Figur im Hintergrund scheint einzig und allein einfach alles bedacht zu haben, selbst die Reaktionen von Konkurrenten. Praktischerweise denken jedoch sowieso nur amerikanische und deutsche Pharmaunternehmen ernsthaft daran, die ebenso verblüffende wie hoffnungsmachende Anomalie Philipps gewinnbringend für sich zu nutzen.

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Der Autor spannt einen detailverliebten weiten Bogen ausgehend von einer Krebsdiagnose und den daraus resultierenden Entwicklungen, über erschreckende Testreihen und gewinnbringende Falschmeldungen sowie Versuchen an Menschen bis hin zur Gier nach Macht und Reichtum, die alles überstrahlt. Das grundsätzlich interessante Ideenszenario verliert jedoch an Reiz angesichts der Gedankenfülle, die der Autor zum Ausdruck bringt. Einiges wirkt zu komprimiert. Anderes eindeutig zu ausführlich. Insgesamt nicht immer spannend, aber auch nicht durchgehend langweilig. Richtig gut gefiel mir das Buch nicht, da es mir zu viel Durchhaltevermögen abverlangt hat. Wirklich schlecht fand ich Kleins Roman jedoch keinesfalls, weshalb ich drei von fünf Punkten dafür vergeben möchte.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

2. Februar 2013

KELK, LINDSEY: GUCCI, GLAMOUR UND CHAMPAGNER

Filed under: Belletristik,Chick-Lit,Roman — Ati @ 14:56

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Originaltitel: I heart Paris
Aus dem Englischen übersetzt von
Elfriede Peschel
blanvalet Taschenbuch Verlag
ISBN-13: 9783442380176
ISBN-10: 3442380170
Chick-Lit
1. Auflage 01/2013
Taschenbuch, 384 Seiten
[D] 8,99 €

Verlagsseite

Autorenseite (englisch)

Gleich eingangs des Buches, noch bevor die eigentliche Romanhandlung beginnt, erfährt man: Angela Clark ist zurück. Dabei ahnte ich noch nicht einmal, dass sie überhaupt weg war. Aber keine Sorge, der aktuelle Roman lässt sich auch lesen, wenn man die I-heart-Reihe nicht kennt. Zum einen wird eingangs Bezug auf früheres Geschehen genommen. Zum anderen sind die einzelnen Bücher so in sich abgeschlossen, dass man sie nicht nacheinander lesen muss.

Die 1980 in England geborene Autorin und Bloggerin scheint als Kind entweder sehr wenige Bücher besessen zu haben oder aber ein Ausnahmetalent gewesen zu sein. Wie man im Buch über sie nachlesen kann, begann sie bereits mit sechs Jahren zu schreiben, und zwar nachdem sie alle Bücher in ihrem Kinderzimmer durchgelesen hatte. Dieses Erstlingswerk wurde nie veröffentlicht, weshalb sie etwas mehr als zwei Jahrzehnte später Lektorin für Kinderbücher wurde. Nach einem New York-Urlaub erschien 2009 ihr erstes Buch I heart New York bei Harpers London (Verliebt, verlobt, Versace, blanvalet 2009). Im gleichen Jahr zog Kelk auch in ihre Wahlheimat New York. Bis 2012 wurden weitere sechs Romane von ihr veröffentlicht, darunter vier um ihre Hauptfigur Angela Clark. Von diesen sind bereits zwei in deutscher Übersetzung (Chic, Charme und Chanel, blanvalet 2010, und der vor mir liegende Roman Gucci, Glamour und Champagner, blanvalet 2012) erhältlich.

Wie schon erwähnt: Angela Clark ist zurück. Noch ziert sie sich etwas, zu ihrem Freund Alex zu ziehen, aber das ändert sich im Laufe des Romans. Auch beruflich fasst sie immer mehr Fuß. Nach ihrem Los-Angeles-Trip und den damit verbundenen Turbulenzen (I heart Hollywood/Chic, Charme und Chanel) hat Angelas Junge-Engländerin-lebt-in-New-York-und-schwafelt-über-ihr-Alltagsleben-Blog Aufmerksamkeit an der richtigen Stelle erregt. Sie soll für eine renommierte Modezeitschrift über Paris zu schreiben. Praktischerweise soll Alex zeitgleich an einem Rock-Festival in Paris teilnehmen. Angela sieht sich bereits das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Denn abgesehen von ihrem Ruf als Stadt der Mode und Designershops ist Paris ja auch als Stadt der Liebe bekannt. Doch Angela wäre nicht Angela, wenn dabei alles glattgehen würde. Und so beginnt bereits einiges schief zu laufen, bevor sie überhaupt französischen Boden betritt. Abgesehen davon, dass jemand ihr berufliches Fortkommen zu sabotieren scheint, erwischt Angela fast zeitgleich mit ihrem Sinneswandel in puncto Zusammenziehen Alex mit seiner Ex bei einem scheinbar trauten tête-à-tête. Wie bereits im ersten Band der I-heart-Reihe drohen ihre Zukunftsträume sich aufzulösen.

Die Autorin lässt ihren nach wie vor leicht naiven, sympathischen, temperamentvollen Hauptcharakter selbst die Geschichte erzählen. Die anderen Figuren präsentieren sich von bodenständig normal, freundlich-fröhlich-hilfsbereit über launisch-überspannt, ignorant und/oder intrigant. Man findet schnell in die Geschichte hinein, die im Grunde genommen überall spielen könnte. Der amüsante, erfrischend-leichte Schreibstil sorgt dafür, dass Kelks LeserInnen Angela von New York nach Paris begleiten und an ihrer Seite einen kurzen, verzweifelten Abstecher nach England machen, bevor sie gedanklich nach einem zweiten, kleinen Parisaufenthalt an Angelas Seite in deren Wahlheimat New York zurückfliegen.

In durchaus bekannter, aber deswegen nicht weniger amüsanter Manier erlebt Angela dabei auch im dritten Buch wieder Hochs und Tiefs, ausgelöst durch teils sehr kreative Widersacher oder ihre eigene Fantasie. Die Autorin geht ein weiteres Mal auf etliche Markenlabel ein; vielleicht ist dies in ihrem eigenen Schuhfaible begründet, wer weiß. Wie gut, dass Angelas Freundin Jenny (die auch im ersten und zweiten Band dabei war) quasi für lau an all die teuren Sachen kommt und sie ihr auch noch großzügig überlässt. Eigentlich sollte man denken, dass Angela perfekt gekleidet ebenso munter wie unbedarft in diverse Fettnäpfchen tritt und alle teilweise heiter-überspitzt dargestellten Situationen erlebt. Doch bekanntlich kommt es ja erstens anders, als man zweitens denkt.

Natürlich lässt sich bereits früh erahnen, worauf alles hinauslaufen wird; dass es vor dem Happy End Entwicklungen geben muss, die Angela Kopfzerbrechen bereiten. Auch eine gewisse Oberflächlichkeit lässt sich schon angesichts des Titels vermuten und das eine oder andere Klischee kommt ebenfalls zum Tragen. Das tut der Geschichte jedoch wenig Abbruch, denn Hand aufs Herz, genau das erwarten Kelks LeserInnen ja irgendwie auch, nicht wahr? Schließlich muss nicht alles immer bitterernst sein.

Fazit: 04perlenpunkte.jpg

Unterhaltsam-leicht, amüsant-seicht. Der perfekte Quickie für zwischendurch garantiert ein paar entspannte Lesestunden und belustigt verzogene Mundwinkel. Ich möchte vier von fünf Punkten dafür vergeben.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

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