Die Leselustige Ati's Rezi-Seite – Buchbesprechungen, Ankündigungen, etc.

17. März 2013

ASHLEY, JENNIFER: DAS WERBEN DES LORD MACKENZIE – Highland Pleasures Band 02

Filed under: Belletristik,Buch- & Sammelreihe,Historisch,Liebe,Roman — Ati @ 19:51

347_ashley_daswerbendeslordmackenzie.jpg

Originaltitel: Lady Isabella’s Scandalous Marriage
übersetzt von Susanne Kregeloh
LYX
ISBN-13: 9783802588884
ISBN-10: 3802588886
historischer Liebesroman
1. Auflage 03/2013
Serie: Highland Pleasures
Taschenbuch, 400 Seiten
Neupreis [D] 9,99 €


Verlagsseite

Autorenseite

 

Neben historischen Liebesromanen verfasst die Autorin Jennifer Ashley unter anderem auch Urban Fantasy. Teilweise erscheinen ihre in 12 Sprachen übersetzten Bücher auch unter ihren Pseudonymen Allyson James oder Ashley Gardner.

Das Werben des Lord MacKenzie ist der erste Roman, den ich von ihr lese. Das Buch ist der zweite Band der Highland-Pleasures-Serie um die MacKenzies. Der erste Band erschien im September 2012 in deutscher Übersetzung ebenfalls bei LYX (Kein Lord wie jeder andere). Der dritte Band (Lord Camerons Versuchung) soll im August 2013 folgen. Ein Blick auf die Autorenseite wiederum verrät, dass noch sechs weitere Bände (noch nicht übersetzt) dazu erhältlich sind. Der Verlag weist darauf hin, dass die Buchreihe auch etwas für Leserinnen von Loretta Chase, Liz Carlyle oder Lisa Kleypas ist.

Doch zurück zum gerade vor mir liegenden Roman. Der wartet mit Hauptfiguren auf, die ich so nicht erwartet hätte. Da gibt es Isabella, die zuerst mit ihrer überaus überraschenden Eheschließung für Aufsehen sorgte und dann mit ihrer Trennung von ihrem Mann nachlegte. Sie offenbart sich als ernsthafte Frau, selbstbewusst. Von der oberflächlich anmutenden Hilflosigkeit, die andere weibliche Romanfiguren in diesem Genre oft anhaftet, ist hier nichts zu spüren. Mac wiederum ist kein Gentleman, wie man ihn aus anderen Romanen kennt, sondern hat einige nicht sehr liebenswerte Eigenschaften. Wie überhaupt auch die übrigen MacKenzies nicht ganz ohne sein dürften, immerhin soll auch Ian aus dem ersten Band der Reihe einen Teil seines Lebens in einer Nervenheilanstalt verbracht. Mac MacKenzie jedenfalls ist Maler, der es mit der Treue nicht so genau nimmt, seinen Freiraum schamlos ausnutzt und wesentlich mehr trinkt als ihm gut tut. Jedenfalls bis Isabella sich von ihm trennt. Die eigentliche Geschichte setzt jetzt erst an. Isabellas und Macs Wege kreuzen sich wieder und schnell wird klar, dass da noch etwas zwischen ihnen ist. Doch die gemeinsame Vergangenheit hat Isabella vorsichtig gemacht.

Eingangs der Kapitel können Ashleys LeserInnen jeweils kurz etwas aus dem früheren Leben der beiden in Form von Artikeln im Gesellschaftsteil einer Gazette aus der Sicht Dritter erfahren. Ansonsten offenbart sich das gegenwärtige Geschehen zusammen mit Rückblicken einmal aus Isabellas und dann wieder aus Macs Sicht. Die Beziehung der beiden erwacht zu neuem Leben, während man den Grund dafür erfährt, warum diese überhaupt im ersten Anlauf gescheitert ist.

Mit diesen beiden Figuren, wie auch mit den übrigen, konnte ich mich sehr schnell anfreunden. Sie wirken in die damalige Zeit passend und doch zeitlos modern. Sie sind aufgeschlossen und trotz Fehlern sympathisch. Menschlich echt versuchen sie zu retten, was zu retten ist, ohne sich ein zweites Mal die Finger zu verbrennen.

In diesem Genre scheint es nicht ohne Geheimnisse und gefährliche Situationen zu gehen. Auch Ashley bedient sich dieser Gestaltungselemente, scheint es doch jemand darauf abgesehen zu haben, Mac zu schaden. Doch speziell dieser Part scheint lediglich aus dem Bedürfnis entstanden zu sein, eine Gelegenheit für ein schnelleres Zusammenkommen von Isabella und Mac zu schaffen. Womöglich geht Ashley ja in einem weiteren Band der Reihe nochmals darauf ein, doch so wie dieser Handlungsfaden in Das Werben des Lord MacKenzie verarbeitet ist, erscheint er unbefriedigend offen oder schlicht überflüssig.

Als ich den Booklist-Kommentar zu dem Roman las (Ashley fesselt ihre Leser mit einer erotischen Geschichte voller komplexer Figuren), schwante mir Schlimmes. Denn, wie bereits in anderen Besprechungen erwähnt, sind mir in historischen Romanen erotische Andeutungen wesentlich lieber als explizite Beschreibungen. Doch obwohl Ashley tatsächlich wesentlich mehr als bloße Andeutungen in ihrer Geschichte verarbeitet, haben diese erfreulicherweise nicht störend auf mich gewirkt. So widersprüchlich sich das vielleicht auch lesen mag, sie dominieren trotz ihrer Häufigkeit den Roman glücklicherweise nicht und sind trotz aller Ausführlichkeit größtenteils wohltuend dezent.

Fazit:04aperlenpunkte.jpg

Wohltuend anders und überraschend gut empfand ich Das Werben des Lord MacKenzie. Leider war die letzte Seite viel zu schnell erreicht. Der zweite Band der Highland-Pleasures-Serie hat mir eindeutig Lust auf den Vorgänger gemacht. Und den Nachfolger werde ich mir sicherlich auch holen, da mir der flüssige, leicht lesbare Schreibstil der Autorin ebenso gefällt wie ihre ungewöhnlichen Charaktere.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

REES, ROD: DIE MISSION – Demi Monde Welt außer Kontrolle Band 01

Filed under: Roman — Schlagwörter: , , , , , , , , — Ati @ 17:37

316_rees_demimonde.jpg

Originaltitel: The Demi-Monde 01 Winter
Aus dem Englischen übersetzt von Jean-Paul Ziller
Goldmann Verlag
ISBN-13: 9783442475674
ISBN-10: 3442475678
Roman
Ausgabe 01/2013
Taschenbuch mit Klappenbroschur, 608 Seiten
Neupreis [D] 12,99 €


Verlagsseite

 

Ein Blick auf die Verlagsseite offenbart: Der Lebenslauf des Autors setzt sich abenteuerlich zusammen. In Dhaka baute er eine pharmazeutische Firma auf. In Moskau errichtete er ein Satelliten-Kommunikationsnetz. In Großbritannien designte er ein Hotel. Er reiste durch Afrika und den Mittleren Osten, durch Bangladesch und Russland. Heute lebt er mit Frau und Kindern in England und widmet sich ganz dem Schreiben. Aus seiner Feder stammt eine Romanreihe, die eine Mischung verschiedener Stilrichtungen darstellt. Science-Fiction paart sich mit Thriller. Historisches mit Okkultem. Fantasy mit Realem. Das alles dystopisch angehaucht. Nebenbei bemerkt, der zweite Teil ist bereits unter dem Titel Der Widerstand im Juli 2013 bei Goldmann angekündigt.

Obwohl mich die Inhaltsangabe sehr neugierig stimmte, begann der Auftaktroman der vierteiligen Buchreihe von Rod Rees nicht sehr vielversprechend für mich. Recht schnell legte ich das Buch zur Seite, was auch beim zweiten und dritten Versuch der Fall war.

In Die Mission geht es um die junge Ella. Aus finanziellen Gründen geht sie darauf ein, die entführte Tochter des Präsidenten zu retten. Ellas Einsatz wird erschwert, weil Nora nach ihrer Entführung in eine gänzlich andere Welt gebracht wurde. Diese andere Welt ist im Grunde genommen ein virtuelles Experiment der Regierung. Von Wissenschaftlern geschaffen, um Soldaten möglichst realistisch auf kriegerische Ernstfälle vorzubereiten. Darin bekämpfen und hassen sich unterschiedliche Gruppen. Zeit und Raum sind ausgehebelt. Diese Grundidee ist nicht ganz neu. Sie wurde bereits in Romanen und Filmen verwendet.

Das Glossar am Ende des Buches deutet allein durch seinen Umfang an, dass Demi Monde vielschichtig sein muss. Gleich von Anfang an wird man dann auch im Roman selbst mit Informationen dazu überschwemmt. Das ist sicherlich notwendig, um Zusammenhänge zu begreifen und im Grunde entsteht so eine dicht gewobene, düster-bedrohliche Atmosphäre. Doch die Informationsfülle war mir persönlich fast zu viel, weshalb ich immer wieder unterbrechen musste.

Erschwerend kam hinzu, dass Rees wenig Begriffe erklärt und das jeweilige Suchen im Glossar sich zeitraubend umständlich entwickelte. Bestimmte Wortspielereien (unter anderem HimPerialismus, UnFunDaMentalismus, UnterWesen) störten mich zunehmend.

Und dann gab es noch unlogische Auffälligkeiten. Wenn ich davon ausgehe, dass ein virtuelles Wesen in der virtuellen Welt des 19. Jahrhunderts lebt, muss ich doch auch davon ausgehen, dass es nicht mit Begriffen aus der neueren Zeit um sich wirft, weil es sie gar nicht kennen kann. Zudem ist zwar nachvollziehbar, warum Noras virtuelle Existenz gerettet werden muss, doch entging mir völlig, wie sie überhaupt dorthin gelangt ist. Vielleicht habe ich das überlesen, vielleicht wird es erst in einem späteren Band erklärt, doch hier fehlte mir etwas. Oder nehmen wir die Wissenschaftler. Die sind so schlau, Demi Monde zu konzipieren, bauen sogar einen Schutzmechanismus ein. Doch ausgerechnet der lässt die Rassisten der virtuellen Welt rot sehen? Und während Ella, die im realen Leben eigentlich nur eine Sängerin ist, tatsächlich einiges bewirken kann, müssen die im Hinblick auf ihre Schöpfung wirklich genialen Wissenschaftler tatenlos zusehen? Dieses Konstrukt wirkt etwas zu stark an den Haaren herbeigezogen. Überhaupt: Da sind Wissenschaftler genial genug, um eine virtuelle Welt zu schaffen, die dabei helfen soll, reale Menschen zu verbessern (durch Training). Obwohl die Rüstungsmaschinerie bekanntermaßen quasi eine Gelddruckmaschine ist, sollte man doch annehmen, dass besagtes Training eher dazu genutzt wird, Frieden herbeizuführen, der nicht nur daraus besteht, dass eine Partei kapituliert, weil sie der Waffengewalt der anderen zu wenig entgegenzusetzen hat. Doch nein, es wird fleißig Krieg gespielt, geschossen und verfolgt, was das Zeug hält. Das kann man natürlich mit schriftstellerischer Freiheit erklären, doch wertet es die angebliche Genialität der Wissenschaftler in meinen Augen irgendwie ab.

Rees beschreibt in mehreren Erzählsträngen aus verschiedenen Perspektiven und mit diversen Erzählern eine düster-bedrohliche und vor allem erschreckende Welt. Vieles erfährt man aus der Sicht der weiblichen Hauptfigur. Doch auch der ständige Wechsel führte bei mir dazu, dass anfangs kein rechter Lesefluss aufkam. Erst nach etwa 150 Seiten fiel es mir zunehmend leichter, an der Geschichte dranzubleiben. Diese 150 Seiten sorgten jedoch fast dafür, dass der Roman sich zu meinem Stapel abgebrochener Bücher gesellte. Anschließend allerdings steigerte sich sowohl das Tempo als auch die Spannung etwas.

Wenn man davon einmal absieht, teilt sich Rees‘ virtuelle Welt in verschiedene  Bereiche, wovon einer stark an das Dritte Reich bzw. das Geschehen darin an die Shoah erinnert. Wie in der realen Welt sind auch die Bewohner der virtuellen Welt unterschiedlicher ethnischer, religiöser oder politischer Herkunft, womit diverse Konflikte vorprogrammiert sind. Die Bewohner von Demi Monde existieren in der Realwelt und quasi gespiegelt nach ihrer Einschleusung in der virtuellen Welt, dadurch können sie in beiden Welten sterben. Gleichzeitig gibt es in der realen Welt an sich bereits tote Diktatoren und Machthaber in Demi Monde, die danach gieren, in die reale Welt zu gelangen. Die virtuelle Welt ist so hoch entwickelt, dass sie sich zu verselbstständigen droht. Was als vielversprechendes Experiment begann, wird zur tödlichen Gefahr.

Der Rolle angepasst präsentiert Ella sich als sehr clever, was nicht immer authentisch wirkt. Statt dessen kam sie mir wie ein blutjunges MacGyverlein vor, das für alles eine Lösung weiß. Sie wirkt zu perfekt und wie soll sich jemand weiterentwickeln, der bereits so ist? Neben ihr gibt es noch andere Charaktere, die mal mehr mal weniger sympathisch, jedoch meist authentischer als Ella wirken und auch tatsächlich eine Entwicklung durchlaufen. Sie polarisieren mit ihren Grundsätzen, doch wirklich überzeugt hat mich keine der Figuren.

Allerdings muss ich insgesamt feststellen, dass dem Autor die Beschreibung seiner virtuellen Welt mit den machtpolitischen Bestrebungen der unterschiedlichen Gruppierungen gelungen ist. Das wird verstärkt, weil er auf historische Ereignisse und Personen Bezug nimmt und so vor Augen führt, zu welchem Wahnsinn Menschen fähig sind. Gewalt spielt in dem Buch eine große Rolle. Flucht ebenso. Demi Monde steckt voller Fanatiker und Rassisten aber auch Sexisten, denen jedoch erfreulicherweise auch menschliche Werte gegenüberstehen.

Fazit: 03aperlenpunkte.jpg

Ein durchwachsen-holpriger Auftakt der Demi-Monde-Reihe, die trotz nicht ganz unbekannter Grundidee und Schwächen eine nicht ganz alltägliche Geschichte bietet.  Wie in anderen Reihen auch werden Fragen aufgeworfen, ohne dass alle beantwortet werden. Die Mission ist nicht in sich abgeschlossen, sodass bereits jetzt absehbar ist, dass das Lesen der einzelnen Bände in der Reihenfolge der Erscheinung notwendig ist. Obwohl mir nicht durchweg alles logisch erschien und mich keiner der Charaktere überzeugt hat, bin ich neugierig auf den Fortgang der Geschichte. Insgesamt möchte ich der Geschichte allerdings nur schwache drei von fünf Punkten geben, da mich die Umsetzung der an sich spannenden Grundidee nicht richtig überzeugen konnte.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

6. März 2013

FARAGO, SOPHIA: DAS GEHEIMNIS VON DIGMORE PARK

Filed under: Belletristik,Historisch,Liebe,Roman — Ati @ 20:06

312_farago_dasgeheimnisvondigmorepark.jpg

DRYAS
ISBN-13: 9783940855442
ISBN-10: 3940855448
historischer Liebesroman
1. Auflage 02/2013
Taschenbuch, 380 Seiten
Neupreis: [D] 12,95 €

Verlagsseite

 

Als ich kürzlich Lynsay Sands historischen Liebesroman Liebe auf den zweiten Blick näher in Augenschein nahm, fand ich in einer Lesermeinung einen Hinweis auf die österreichische Autorin, Wirtschaftsjuristin und Unternehmensberaterin Sophia Farago. Sie schreibt Regency-Liebesromane im Stil von Georgette Heyer, weil sie sich privat sehr für englische Geschichte interessiert. Aus ihrer Feder stammen Die Braut des Herzogs, Hochzeit in St. George, Schneegestöber oder Maskerade in Rampstade, die teilweise in Bestsellerlisten ihres Heimatlandes auftauchten. Das klang gut. Und da mir weder Heyer noch Farago etwas sagte, stürzte ich mich neugierig auf ihren neuesten Roman.

Darin lockt sie ihre LeserInnen nach England in die Zeit Anfang des 19. Jahrhunderts. Dort bemüht sich nicht nur die junge Elizabeth, das Erbe ihres Bruders zusammenzuhalten. Dort sieht sich auch Frederick Dewary einem ungeheuerlichen Vorwurf ausgesetzt. Die Schwester seines Vaters ist spurlos verschwunden und es gibt Hinweise, die darauf hindeuten, dass er als Täter infrage kommt. Frederick, der sich eigentlich im Dienste seiner Majestät auf dem Festland im Kampf gegen Napoleon befindet, reist schnurstracks inkognito in seine Heimat zurück. Um nicht erkannt zu werden, verdingt er sich vorübergehend als Stallmeister bei Elizabeths Familie und versucht gleichzeitig mithilfe treuer Freunde, Licht hinter die erhobenen Vorwürfe zu bringen. Obwohl Elizabeth Frederick einstellt, ist sie ihm nicht unbedingt gewogen, da er ihre schlimmsten Seiten zum Vorschein bringt.

Was mir gleich ins Auge gestochen ist, war nicht nur das harmonische wirkende Cover (Garten mit Treppenaufgang), sondern auch die Abbildungen der Rosen an den Kapitelanfängen. Ich mag solche Details. Die Hintergrundatmosphäre (Ortsbeschreibungen, gesellschaftliche Konventionen, etc.) ist dicht gewoben, die Sprache der Zeit angepasst. Glücklicherweise hob sich Faragos Roman gleich zu Beginn von Sands eingangs erwähntem Roman ab und gestaltete sich eingangs vielversprechend.

Die Autorin bedient sich genretypischer Klischees (wobei ich Klischee jetzt nicht zwingend negativ meine). Ihre Protagonistin ist schon fast eine alte Jungfer und das Leben hat sie um ihr Debüt in London gebracht. Träume hat sie natürlich dennoch noch. Elizabeth scheint vielleicht nicht bereits mit einem ja-aber zur Welt gekommen zu sein, doch verfügt sie mittlerweile (laut Buchrückseite) über ein energisches Auftreten. Der jüngere Bruder offenbart sich als überheblich-weltfremder Träumer mit verqueren Idealen. Er hat zwar anscheinend von Nichts was mit seinen Pflichten verbunden ist so wirklich eine Ahnung, doch nimmt er sich dennoch ihm vermeintlich zustehendes Recht heraus – notfalls ist er sogar bereit, die Familie in Geldschwierigkeiten zu bringen, damit er zu seinem Wort stehen kann. Er bringt einen Freund mit nach Hause, der in argen Geldnöten und überaus manipulativ ist. Die Mutter verlässt sich voll und ganz auf ihre unverheiratete Tochter und scheint ansonsten auf den ersten Blick etwas lebensuntüchtig. Frederick Dewary wiederum ist ein Held, der tapfer für sein Vaterland einsteht und dieses vor der korsischen Bedrohung schützen will. Die Frauen in seiner Vergangenheit haben ihm übel mitgespielt, doch er ist verlobt und freut sich bereits darauf, seine Verlobte wiederzusehen. Charismatisch-verständnisvoll zeigt er sich klug und umsichtig und natürlich darauf erpicht, seinen Ruf zu retten. Daneben gibt es noch einen hilfsbereiten Geistlichen (von Elizabeths Gemeinde und Fredericks Freund aus alten Tagen), seinen ebenso hilfsbereiten Burschen und darüber hinaus noch Fredericks gierigen Cousin und dessen geheimnisvolle Frau, seinen offenbar sterbenskranken Vater und eben jene verschwundene Tante.

Klingt zunächst nicht schlecht, doch wirklich fesseln konnte mich weder die Figurenvielfalt noch das Verwirrspiel um Fredericks Tante bzw. die Aufklärung eines Falles, der im Grunde genommen keiner ist. Die Figuren sind an und für sich nicht blass skizziert, doch wirklich anfreunden konnte ich mich mit keiner. Und obwohl ich historische Liebesgeschichten in der Sittsamkeit der damaligen Zeit mag, fehlt mir hier eindeutig etwas. Allzu viel Zeit verbringen die beiden Hauptfiguren nicht miteinander. Die zuvor anscheinend so energische, patent anmutende Elizabeth mutiert zum hilflos-oberflächlichen Weibchen, sobald Frederick die Bühne betritt. Das könnte man ihr fast noch verzeihen, da die paar Male, die die beiden sich kabbeln, zunächst darauf hindeuten, dass da mehr daraus werden könnte. Doch eine wirklich gemeinsame Geschichte wirkt angesichts des zu bemühten Konstrukts um Das Geheimnis von Digmore Park stellenweise unglaubwürdig und geht auch in Teilen gnadenlos unter.

Zunächst tut sich auf Portland Manor nämlich nicht viel und ich fragte mich die ganze Zeit, wie Frederick auf diese Weise eigentlich seinen Ruf retten will. Dann muss alles schnell gehen, denn der Freund von Elizabeth‘ Bruder erpresst sie. Praktischerweise kennt er den gesuchten Frederick und setzt ihn als Druckmittel ein. Prompt reisen Elizabeth und ihre Mutter nach Digmore Park, Frederick unerkannt im Schlepptau, um selbst zur Lösung des Falles beizutragen. Die Zeit drängt ja.

Ein ganzes Bündel an Ideen bezüglich des Geheimnisses um die infamen Anschuldigungen und die Tante, die mittlerweile nicht mehr nur verschwunden ist, sondern gar ermordet wurde, wird von Farago ins Spiel gebracht. Fredericks Verlobte, sein offenbar dahinsiechender Vater und sein geldgieriger Cousin kommen ebenso in Spiel wie scheinbar unkooperative Dienstboten. Es gibt Gegenspieler, die ganz offenbar auch vor Mord nicht zurückschrecken, doch die Autorin scheint sich nicht ganz sicher zu sein, ob die denn nun wirklich böse sind oder nicht. Und angesichts des an sich ernsten Vorwurfes wirkt die fröhlich-aufgesetzte ach-ist-das-alles-spannend-Stimmung falsch. Mit einer der ins Romangeschehen genommenen Leichen stellt sich dann noch zusätzlich die Frage, wie blind alle Beteiligten der damaligen Zeit waren. Bestimmte Merkmale scheinen einfach zu augenscheinlich, als dass die Lösung so wie im Fall von Faragos Roman daherkommen kann.

Bedauerlicherweise verheddert sich die Autorin für mein Dafürhalten so in ihren Ideen, dass dieser Teil der Geschichte willkürlich zusammengestückelt und nicht einmal ansatzweise ausgereift wirkt. Die von ihr angedachte, sich aus dem Erpressungsversuch ergebende Zeitnot, scheint sie dabei auch wieder vergessen zu haben. Stattdessen genießen ihre beiden Hauptfiguren doch noch Stunden zu zweit. Gezwungenermaßen, aber immerhin ohne sich darum Gedanken zu machen, obwohl sie zu dem Zeitpunkt noch nichts vom Ausgang des Geschehens ahnen. Die Motivation der Initiatoren hinter dieser Aktion wirkt einfach nur bemüht. Dadurch fühlte ich mich von den ohnehin nicht allzu fesselnden Charakteren wieder entfremdet.

Fazit: 02aperlenpunkte.jpg

Positiv sind die dichte Hintergrundatmosphäre, die passende Sprache und die liebevolle Aufmachung (Rosen an Kapitelanfängen – ich mag solche Details) des Buches. Das beinhaltet eine nicht gerade ganz unbekannte aber durchaus gerne von mir gelesene Grundidee. Doch die Umsetzung derselben konnte mich nicht überzeugen. Der ansprechende Anfang erlitt einen akuten Spannungsabfall und der wiederum hielt sich tapfer bis zum Ende. Vorhersehbarkeiten schlichen sich ein und häuften sich, was für Längen sorgte. Mein Wunsch, dass sich das nochmals bessert … er war vergebens. Das Geheimnis von Digmore Park bekommt gerade noch so zwei von fünf Punkten von mir.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

COHN, RACHEL: BETA (Ananda-Serie Band 01)

cohn_beta.jpg

Originaltitel: Ananda Series 1- Beta
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Bernadette Ott
cbt
ISBN-13:
9783570161647
ISBN-10:
3570161641
Jugendbuch SciFi/Dystopie (ab 13 Jahren)
1. Auflage 02/2013
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 416 Seiten
Neupreis [D] 17,99 €

Verlagsseite
Autorenseite

 

Nach etlichen Sachbüchern möchte ich mich heute wieder einem Roman zuwenden -dem dystopisch angehauchten Jugendroman Beta von Rachel Cohn, der den Auftakt der Ananda-Serie darstellt. Wie viele Bücher es genau werden, weiß ich derzeit noch nicht, allerdings habe ich irgendwo etwas von vier Büchern gelesen. Die 1968 in Maryland geborene Rachel Cohn verfasst normalerweise zusammen mit David Levithan warmherzige Erzählungen für Jugendliche und wurde diesbezüglich etwa für Nick & Norah – Soundtrack einer Nacht für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Mit der 2012 erschienenen Originalausgabe von Beta geht sie also in eine ganz andere Richtung.

Ananda kannte ich bisher aus dem Sanskrit. Es bedeutet übersetzt etwa die Abwesenheit von Unglück. Im Umkehrschluss also Glück. Das lässt mich für Elysia hoffen. Die kommt nämlich als Teenager-Klon zur Welt, noch dazu in einer Beta-Ausführung. Glück ist also nicht unbedingt für sie vorherbestimmt. Dennoch geht es ihr anfangs auch nicht schlecht. Kurz nach ihrer Geburt wird sie, obwohl sie eine ungetestete Beta-Version ist, verkauft. Sie muss in einer traumhaften paradiesisch-perfekten Inselkulisse zwar nicht im eigentlichen Sinn arbeiten, aber als  Gesellschafterin ihrer Mutter und Gespielin ihrer Geschwister dienen und gefallen.

Dass die Realität anders aussieht, merken neben Elysia auch Cohns LeserInnen schnell. Bereits der erste Satz (auf den ich normalerweise wenig gebe) – Sie will mich kaufen – zog mich in seinen Bann. Und die Autorin schaffte es durch das ganze Buch hindurch, meine dadurch erwachte Neugier aufrecht zu halten. Mit ihrem Verkauf steht Elysia über den niederen Dienstboten-, Handwerker- oder sonstigen Arbeiterklonen. Dennoch ist sie weit weniger wert als ein Mensch.

Das Ganze spielt in der Zukunft auf der Erde, die allerdings trotz einiger Ähnlichkeiten ein wenig verändert ist. Eine große Flut und Wasserkriege haben ihr Antlitz verwandelt, die Technik ist (man sieht es bereits an den Klonen) weit fortgeschritten. Die Menschen sind teils genetisch optimiert und haben Cyborg-Eigenschaften – einen Relay-Screen unter der Haut des Unterarms, der telekommunikativen Zwecken dient und Smartphones, Tablets und Konsorten ersetzt. Da die Klone sehr menschlich wirken, werden sie durch Tätowierungen an der Schläfe und fuchsiafarbene Augen gekennzeichnet, darüber hinaus wird ihnen ein Ortungs- und Datenchip eingepflanzt.

Das Cover (das von cbt zeigt ein anderes Gesicht als das amerikanische Original, ist ansonsten jedoch gleich) passt also sehr gut, deutet es doch in seiner sanft wirkenden Ausführung auf die durch Manipulation entstandenen paradiesisch-schönen Eindrücke hin, die einem im Buch erwarten, und lässt durch den direkten Blick doch anklingen, dass Elysia nicht so seelenlos ist, wie sie sein soll.

Demesne, der Haupthandlungsort im ersten Band der Ananda-Serie, ist eine Insel. Die Luft wird mit speziellen Filtern gereinigt, das Meer darum herum ist verändert und wirkt wie ein Jungbrunnen. Sogar Haie sind so modifiziert, dass man sie als Streicheltiere benutzen kann. Auch die dort lebenden Menschen sind auf den ersten Blick perfekt, immerhin sorgt das Meerwasser dafür, dass sich Alterserscheinungen oder Folgen von Fehlernährung etwas abmildern lassen. Immenser Reichtum hat dieses Inselparadies geschaffen. Es gibt noch ein paar kleinere Atolle um Demesne, bevor die raue Wirklichkeit in Form eines unberechenbaren Meeres beginnt. Doch sieht man von kleineren Abstechern auf besagte Atolle ab, wird die übrige Welt außerhalb Demesnes in Beta nur erwähnt.

Irgendwo habe ich einmal gelesen, dass das Paradies zu existieren aufhört, wenn Menschen es betreten. Und das wird in Beta vollumfänglich bestätigt. Die Menschen, die nach Demesne kommen, sind reich. Alle anderen haben dort eigentlich nichts zu suchen. Die wenigen menschlichen Diener, die anfangs in das Ferienparadies mitgebracht wurden, erlagen bald der perfekten Schönheit der Insel. Das daraus entstehende Dolce-far-niente-Verlangen war den reichen Grundstücksbesitzern ein Dorn im Auge, weshalb sie auf die Erschaffung und den Erwerb von Klonen auswichen. Mit diesen können sie nach eigenem Gutdünken verfahren und sie straffrei töten, wenn es ihnen in den Sinn kommt. Defekte Klone müssen auf eine Krankenstation, wo sie vor ihrer Eliminierung noch maßlos gequält werden. Ein Defekt wäre etwa eine eigene Meinung, Aufbegehren. Das weiß Elysia allerdings noch nicht, als sie gleich eingangs ein erschreckendes Erlebnis auf der Krankenstation hat, die unmittelbar neben ihrer Geburtsabteilung liegt.

Das Paradies hat also einen hohen Preis. Unwillkürlich kommt die bedrückende Frage auf, wo das menschliche Grundmaterial für die Klone herkommt. Ob alle Verstorbenen eines natürlichen oder eines überraschenden Unfalltodes gestorben sind. Oder ob Menschen gezielt ausgesucht und ausgeschaltet wurden, weil sie vielleicht gut aussahen, jemandem im Weg waren oder als Andersdenkende gefährlich werden konnten. Oder weil sie arm sind. Manche verkaufen ihre Körper auch, damit das Überleben ihrer Familie gesichert ist.

Vordergründig geht es um das Erkennen Elysias. Dass Fehler und Schwächen von Klonen anders bewertet werden, als bei Menschen. Dass wenn zwei das Gleiche tun, es noch lange nicht dasselbe ist. Dass ständig ein tödliches Damoklesschwert über den Klonen schwebt. Aber auch, dass andere Klone und sogar Menschen an dem auf der Insel vorherrschenden Prinzip zweifeln und dagegen ankämpfen. Ausgelöst wird dies durch Erinnerungen ihrer First – also des Teenagers, der zuvor im Grunde genommen sterben musste, damit sie einen Körper hat. Etwas was es gar nicht geben dürfte also, denn Erinnerungen sind genauso wie Gefühle unmöglich. Ein Klon hat ohne nachzudenken oder zu werten das zu tun, was von ihm verlangt wird und sonst nichts.

Genau wie in Spielbergs AI – Künstliche Intelligenz aus dem Jahr 2001 wird die Geschichte aus der Sicht des Klons erzählt. Das geschieht jedoch nicht melodramatisch verkitscht. Im Buch kommt Elysia selbst zu Wort. Und so erfahren Cohns LeserInnen quasi aus erster Hand, was schief laufen kann und welche emotionalen Folgen es für einen Klon hat, der erkennt, dass er ganz offensichtlich defekt ist und trotzdem überleben möchte. Und damit noch nicht einmal alleine ist.

Die Autorin gestaltet die noch unproblematische Zeit nach Elysias Geburt interessant und humorvoll. Das Entdecken der Insel genauso wie das Ausbauen der auf ihrem Chip vorprogrammierten aber sehr beschränkten Wissensdatenbank. Schnörkellos geht die Autorin darauf ein, dass ein Klon keine Gefühle haben darf, seinem Besitzer gegenüber jedoch solche durchaus durch Gestik, Mimik und Worte auszudrücken lernen muss. Eine klitzekleine Schwäche gibt es dabei. Der war in diversen Szenen eingangs enthalten. Da ihre Wissensdatenbank zu diesem Zeitpunkt quasi nur Grundlegendes beinhaltet hat, wirkten manche ihrer Ansichten nicht unbedingt falsch, aber auch nicht ganz richtig und irgendwie vorgegriffen. Das lässt sich nicht allein mit Elysias Andersartigkeit erklären. Und auch später gemachte Ausführungen zu hormonellen Veränderungen und ihren Folgen wirken nicht durchweg schlüssig. Allerdings hilft der leicht lesbare Schreibstil über diese kleinen Schwächen hinweg. Auch die kurz gehaltenen Kapitel sorgten dafür, dass ich förmlich durch die Seiten flog.

Nicht alle Charaktere, die mir darin begegneten, waren liebenswert. Eigentlich sympathische Figuren wurden plötzlich unberechenbar. Durch Elysia lernte ich kaltherzige und scheinbar allmächtige HerrenHHhmenschen und verzweifelte, macht- aber nicht zwingend mutlose Klone kennen. Unerbittliche Eltern, aber auch solche, die alles für ihr Kind tun wollten und sich dafür sogar selbst betrogen. Jugendliche, die der perfekten Langeweile auf Demesne entkommen wollten. Kinder, die in ihrer Gefühlswelt keinen Unterschied zwischen Klonen und Menschen machten. Figuren also, die menschlich-authentisch wirken und mit real anmutenden Problemen kämpfen. Egoismus, Ehebruch, Missbrauch, Drogenkonsum, Notwehr und Mord, unerwiderte Gefühle,  schmerzhafte Verluste und scheinbar aussichtsloser Widerstand sind nur einige davon. Dennoch spielt Gewalt, obwohl sie latent in allerlei Variationen durchschimmert, eine untergeordnete Rolle in Cohns Roman. Elysia, die anfangs in ihrer Lernphase noch zerbrechlich und naiv wirkt, lernt schnell dazu. Und noch bevor der erste Band zu Ende ist, trifft sie aus Verzweiflung eine Entscheidung, die sie in Lebensgefahr bringt.

Fazit: 05aperlenpunkte.jpg

Beta als Figur und als Roman ist nicht vollkommen perfekt. Manchmal agieren die Figuren nicht ganz nachvollziehbar, manches war vorhersehbar. Die überraschende Wende am Schluss erschwert aber die Wartezeit auf den Folgeband. Insgesamt hebt sich Cohns Auftaktband für mich eindeutig aus der Masse sonstiger Dystopien heraus. Ähnlich wie Sara Grant in ihrem Roman Neva lenkt Cohn den Blick auf kritische Probleme einer respektlosen Gesellschaft, die in ihrem Egoismus die Achtung vor Individuellem verloren hat. Ihr Roman wühlt auf, mehr als andere futuristische Dystopien, und macht nachdenklich. Dabei kommen überraschende Wendungen und auch ein dezenter Humor (der durch Elysias unschuldiges Nichtwissen entsteht) nicht zu kurz. Der Roman wird nicht durch eine reißerische, absolut entmutigende oder temporeiche Handlung getragen. Er erschüttert vielmehr durch beängstigende Andeutungen und fesselt durch eine dichte Atmosphäre. Nicht nur das jugendliche Zielpublikum, sondern auch deutlich ältere LeserInnen wie mich. Trotz kleinerer Schwächen möchte ich deshalb fünf von fünf Punkten dafür vergeben.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

28. Februar 2013

VOSSELER, NICOLE C.: IN DIESER GANZ BESONDEREN NACHT

Filed under: Roman — Schlagwörter: , , , , , , , — Ati @ 10:31

305_vosseler_indieserganzbesonderennacht_sperrebis25022012.jpg

cbj
ISBN-13: 9783570155349
ISBN-10: 357015534X
Fantasy, Jugendbuch (ab 12 Jahren)
Ausgabe 02/2013
Gebundene Ausgabe, 576 Seiten
[D] 18,99 €

Verlagsseite
Autorenseite


Laut Süddeutscher Zeitung verlieren wir uns dank den literarischen Talenten von Vosseler in Raum und Zeit. Vosseler, die 1972 in Villingen-Schwenningen geboren wurde, studierte Literaturwissenschaften und Psychologie, widmet sich heute jedoch ganz dem Schreiben. Aus ihrer Feder stammen erfolgreiche Romane wie Sterne über Sansibar oder Der Himmel über Darjeeling. Ich selbst habe beispielsweise ihr Buch Südwinde im Regal. Und seit Kurzem auch ihren Fantasy-Jugendroman In dieser ganz besonderen Nacht.

Der handelt von der 16jährigen Amber, deren Mutter den Kampf gegen einen unheilbaren Gehirntumor verloren hat. Durch eine zuvor getroffene Sorgerechtsvereinbarung soll sie künftig bei ihrem Vater leben, zu dem jedoch zuvor kein allzu enger Kontakt bestand. Ted lebt zudem nicht in Deutschland, sondern in San Francisco. Gefangen in ihrem Schmerz erkennt Amber anfangs nicht, wie sehr sich ihr Vater um sie bemüht. An der neuen Schule fühlt sie sich ebenfalls nicht wirklich wohl, obwohl sie durchaus freundlich aufgenommen wird. Einzig mit Nathaniel freundet sie sich an. Ein Obdachloser, wie sie vermutet, etwas älter als sie, der in einem leer stehenden Haus lebt. Schon bald fühlt sie sich zu ihm hingezogen und auch Nathaniel ist ihr nicht ganz abgeneigt. Dennoch bleibt er auf Distanz. Als Amber erfährt, warum das so ist, droht sie völlig zusammenzubrechen. Hat der Tod ihrer Mutter Amber um den Verstand gebracht, oder ist Nathaniel wirklich ein Geist? Noch dazu einer, in den sie sich so einfach verlieben kann?

Dass er tatsächlich nicht lebendig aber auch nicht wirklich tot ist, stellt sich bald heraus, doch wie sollen die beiden jetzt zusammenkommen? Vor allem, was für Konsequenzen können sich daraus ergeben? Diese Fragen treiben nicht nur Amber um, sondern auch ihre kleine Clique, in der jeder eine ungewöhnliche Fähigkeit besitzt. Ebenso stellt sich natürlich die Frage, warum Nathaniel überhaupt zum Geist geworden sein könnte. Die Situation spitzt sich zu, als Amber und Nathaniel eine gemeinsame Nacht verbringen, in der alles anders ist als sonst.

Die Grundidee (Beziehung zwischen Mensch und übernatürlichem Wesen) ist grundsätzlich nicht ganz neu. Doch Vosseler hat sie gut und interessant umgesetzt. Und das sowohl für das jugendliche Zielpublikum als auch für ältere LeserInnen wie mich.

Die Geschichte besteht aus drei gleichwertig zu betrachtenden Handlungssträngen. Zum einen ist da natürlich die sich anbahnende, problematische Beziehung zwischen Nathaniel und Amber. Der Zweite dreht sich um den Tod von Ambers Mutter und Ambers daraus resultierende Verzweiflung und Trauer. Im Dritten geht es um Ambers Clique, die quasi den relativ normalen Alltag beschreibt, auch wenn die einzelnen Mitglieder gar nicht so alltäglich sind. Ebenso kommt deren nicht immer einfache Vergangenheit zur Sprache. Größtenteils wird die Geschichte von Amber selbst erzählt, einige Kapitel jedoch auch von Nathaniel. Diese unterscheiden sich nicht nur die kursive Schrift gut vom Rest.

Eine Erzählung aus dieser Perspektive bietet immer den Fallstrick, dass Emotionalität recht einseitig daherkommt, da man eben nur die Seite des Erzählers wirklich betrachten kann. Hinzu kommt, dass die Autorin sehr detailverliebte Beschreibungen in die Geschichte eingearbeitet hat, die nicht wirklich zu ihrer Entwicklung beitragen. Dies trägt zu einer dichten und authentischen Hintergrundatmosphäre bei. Ungeduldige kann es jedoch stören, weil dadurch das Erzähltempo gedrosselt wird. Wer also eine schnelle Handlungsentwicklung liebt, sollte eventuell die Finger von dem Roman lassen.

Der letzte Absatz hört sich jetzt schlimmer an, als es in Wirklichkeit ist. Richtige Längen gab es nicht für mich. Vosseler hat einen Roman geschaffen, in den ich tatsächlich recht schnell eintauchen und – wie schon der Verfasser des Zitats der Süddeutschen Zeitung formuliert hat – mich in Raum und Zeit verlieren konnte. Jedenfalls größtenteils, obwohl ich weit über der anvisierten Altersgrenze liege. Das war zum Teil gerade der detailverliebten Wortmalerei geschuldet. Obgleich ich noch nie in San Francisco war, konnte ich mir beispielsweise die Straßenzüge gut vorstellen, egal ob sie nun nebelverhangen oder glasklar beschrieben wurden. Allerdings hätte die eine oder andere Kleinigkeit einmal beschrieben gereicht. Vosselers Schreibstil liest sich darüber hinaus leicht, was über besagte Wiederholungen gut hinweghilft. Ihren Schreibstil mag ich auch deshalb, weil er nicht (wie in manch anderem Jugendbuch) gewollt jugendlich-cool ist und die Dialoge lebendig wirken.

Was mir ebenfalls gut gefällt, ist der Umstand, dass das spukige Fantasyelement nicht Ambers traurige und traumatisierende Vorgeschichte erschlägt und umgekehrt. Und dass Ambers Clique trotz ihrer Andersartigkeit eher bodenständig skizziert wird. In der Clique wird zwar das Geisterthema bzw. die Auswirkungen einer Beziehung zwischen Amber und Nathaniel diskutiert, jedoch größtenteils normal und nicht wie in anderen Romanen auf eine Art und Weise, die mich schon diverse Male dazu gebracht hat, die Augen zu verdrehen. Das geschieht nämlich immer dann, wenn niemand eine Ahnung von irgendwas hat, aber sofort mit einer superschlauen, pseudowissenschaftlich wirkenden Antwort auf Fragen aufwarten kann, die gerade erst aufgekommen sind. Vosselers Charaktere sind ein sympathischer, kunterbunter Mix. Letzteres sprichwörtlich, denn einer wechselt schneller seine Haarfarbe als mache Leute ihre Socken. Ihre Wünsche und Bedürfnisse wirken echt und nachvollziehbar, ebenso die Handlungen und Reaktionen.

Das Buch hat eine melancholisch-ernsthafte Grundstimmung, die nicht nur auf Krankheit, Verlust und Trauer fußt, sondern auch auf der eigentlichen Aussichtslosigkeit der Beziehung zwischen Amber und Nathaniel. Doch gerade diese Beziehung gibt Amber auch wieder Lebensmut und Freude zurück. Oder den Mut etwas zu wagen. Lässt sie Wünsche entwickeln, die allerdings wiederum für Probleme und die Sehnsucht nach mehr sorgen. Deshalb wagt sie In dieser ganz besonderen Nacht einen Schritt, der unerwartete Konsequenzen nach sich zieht.

Besagte Konsequenzen wiederum sorgen für einen kleinen Zwiespalt bei mir. Zum einen wirken einige Passagen letztendlich zu rosarot weich gespült. Das fiel mir vielleicht deshalb besonders auf, weil Nathaniels Vergangenheit und die Schuld, die er auf sich geladen hat, vollkommen gegensätzlich beschrieben werden. Zum anderen wirken sie jedoch auch durchaus tröstlich, gerade im Bezug auf die Verluste, die Vosselers Figuren durchleben müssen.

Fazit: 04perlenpunkte.jpg

In dieser ganz besonderen Nacht hat mich nicht durch nervenzerreißende Spannung gefesselt, denn im Grunde kam die Geschichte mir trotz des traumatischen Einstiegs für Amber und des dramatischen Teils kurz vor dem Ende völlig unaufgeregt vor. Der Reiz kam für mich aus der emotionalen Grundnote und der dichten Atmosphäre. Und wurde geschürt durch den Tiefgang, den dieser Roman durchaus hat. Mit der Wendung ganz am Schluss hat mich die Autorin vollkommen überrascht, da meine eigenen Gedanken bereits in eine ganz andere Richtung gingen. Fantasievoll berührend – dafür möchte ich vier von fünf Punkten vergeben.

Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

« Newer PostsOlder Posts »

Powered by WordPress