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19. November 2012

HARTMAN, RACHEL: SERAFINA – Das Königreich der Drachen

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Originaltitel: Seraphina
aus dem Amerikanischen übersetzt von Petra Koob-Pawis
cbj
ISBN-13: 978-3570152690
ISBN-10: 3570152693
Fantasy, Jugendbuch/All-Age
1. Auflage 11/2012
Hardcover mit Schutzumschlag, 512 Seiten
[D] 17,99 €

Verlagsseite

Autorenseite (englisch) 

Mit dem im Juli 2012 bei Random House veröffentlichten Fantasy-Jugendbuch Seraphina debütierte die 1972 in Lexington, Kentucky, geborene Schriftstellerin Rachel Hartman. Zumindest im Bereich Jugendbuch/Fantasyroman, denn Comic-Fans ist sie vielleicht bereits seit Ende der 1990er-Jahre ein Begriff. Von ihr stammt die Serie um Amy Unbounded, die 1998 mit dem Ignatz Award for Best Minicomic ausgezeichnet wurde. Hartman lebt und arbeitet heute nach Aufenthalten in Chicago, Philadelphia, St. Louis, England und auch Japan in Vancouver. Nach eigenen Angaben beeinflussen Pratchett, Eliot, Wynne Jones und/oder McMaster Bujold ihre Arbeiten und zu Seraphina inspirierte die seit ihrer Kindheit Cello spielende Autorin das Renaissancelied „Mille Regretz“.  

Ihr Debütroman, der dank cbj in deutscher Übersetzung seit November 2012 auf dem Buchmarkt erhältlich ist, wurde in der Übersetzung von Seraphina zu Serafina. Auch das Cover wurde gänzlich anders gestaltet und der eine oder andere Kritiker hat sowohl daran wie auch an der Übersetzung im gesamten herumgemäkelt. An Charme verloren hat in meinen Augen jedoch weder die Hauptfigur Serafina noch die Geschichte an sich.

Serafina – Das Königreich der Drachen entführt LeserInnen in eine Welt, in der Drachen neben Menschen existieren. Dank eines Friedensvertrages sogar teils direkt unter ihnen. Allerdings nicht im Reich der Drachen in den Nordlanden, wie der Titel vermuten lässt. Die Beschreibung ihrer Welt kommt sogar relativ kurz. Man erfährt, dass sie eine Regierung haben, über großes Wissen verfügen, strikten Regeln und Vorschriften unterworfen sind. Obwohl ihnen Gefühle fremd sind, sind sie nicht per se Einzelgänger. Auch die unter den Menschen in den Südlanden lebenden, forschenden, ja teils pädagogisch tätigen Drachen nicht. Allerdings haben sie das Problem, dass sie in ihrer Menschengestalt Gefühle entwickeln. Wer die und die damit verbundenen Erinnerungen nicht freiwillig löschen lässt, wird rigide bestraft.  

Der eigentliche Handlungsort sind die Südlande. Diesen Teil der Welt beanspruchen die Menschen für sich, teilen ihn jedoch mit einigen Drachen in Menschengestalt. Eine Königin und ihr Hofstaat herrschen über die Menschen, Drachen werden größtenteils von Drachen überwacht. Das Leben dort scheint dem Mittelalter vergleichbar. Es gibt keinen modernen technischen Schnickschnack. Eine ganz eigene Welt also, die der unseren in vielen Dingen dennoch überaus vergleichbar ist. Und das bezieht sich auf das Verhältnis Mensch-Drache, das auf jede Minderheit übertragen werden könnte.  

Der vermeintliche Friede, der zwischen den beiden so ungleichen Spezies herrscht, ist brüchig bis stark gefährdet. Je näher die Feierlichkeiten zum Jubiläum des Friedensvertrages rücken, desto schlimmer wird es. LeserInnen dürfen nach dem Prolog, der sich um Serafina selbst dreht, ab dem Moment daran teilnehmen, in dem die Beisetzungsfeierlichkeiten für ein Mitglied der königlichen Familie stattfinden. Gerüchten zufolge soll ein Drache soll Prinz Rufus getötet haben. Ganz sicher ist dies jedoch nicht, denn die Söhne von St. Ogdo sind gegen den Friedensvertrag und genau wie abtrünnige Drachen auf Krieg aus. Und so kurz vor den Feierlichkeiten tut rasche Aufklärung not.  

Musik kommt in Serafina nicht zu kurz. Die Hauptfigur des Romans lebt quasi für dafür. Nicht nur im Bezug darauf beweist die Autorin, dass sie ihren Bachelortitel in Komparativer Literatur zurecht trägt. Serafina ist Halbwaise. Ihre Mutter ist bereits seit Langem tot, das Verhältnis zum Vater gespalten. Mit ihrem außergewöhnlichen Talent ist sie für den Hofkomponisten tätig und sowohl für den musikalischen Teil der Begräbnis- als auch für den der Jubiläumsfeierlichkeiten zuständig. Dabei sollte sie sich eher dezent im Hintergrund halten, angesichts des Geheimnisses, das sie hegt. Das Mädchen ist im Grunde genommen etwas, das es gar nicht geben dürfte. Sie versteht die menschliche wie auch die Sprache der Drachen, hat einen wesentlich tieferen Einblick als andere und muss dennoch zunächst hilflos verfolgen, was geschieht. Das Mädchen wird seit Längerem von Visionen heimgesucht, die ihr Leben nicht unbedingt erleichtern und die sich zunehmend als Erinnerungen herausstellen. Sie hegt einen Garten voll seltsamer Wesen und Gestalten, der anscheinend nur in ihrem Kopf existiert. Ja, Serafina ist eindeutig nicht so normal, wie es auf den ersten Blick scheint. Ihrem Onkel und Lehrer Orma kann sie sich zwar dann und wann anvertrauen, doch Verständnis findet sie bei ihm nur bedingt.  

Nach und nach erfahren die LeserInnen nicht nur, was genau es mit Serafina auf sich hat, sondern lernen ihre stärker werdende Persönlichkeit kennen. Darüber hinaus können sie verfolgen, wie sie genauso zarte wie verbotene Gefühle für den Hauptmann der Garde, Mitglied der königlichen Familie und Verlobten der Thronfolgerin, Lucian Kiggs, entwickelt. Der ermittelt in dem Mordfall an seinem Onkel und versucht mit Serafina die Intrige aufzuklären, die sie hinter dem feigen Mordanschlag vermuten. Dabei weiß er nicht, was er von Serafina halten soll und noch weniger von dem bereits erwähnten Geheimnis. Gleichzeitig spürt er, dass sie einiges verbindet.  

Hartman zeigt einmal mehr, dass man weder eine brandneue Idee noch einen bahnbrechend umwerfenden Plot braucht, um einen fesselnden Roman zu schreiben. Denn tatsächlich ist die nicht ganz unbekannte Grundidee relativ einfach gehalten. Was mir an diesem Roman so gut gefallen hat, sind die Bezüge, die die Autorin zur realen Welt darstellt. Es geht um Ablehnung, Ausgrenzung, Fremdenhass, elitäres Denken. Einsamkeit, Verständnis, Anerkennung. Aber auch um Freundschaft und Versöhnung. Sie mischt Fantasy, Märchen und Fabeln mit dem normalen Leben. Überaus geschickt zeichnet sie dabei auch ihre Figuren wohltuend normal. Ohne exorbitante Fähigkeiten meistern sie ihr Schicksal und haben dabei Probleme, Ängste, Sorgen und Hoffnungen wie wir. Fehler und Denkweisen entstehen teils aus Erfahrungen und die sind nicht immer schön. Die Neugier auf die jeweils andere Spezies, die Angst vor dem eigentlich trotz seiner Allgegenwärtigkeit vorhandenen Unbekannten, all das wird schlüssig verwoben und schafft eine dichte und authentische Atmosphäre.  

Was etwas behutsam beginnt, offenbart sich sukzessive und immer klarer erkennbar als eine Geschichte, die aktuelle wie historische und rein fiktive Elemente verbindet. Das alles in einer Welt, in der die Monster äußerlich nicht immer zwingend monströs sind. In einer fantastischen Welt, der jedoch die Bezüge zum Jetzt und Heute nicht fehlen. Und mit Charakteren, zu denen man leichten Zugang findet. Nicht nur im Bezug auf Serafina, die trotz ihrer Andersartigkeit liebenswert ist und mit ihrer Intelligenz und ihrem bisweilen schnellen Mundwerk lebendig wirkt. Sie erzählt Serafina – Das Königreich der Drachen im übrigen und haucht auch den übrigen Figuren, wie etwa Prinz Lucian, der Thronfolgerin, dem Hofkomponisten oder auch Orma Leben ein. Beschreibt sie teils sympathisch und liebenswert, teils genau gegenteilig.  

Der Zauber der Geschichte entfaltet sich trotz des variierenden Erzähltempos recht schnell. Mehrmals nimmt die Autorin das Tempo etwas zurück, widmet sich genaueren Erklärungen, und steigert es anschließend wieder. Vieles wird in Form von lebendigen Dialogen erklärt. Mal wirft man einen Blick in die Vergangenheit, mal in die Zukunft, mal weilt man damit in der Gegenwart. Immer hat es die Autorin geschafft, die Handlungsfäden schlüssig zu verknüpfen. Auch dies trägt dazu bei, die Atmosphäre lebensecht zu gestalten. Mehr als einmal lenkt Hartman ihre LeserInnen unauffällig von dem Pfad ab, den ihre Figuren doch eigentlich ganz gradlinig beschreiten; führt gedanklich in die Irre oder bestätigt, dass man zuvor eher auf dem Irrweg war.  

Fazit: Der angenehme Sprachstil und einige humorvolle Sequenzen helfen über kleinere Längen hinweg, in denen Hartman zu sehr auf das Thema Musik eingeht. Trotz des mehr oder wenigen offenen Endes verliert sich kein Handlungsfaden unangenehm im Nichts. Sehr praktisch sind das Glossar und das Personenverzeichnis ganz hinten im Buch. Dort habe ich auch den Hinweis gefunden, dass es weitere Bände geben soll. Und auf die warte ich überaus gespannt, nachdem ich für Hartmans gelungenen Auftaktroman Serafina – Das Königreich der Drachen vier von fünf Punkten geben möchte.  

Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

2 Comments »

  1. Der Roman plätschert vor sich hin und ist streckenweise auch langweilig. Wirklich spannend ist das Buch nicht, denn der Autorin ist es nicht gelungen den Leser zu fesseln. Bleibt zu hoffen, dass der nächste Teil spannender wird.

    Kommentar by Michael Petrikowski — 10. Januar 2013 @ 22:29

  2. Echt? Mir kam das gar nicht so plätschernd vor :-). Die kleineren Längen ja, wenn es zu sehr um Musik geht. Ansonsten hat mir das Buch aber gut gefallen.

    Kommentar by Ati — 11. Januar 2013 @ 11:26

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