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20. November 2012

CARLOTTO, MASSIMO: DER FLÜCHTLING

Filed under: Erfahrungen/Biografien,Roman — Ati @ 17:37

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Originaltitel: Il fuggiasco
aus dem Italienischen übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel
Tropen bei Klett-Cotta
ISBN13: 9783608502053
ISBN10: 360850205X
Autobiografischer Roman
1. Auflage 07/2010
Hardcover mit Schutzumschlag, 184 Seiten
[D] 18,95

Verlagsseite

Autorenseite (italienisch)  

Seine Genre sind Thriller und Krimis in denen es um die Mafia, die korrupte Gesellschaft, bestechliche Politiker, das Militär, um Skandale geht, die einen nicht einfach so kalt lassen können, weil sie zu viele reale Bezüge enthalten. Seit seinem Debütroman Il fuggiasco verfasste er etwa 20 Romane, die übersetzten tragen Titel wie Tödlicher Staub, Wo die Zitronen blühen, Banditenliebe oder auch Die dunkle Unermesslichkeit des Todes

In seinem autobiografischen (Debüt-)Roman erzählt Massimo Carlotto jedoch seine Geschichte, die ihren Anfang 1976 nahm. Damals meldete der linksradikal eingestellte 19jährige Massimo Carlotto den Mord einer Kommilitonin, wurde festgenommen, wegen Mordes angeklagt. Über ein Jahr später wurde er zunächst freigesprochen, dann zu 18 Jahren verurteilt, sein Revisionsantrag 1982 abgelehnt. Carlotto gelang die Flucht, die ihn über Paris nach Mexico führte. Drei Jahre später kam er erneut ins Gefängnis. Bevor seine Begnadigung im Jahr 1993 aufgrund einer Gesetzesänderung aus Mangel an Beweisen erfolgte, musste Carlotto lernen zu überleben. Unter politisch Verfolgten ebenso wie unter Schwerverbrechern. Heute zählt der 1956 in Padua geborene Carlotto zu den erfolgreichsten Krimiautoren Italiens.  

Doch zurück zu Der Flüchtling, der im Original bereits 1994 erschienen ist und dazu beigetragen haben dürfte, dass der Autor nach 17 Jahren im Exil und den Fängen der Justiz auch über die Grenzen Italiens und diverser Organisationen hinaus bekannt ist. Der Roman beginnt nach seiner Abschiebung aus Mexico und der erneuten Festnahme in Italien. Das Buch lag bedauerlicherweise länger auf meinem SuB. Nicht wirklich ungelesen, aber unbesprochen, weshalb ich es am vergangenen Wochenende ein zweites Mal in Angriff nahm. Gleich vorab: Die Wirkung ist die gleiche geblieben. 

Wer erwartet, Genaueres über den Mordfall zu lesen oder denkt, dass Carlotto nur mit der italienischen Justiz abrechnen will, liegt falsch. Stattdessen erfährt man von seinem jahrelangen Untertauchen, der Angst vor Verfolgung, daraus resultierender Panik, Todesangst, schweren gesundheitlichen Folgen.  

Die Flucht und das Untertauchen – beides ist nur durch Helfershelfer möglich und man kann Carlotto einerseits getrost beglückwünschen, dass er darauf zurückgreifen konnte. Ich wüsste ehrlich gesagt nicht, wohin ich mich im Fall der Fälle so schnell und sicher wenden sollte. In gewisser Weise hatte er auch Glück, weil sich beispielsweise 1985 das internationale Komitee Gerechtigkeit für Massimo Carlotto gründete und in Italien, Frankreich und England aktiv um seine Freilassung bemühte oder ab 1987 auch die Internationale Liga für Menschenrechte für ihn kämpfte, indem sie eine Untersuchung des Falles einleitete und sich für eine Wiederaufnahme des Verfahrens aussprach. Andererseits half ihm das zwar insgesamt betrachtet, konnte jedoch weder die psychischen noch die physischen Folgen verhindern. Die Jahre, die ihm so genommen wurden, kann ihm niemand zurückgeben, die gemachten Erfahrungen niemand abnehmen.  

Unsentimental, geradezu nüchtern und gleichförmig distanziert berichtet der Autor von diesen Erlebnissen. Dennoch werden Verzweiflung und Verfolgungswahn deutlich, fordern zunehmend Raum. Obwohl er unter falschem Namen mit falscher Identität leben kann und dabei durchaus kein vollkommen isoliertes Dasein in einem abgeschlossenen Raum fristet, befindet sich der Autor doch in keiner Gemeinschaft, fühlt sich alleine. Niemand kann den Druck abfedern, der auf ihm lastet und der plötzlichen Entwurzelung geschuldet ist. Der durch falsche Identitäten ebenso wächst wie durch das Fehlen eines sicheren sozialen Milieus. Da hilft es auch nichts, dass seine Familie ihn finanziell in der Fremde unterstützt. Aus Angst vor Entdeckung führt ihn seine Flucht von Paris nach Mexico. Was in Paris zunächst noch recht gut funktioniert, kann in Mexico nicht gut gehen. Dort wird nicht nur der Kontakt zu seiner Familie zunehmend schwieriger bis unmöglich. Zu katastrophal ist auch das damalige Leben dort. Dennoch überlegt Carlotto, ob er die mexikanische Staatsbürgerschaft annimmt. Dazu braucht er jedoch Hilfe. Er vertraut sich dem Falschen an. Der nimmt ihn nicht nur nach Strich und Faden aus, sondern verrät ihn zudem an die dortigen Behörden. Prompt wird Carlotto nach Italien abgeschoben.  

Paranoia ist ein Gefühl, das entsteht, wenn wir uns verfolgt fühlen. Es ist keine Paranoia mehr, wenn wir denn tatsächlich verfolgt werden und so scheint der Begriff im Bezug auf den Autoren eindeutig falsch gewählt. Doch ohne dass Carlotto etwas davon ahnt, ist der Haftbefehl gegen ihn auf wundersame Weise verloren gegangen. Niemand sucht nach ihm. Und nur, weil er sich nach seiner Abschiebung bei der Ankunft in Italien selbst stellt, wird er wieder fest genommen.  

Es folgen nicht nur für ihn nervenaufreibende Jahre, in denen sein Fall wiederbelebt wird und gleichzeitig unendlich scheint. Carlotto droht zwischen den Mühlrädern der Justiz zerrieben zu werden. Hängt hoffnungslos zwischen Verfahren, Urteilen, Folgeprozessen, Gefängnis und Haftverschonung, ohne dass die Aussicht besteht, dass alles irgendwann einmal ein Ende hat. Ein Gnadengesuch könnte ihm helfen. Allerdings stellt sich die Frage, wie er bereuen soll, was er nicht getan hat. Um es selbst stellen zu können, müsste er jedoch Reue zeigen. All das fordert nicht nur in zunehmenden gesundheitlichen Beschwerden Tribut, sondern lässt auch Suizidgedanken in ihm aufkeimen. Erst ein entsprechendes Gesuch seiner Eltern sorgt letztlich für seine Begnadigung, nachdem die italienische Gerichtsbarkeit auch auf zunehmenden öffentlichen, teils internationalen Druck nicht bereit war, einzulenken.  

In diesem autobiografischen Roman geht es wie eingangs erwähnt, weniger um die juristische Aufarbeitung und Abrechnung mit der Justiz. Die gefühlsmäßigen Folgen der Flucht, des Untertauchens, der elf teils selbst initiierten Prozesse und der Gefängnisaufenthalte stehen im Vordergrund. Zwar wird sehr deutlich, wie die Justiz gegen rechtsstaatliche Denkweisen verstößt. Doch noch viel klarer kristallisieren sich die Folgen aus der eigentlich an sich unspektakulären Tatsache heraus, dass der Autor zur falschen Zeit am falschen Ort war. Die daraus entstehende alltägliche und sich über viele Jahre hinziehende Tortur füllt die Seiten des 184 Seiten starken Hardcoverbuches sehr nachdrücklich. Bildhaft und erschütternd lässt Carlotto seine LeserInnen daran teilhaben, hebt das Unerträgliche daran gerade durch seinen distanzierten Sprachstil hervor.  

Fazit: Obwohl flüssig geschrieben, lässt sich Der Flüchtling nicht einfach so nebenbei lesen. Dazu erschüttert die Thematik zu sehr. Wer leicht verdauliche Mainstream-Geschichten mag, sollte die Finger von diesem Buch lassen. Was davon der Fantasie des Autors oder der von ihm erlebten Realität geschuldet ist, weiß vermutlich nur er selbst. Mit Der Flüchtling hat er jedoch einen autobiografischen Roman geschaffen, der auch nach Beendigung der Lektüre für ein überaus unangenehmes Gefühl sorgt, den man nicht so einfach vergisst. Deshalb möchte ich dem Roman fünf von fünf Punkten geben.  

Copyright ©2012, Antje Jürgens (AJ)

 

19. November 2012

HARTMAN, RACHEL: SERAFINA – Das Königreich der Drachen

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Originaltitel: Seraphina
aus dem Amerikanischen übersetzt von Petra Koob-Pawis
cbj
ISBN-13: 978-3570152690
ISBN-10: 3570152693
Fantasy, Jugendbuch/All-Age
1. Auflage 11/2012
Hardcover mit Schutzumschlag, 512 Seiten
[D] 17,99 €

Verlagsseite

Autorenseite (englisch) 

Mit dem im Juli 2012 bei Random House veröffentlichten Fantasy-Jugendbuch Seraphina debütierte die 1972 in Lexington, Kentucky, geborene Schriftstellerin Rachel Hartman. Zumindest im Bereich Jugendbuch/Fantasyroman, denn Comic-Fans ist sie vielleicht bereits seit Ende der 1990er-Jahre ein Begriff. Von ihr stammt die Serie um Amy Unbounded, die 1998 mit dem Ignatz Award for Best Minicomic ausgezeichnet wurde. Hartman lebt und arbeitet heute nach Aufenthalten in Chicago, Philadelphia, St. Louis, England und auch Japan in Vancouver. Nach eigenen Angaben beeinflussen Pratchett, Eliot, Wynne Jones und/oder McMaster Bujold ihre Arbeiten und zu Seraphina inspirierte die seit ihrer Kindheit Cello spielende Autorin das Renaissancelied „Mille Regretz“.  

Ihr Debütroman, der dank cbj in deutscher Übersetzung seit November 2012 auf dem Buchmarkt erhältlich ist, wurde in der Übersetzung von Seraphina zu Serafina. Auch das Cover wurde gänzlich anders gestaltet und der eine oder andere Kritiker hat sowohl daran wie auch an der Übersetzung im gesamten herumgemäkelt. An Charme verloren hat in meinen Augen jedoch weder die Hauptfigur Serafina noch die Geschichte an sich.

Serafina – Das Königreich der Drachen entführt LeserInnen in eine Welt, in der Drachen neben Menschen existieren. Dank eines Friedensvertrages sogar teils direkt unter ihnen. Allerdings nicht im Reich der Drachen in den Nordlanden, wie der Titel vermuten lässt. Die Beschreibung ihrer Welt kommt sogar relativ kurz. Man erfährt, dass sie eine Regierung haben, über großes Wissen verfügen, strikten Regeln und Vorschriften unterworfen sind. Obwohl ihnen Gefühle fremd sind, sind sie nicht per se Einzelgänger. Auch die unter den Menschen in den Südlanden lebenden, forschenden, ja teils pädagogisch tätigen Drachen nicht. Allerdings haben sie das Problem, dass sie in ihrer Menschengestalt Gefühle entwickeln. Wer die und die damit verbundenen Erinnerungen nicht freiwillig löschen lässt, wird rigide bestraft.  

Der eigentliche Handlungsort sind die Südlande. Diesen Teil der Welt beanspruchen die Menschen für sich, teilen ihn jedoch mit einigen Drachen in Menschengestalt. Eine Königin und ihr Hofstaat herrschen über die Menschen, Drachen werden größtenteils von Drachen überwacht. Das Leben dort scheint dem Mittelalter vergleichbar. Es gibt keinen modernen technischen Schnickschnack. Eine ganz eigene Welt also, die der unseren in vielen Dingen dennoch überaus vergleichbar ist. Und das bezieht sich auf das Verhältnis Mensch-Drache, das auf jede Minderheit übertragen werden könnte.  

Der vermeintliche Friede, der zwischen den beiden so ungleichen Spezies herrscht, ist brüchig bis stark gefährdet. Je näher die Feierlichkeiten zum Jubiläum des Friedensvertrages rücken, desto schlimmer wird es. LeserInnen dürfen nach dem Prolog, der sich um Serafina selbst dreht, ab dem Moment daran teilnehmen, in dem die Beisetzungsfeierlichkeiten für ein Mitglied der königlichen Familie stattfinden. Gerüchten zufolge soll ein Drache soll Prinz Rufus getötet haben. Ganz sicher ist dies jedoch nicht, denn die Söhne von St. Ogdo sind gegen den Friedensvertrag und genau wie abtrünnige Drachen auf Krieg aus. Und so kurz vor den Feierlichkeiten tut rasche Aufklärung not.  

Musik kommt in Serafina nicht zu kurz. Die Hauptfigur des Romans lebt quasi für dafür. Nicht nur im Bezug darauf beweist die Autorin, dass sie ihren Bachelortitel in Komparativer Literatur zurecht trägt. Serafina ist Halbwaise. Ihre Mutter ist bereits seit Langem tot, das Verhältnis zum Vater gespalten. Mit ihrem außergewöhnlichen Talent ist sie für den Hofkomponisten tätig und sowohl für den musikalischen Teil der Begräbnis- als auch für den der Jubiläumsfeierlichkeiten zuständig. Dabei sollte sie sich eher dezent im Hintergrund halten, angesichts des Geheimnisses, das sie hegt. Das Mädchen ist im Grunde genommen etwas, das es gar nicht geben dürfte. Sie versteht die menschliche wie auch die Sprache der Drachen, hat einen wesentlich tieferen Einblick als andere und muss dennoch zunächst hilflos verfolgen, was geschieht. Das Mädchen wird seit Längerem von Visionen heimgesucht, die ihr Leben nicht unbedingt erleichtern und die sich zunehmend als Erinnerungen herausstellen. Sie hegt einen Garten voll seltsamer Wesen und Gestalten, der anscheinend nur in ihrem Kopf existiert. Ja, Serafina ist eindeutig nicht so normal, wie es auf den ersten Blick scheint. Ihrem Onkel und Lehrer Orma kann sie sich zwar dann und wann anvertrauen, doch Verständnis findet sie bei ihm nur bedingt.  

Nach und nach erfahren die LeserInnen nicht nur, was genau es mit Serafina auf sich hat, sondern lernen ihre stärker werdende Persönlichkeit kennen. Darüber hinaus können sie verfolgen, wie sie genauso zarte wie verbotene Gefühle für den Hauptmann der Garde, Mitglied der königlichen Familie und Verlobten der Thronfolgerin, Lucian Kiggs, entwickelt. Der ermittelt in dem Mordfall an seinem Onkel und versucht mit Serafina die Intrige aufzuklären, die sie hinter dem feigen Mordanschlag vermuten. Dabei weiß er nicht, was er von Serafina halten soll und noch weniger von dem bereits erwähnten Geheimnis. Gleichzeitig spürt er, dass sie einiges verbindet.  

Hartman zeigt einmal mehr, dass man weder eine brandneue Idee noch einen bahnbrechend umwerfenden Plot braucht, um einen fesselnden Roman zu schreiben. Denn tatsächlich ist die nicht ganz unbekannte Grundidee relativ einfach gehalten. Was mir an diesem Roman so gut gefallen hat, sind die Bezüge, die die Autorin zur realen Welt darstellt. Es geht um Ablehnung, Ausgrenzung, Fremdenhass, elitäres Denken. Einsamkeit, Verständnis, Anerkennung. Aber auch um Freundschaft und Versöhnung. Sie mischt Fantasy, Märchen und Fabeln mit dem normalen Leben. Überaus geschickt zeichnet sie dabei auch ihre Figuren wohltuend normal. Ohne exorbitante Fähigkeiten meistern sie ihr Schicksal und haben dabei Probleme, Ängste, Sorgen und Hoffnungen wie wir. Fehler und Denkweisen entstehen teils aus Erfahrungen und die sind nicht immer schön. Die Neugier auf die jeweils andere Spezies, die Angst vor dem eigentlich trotz seiner Allgegenwärtigkeit vorhandenen Unbekannten, all das wird schlüssig verwoben und schafft eine dichte und authentische Atmosphäre.  

Was etwas behutsam beginnt, offenbart sich sukzessive und immer klarer erkennbar als eine Geschichte, die aktuelle wie historische und rein fiktive Elemente verbindet. Das alles in einer Welt, in der die Monster äußerlich nicht immer zwingend monströs sind. In einer fantastischen Welt, der jedoch die Bezüge zum Jetzt und Heute nicht fehlen. Und mit Charakteren, zu denen man leichten Zugang findet. Nicht nur im Bezug auf Serafina, die trotz ihrer Andersartigkeit liebenswert ist und mit ihrer Intelligenz und ihrem bisweilen schnellen Mundwerk lebendig wirkt. Sie erzählt Serafina – Das Königreich der Drachen im übrigen und haucht auch den übrigen Figuren, wie etwa Prinz Lucian, der Thronfolgerin, dem Hofkomponisten oder auch Orma Leben ein. Beschreibt sie teils sympathisch und liebenswert, teils genau gegenteilig.  

Der Zauber der Geschichte entfaltet sich trotz des variierenden Erzähltempos recht schnell. Mehrmals nimmt die Autorin das Tempo etwas zurück, widmet sich genaueren Erklärungen, und steigert es anschließend wieder. Vieles wird in Form von lebendigen Dialogen erklärt. Mal wirft man einen Blick in die Vergangenheit, mal in die Zukunft, mal weilt man damit in der Gegenwart. Immer hat es die Autorin geschafft, die Handlungsfäden schlüssig zu verknüpfen. Auch dies trägt dazu bei, die Atmosphäre lebensecht zu gestalten. Mehr als einmal lenkt Hartman ihre LeserInnen unauffällig von dem Pfad ab, den ihre Figuren doch eigentlich ganz gradlinig beschreiten; führt gedanklich in die Irre oder bestätigt, dass man zuvor eher auf dem Irrweg war.  

Fazit: Der angenehme Sprachstil und einige humorvolle Sequenzen helfen über kleinere Längen hinweg, in denen Hartman zu sehr auf das Thema Musik eingeht. Trotz des mehr oder wenigen offenen Endes verliert sich kein Handlungsfaden unangenehm im Nichts. Sehr praktisch sind das Glossar und das Personenverzeichnis ganz hinten im Buch. Dort habe ich auch den Hinweis gefunden, dass es weitere Bände geben soll. Und auf die warte ich überaus gespannt, nachdem ich für Hartmans gelungenen Auftaktroman Serafina – Das Königreich der Drachen vier von fünf Punkten geben möchte.  

Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

LENOX, KIM: WENN DIE NACHT BEGINNT – Shadow Guard 01

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Originaltitel: Night falls darkly
aus dem Amerikanischen übersetzt von Michaela Link
Egmont LYX
ISBN13: 9783802586330
ISBN10: 3802586336
Fantasy
1. Auflage 11/2012
Taschenbuch mit Klappenbroschur, 352 Seiten
[D] 8,99 €

Verlagsseite
Autorenseite (englisch)

Obwohl ich gleichermaßen gerne historische wie auch Fantasy Romane lese, finden sich bis jetzt relativ wenige Romane in meinen Regalen, die beides ausgangs des 19. Jahrhunderts miteinander verknüpfen. Deshalb habe ich mich freudig auf den Auftaktroman der Shadow Guard-Reihe mit dem Untertitel Wenn die Nacht beginnt aus dem Hause Egmont LYX gestürzt.  

Die Autorin Kim Lenox entdeckte ihre Liebe zum Lesen früh und verlor sich geradezu in der Welt der Bücher. Das ging so weit, dass ihre Mutter, wie man ihrer Homepage entnehmen kann, sie eines Tages aufforderte, den Müll hinauszubringen und anschließend mit der Bemerkung nicht mehr ins Haus ließ, dass sie in die Sonne gehen und sich Freunde suchen solle, anstatt sich lesend in ihrem Zimmer zu vergraben. Dieser Aufforderung kam die Autorin in gewisser Weise nach. Ihre bibliophile Ader konnte sie jedoch niemals unterdrücken, und so zieren heute zahlreiche Bücher ihre Wohnung – egal ob sehr alt, älteren oder neueren Datums sind sie Genre übergreifend auf sämtliche Räume dort verteilt. Ihre Kinder hat sie damit auch schon angesteckt. Neben einigen anderen Dingen entdeckte sie im Laufe der Zeit auch die Liebe zum Schreiben und so erschien 2008 ihr Debütroman Night falls darkly. Zwei Folgebände vervollständigten alsbald die Trilogie um die Shadow Guards. Diese harren jedoch im Gegensatz zum Auftaktroman Wenn die Nacht beginnt noch ihrer deutschen Übersetzung.  

Im besagtem, gerade vor mir liegendem Auftaktroman geht es um Lord Archer Black, der ins London des 19. Jahrhunderts zurückkehrt. Obwohl er wie ein Mensch aussieht, ist er weit mehr als das. Er ist ein Unsterblicher. Zwei weitere seiner Art befinden sich ebenfalls in London. Alle drei sind auf den Fersen grausamer Seelen, die nicht nur Menschen töten, sondern auch eine Gefahr für die Welt der Ahnen und Unsterblichen darstellen. Neben dem unheimlichen und real bekannten Serienmörder Jack the Ripper treibt ein zweiter Serientäter sein Unwesen in London. Den im ersten Band erwähnten Shadow Guards Marcus Helios und Selene sind dann im übrigen der zweite bzw. dritte Band der Trilogie gewidmet.

Doch es geht in Shadow Guard – Wenn die Nacht beginnt natürlich nicht nur um die Jagd nach Jack the Ripper. Eine weitere Figur ist Elena Whitney, das Mündel von Lord Black. Die hat Jahre zuvor bei einem Vorfall das Gedächtnis verloren, an dem ihr Vormund nicht ganz unbeteiligt war. Elena lebt in seinem Londoner Stadthaus, arbeitet als Krankenschwester im London Hospital (und damit ganz in der Nähe des Rippers). Auf gesellschaftliches Leben lebt die junge Frau keinen allzugroßen Wert, möchte sie doch Ärztin werden. Als Elena ihren Vormund endlich persönlich kennenlernt, fühlt sie sich von ihm angezogen und er sich von ihr. Und so dreht sich neben Blacks Versuchen, den Ripper zur Strecke zu bringen, alles um die sich anbahnende Beziehung zwischen den beiden. Fatalerweise gerät Elena dadurch auch ins Visier des Mörders. 

Überrascht haben mich in gewisser Weise die einzelnen Charaktere. Vor allem Elena, die sich neben ihrer Zurückhaltung, was gesellschaftliche Belange betrifft, sehr aufgeschlossen und ihrer Zeit in gewisser Weise voraus offenbart. Das zeigt sich nicht nur darin, dass sie Lord Black recht offen signalisiert, dass sie mehr oder weniger zu allem bereit ist, was ihn betrifft. Man erlebt sie Wasserpfeife rauchend, erfährt, dass sie tätowiert ist und sich ihr sehnlichster Wunsch derart gestaltet, dass sie an der Autopsie einer männlichen Leiche teilnehmen kann (was Frauen zur damaligen Zeit eher selten bis gar nicht durften). Dabei wirkt sie jedoch nicht unglaubwürdig.  

Neben ihr kommen auch die kauzige Gesellschafterin oder ihr in sie verliebter Chef gut zur Geltung, der ihr bezüglich ihres Berufswunsches wesentlich weniger Steine in den Weg legt als ihr Vormund. Auch Selene, die im Bezug auf Bücher oder Haustiere sehr spezielle Vorlieben hegt, oder den wandlungsfähigen Marcus, der auch schon mal in Frauenkleider schlüpft, lernt man im Auftaktroman der Shadow Guard-Reihe bereits recht gut kennen. Sie alle zeigen sich mal mehr oder weniger sympathisch, mal mehr oder weniger oberflächlich. Archer Black ist eher düster und befehlend und dann wieder das genaue Gegenteil. Und obwohl er sehr um sein Mündel besorgt ist, bringt er sie selbst immer wieder in Situationen, die Elenas Ruf ruinieren können.  

Auch die Atmosphäre des damaligen Londons wirkt gelungen. Sei es bezüglich der Konventionen, der junge Frauen der Gesellschaft unterworfen waren. Oder der Zustände, mit denen die eher nicht so gut gestellten Bewohner Londons zu kämpfen hatten.  

Der Schreibstil erinnert mich an früher einmal im Monat zum Wochenendauftakt in der Badewanne verschlungene Historical-Romane aus dem Hause Cora. Die sich anbahnende Beziehung und erotischere Passagen gestalten sich passend dazu auch eher dezent. Dadurch wirken sie in meinen Augen jedoch wesentlich mehr. Ebenso dezent verhält sich der Erzählstrang um Jack the Ripper und den zweiten Serienmörder. Wer fürchtet, lesend auf wahre Blutströme und explizit beschriebene Gewaltorgien zu stoßen, braucht sich also keine Sorgen zu machen. 

Deshalb kann man recht schnell in die Geschichte eintauchen, die sowohl unterhaltende, düster-bedrückende wie auch heitere Passagen beinhaltet. Dennoch fand ich meinen Lesefluss mehrmals nicht gerade unterbrochen, aber durch die eine oder andere langatmigere oder nicht ganz nachvollziehbare Passage gestört. Lenox lenkt ihre LeserInnen auf der Suche nach dem Ripper durchaus auf kleinere Irrwege. Allerdings gestalten die sich nicht immer sonderlich spannend. Grundsätzlich interessant fand ich die Überlegungen, die Archer im Bezug auf die Motivation des Rippers anstellt. Hinter der steckt mehr als pure Mordgier oder schlichter Wahnsinn. Da sie übernatürlichen Ursprungs ist, steht weit mehr auf dem Spiel, als das Leben der im Herbst 1888 ermordeten Prostituierten. Allerdings fand ich die Ausführungen zu dem in diesem Zusammenhang erwähnten Vulkanausbruch etwas zu vage. Noch vager gestalteten sich weitere diesbezügliche Andeutungen. Da es sich bei der Shadow Guard-Reihe jedoch um eine Trilogie handelt, folgt ene befriedigerende Erklärung eventuell ja in den beiden Folgebänden.

 

Wenn man von dem in meinen Augen gut gelungenen Auftakt der ersten (Liebes-)Nacht von Elena und Archer absieht, hat mich fatalerweise gerade das Fantasyelement eher gestört als unterhalten. Nicht weil es grundsätzlich unpassend, sondern weil dieses Element viel zu spärlich ausgeführt ist. So lässt Lenox ihre LeserInnen absolut im Ungewissen, wie oder was genau Archer so ungewöhnlich macht. Man erfährt zwar beispielsweise, dass er sich unsichtbar machen und mental gewisse Dinge tun kann, doch wirklich erschöpfend ist seine Darstellung nicht. Da ist eine Andeutung, dass ihn Elenas Blut lockt, dann wiederum eine, dass er sich verwandelt, wenn er kämpft. Auch wenn er erregt ist, sieht er nicht mehr ganz so normal aus. Eine bildhaftere Beschreibung hierzu fehlt jedoch. Ebenso wird immer wieder mal angedeutet, dass ein Shadow Guard eine noch extremere Wandlung durchlaufen kann, um seinen Auftrag zu erfüllen. Das aber nur im Fall der Fälle, weil es anscheinend daraus keinen Rückweg gibt. Sieht man von diesem letzten Hinweis ab, tappt man als LeserIn jedoch völlig im Dunkeln, wie diese Verwandlung an sich überhaupt aussehen könnte. Ebenso erfährt man nichts wirklich Nennenswertes im Bezug auf Entstehung, Herkunft und Hintergrund der Unsterblichen oder der Ahnenwelt.  

Die Menschen ahnen anscheinend nichts von der Existenz der Unsterblichen, Letztere tun alles, damit das auch so bleibt. Das wird schon aus der Art und Weise klar, wie Elena ihr Gedächtnis verliert. Anscheinend habe ich deshalb geschrieben, weil es konkret dann doch jemanden gibt, der über Archer & Co. Bescheid weiß. Warum und weshalb es ausgerechnet die Königin des britischen Empires ist, erschließt sich mir nicht schlüssig. Zwar enthält ihr Treffen mit Archer eine in gewisser Weise tröstende Note im Bezug auf das Jenseits, doch erscheint dieser Handlungsfaden zu willkürlich eingewoben und lediglich dem Zweck zu dienen, Archer im Fall der Fälle aus Polizeigewahrsam zu befreien.  

Auch das Ende von Shadow Guard – Wenn die Nacht beginnt gestaltet sich irgendwie unbefriedigend, nicht wirklich überraschend und zu schönmalerisch, um wirklich zu fesseln.  

Fazit: Lord Archer konnte mich nicht in seinen Bann ziehen. Doch obwohl der Auftaktroman der Trilogie in meinen Augen eher mittelmäßig gelungen ist und sich trotz der reizvollen Grundidee nicht wirklich spannend gestaltet, haben mich die offenen Punkte neugierig gemacht. Schließlich kann dies darin begründet sein, dass die Autorin trotz der im Großen und Ganzen jeweils in sich geschlossenen Geschichten in den beiden Folgebänden nicht laufend bestimmte Erklärungen wiederholen möchte. Hinzu kommt, dass Marcus – obwohl er als Nebencharakter ausgelegt ist – interessant wirkt. Deshalb hoffe ich, dass der zweite Band nicht allzu lange auf sich warten lässt. Für Shadow Guards – Wenn die Nacht beginnt möchte ich jedoch nur drei von fünf Punkten vergeben. 

Copyright © 2012 Antje Jürgens (AJ)

17. November 2012

Faulstich, Joachim: Das Geheimnis der Heilung – Wie altes Wissen die Medizin verändert

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Joachim Faulstich: Das Geheimnis der Heilung – Wie altes Wissen die Medizin verändert

MensSana bei KNAUR
ISBN13: 9783426874837
ISBN10: 3426874830
Fachbuch Gesundheit
11/2012
Taschenbuch, 352 Seiten
[D] 10,99 €

Verlagsseite

Autorenseite

 

Nicht zum ersten Mal beschäftigt sich der 1950 geborene Autor und Journalist Joachim Faulstich mit einem Thema, das manche, streng wissenschaftsgläubig, mit einem spöttischen Lächeln gerne in die Esoterik-Ecke einsortieren, die es ihrer Ansicht nach nicht verdient hat, mit einem zweiten aufmerksamen Blick betrachtet zu werden. Faktisch tummeln sich in dieser Ecke bekanntlich viele Scharlatane, doch nicht jeder, der sich mit der Thematik beschäftigt, gehört automatisch dazu. Und so bleibt es glücklicherweise jedem selbst überlassen, wie man etwas oder jemanden sieht und beurteilt.

 

Einen kritischen Blick bewies Faulstich schon in den 1970er-Jahren, wo er unter anderem Beiträge für die Sendungen Panorama und Monitor verfasste. Gegen Ende jenes Jahrzehnts kam Faulstich erstmals in Kontakt mit Behandlungsmethoden südamerikanischer Eingeborener. Seither beschäftigt er sich mit ethnologischen und komplementärmedizinischen Fragen, wie man seiner Homepage entnehmen kann. Dass es nicht nur Kritiker für seine Arbeiten gibt, beweisen die Preise, die er dafür erhielt, u. a. 2007 den populärwissenschaftlichen „Theophrastus Paracelsus Preis für Ganzheitliche Medizin“.

 

Bereits vor zwei Jahren erschien bei Knaur die Hardcoverausgabe des jetzt als Taschenbuch herausgegebenen Titels Das Geheimnis der Heilung – Wie altes Wissen die Medizin verändert. Das Buch ist eng an die Film-Dokumentation mit dem gleichen Titel angelehnt. Vielleicht auch umgekehrt, denn ich weiß ehrlich gesagt gerade nicht, was zuerst ausgestrahlt wurde bzw. im Buchhandel erschien. Lesenswert und informativ empfand ich Das Geheimnis der Heilung – Wie altes Wissen die Medizin verändert jedoch allemal, als ich das Buch kürzlich von meinem SuB nahm und mich darin vertiefte. Darauf gekommen bin ich nach Lektüre des Buches Die Maly-Meditation von Wolfgang Maly, die in Faulstichs Buch ebenfalls erwähnt wird.

 

Ich verdanke der herkömmlichen Schulmedizin viel, doch angesichts nicht nur eigener gesundheitlicher Probleme durfte ich glücklicherweise auch die Erfahrung machen, dass sie nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Eine noch viel glücklichere Fügung offenbarte sich für mich darin, dass mittlerweile auch immer mehr Schulmediziner hierzulande über den Tellerrand sehen und Dinge ausprobieren oder zumindest mit ihrer Behandlungsweise kombinieren, gar in sie integrieren, die sie früher eher belächelt oder kategorisch abgelehnt hätten. So eine Denkweise war mir persönlich lange Zeit nur aus dem Ausland bekannt.

 

Es gehört Selbstüberwindung dazu, anzuerkennen, dass der eigene Weg zwar nicht unbedingt gänzlich falsch, aber doch ausbaufähig ist. Dass eine Zusammenarbeit wesentlich größeren Nutzen für Patienten beinhaltet. Dass Grenzen moderner Erkenntnisse durch die Wiederbelebung alten Wissens positiv verschoben werden können. Dass es wesentlich mehr gibt, als dass was man auf den ersten Blick wissenschaftlich beweisen und messen kann. Wer dies hierzulande laut ausspricht, wird jedoch, wie bereits eingangs bereits kurz angedeutet, gerne als Scharlatan oder herablassend als Spinner belächelt.

 

Dennoch gibt es sie. Nicht nur Esoteriker, Schamanen, Geistheiler haben diesen Schritt gewagt. Neben ihnen tun dies auch zunehmend Ärzte, medizinische Therapeuten und Pflegepersonal. Bei ihnen und zahlreichen Patienten hat der Autor für Das Geheimnis der Heilung – Wie altes Wissen die Medizin verändert nachgefragt. Bereits 2006 wurde eine Dokumentation von ihm produziert, die sich mit dem Thema rätselhafter Heilungserfolge beschäftigte. Faulstich hat jahrelang recherchiert, ging vielen Hinweisen nach und präsentiert in dem mir vorliegenden Buch erneut sehr anschaulich und nachvollziehbar seine Ergebnisse.

 

Egal ob es sich um Meditationen, Visualisierungen, reguläre TCM, chirurgische Eingriffe und anschließende Behandlungen durch Berührungen oder etwa auch die Wirkung von Musik geht. In seinem Buch kommen, genau wie in der oben erwähnten Dokumentation gleichen Namens, Patienten wie Behandler, die sich darauf eingelassen haben, zu Wort oder werden erwähnt. Egal ob Wissenschaftler, Ärzte, Therapeuten, Heiler oder Patienten – sie alle geben Zeugnis von einem ermutigenden Wandel im Denken, aber auch von wundersam klingenden Heilungen im Grunde aussichtsloser Fälle. Einiges davon kann schlüssig erklärt und sogar belegt werden, anderes nicht. Das setzt jedoch die Heilerfolge nicht herab.

 

Alle Fallbeispiele im Buch ziehen Nutzen aus uraltem, teils fast vergessenem und wiederbelebtem Wissen, wenngleich nicht alle Ergebnisse letztlich auf den ersten Blick absolut spektakulär sind. Dabei stürzt sich der Autor nicht auf eine Methode, um sie von allen Seiten beleuchtet, herauszustellen oder stellt die Schulmedizin ins Abseits. Letzteres verrät ja bereits der Titel. Stattdessen verweist er auf verschiedene Methoden, die letztlich eins bewirken: Das heilende Bewusstsein in Betroffenen zu wecken. Behandeln kann man auf vielfältige Art und Weise von außen. Egal ob mit esoterisch belächelten oder vielleicht auch ernst genommenen Behandlungsformen, schulmedizinischen Ansätzen, chirurgischen Eingriffen oder auch Medikamenten, egal ob kombiniert oder nicht. Heilung kommt jedoch letztlich immer von innen.

 

Fazit:

 

In seinem Buch hat Faulstich das Rad nicht neu erfunden. Die Erkenntnis und das Wissen um die Regenerations- und Heilfähigkeit unseres Körpers existiert schon lange. Doch der Autor macht nachdrücklich und gut recherchiert darauf aufmerksam, weshalb ich seinem Buch fünf von fünf Punkten geben möchte. Wer jedoch hofft, dass der erste Teil des Buchtitels wörtlich gemeint ist, sollte die Finger von dem Buch lassen. Faulstich bietet keine ultimative Behandlungsform mit Heilungserfolg per se. Er beschreibt verschiedene Behandlungsansätze, die anhand erfolgreicher Fallbeispiele belegt und durch Fachleute erklärt werden. Zumindest der Teil, der erklärt werden kann. Heilung bedeutet in gewisser Weise Arbeit – nicht nur von Seiten der Behandler, auch die Patienten selbst müssen tätig werden und zuvor eventuell zunächst ihren Horizont erweitern. Eine kleine Hilfe dazu liefert Das Das Geheimnis der Heilung – Wie altes Wissen die Medizin verändert. Praktischerweise liest sich das Buch leicht und flüssig.

 

Ich möchte es nicht nur Betroffenen ans Herz legen, die mit gesundheitlichen Problemen kämpfen und einen Weg suchen, zu gesunden. Es ist auch für Angehörige und Behandler lesenswert, da man damit einmal mehr begreifen kann, wie wichtig eine ganzheitliche Betrachtungs- und Behandlungsweise ist. Wie wichtig es ist, modernes Wissen nicht zwingend zu negieren, jedoch auch nicht als nec plus ultra zu betrachten. War es nicht Albert Einstein, der wenige Jahre vor seinem Tod 1955 gesagt haben soll, dass diejenigen sich dem Gelächter der Götter aussetzen, die als Autorität im Bezug auf Erkenntnis und Wahrheit auftreten wollen? Es ist immer gut über den eigenen Tellerrand zu sehen, den Horizont zu erweitern. Dann erfährt man, welche Kräfte eigentlich in uns wohnen und auch wie wir sie nutzen können. Und wie sehr es sich lohnt, wenn altes Wissen unserer medizinisches Wissen verändert.


Copyright © 2012 Antje Jürgens (AJ)

16. November 2012

Thanner, Alex: Weihnachten mit Mama

Filed under: Belletristik,Roman — Ati @ 15:59

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Blanvalet
ISBN13: 9783764504472
ISBN10: 376450447
Belletristik
1. Auflage, 10/2012
Hardcover mit Schutzumschlag
[D] 14,99 €


Verlagsseite

Alle, die mich kennen, wissen, dass es Geschäfte bzw. Abteilungen darin gibt, die ich zu bestimmten Zeiten regelrecht boykottiere; Weihnachts-plätzchen werden erst ab einem gewissen Zeitpunkt gebacken und überhaupt stelle ich mich der von kommerzieller Seite in meinen Augen regelmäßig viel zu früh gestarteten Weihnachtsoffensive mal tapfer, mal frustriert oder auch schon mal missmutig entgegen. Seltsamerweise kann ich Bücher, deren Inhalt von Weihnachten handelt, jedoch ganzjährig lesen. Keine Ahnung, woran das liegt, aber es ist so.  

Dieses Jahr landete Weihnachten mit Mama frühzeitig auf meinem SuB. Dort verweilte Alex Thanners Roman dann doch tatsächlich ganze vier Stunden dort, bevor ich mich damit auf mein Sofa verzog. Gleich vorab: Er war viel zu schnell ausgelesen.  

Das gemalte Cover zeigt einen schwer bepackten Mann und eine Frau, die – wenn man dem erhobenen Zeigefinger Glauben schenken darf – das Kommando führt, ein wenig weihnachtliche Deko und einen Straßenzug. Die Inhaltsangabe beginnt mit „Hilfe, es weihnachtet sehr“ und lässt bereits erkennen, dass es neben dem Thema Weihnachten an sich vor allem um eins geht: um den Wahnsinn, der für viele mit diesem Fest verbunden ist. Dem Fest der Liebe, das jedoch oftmals in Streit und Unfrieden endet, weil die Personen, die daran teilnehmen, sich sonst teils ganzjährig aus dem Weg gehen. Etwa, weil sie alte Animositäten nicht völlig ad acta legen können.  

Johannes Siebenschön, die erzählende Hauptfigur, eilt nach einem Hilferuf seines Vaters als pflichtbewusster Sohn von Münster nach München, um Weihnachten zu retten. Nicht indem er den Weihnachtsmann spielt. Doch seine Mutter, die am 24. Dezember zudem ihren 65. Geburtstag feiern möchte, steht planungstechnisch eindeutig neben sich, sein Vater rundweg hilflos daneben. Wenige Tage vor dem großen Fest, zu dem zum ersten Mal seit längerer Zeit die ganze Familie erwartet wird, ist nichts vorbereitet, dem Chaos scheint der Weg perfekt bereitet. 

Johannes tut, was er kann, und das ist einiges. Als LeserIn kann man seiner Geduld nur Respekt zollen. Als der große Tag mitsamt den geladenen Gästen da ist, geht dennoch trotzdem einiges schief. Daran sind nicht nur der überaktive Jack Russel oder die beiden Neffen von Johannes schuld, die sich unter allen Erwachsenen einfach nur langweilen und auf die Bescherung warten. Nein, vielmehr schaffen sich latent vorhandene und schwelende Zwistigkeiten Raum. Schließlich kommt es noch zu einem schrecklichen Streit, der der friedlichen Stimmung, die an einem solchen Tag herrschen sollte, den Rest zu geben scheint. Dabei sollte doch wenigstens an diesem Tag alles perfekt sein.  

Mit Wortwitz, stellenweise spöttisch, neckisch und durchaus selbstironisch, schildert Johannes seine Erlebnisse im Zuge der Vorbereitung aber auch während der Feier an Heiligabend. Er schlittert von einer niveauvoll erzählten und dennoch fast klamaukartigen Besorgung in die nächste. Beschreibt den Stress, ohne den Spaß beiseitezulassen. Egal ob es sich um die verzweifelte Suche nach dem passenden Tischtuch, dem Christbaumständer oder auch das Plätzchenbacken mit seiner Mutter handelt.  

Nicht nur Johannes selbst, sondern auch die übrigen Figuren Thanners sind herrlich menschlich dargestellt. Johannes macht sich während seiner Rettungsaktion nicht immer nur nette Gedanken um seine Familie, dennoch wird er nie bösartig. Herrlich lebendig, liebevoll und kratzbürstig, tolerant und engstirnig, edelmütig und missgünstig, so lernt man Thanners Figuren in Weihnachten mit Mama kennen. Erfährt, wie schwer es sein kann, über den eigenen Schatten zu springen oder dass man sich manchmal einfach selbst im Weg steht.  

Thanner macht es seinen LeserInnen leicht, sich in die Geschichte hineinziehen zu lassen. Man fühlt sich fast, als würde man neben Johannes stehen und gehen. Man leidet mit ihm, man lacht mit ihm. Man versteht sein Dilemma, weil er irgendwie zwischen den Stühlen sitzt und eigentlich stets um Harmonie und Friedfertigkeit bemüht ist. Die seinen Handlungen innewohnende Liebeserklärung an seine Mutter ist anrührend und lebensecht. Und sie bestätigt einmal mehr, was ich immer wieder erlebt habe. Liebe besteht aus vielen schönen Momenten, aus spaßigen, aus ernsten. Vor allem aber besteht sie trotz Fehlern, Schwächen oder auch starrköpfigem Eigensinn der Person, die man liebt.  

Fazit: Ein herrliches Buch zum Entspannen und durchaus auch zum Nachdenken. Thanners eloquent unterhaltsamer Schreibstil liest sich sehr flüssig. An zahlreichen Stellen konnte ich mir mein Lachen nicht mehr verkneifen. An anderen fühlte ich mich an meine eigene Familie und vergangene Feste erinnert. Eine wundervolle Geschichte über Familie, den ganz alltäglichen Wahnsinn und das Fest, das vielen von uns demnächst wieder bevorsteht. Perfekt um daran zu erinnern, das rechtzeitige Planung Chaos verhindert und wir uns selbst nicht immer so wichtig nehmen müssen. Schließlich haben nicht alle von uns einen Johannes, der alles wieder ins Lot bringt.  

Copyright © 2012 by Antje Jürgens (AJ)

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